Die bereits vorhandene umfangreiche Angebotspalette zur Vereinbarkeit von Familienaufgaben und Beruf wurde im aktuellen Berichtszeitraum auf einem qualitativ und quantitativ hohen Niveau weiter ausgebaut. In dem vorliegenden Bericht werden die zur Teilzeitbeschäftigung erhobenen Daten erstmals in die sogenannte reguläre Teilzeittätigkeit und in die Altersteilzeit aufgeschlüsselt. Dieses Vorgehen ermöglicht präzisere Ergebnisse gerade auch im Hinblick auf die Frauenanteile in den höheren Besoldungsund Entgeltgruppen.
Es hat sich im Berichtszeitraum bewährt, dass auch Modellvorhaben durchgeführt worden sind. So konnte im Regierungspräsidium Kassel zwischen 2001 und 2011 sowohl der stellenbezogene Anteil der Frauen erhöht als auch die Einkommensschere zwischen den männlichen Beschäftigten und den weiblichen Beschäftigten verringert werden.
Neben eindeutig positiven Ergebnissen benennt der neue Bericht aber auch Defizite, die trotz der klaren gesetzlichen Grundlagen und des Engagements der Frauenbeauftragten nicht nennenswert verringert werden konnten. Dabei handelte es sich zunächst um die nahezu unveränderte ungleiche Verteilung von Frauen und Männern in den Positionen mit Vorgesetzten- und Leitungsaufgaben. Die ausgewählten Personalstandsdaten belegen, dass Frauen in vielen Führungspositionen deutlich unterrepräsentiert sind, obwohl es noch nie so viele Frauen mit ausgezeichneten Abschlüssen und Qualifikationen gegeben hat wie zum gegenwärtigen Zeitpunkt.
Weiterer Handlungsbedarf besteht auch bei der beruflichen Entwicklung von Beschäftigten mit Familienaufgaben. Familie und Beruf sollten so miteinander vereinbart werden können, dass beiden Elternteilen eine adäquate berufliche Entwicklung möglich ist.
Der Fünfte Bericht zeigt, dass in den letzten Jahren gerade auch jüngere Männer dazu bereit sind, sich stärker Familienaufgaben zu widmen. Daher muss eine Kultur weiter ausgebaut werden, die gewährleistet, dass eine gleichberechtigte Aufteilung von Rechten, wie Elternzeit, Teilzeit oder Freistellung für Familienaufgaben, weder Frauen noch Männern zum Nachteil gereicht. Ein Umdenken in diese Richtung hat begonnen. Ein Schritt in diese Richtung dürfte sicherlich auch die Hinterfragung des sogenannten Anwesenheitsmythos sein, insbesondere bei Führungs- und Leitungsaufgaben.
Der Fünfte Bericht zeigt zweierlei prägnant auf: eine Vielzahl kontinuierlich positiver Entwicklungen und Erfolge bei der Anwendung des Hessischen Gleichberechtigungs
gesetzes und gleichzeitig bestehende Schwachstellen bei der gezielten Förderung von weiblichen Beschäftigten in Positionen mit Vorgesetzten- und Leitungsfunktionen sowie bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf für Frauen und Männer.
Er offenbart damit auch Handlungsempfehlungen für die bevorstehende Novellierung des Hessischen Gleichberechtigungsgesetzes. Insofern übernimmt er eine wichtige Kontrollfunktion. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Herr Minister. – In der Aussprache hat als Erster der Abg. René Rock das Wort, Fraktion der Freien Demokratischen Partei. Bitte sehr.
Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Wir diskutieren heute über den Fünften Bericht der Landesregierung zur Umsetzung des Hessischen Gleichberechtigungsgesetzes. Der Minister hat darauf hingewiesen, dass die Zahlen nicht ganz tagesaktuell sind. Aber ich glaube, man kann trotzdem Trends ablesen und deshalb auch an dieser Stelle eine Bewertung vornehmen.
Ich bin auch froh, wir sind uns darüber einig geworden, dass uns die Frage so wichtig ist, dass wir sie an dieser Stelle der Tagesordnung platziert haben. Das haben wir gemacht, um uns intensiv mit diesem Thema auseinanderzusetzen; denn wir werden auch Gesetzentwürfe und eine Anhörung auswerten und hier noch entsprechend Entscheidungen treffen müssen.
