Ich habe an der Arbeitsgruppe 4 im Bildungsgipfel teilgenommen. Inhalt war hier die Fragestellung, wie Schule als Vorbereitung auf die Arbeits- und Lebenswelt zu gestalten ist. Ein Konsens in dieser Arbeitsgruppe lautet – ich darf zitieren –:
Reformkonzepte sind daran zu messen, ob möglichst alle Schülerinnen und Schüler einen Abschluss erhalten und ob allen Bewerberinnen und Bewerbern um Ausbildungsplätze der Übergang in eine voll qualifizierende Ausbildung ermöglicht wird.
Wer diesem Anspruch gerecht werden möchte, hat in der jetzigen Situation an den hessischen Schulen im Bildungsgang Hauptschule ein wahrlich ambitioniertes Ziel, und das auch deshalb, weil unsere Schulen Kinder von ankommenden Flüchtlingen aufnehmen und weiter aufnehmen werden. Für diese Kinder gilt wie für alle anderen auch, dass der Erwerb der Sprache eine wesentliche Grundlage für eine gelungen Bildung darstellt. Knapp 300 Intensivklassen in diesem Jahr bilden eine Grundlage, die es in der nahen Zukunft sicherlich auszubauen gilt.
Aber bei diesem Ausbau wird man genau hinschauen müssen. Schaut man sich an, wie diese Intensivklassen über die Schulen verteilt sind, stellt man sehr schnell ein Ungleichgewicht fest. Während nur acht Intensivklassen an hessischen Gymnasien installiert wurden, verteilt sich der Rest über die hessischen Grundschulen, Haupt- und Realschulen sowie die Gesamtschulen. Woher kommt diese Verteilung?
Im statistischen Mittel ist doch nicht davon auszugehen, dass die Kinder von hier ankommenden Flüchtlingen dümmer oder weniger leistungsorientiert sind als die hier lebenden Kinder. Ziel der Intensivklassen ist es doch, sie nach dem späteren Spracherwerb in eine Regelklasse der Schule zu integrieren. Oder plant die Hessische Landesregierung, mittels der Kinder von hier lebenden Flüchtlingen die sterbende Hauptschule in Hessen zu revitalisieren?
In der Frage, was mit den Erkenntnissen aus dem Bildungsgipfel und den sonst noch erforderlichen Anpassungen unserer Schulen auf aktuelle Bedürfnisse wohl passieren wird, werden wir gebetsmühlenartig darauf verwiesen, dass im Laufe des Jahres 2016 eine Novellierung des Hessischen Schulgesetzes vorgelegt wird.
Im Juli 2015 hat der Hessische Kultusminister pressewirksam festgestellt, dass sich in Hessen eine neue Gesprächskultur etabliert hat. Wir haben davon zwar noch nicht wirklich viel mitbekommen, bauen aber für die Beratung zur Novellierung dieses Schulgesetzes auf diese Ihre Absichtserklärung. Wir erwarten von Ihnen einen kraftvollen Wurf und kein Verrieseln in schwarz-grünen Koalitionsfallstricken. – Vielen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen der SPD, liebe Frau Geis, zuerst einmal: Ich finde es gut, dass Sie das Thema Hauptschule auf die Tagesordnung gesetzt haben und mit einer Großen Anfrage einige statistische Daten zur Hauptschule und zu dem, was sie erreicht, hier eingebracht haben. Es wäre natürlich wünschenswert gewesen, Sie hätten sich der Großen Anfrage noch ein bisschen mehr gewidmet, als Sie das ohnehin getan haben. Aber ich verstehe, dass es natürlich verlockend ist, von dieser Stelle aus auch ein paar allgemeine Ausführungen zur Schulpolitik zu machen.
Ich möchte auf die Zahlenangaben der Großen Anfrage eingehen. In der Tat ist es so, dass die Zahlen, die wir zum Bildungsgang Hauptschule vorliegen haben, auf niedrigem Niveau rückläufig sind; es waren 1.235 Schüler im Schuljahr 2013/2014, die von der Grundschule direkt in den Hauptschulbildungsgang übergewechselt sind. Das ist eine geringe Anzahl. Der Wechsel von anderen Schulformen auf die Hauptschule ist im Vergleich wesentlich umfangreicher. Ich komme im weiteren Verlauf meiner Rede noch einmal darauf zurück.
