Protokoll der Sitzung vom 13.03.2014

An all diesen Beispielen sehen Sie, wie wichtig es ist, dass der Staat, aber auch die Zivilgesellschaft deutlich zeigen, dass jede Art der Diskriminierung in unserer Gesellschaft keinen Platz hat. Hessen tritt der Koalition gegen Diskriminierung als zehntes Bundesland bei. Mit der Unterzeichnung der Erklärung verpflichtet sich das Land zu konkreten Maßnahmen, um von Diskriminierung betroffene Menschen bestmöglich zu unterstützen und Benachteiligung zu bekämpfen. Das ist ein ganz wichtiger Schritt für unser Land.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Meine Damen und Herren, mit der Berufung eines eigenen Staatssekretärs und Bevollmächtigten des Landes für Integration und Antidiskriminierung, unseres Freundes Jo Dreiseitel, hat die neue Landesregierung gerade in diesem Bereich ein starkes Zeichen gesetzt. Mit der Einrichtung der Antidiskriminierungsstelle des Landes setzen wir diesen Weg konsequent fort und schaffen zentrale Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner für das Thema Diskriminierung. Unser Leitmotiv ist, die Vielfalt der Gesellschaft anzuerkennen, zu respektieren und als Gewinn zu begreifen. Nicht alle Menschen sind gleichartig, aber eben gleichwertig.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Jürgen Lenders (FDP))

Deshalb laden wir auch Sie hier im Hessischen Landtag ein, mit uns gemeinsam diesen Weg in den bevorstehenden Jahren weiter konsequent zu verfolgen. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Vielen Dank, Kollege Klose. Das war eine Punktlandung. – Ich rufe nun Herrn Kollegen Lenders auf. Sie haben das Wort, bitte schön.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren Kolleginnen und Kollegen! Auch wir begrüßen den Beitritt des Landes zur Koalition gegen Diskriminierung. Das sehen Sie daran, dass wir in den ersten drei Punkten einen wortgleichen Antrag eingebracht haben.

Bereits 2011 ist das Land auf Bestreben der FDP-Fraktion der Charta der Vielfalt beigetreten. Die Charta der Vielfalt ist eine Vereinigung aus Unternehmen, Vereinen, Sportverbänden, die sich um die positiven Seiten der Menschen kümmert, die ihre ganz persönlichen Eigenschaften mit in Unternehmen, in Vereine einbringen und dadurch diese Unternehmen stärken.

Diversity Management wird oft in den Mund genommen. Die wenigsten können sich konkret etwas darunter vorstellen. Aber es sind mittlerweile Erfolgsmodelle. Die Charta der Vielfalt ist eben die Institution, die Diversity Management vorantreibt und unterstützt.

Meine Damen und Herren, der Antrag der Koalition ist gut. Zum Beitritt der Koalition gegen Diskriminierung wurde auch bei uns geprüft, wo tatsächliche Veränderungen erreichbar sind, wo wir positive Aspekte haben könnten. Darüber ist ein bisschen die Zeit hinweggegangen. Aber dennoch ist es gut, dass das Land jetzt beitritt.

Wenn ich mich auch den Worten von Kollegen Kai Klose uneingeschränkt anschließen kann, bedeutet das aber auch für die CDU-Fraktion – ich erinnere Sie ausdrücklich und nehme Sie in die Pflicht –, dass der Beitritt zur Koalition gegen Diskriminierung auch beinhaltet, dass das Diversity Management in der Landesregierung mit ihren Institutionen umgesetzt wird, dass eine neue Landesregierung homosexuelle Lehrerinnen und Lehrer ermutigt, zu ihrer sexuellen Orientierung zu stehen.

Meine Damen und Herren, das beinhaltet eben auch, dass wir Lösungen für ein Bleiberecht von Menschen finden, die von Kettenduldung betroffen sind. Das bedeutet auch – hören Sie gut zu –, dass man dafür einsteht, dass das Institut Ehe auch für eingetragene Lebenspartnerschaften geöffnet wird.

(Beifall des Abg. Florian Rentsch (FDP) sowie bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Und es bedeutet, dass sich eine Landesregierung aktiv gegen die Diskriminierung von homosexuellen Männern bei Blutspende einsetzt. Das beinhaltet auch eine weiß Gott schwierige gesellschaftliche Aufgabe, Menschen, die HIV positiv sind, zur Seite zu stehen, damit sie sich uneingeschränkt in der Gesellschaft aufhalten können und nicht diskriminiert werden.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Heike Hofmann (SPD))

Es beinhaltet, dass man sich dafür einsetzt, dass wir ein Transsexuellengesetz bekommen, das für eine einfache Personenstandsänderung und auch für eine Entschädigung der Opfer des § 175 StGB eintritt. Alles das beinhaltet das,

dem Sie heute zustimmen wollen. Ich hoffe, dass Sie sich bei passender Gelegenheit auch daran erinnern werden.

Aber warum haben wir in unserem Antrag eine Position herbeigeführt, als wenn wir es nicht geahnt hätten? Gestern hat das Bundeskabinett den Entwurf zum Adoptionsrecht von gleichgeschlechtlichen Partnern verabschiedet, den ich hoffentlich einmal mit den Worten des LSVD umschreiben darf. Das ist nicht etwa die liberale Schülervereinigung Deutschlands, nein, das ist der Schwulenverband Deutschlands, der weiß Gott in weiten Teilen nicht FDP-freundlich ist. Er sagt: Dieses Gesetz ist am Ende nur ein Placebogesetz.