Deshalb möchte ich nur kurz einiges zum Inhalt des Berichts sagen; der Herr Minister ist schon sehr ausführlich darauf eingegangen. Dennoch möchte ich aus meiner Sicht das eine oder andere ergänzen.
Im Bericht wird deutlich – das ist der eine Teil –, es gibt eine positive Entwicklung. Die Ziele werden zunehmend erreicht. Wir haben die Ziele natürlich längst noch nicht erreicht, aber wir sind auf einem relativ vernünftigen Weg. Das lässt sich daran ablesen, dass die Hertie-Stiftung auch im Jahr 2012 das Zertifikat „audit berufundfamilie“ erteilt hat. Es gab also eine externe Begutachtung der Arbeit der Landesregierung, die eine positive Entwicklung festgestellt hat.
Wir stellen fest: Frauen kehren früher aus der Elternzeit zurück, da sie hier anscheinend ihren Beruf familienfreundlich weiter ausüben können, und wir haben – das ist ganz wichtig, darum sage ich es noch einmal – einen weiteren Zuwachs an Vollzeitstellen, die von Frauen besetzt werden. Das ist eine ganz wichtige Tendenz, die wir feststellen können.
Zu den Kritikpunkten, die man auf jeden Fall im Blick behalten muss und die einem leider auch ins Auge springen: In Führungspositionen sind Frauen deutlich unterrepräsentiert. Das zeigt sich insbesondere daran, dass, je höher die Besoldungsgruppe ist, umso weniger Frauen dort anzutreffen sind.
In diesem Bericht ist nachzulesen, dass Teilzeitarbeit, Telearbeit und familienbedingte Pausen nach wie vor zu schlechteren Karrierechancen führen. Auch hier besteht weiterhin Handlungsbedarf. Man sieht auch, dass das nicht an einem geringeren Interesse von Frauen an Karriere oder an Fortbildung liegt. Nein, das Gegenteil ist abzulesen. Es gibt ein großes Interesse von Frauen an beruflicher Weiterbildung, um sich einen Aufstieg zu ermöglichen. Die Fortbildungen werden überdurchschnittlich häufig von Frauen wahrgenommen.
Frauen in höheren Besoldungsgruppen und in Führungspositionen – das fand ich noch ganz interessant, darum wollte ich es hier auch noch einmal erwähnen; der Minister hat hier einen kleinen Schlenker gemacht – nehmen deutlich häufiger Teilzeitangebote in Anspruch. Das scheint ein Trend zu sein. Aber ich hoffe, dass das auch respektiert und anerkannt wird und niemandem zum Nachteil gereicht. Auch das halte ich für eine positive Entwicklung.
In der Landesverwaltung sind Frauen in den Gremien paritätisch vertreten. Ich möchte trotzdem noch auf zwei Themen hinweisen, die einem ins Auge springen und auf die man schauen sollte.
Wir haben eine Entwicklung beim Hessischen Rundfunk im Verwaltungsrat; da haben wir neun Mitglieder, davon sind zwei Frauen. Das ist eine Frau weniger. Dort hat sich das Verhältnis sogar verschlechtert. Im Rundfunkrat ist es noch deutlicher. Da sind es 30 Männer und keine Frau. Also, da sollte man weitermachen. Diese Zahlen sind schon ein bisschen älter, Herr Fraktionsvorsitzender.
Dafür kann ich nichts; die Berichte sind ein bisschen älter. Zur Verbandsversammlung des LWV steht in diesem Bericht: 59 Männer, 16 Frauen; und im Verwaltungsausschuss sind zwölf Männer, eine Frau. Das ist noch ein Punkt, der ins Auge fällt. Da sollte man auch hinsehen, und alle Fraktionen und alle, die politische Verantwortung haben, sollten da noch einmal schauen, ob diese Verhältnisse nicht anders gestaltet werden können; die Politik stellt nämlich immer hohe Forderungen auch an private Unternehmen und an die Gesellschaft. Ich glaube, da sollte man sich auch an die eigene Nase fassen. Man kann an dieser Stelle keine Fraktion ausnehmen. Aber ich dachte, solch signifikante Zahlen sollte man heute an dieser Stelle doch zumindest einmal nennen.
