Der Titel der Großen Anfrage lautet: „Zukunft der Hauptschule in Hessen“. Wie schon in den Vorbemerkungen angesprochen, ist es so, dass zu Beginn der 5. Klasse relativ wenige Schülerinnen und Schüler die Hauptschule besuchen – hier ist es sehr unruhig –,
im Laufe der Mittelstufe findet aber ein stetiger Zuwachs statt. Das ist heute schon mehrfach gesagt worden. Wie ist also die Zukunft der Hauptschule? Ich wünschte, sie hätte keine. Genauso die Realschulen, von denen im Laufe der Mittelstufe Schülerinnen und Schüler in die Hauptschulen querversetzt werden, und die Gymnasien, die mit den Hauptschulen wie auch den Hauptschülerinnen und Hauptschülern eh nichts zu schaffen haben wollen. Wir wollen all diese Schulformen zurückführen auf eine Schule für alle,
(Beifall bei der LINKEN – Michael Boddenberg (CDU): Da haben wir doch die Einheitsschule! Stehen Sie doch zu dem, was Sie sagen!)
Herr Boddenberg, das haben wir in allen Ländern ringsherum. Das sollen alles „sozialistische Einheitsschulen“ sein? Was Sie erzählen, ist doch lächerlich.
(Michael Boddenberg (CDU): Wo haben wir denn so etwas? – Anhaltende Unruhe – Glockenzeichen des Präsidenten)
Moment, Frau Kollegin Cárdenas. – Bitte beruhigen Sie sich wieder. Machen Sie ein paar Übungen mit den Fingern, dann werden Sie ruhiger. Frau Cárdenas hat das Wort.
Ich komme jetzt zum zweitletzten Satz. Dann bräuchte man sich auch keine Gedanken darüber zu machen, wie man die Hauptschule aufwertet. Und das Kultusministerium kann das Geld und die Kreativität einsparen, die es für solche Kampagnen völlig unnütz ausgibt, welches woanders, z. B. für die Inklusion, noch immer fehlt. – Ich danke Ihnen.
Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen, sehr geehrte Kollegen! Die Beantwortung der Großen Anfrage der SPD zur Hauptschule bietet heute die Gelegenheit, nicht nur über die Hauptschule, sondern über den Bildungsgang der Hauptschule insgesamt, über den Abschluss sowie die Schülerinnen und Schüler zu sprechen. Ich meine, eine Debatte über die Hauptschule muss vor allem die betroffenen Schülerinnen und Schüler in den Blick nehmen und ihnen angemessene Lebens- und Karriereperspektiven aufzeigen und die Hauptschüler nicht, wie es die SPD und die LINKEN machen, als „Bildungsverlierer“ und „Absteiger“ disqualifizieren und diskreditieren. Das will ich einmal feststellen.
Die Hauptschule qualifiziert nämlich ihre Schüler insbesondere durch handlungsorientierten Unterricht und bietet damit die Voraussetzungen, dass der Einstieg in die duale Ausbildung oder in weiterqualifizierende Bildungsgänge gelingen kann. Damit werden die Talente, Neigungen, Fähigkeiten und Fertigkeiten, die jedes Individuum hat, herausgekitzelt und entsprechend unterstützt. Die Anzahl der Schülerinnen und Schüler, die den Hauptschulabschluss in einfacher oder qualifizierender Form machen, bestätigt, dass dieser Bildungsgang auch weiterhin seine Berechtigung hat.
Im Übrigen ist sich die Kultusministerkonferenz darüber einig, dass es weiterhin einen Hauptschulabschluss geben wird. Der Hauptschulabschluss führt natürlich – da möchte ich den Kolleginnen Cárdenas und Geis deutlich widersprechen – häufig unmittelbar in den Eintritt in eine duale Ausbildung. Eine praxisorientierte Ausbildung in der Sekundarstufe I mit einem ordentlichen Haupt- und einem ordentlichen Realschulabschluss hat sich nach wie vor als optimale Voraussetzung für eine gute berufliche Ausbildung und eine tolle Karriere auf dem Arbeitsmarkt herauskristallisiert.
Das will ich einmal feststellen. Wenn alles so schlecht wäre, wie es hier dargestellt wird, frage ich mich: Wie kommt es dann, dass es in manchen Ländern Europas eine Jugendarbeitslosenquote von 50 % gibt, wir in Deutschland aber mit unserem dualen Ausbildungssystem die niedrigste Arbeitslosenquote haben? Wie kommt es denn, dass wir nur eine Arbeitslosenquote von 7,5 % haben? Das ist ein Spitzenwert, meine Damen und Herren.
