Protokoll der Sitzung vom 26.11.2015

Er schreibt weiter:

Unabhängig davon, wie viele beruflich Qualifizierte … tatsächlich ein Studium aufnehmen, trägt bereits die Kenntnis dieser Möglichkeit dazu bei, das Attraktivitätsgefälle zwischen der beruflichen und der akademischen Bildung zu verringern.

Genau das machen wir jetzt. Ich wäre schon ein bisschen vorsichtiger, die Qualifikation dieser sehr bildungsinteressierten und motivierten Klientel herunterzureden. Das wird diesen Menschen nicht gerecht.

Jetzt komme ich zu dem Knackpunkt dieses großen Gesetzes, nämlich dem Abbau weiterer formaler Barrieren. Das ist das Promotionsrecht für Absolventen der Hochschulen für angewandte Wissenschaften. Wir erhalten die

kooperativen Promotionen. Wir befördern das Zusammenwirken der Hochschulen in diesem Punkt. Aber wir wollen es diesen Hochschulen auch ermöglichen, ihre forschungsstarken Bereiche zu identifizieren und das Promotionsrecht zu beantragen.

Es ist kein Wunder, dass das bei den Universitäten auf Kritik gestoßen ist. Das kann einen nicht überraschen. Bei manchem Zwischenton bemerkt man schon, dass es eher ein pflichtgemäßer Protest ist. Es ist nicht besonders erstaunlich, dass die Universitäten die kooperativen Promotionen für den richtigen Weg halten. Ich will aber anmerken: Es ist schon ein bisschen erstaunlich, dass sich die kooperativen Promotionen bei den Universitäten jetzt plötzlich einer so großen Beliebtheit erfreuen. Ich will zugeben: Als wir am Anfang standen, war ich ein bisschen skeptisch, was das Promotionsrecht an Fachhochschulen betrifft.

(Janine Wissler (DIE LINKE): Ja, eben!)

Aber mit jedem Tag mehr, an dem ich mit den Präsidenten der Hochschulen für angewandte Wissenschaften zusammenarbeite, weiß ich, dass das exakt der richtige Weg ist. Das ist ein wichtiger und richtiger Schritt, der längst überfällig gewesen ist.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie sind Spezialisten im Bereich der Anwendung und des Transfers, aber auch der praxisnahen Forschung. Sie tragen in Zukunft mehr Verantwortung für das Gesamtsystem bei der Lehre. Sie leisten in Teilen der Forschung eine herausragende Arbeit.

Ich will das sehr deutlich sagen: Es geht mitnichten darum, eine Einheitshochschule zu schaffen. Meine sehr geehrten Damen und Herren, diese Reform ist kein Dammbruch. Wir führen für forschungsstarke Bereiche hessischer Fachhochschulen ein eigenständiges Promotionsrecht ein, weil man anerkennen muss, dass sich die Hochschullandschaft verändert hat. Die Hochschulen für angewandte Wissenschaften sind heute andere, als sie es vielleicht vor 15 oder 20 Jahren gewesen sind. Es haben sich insbesondere die Aufgaben geändert. Unsere Fachhochschulen erbringen exzellente Leistungen – ich sage das auch, wenn die Präsidenten nicht anwesend sind. Sie erbringen auf gewissen Gebieten und mit bestimmten Professoren Forschungsleistungen auf Universitätsniveau. In einem solchen Fall halte ich es für falsch, dass wir sie in die Rolle eines Bittstellers drängen.

Diejenigen, die jetzt ganz überraschend Anhänger des Kooperationsmodells sind, muss ich dann schon fragen: Wie kann es sein, dass eine hessische Hochschule dazu gezwungen wird, nach Großbritannien zu gehen, obwohl die Universität fußläufig von ihr entfernt ist?

Verehrte Frau Wolff, sehr geehrter Herr May, ich bin Ihnen dankbar, dass Sie als Mitglieder der Regierungsfraktionen die Änderungsanträge der SPD und FDP ablehnen. In diesen Anträgen kommt ein völlig anderes Verständnis der Bedeutung des Promotionsrechts für Hochschulen für angewandte Wissenschaften zum Ausdruck. Für sie ist das eine Notlösung, eine Sanktionsmaßnahme – für uns ist es das nicht. Sie sehen darin ein subsidiäres Recht. Wir sehen darin genau das Gegenteil. Wir wollen die durch den Bologna-Prozess eingeleitete Weiterentwicklung dieses Hochschultyps weiter stärken. Das halte ich für richtig.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Mit Blick auf die Zeit – es ist alles gesagt worden – will ich nur noch eines nachliefern. Frau Beer, weil Sie immer danach fragen: Die Hochschulen für angewandte Wissenschaften sind diejenigen, die die höchsten Qualitätsanforderungen an sich selbst haben. Es müssen eine konkrete Drittmittelstärke und Publikationen in einem bestimmten Umfang vorhanden sein. Dies Mindeststärke von Professuren einer Fachrichtung und das Lehrdeputat werden sehr genau definiert. Sie müssen sich keine Sorgen machen, dass wir das nicht richtig machen.