Das ist nun einmal so. Gesetzliche Regelungen können gesellschaftliche Einstellungen zwischen Geschlechtern und in der Gesellschaft selbst nicht ersetzen. Sie können sie gut ergänzen, und sie können natürlich auch ihren Teil dazu beitragen, gewisse Entwicklungen zu unterstützen; aber sie können sie, wie gesagt, aus meiner Sicht nicht ersetzen. Gesellschaft braucht Zeit zum Umdenken. Auch die Berichte brauchen immer eine gewisse Zeit, um erstellt zu werden, weil sie natürlich auch Entwicklungen abbilden sollen. Daher ist das ein Thema, das wir dauerhaft bearbeiten müssen.
Ich glaube, es ist unstrittig, dass zuverlässige Kinderbetreuung zu entsprechenden Zeiten geboten werden muss, dass sie sich auch näher am Arbeitsplatz orientieren muss, dass wir flexible Arbeitszeiten brauchen, dass auch die Telearbeit oder das sogenannte Homeoffice nicht dazu führen darf, dass man abgehängt wird, und dass wir hier immer noch besser werden müssen. Wir sind hier auf dem Weg. Das sollte man anerkennen. Aber wir sind natürlich noch längst nicht da, wo wir sein sollten und wo wir hoffentlich bald einmal sein werden.
Ich glaube, die Gleichberechtigung der Frauen in der Berufswelt hat einen ganz großen Verbündeten. Dieser Verbündete ist keine politische Kraft, sondern eine gesellschaftliche Entwicklung mit Chancen und Risiken, nämlich der demografische Wandel. Ich glaube, er wird die Gesellschaft, Unternehmen, aber auch Verwaltungen zwingen, immer stärker auf diese Herausforderung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf einzugehen, und die Chancen von Frauen in dem beruflichen Werdegang verbessern, weil damit die Anforderung an die Arbeitgeber und natürlich auch an die Verwaltung steigt und weil die Zwänge, qualifizierte Kräfte für verantwortungsvolle Arbeit zu finden, dazu führen werden, dass sich Dinge, die – man hört das oft – schon immer so gemacht werden, vielleicht doch ändern werden.
Natürlich wird auch der Generationenwechsel in den Führungspositionen zu viel mehr Selbstverständlichkeiten in der Einstellung gegenüber familienbedingten Herausforderungen führen. Ich glaube, auch da sind wir auf einem guten Weg.
Ich denke, wir sind mit diesem Bericht gut informiert worden. Die Zahlen sind nicht ganz aktuell. Er zeigt einen positiven Trend. Außerdem zeigt er aber auch auf, wie hoch der Handlungsbedarf noch ist. Ich möchte noch einmal anmerken: Die gesellschaftlichen Herausforderungen ersetze ich nicht durch Gesetze. Aber Gesetze können die Bewältigung dieser Herausforderung stark unterstützen. Ich glaube, da sind wir in Hessen auf dem Weg. Da können wir auch noch ein bisschen besser werden. – Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Kollege Rock. – Als Nächste hat Frau Abg. Alex für die Fraktion der Sozialdemokratischen Partei das Wort. Bitte sehr.
Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Zu wenig, zu langsam, zu zäh – es geht nicht so recht voran mit der Gleichberechtigung von Frauen und Männern im öffentlichen Dienst. In seiner engagierten Rede hat der Herr Minister eben Optimismus verströmt.
Aber wir sagen: Wenn der Anteil vollzeitbeschäftigter Frauen im öffentlichen Dienst in drei Jahren um 1,2 Prozentpunkte steigt – übrigens Prozentpunkte, das geht in dem Bericht manchmal durcheinander, aber es kann uns egal sein, wenn Sie sich hier künstlich arm oder noch ärmer rechnen; wir hoffen nur, dass der Unterschied im Finanzministerium so weit verstanden ist –,
dann kann man das bejubeln. Man kann aber auch ausrechnen, dass es dann weitere 15 Jahre dauern wird, bis die Frauen bei 50 % sind, was ihren Anteil an Beschäftigten im öffentlichen Dienst in Vollzeit betrifft.