Was mich an Ihren Ausführungen nicht gänzlich überzeugt hat, ist der Anteil, den Sie bei den Jugendlichen mit Migrationshintergrund angenommen haben. Der Mikrozensus 2013 spricht in der Altersklasse der Schüler bis zehn Jahre von 47,1 % der Gesamtbevölkerung in dieser Alterskohorte, die einen Migrationshintergrund haben. Diesen Anteil bei 24 % zu sehen – da müssten Sie, glaube ich, noch einmal schauen, ob da dieselbe Definition für den Migrationshintergrund zugrunde liegt; der Mikrozensus geht nämlich schon für die Gesamtbevölkerung von 27,8 % aus, und es ist ja bekannt, dass der Anteil mit Migrationshintergrund in den höheren Altersklassen wesentlich geringer ist. Ich glaube, dass Sie da noch einmal das statistische Material überprüfen und das noch einmal neu bewerten sollten.
Insgesamt haben wir bei den Hauptschülerinnen und Hauptschülern einen nicht zufriedenstellenden Befund, was die Anzahl der Abgängerinnen und Abgänger ohne Schulabschluss angeht. Dort würden wir uns in der Tat wünschen, dass wir erreichen würden, noch mehr Schülerinnen und Schüler direkt zum Schulabschluss zu führen, ohne dass sie in ein Übergangssystem an den beruflichen Schulen wechseln müssen, auch vollkommen unabhängig, ob mit oder ohne Migrationshintergrund. Dort gibt es keine Auffälligkeiten. Ich denke, dort müssen wir besser werden, damit möglichst wenige Schülerinnen und Schüler ohne Schulabschluss unser Schulsystem verlassen. Ich denke, das sollte unser aller Anspruch sein.
An dieser Stelle muss man natürlich auch die Frage stellen, ob die ursprünglich gedachte Funktion der Hauptschule noch in befriedigendem Maße erreicht wird. Ein kurzer Exkurs dazu: Die Hauptschule wurde ja nach dem Hamburger
Abkommen sozusagen als Ersatz für die Volksschule bzw. die Oberschule eingeführt und sollte sozusagen als die spezialisierte Schule, die den direkten Übergang in die duale Berufsausbildung ermöglicht, eingesetzt werden.
Sie hatte ein spezielles pädagogisches Konzept, an dem vieles – wie ich sagen würde – sehr gut ist, beispielsweise dass man den Unterricht handlungsorientiert aufbauen soll, dass man eine klare Berufsorientierung, eine Lebensweltorientierung im Unterricht einbeziehen soll. All das sind Punkte, die nachher in anderen Schulformen übernommen wurden und dort als Reformpädagogik gewertet wurden. Das zeigt, dass die Hauptschule an sich eine sehr gute Zielsetzung hat.
Gleichwohl können wir sehen, dass das primäre Ziel, den direkten Übergang in die Berufsausbildung zu ermöglichen, jetzt nicht mehr in dem gewünschten Maße erreicht wird, wenn wir beachten, dass insgesamt nur 1.131 Schülerinnen und Schüler von 6.070 Schülerinnen und Schülern mit Hauptschulabschluss und 6.919 Schülerinnen und Schülern mit qualifizierendem Hauptschulabschluss direkt in die Berufsausbildung wechseln.
Allerdings muss man fairerweise dazusagen, dass der Trend eben ein anderer ist. Wir haben hier schon öfter besprochen, dass wir einen sehr bedauerlichen Trend weg von dualer Berufsausbildung hin zu schulischen Vollausbildungen bzw. später zum Studium haben und dass die berufliche Bildung ein gewisses Akzeptanzproblem hat. Das setzt sich natürlich an dieser Stelle fort.
Aber ich glaube, uns muss klar sein: Wenn wir über die Hauptschule reden, müssen wir auch über dieses Ziel des direkten Übergangs in die Berufsqualifizierung reden, weil das letztendlich die Funktion war, die dieser Schule zugewiesen wurde. Das würden letztendlich auch die Eltern verlangen, wenn sie für ihre Kinder einen Wechsel an diese Schule wollten. Dass sie das nicht mehr in dem Maße tun, wie das einmal war, ist durch die Eingangszahlen schon klar geworden. Die Hauptschule sieht sich dadurch großen Problemen gegenüber.