Dieser Gesetzentwurf legt eine weitere Grundlage dafür, dass die Hochschulen die enormen Herausforderungen schultern können. Es kommen neue Herausforderungen auf uns zu. Dazu gehört die akademische Ausbildung für Flüchtlinge, die Schutz suchend in unser Land gekommen sind und die die entsprechenden Voraussetzungen mitbringen. Aus diesem Grund werde ich Ihnen in Kürze ein hessisches Stipendienprogramm für Flüchtlinge vorstellen.

(Janine Wissler (DIE LINKE): Oh!)

Wie könnte man einen so wunderschönen Abend besser beenden als mit einem Zitat von Ho Chi Minh, das ich Ihnen nicht vorenthalten möchte.

(Heiterkeit – Beifall bei der CDU und dem BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN)

Ho Chi Minh – Sie haben heute den Präsidenten der Republik Vietnam hier begrüßt – hat ein Rezept für ein optimistisches Leben formuliert. Das haben auch unsere hessischen Hochschulen, denen ich dafür sehr dankbar bin.

Jetzt möchte ich zu Ho Chi Minh kommen und ihn heute Abend erneut zitieren. Er sagt: Für ein optimistisches Leben sollte jeder erstens in der Politik gut Bescheid wissen – das Gleiche gilt für Hochschulen –; zweitens zeichnen oder malen können – ich denke an die Kunsthochschulen –; drittens etwas von Musik verstehen

(Janine Wissler (DIE LINKE): Hat das auch Ho Chi Minh gesagt?)

nicht umsonst bauen wir den Kulturcampus in Frankfurt und haben jetzt für die Hochschule für Musik und Darstellende Kunst 100 Millionen € in die Hand genommen –; sie sollten viertens irgendeinen Sport treiben – auch dafür sorgen unsere Hochschulen –; und sie sollten mindestens eine fremde Sprache sprechen. Meine sehr geehrten Damen Herren, ich stimme, wie so oft, Ho Chi Minh zu und wünsche Ihnen einen wunderschönen guten Abend.

(Heiterkeit – Beifall bei der CDU und dem BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN –Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Haben Sie das schon freigegeben? – Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Bo-, Bo-, Boris Rhein!)

Herr Staatsminister, ich habe das Gefühl, dass einige hier im Haus sich Sorgen machen ob der Literatur, die Sie zu Hause im Bücherschrank haben. Die Bibel hat er sowieso – aber Ho Chi Minh daneben? Das passt nicht so richtig zusammen.

(Beifall)

Trotz allem, vielen Dank. – Ich habe auch keine weiteren Wortmeldungen vorliegen und damit keine Zitatgefahr.

Meine Damen und Herren, ich rufe zur Abstimmung auf. Wer dem Gesetzentwurf der Landesregierung für ein Gesetz zur Änderung hochschulrechtlicher Vorschriften zustimmen kann, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Wer ist dagegen? – Das sind die SPD, DIE LINKE und die FDP. Wer enthält sich der Stimme? – Niemand. Damit ist der Gesetzentwurf mit den Stimmen von CDU und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN bei Gegenstimmen aller anderen Fraktionen angenommen und wird zum Gesetz erhoben.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Abg. Holger Bellino (CDU) tritt an die Regierungsbank.)

Herr Kollege Bellino hat nur nach dem Buch gefragt.

(Heiterkeit)

Ich rufe Tagesordnungspunkt 15 auf:

Zweite Lesung des Gesetzentwurfs der Fraktionen der CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN für ein Gesetz zur Neuregelung des Hessischen Ingenieur- und Ingenieurkammerrechtes und des Hessischen Architektenrechtes – Drucks. 19/2633 zu Drucks. 19/1982 –

Berichterstatter ist Herr Kollege Eckert. Sie haben das Wort.

Meine Damen und Herren! Die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung lautet: Der Ausschuss für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung empfiehlt dem Plenum einstimmig bei Enthaltung der LINKEN, den Gesetzentwurf unter Berücksichtigung des Änderungsantrags der Fraktionen von CDU, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Drucks. 19/2575, in zweiter Lesung anzunehmen.

Vielen Dank, Herr Berichterstatter. – Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Kollege Dr. Arnold für die Fraktion der CDU.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Nach diesem launigen Zitat unseres Wissenschaftsministers war ich kurzzeitig geneigt, ein Zitat eines der größten Philosophen des deutschsprachigen Raums zu bringen – Sie kennen ihn alle, Lothar Matthäus heißt er.

(Heiterkeit bei der CDU)

Trotzdem beginne ich mit dem Gesetzentwurf. Wir beschäftigen uns jetzt mit dem Gesetzentwurf der Fraktionen von CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN für ein Gesetz zur Neuregelung des Hessischen Ingenieur- und Ingenieurkammerrechtes und des Hessischen Architektenrechtes. Kollege Eckert hat vorgetragen, dass der Änderungsantrag von den Fraktionen von CDU, SPD und den GRÜNEN stammt. Daraus entnehme ich, dass wir das zu einem ge

meinsamen Gesetzentwurf machen und das miteinander tragen.