Deswegen will ich feststellen: Die duale Ausbildung, und der Hauptschulabschluss ist hierfür eine Grundlage genauso wie der Realschulabschluss, ist ein Garant für Wohlstand, für Topqualifikationen sowie dafür, dass die Unternehmen auch zukünftig mit ordentlichen Auszubildenden und Arbeitskräften versorgt werden. An dieser Stelle will ich das auch einmal loswerden: Zwei Drittel der Hessinnen und Hessen haben kein Abitur. Die haben kein Abitur und sind trotzdem fröhliche, glückliche und erfolgreiche Menschen, die eine tolle Karriere hinlegen. So etwas gibt es.
Ja, meine Damen und Herren, so etwas gibt es; und darüber dürfen wir uns freuen. Allen Respekt vor Akademikern, aber Arbeit mit einer Ausbildung ist etwas Grundsolides. Das duale System ist ein Exportschlager, es ist ein fantastisches Erfolgsmodell, das wir uns auch nicht kaputtreden lassen.
Die weitere Entwicklung des Schulsystems, des Schulwesens, der Schulstruktur war Thema im Bildungsgipfel. In der AG 1 wurde sehr viel darüber gesprochen. Frau Kollegin Geis, Sie haben sich vorhin auf Ihre Erfahrungen in der AG 4 bezogen. Ja, es ist richtig, es wurde darüber diskutiert, was strukturell verändert werden kann, aber auch, welche Entwicklungschancen sich tatsächlich im jeweiligen Bildungsgang darstellen. Die Diskussionen haben gezeigt, dass die Schüler im Bildungsgang Hauptschule durch praxisnahe Unterrichtsangebote gezielt gefördert werden und den Hauptschulabschluss erreichen.
Durchlässigkeit – das will ich auch einmal betonen – ist im hessischen Schulsystem groß und nicht so klein, wie Sie versuchen, sie durch Zahlen darzustellen. Dazu gehört auch die Anschlussfähigkeit. Diese beiden Grundsäulen sind die wesentlichen Grundlagen der Ausrichtung des hessischen Schulwesens. Dazu stehen wir. Es ist richtig so, die Durchlässigkeit wird weiter erhalten.
Es stimmt, die Anzahl der Schülerinnen und Schüler, die von den Eltern an der Hauptschule angemeldet werden, geht zurück. Die Zahl ist relativ niedrig, steigt allerdings in den höheren Jahrgängen deutlich an. Dann ist festzustellen, dass in den letzten Jahren medial viel dazu beigetragen wurde, dass die Marke „Hauptschule“ elementar beschädigt wurde. Deswegen zitiere ich gerne den deutschen Philosophen Ernst Haeckel der sagte:
Die wahre Bildung besteht nicht in totem Wissen und leerem Gedächtniskram, sondern in lebendiger Entwicklung des Gemütes und der Urteilskraft.
Das ist genau richtig. Genau deswegen helfen wir den jungen Menschen beim Erwerb ihrer fachlichen und überfachlichen Kompetenzen. Wir haben viele Maßnahmen auf den Weg gebracht. Wenn alle so munter mit Zahlen spielen, darf ich auch darauf hinweisen: Durch viele gezielte Maßnahmen haben wir den Anteil der Hauptschüler ohne Abschluss von 7 % im Jahr 1999 auf heute unter 2,5 % gesenkt. Darauf können wir stolz sein. 2,5 % ist zwar noch zu viel, aber die Entwicklung ist sehr ordentlich.
Gerade die Schüler im Bildungsgang Hauptschule brauchen viel an besonders lebendigem Wissen und anwendbaren Fertigkeiten. So gelingt dann auch der Sprung in den Beruf und in die Arbeitswelt. Dazu bedarf es einer konzertierten Aktion aus Eltern, Schule – damit Lehrerinnen und Lehrern – aber auch außerschulischer Partner – da helfen wir. Wir helfen dabei durch ganz gezielte Maßnahmen, beispielsweise unterrichtsunterstützende sozialpädagogische Förderung, USF, eine sozial indizierte Lehrerzuweisung, die 105-%-Garantie, das kleine und das große Schulbudget, die Kompetenzfeststellungsverfahren KomPo7 in der Jahrgangsstufe 7, die Strategie OloV – darauf kann ich nicht weiter eingehen, weil mir die Zeit davonrennt.