Unbestritten eingeräumt sind im Bericht die zwei großen Baustellen, die schon genannt worden sind: Der hohe Anteil von Frauen bei Teilzeitstellen und der noch viel zu geringe Anteil von Frauen in gut bezahlten Führungspositionen. Durch Teilzeitarbeit verzichten Frauen für die Wahrnehmung vielfältiger Aufgaben in der Familie für Kinderbetreuung und – was immer mehr zu Buche schlägt – bei der Pflege kranker oder betagter Angehöriger auf Karrieremöglichkeiten.
Man sagt, es sei jetzt angestiegen, und die Landesregierung sieht da nicht mehr so stark den Zusammenhang zwischen Teilzeit und Aufstieg. Aber die Männer wissen es genau; denn wenn Sie sich einmal anschauen, dass die Frauen knapp 90 % der Teilzeitbeschäftigten stellen, dann sehen Sie – der Herr Minister hat es gesagt –: Bei der Altersteilzeit ist es anders. Da ist es nämlich pari. Das ist ganz klar: Wenn man in Altersteilzeit geht, braucht man keine Angst mehr um künftige Karrierechancen zu haben.
Deswegen kann man das auch gut in Anspruch nehmen. Männer machen es in der Regel nicht so gern, dass sie Teilzeit arbeiten. Warum auch? Sie haben weniger Möglichkeiten zum Aufstieg, Sie haben ein geringeres Einkommen, und Sie haben später eine schlechtere Altersversorgung. Wenn wir nun den Blick auf Frauen in gehobenen Positionen werfen, sehen wir: Die Luft nach oben ist nach wie vor dünn.
Ich möchte nur einen Blick auf den Bildungsbereich werfen und dabei nicht auf die absolut armseligen Ergebnisse zu sprechen kommen, die wir an den Hochschulen haben. Wir schauen einmal an die Grundschulen. Da sehen wir in dem Bericht einen interessanten Satz: An den Grundschulen müssten wir einmal die Frauenförderung ein bisschen überdenken; denn dort seien die Frauen überrepräsentiert, und es wäre doch wichtig, dass auch Männer an Grundschulen kommen. Da müsste man sich etwas überlegen. – Was kann man sich da wohl überlegen, damit Männer an Grundschulen gehen?
Höchste Verantwortung, große Belastungen, höchste Pflichtstundenzahl, geringste Bezahlung – genau das ist der Grund, warum Männer auch nicht in Kindertagesstätten gehen. Das ist einfach nicht interessant.
Wenn wir von den Frauen in Führungspositionen, die in Teilzeit arbeiten, reden, dann schauen wir, dass das besonders an Grundschulen möglich ist. Warum ist es an Grundschulen möglich? – Weil natürlich die Teilzeitstellen, die dort geschaffen werden, in Wirklichkeit Vollzeitstellen sind. Es ist eine solche Belastung, die dort durch die Aufgaben der Inklusion, durch immer neue Verwaltungsaufgaben, durch Mentorentätigkeit, durch Unterricht, durch Ak
tivitäten und durch Elterngespräche auf sie zukommt, dass viele sagen: „Ich nehme eine Halbzeitstelle, dann muss ich wenigstens nur Vollzeit arbeiten.“ – So sieht es in der Realität aus.
Es gibt weder halbe Konferenzen noch halbe Ausflüge, noch halbe Elterngespräche, noch sonstige halbe Sachen in den hessischen Schulen. Da kommen wir zu einem Punkt, den Herr Rock erwähnt hat. Er hat ganz recht damit. Er hat nämlich gesagt, nicht alles kann man durch Gesetze regeln. Ich würde sagen, nicht alles kann man durch ein Gleichstellungsgesetz regeln. Hier braucht man eine gute Schulpolitik. Hier braucht man eine gute Bildungspolitik. Wenn wir eine schlechte Bildungspolitik haben, werden wir auch in dem Bereich nichts erreichen, und mit Nullrunden locken Sie auch keine Männer in die Grundschulen.