Am 10. September haben wir eine sehr engagierte, verständlicherweise zum Teil aber auch durchaus kontroverse Anhörung zu diesem Gesetzentwurf gehabt. Daraus wurden für diesen Änderungsantrag zielführende Anregungen aufgenommen. Zwei, drei davon möchte ich besonders erwähnen.

Zum einen ist in § 1 des Ersten Abschnitts dieses Gesetzentwurfs – unverändert zum bisherigen Ingenieurgesetz – geregelt, wer die Berufsbezeichnung „Ingenieur“ oder „Ingenieurin“ führen darf. Die Voraussetzungen dafür sind mindestens sechs theoretische Studiensemester und mindestens 180 Leistungspunkte. Das war auch bisher so geregelt. Was wir geändert haben und was in der Anhörung zu einem deutlich hörbaren Protest der Universitäten geführt hat, war eine in § 1 Abs. 4 festgelegte Verordnungsermächtigung für eine Übergangsregelung, zur Regelung von Übergangsfragen. Nach einer Diskussion auch mit dem Ministerium wird das nun einvernehmlich ersatzlos gestrichen. Ich denke, damit konnten die Bedenken der Hochschulseite – die unter Umständen einen Eingriff in die Autonomie der Wissenschaft befürchtet haben – völlig ausgeräumt werden. Jedenfalls sagen das die Reaktionen aus den Hochschulen.

Eine zweite Neuerung, die erörtert wurde, ist in § 12 die Einführung eines Qualitätssiegels der Ingenieurkammer Hessen, und zwar für eine Ausbildung und Zusatzbezeichnung als „Fachingenieur/Ingenieurkammer Hessen“. Hier haben einige der anderen Berufsverbände – VDI, VBI, VhU – Bedenken geäußert. Sie hatten Sorge, dass das möglicherweise auch für Maschinenbauingenieure oder für Elektroingenieure oder Bauingenieure gelten soll. Nach intensiven Diskussionen wurde festgelegt, dass diese Berufsbezeichnung, dieses Qualitätssiegel nur für die Bereiche Bau- und Planungswesen, Geodäsie und Umweltingenieurwesen gelten sollen, so im Gesetz festgelegt und geregelt. Ich denke, das räumt die Bedenken der genannten Verbände völlig aus – so jedenfalls war auch die Reaktion.

Im Weiteren haben wir verändert, dass im Vorstand der Ingenieurkammer auch zwei Stellvertreter möglich sind, dass die Anerkennung ausländischer Versicherungen als Voraussetzung zur Eintragung in das Berufsverzeichnis für Architekten geregelt ist. Daher denke ich, damit sind wesentliche Punkte aus der Anhörung aufgenommen worden.

Ich möchte noch sagen: Nach den teilweise doch sehr kontroversen Diskussionen zum Ingenieur- und Ingenieurkammergesetz in der letzten Legislaturperiode – da kam es nicht richtig weiter – haben wir jetzt eine sehr sachliche und zielgerichtete Arbeit an diesem Gesetzentwurf erlebt, auch ein konstruktives Verhalten der genannten Verbände. Mit diesem Gesetzentwurf, der jetzt zum Gesetz erhoben werden soll, werden wir eine tragfähige und durchaus auch für andere Bundesländer richtungsweisende Grundlage für eine erfolgreiche Arbeit der Ingenieure, Architekten und Stadtplaner haben. Deswegen bitten wir um Zustimmung zu diesem Gesetzentwurf. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Nächste Wortmeldung, Herr Kollege Eckert für die SPDFraktion.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Nach einer – wie schon berichtet – etwas munteren Anhörung im Wirtschaftsausschuss kommen wir heute zur zweiten Lesung dieses Gesetzentwurfs.

Wenn wir eben auch ein Stück weit die Debatte des vorherigen Tagesordnungspunktes und die Einlassungen des Kollegen Arnold richtig deuten, dann sind wir nicht nur ein Land der Dichter und Denker, sondern in diesem Fall auch ein Land mit hoher Ingenieurskunst – die nachher auch noch ein Stück weit in hessischen Bibliotheken zu finden ist: So ergeben die Lesungen dieser drei Gesetze hintereinander zu dieser späten Uhrzeit sogar noch einen Sinn.

Wir freuen uns, dass wir mit dem hier vorgelegten Gesetzentwurf und den Änderungen relativ einmütig die nötigen rechtlichen Rahmenbedingungen für hessische Ingenieurinnen und Ingenieure schaffen können. Wir, die SPD, stehen hierbei zur demokratisch verfassten Selbstverwaltung im Kammersystem, in diesem Fall bei Ingenieuren und Architekten.