Das ist ein Erfolgsmodell, die Optimierung der lokalen Vermittlungsarbeit im Übergang Schule – Beruf unter Beteiligung der lokalen Akteure. Genau so geht das, die Leute müssen sich kennenlernen, die Schüler müssen wissen, welche Betriebe es gibt, dann kommt man frühzeitig zusammen. Das ist kein Projekt, das einfach so vom Himmel fiel, sondern es handelt sich um eine lange Linie. Der Erlass der Kultusminister vom letzten Jahr zur Ausgestaltung der Berufs- und Studienorientierung der Schulen mit dem Merkmal systemische Berufsorientierung und erhöhter Praxisbezug und Kooperation mit außerschulischen Partnern bestätigt dies noch einmal eindrucksvoll.
Es ist viel über SchuB gesprochen worden. Das hat in der Vergangenheit sehr erfolgreich gewirkt. Heute haben wir PuSch, PuSch A und PuSch B. Frau Kollegin Geis, vielen Dank für das ausdrückliche Lob. Das kann ich nur so unterstreichen.
Die Bewertung, die Sie zu den Intensivklassen, InteA, abgegeben habe, teile ich gleichwohl nicht. Wir machen unglaublich viel in der Sprachförderung. Die Sprache ist Grundlage dafür, dass man sich nicht nur am gesellschaftlichen Leben beteiligen kann, sondern in der nötigen qualifizierten Form auch am beruflichen Leben.
Deswegen möchte ich abschließend noch einen kurzen Ausblick geben. Die schulischen Angebote müssen natürlich fortlaufend so gestaltet werden, dass im ländlichen Raum genauso wie im Ballungsraum ein gutes Angebot mit hoher Qualität vorliegt. Aber eines möchte ich noch einmal klarstellen, damit keine schiefe Tonlage hineinkommt: Hauptschüler sind keine Absteiger, Hauptschüler sind keine Verlierer.
Hauptschüler haben alle Chancen, sich weiter zu qualifizieren, über eine Ausbildung oder möglicherweise auch über einen höherwertigen Schulabschluss. Was wären wir ohne Facharbeiter? Was wären wir ohne Bäcker? Was wären wir ohne die Einzelhändler? Was wären wir ohne die Mechatroniker? – Ich könnte mir unsere Gesellschaft ohne diese qualifizierten Menschen mit ihren Talenten und Qualifikationen überhaupt nicht vorstellen. Ich bin stolz darauf, dass wir in diesem Land über 356 Ausbildungsberufe haben.
Es ist richtig, reine Hauptschulen gibt es kaum noch, aber den Hauptschulabschluss und die Hauptschüler sehr wohl. Ich bin stolz darauf, dass wir eine ganze Anzahl solcher erfolgreichen Karrieren zeigen.
Der Bildungsgipfel hat bestimmte Impulse gegeben, um Schulstruktur weiterzuentwickeln. Wir nehmen gewisse Impulse auf. Daran arbeiten wir. Im Koalitionsvertrag sind wir auch dabei auf Kurs. Dementsprechend blicken wir sehr zuversichtlich nach vorne. Ich freue mich auf die weitere Arbeit, auch auf die Arbeit an und mit den Hauptschulen und denjenigen, die dort erfolgreiche Ausbildungen machen.
Ich sage nur: versprochen – gehalten. Wir arbeiten weiter erfolgreich an einer guten Bildungspolitik in Hessen. – Meine Damen und Herren, herzlichen Dank.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Antwort der Landesregierung auf die Große Anfrage der SPD zeigt ein weiteres Mal – Kollege Schwarz hat darauf hingewiesen, nur die Formulierung vermieden –: Man kann zwar die Hauptschule abschaffen, aber nicht die Hauptschüler. Für sie brauchen wir ein passgenaues Angebot.
Wie man damit umgeht, ist eine spannende Frage. Hessenweit gibt es derzeit noch vier eigenständige Hauptschulen, drei davon in Frankfurt. Nach dem Schulentwicklungsplan der schwarz-grün regierten Stadt Frankfurt sollen diese drei Hauptschulen auslaufen; insbesondere soll die erfolgreich arbeitende Sophienschule, die ausgezeichnete Arbeit leistet, gänzlich aufgehoben werden.
Davon kann man sich vor Ort leicht überzeugen. Herr Kollege Klein kennt das ebenfalls und nickt zustimmend. Er ist sicherlich mit mir der Auffassung, dass es ein Fehler ist, solche funktionierenden Systeme einfach plattzumachen, einfach zu schließen, so wie das Schwarz-Grün in Frankfurt mit Unterstützung von Schwarz-Grün in Hessen tut.