Man hat versucht, darauf zu reagieren, auch in jüngster Zeit: durch kleinere Lerngruppen, Schulsozialarbeit, noch stärkere Berufsorientierung, Klassenlehrerprinzip usw. Trotzdem hat das nicht zu einer Trendumkehr an der Hauptschule geführt. Vielmehr ist das Anwahlverfahren der Eltern nun einmal so, wie ich es gerade beschrieben habe: dass nur ein sehr kleiner Teil sich eingangs zum Übergang von der Grundschule zur weiterführenden Schule für die Hauptschule entscheidet.
Ein anderer Punkt, den ich schon erwähnt habe, ist auch problembehaftet: dass der Hauptteil der Schülerinnen und Schüler, die an einer Hauptschule sind, nicht von vornherein dorthin wollte, sondern im Lauf des Schullebens dorthin gekommen ist, meistens nicht freiwillig – das muss man auch dazusagen –, was für die Motivation der Schülerinnen und Schüler zuerst einmal nicht gerade hilfreich ist.
Leider ist es auch so, dass die Schülerinnen und Schüler selbst ihre Mitgliedschaft in der Hauptschule als problematisch erkennen und sich Hauptschullehrerinnen und Hauptschullehrer daher sehr großen Problemen in ihren Klassen gegenübersehen, die wir mit verschiedenen Maßnahmen anzupacken versucht haben, die aber dazu geführt haben, dass die Akzeptanz der Hauptschule weiter zurückgegan
gen ist und dass mit der Hautschule vor allen Dingen diese Probleme, die es dort gibt, verbunden werden.
Ich habe gesagt, dass Hauptschule an sich einen sehr positiven Impetus hatte und sehr viele positive Aspekte in das Schulsystem eingebracht hat – sei es die Berufsorientierung, sei es der handlungsorientierte Unterricht, sei es stark praxisbezogener Unterricht, der eine Alternative zur rein akademischen Ausrichtung von Schule darstellen sollte, wie sie am Gymnasium stattfindet, und damit ein Angebot für die Schülerinnen und Schüler bieten wollte, denen das akademische Angebot nicht zusagt, und ein faires Angebot für den gesellschaftlichen Aufstieg an diejenigen machen wollte, die berufsorientiert sind.
Wenn wir über die Akzeptanz von Hauptschule reden, ist das, glaube ich, das, was wir den Eltern und der Gesellschaft als Alternative darstellen müssen, wenn wir über die Reform von Schule reden: Wie schaffen wir es, diese positiven Aspekte, die mit Hauptschule verbunden waren, unterzubringen? Wie schaffen wir es, dass wir die Probleme bewältigen, die es hinsichtlich der Akzeptanz bei den Eltern gibt?
Ich glaube nämlich, wir sollten uns davor hüten, Hauptschule an sich zu diskreditieren. Wir sollten vielmehr genau differenzieren und einen Blick darauf werfen, wie es zu dieser Entwicklung gekommen ist. Es sind gesellschaftliche Prozesse gewesen, die zu diesen Akzeptanzproblemen geführt haben. Ich glaube aber: Wenn der Bildungsgipfel einheitlich festhält, so etwas wie Berufsorientierung soll auch im Gymnasium stattfinden, das ursprünglich ein ganz andere Aufgabe hatte, zeigt das doch, dass viele Konzepte, die in der Hauptschule entwickelt wurden, längst in der Gesellschaft angekommen sind und dass wir diese positiven Aspekte bei zukünftigen Schulreformen auf jeden Fall mit berücksichtigen sollten.
Da brauchen wir keine Grundsatzentscheidungen, sondern pragmatische, an den Ansprüchen der Eltern orientierte Lösungen, die auch das Angebot ermöglichen, das ursprünglich mit der Hauptschule gewährleistet werden sollte; das brauchen wir nämlich für unsere Schülerinnen und Schüler. – Vielen Dank.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich werde es ziemlich kurz machen. Vieles ist schon zur Sprache gekommen. Vielleicht ganz kurz noch einmal zu dem Versprecher von Herrn May, der eben von der Mitgliedschaft in der Hauptschule gesprochen hat, obwohl er selbst gesagt hat, dass die meisten Schüler, die in der Hauptschule beschult werden, dort wirklich nicht freiwillig hingegangen sind.
Heute noch haben wir über den verkorksten Gesetzentwurf der FDP beraten, die die viel zu frühe Auslese der Kinder nach der 4. Klasse noch weiter verschärfen wollte.
Ganz weg von diesem Thema sind wir mit dieser Großen Anfrage aber auch nicht. Die Antwort der Landesregierung hat mich dennoch aus anderen Gründen an der einen oder anderen Stelle aufhorchen lassen. Das fängt schon bei Frage 1 an, die die Schülerschaft – das ist schon mehrfach angesprochen worden – nach Migrationshintergrund aufschlüsselt. Prozentual gesehen, ist der Anteil der Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund in Hauptschulen erschreckend hoch. Da frage ich mich doch: Wie kommt das? Wieso schafft ein Bildungssystem sogenannte „Bildungsverlierer“ aufgrund ihrer Herkunft? Im Schuljahr 2013/2014 betrug der Anteil der Übergänge von der Grundschule auf die Hauptschule bei Kindern mit Migrationshintergrund 43,6 %.
(Michael Boddenberg (CDU): Also sind alle Hauptschüler „Bildungsverlierer“ nach Ihrer Auffassung! Es überrascht mich nicht, dass Sie das so sehen!)
Bei der Antwort auf Frage 2 schließt sich ein weiteres Staunen an, denn hier wird sehr deutlich, dass die angebliche Durchlässigkeit im Schulsystem, mit der sich die CDU seit Jahren und die Kolleginnen und Kollegen der GRÜNEN seit ihrer Regierungsbeteiligung loben, im Grunde nur in eine Richtung funktioniert, nämlich nach unten. Im Schuljahr 2011/2012 und 2012/2013 wechselten 616 Schülerinnen und Schüler von einer Hauptschule auf eine Realschule. Im gleichen Zeitraum wechselten über 2.300 Schülerinnen und Schüler von einer Realschule auf eine Hauptschule. Das ist doch ein Alarmsignal, liebe Kolleginnen und Kollegen, das muss für uns doch eine Aufforderung zum pädagogischen Handeln, zum Ändern sein.
Ich könnte nun Frage für Frage weiter durchgehen. Alles in allem werfen die Antworten ein tiefschwarzes Licht auf die Bildungspolitik der vergangenen Jahre, Herr Schwarz. Durchlässigkeit: Note 6; Inklusion: Note 5 bis 6; Schaffung gleicher Bildungschancen: ebenfalls Note 6.
Ich möchte die Zeit aber nutzen, um erneut ein Plädoyer für die Überwindung der Mehrgliedrigkeit und die Schaffung eines echten inklusiven Schulsystems zu halten.
Im Vordergrund der Schulpolitik und im Visier einer jeden Lehrkraft müssen immer die individuelle Förderung eines jeden Kindes unter Berücksichtigung seiner Stärken und das Ziel des Ausgleichs seiner Schwächen stehen. Schule muss vom Kind aus gedacht und gestaltet werden. Bildungschancen müssen allen Menschen gleichermaßen zur Verfügung stehen.
Verstehen Sie mich bitte nicht falsch, diese Große Anfrage gibt auch her, wie wichtig Qualifizierungsmaßnahmen wie SchuB bzw. PuSch und InteA sind.
(Michael Boddenberg (CDU): Das können wir gar nicht falsch verstehen! Das ist wieder die sozialistische Einheitsschule!)
Herr Boddenberg, das ist ja so langweilig, Ihre ewige Leier von der Einheitsschule. Lassen Sie sich doch einmal etwas Besseres einfallen.
Auch zeigt sie, wie wichtig es wäre, die Sozialarbeit an den Schulen auszubauen. Für die Fortführung von SchuB haben wir uns vehement eingesetzt und sind auch dankbar für seine Nachfolgeprogramme. Nichtsdestotrotz sind wir auch der Überzeugung, dass die Probleme, die mit diesen Programmen angegangen werden, hausgemacht sind. Würde individuelle Förderung ganz selbstverständlich von der 1. Klasse an bei jedem Kind im Mittelpunkt stehen und personell sowie organisatorisch abgesichert werden, wären Lehrerinnen und Lehrer dafür ausreichend aus- und fortgebildet und hätten zu diesem Zweck ein multiprofessionelles Team an ihrer Seite, würde sich eine ganz andere Abschlusssituation zeigen. Dann wären diese Programme auch sicherlich in weit geringerem Maße nötig.
Der Titel der Großen Anfrage lautet: „Zukunft der Hauptschule in Hessen“. Wie schon in den Vorbemerkungen angesprochen, ist es so, dass zu Beginn der 5. Klasse relativ wenige Schülerinnen und Schüler die Hauptschule besuchen – hier ist es sehr unruhig –,