Dieser Kabinettsentwurf sieht Sukzessivadoption vor. Das heißt, nacheinander werden Kinder adoptiert, aber man hält Menschen gleichen Geschlechts nach wie vor das Recht auf gemeinsame Adoption vor. In dieser Verantwortung steht auch die SPD, denn diese SPD hat diesen Kabinettsentwurf mit entschieden, mit beschlossen. Ich darf einmal kurz sagen, was das Bundesverfassungsgericht dazu ausdrücklich gesagt hat:

Unterschiede zwischen Ehe und eingetragener Lebenspartnerschaft, welche die ungleiche Ausgestaltung der Adoptionsmöglichkeiten rechtfertigen könnten, bestehen nicht; insbesondere sind beide Partnerschaften gleichermaßen auf Dauer angelegt und rechtlich verfestigt.

Meine Damen und Herren, das, was jetzt die Koalition in Berlin gemacht hat, könnte man eine verfassungswidrige Diskriminierung von eingetragenen Lebenspartnerschaften und eine Brüskierung des Bundesverfassungsgerichts nennen.

(Beifall bei der FDP)

Es ist mittlerweile auch in den Medien. „Spiegel online“ berichtet: Kabinett erschwert das Adoptionsrecht für homosexuelle Partnerschaften. – Es steht im Grundsatzprogramm, im Wahlprogramm von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Ich habe bei der SPD und der LINKEN nicht nachgeschaut. Ich bin mir relativ sicher, das wird sich auch bei Ihnen wiederfinden. Wenn man all den schönen Worten Glauben schenken darf, muss sich eine Landesregierung aktiv dafür einsetzen, dass das Adoptionsrecht in vollem Umfang für eingetragene Lebenspartnerschaften umgesetzt wird.

(Beifall bei der FDP und der LINKEN)

Kai Klose hat die Landesregierung dafür gelobt, dass jetzt ein Staatssekretär für Antidiskriminierung eingesetzt worden ist. Jawohl, das ist durchaus gut. Ich will aber betonen: Antidiskriminierung und Integration hatte vorher bei uns, bei der FDP, nicht den Rang eines Staatssekretärs, sondern den Rang eines Staatsministers.

(Beifall bei der FDP)

Aber es ist gut, dass Sie dieses Thema mit einem Staatssekretär besetzt haben.

Lassen Sie mir den Hinweis zu: Er hat wahrscheinlich noch viel Überzeugungsarbeit bei seinen Kollegen im Sozialministerium zu leisten. Herr Kollege Staatssekretär Dr. Dippel ist als Protagonist auf dem Bundesparteitag der CDU aufgetreten und hat dafür gesorgt, dass die alte Bundesregierung eine Position zur rechtlichen Gleichstellung ins Einkommensteuergesetz aufgenommen hat, die uns als Koalitionspartner in eine verdammte Zwickmühle gebracht

hat, die uns nämlich viel Kritik von den GRÜNEN und von den Schwulen- und Lesbenverbänden eingebracht hat. Ich glaube, hier hat der grüne Staatssekretär noch viel Überzeugungsarbeit bei seinen Kollegen zu leisten.

(Beifall bei der FDP)

Das liberale Menschenbild – –

(Zuruf des Abg. Dr. Walter Arnold (CDU))

Walter, ich kann dir die Mitteilung der „Fuldaer Zeitung“ gerne herausziehen. Wenn du dich jetzt auch noch ins dieses Fahrwasser begeben willst – –

(Zuruf des Abg. Dr. Walter Arnold (CDU))

Lieber Kollege Arnold, nicht derjenige, der diskriminiert, ist derjenige, der beurteilt, ob eine Diskriminierung stattfindet, sondern das tun die Menschen, die diskriminiert werden.

(Beifall bei der FDP, der SPD und den LINKEN)

Das liberale Menschenbild ist frei von Diskriminierung jeglicher Art. Der Liberalismus ist an und für sich wertneutral. Jeder Mensch sollte nach seinen Vorstellungen und seinen Zielen sein Leben frei gestalten können. Verbote und staatliche Diskriminierung sind mit einer liberalen Haltung nicht kompatibel. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Herr Kollege Lenders, vielen Dank. – Als nächster Redner spricht Herr Kollege Dr. Wilken von der Fraktion DIE LINKE. Bitte schön, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Diskriminierung findet jeden Tag an den verschiedensten Orten und in den verschiedensten Alltagssituationen statt. An jedem Wochenende wird Menschen wegen ihrer ethnischen Herkunft der Zutritt zur Disco verwehrt. Genauso ist es alltäglich, dass Menschen wegen ihrer sexuellen Identität am Arbeitsplatz oder auch im Privatleben gemobbt werden.

Kinder rutschen bei der Klassenbildung und Selektion nach Religionszugehörigkeit an der Grundschule in die Restklasse. Wir hören immer wieder von rassistischem Profiling, wenn Menschen wegen ihrer Hautfarbe beim Autofahren angehalten und kontrolliert werden.

Das Grundgesetz gilt. Seit 2006 gilt bundesweit das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz. Diskriminierungen dieser Art sollte es schon lange nicht mehr geben.

Doch nicht erst seit der von der Antidiskriminierungsstelle des Bundes veröffentlichten Studie „Diskriminierung im Alltag – Wahrnehmung von Diskriminierung und Antidiskriminierungspolitik in unserer Gesellschaft“ – so lautet der Titel der Studie aus dem Jahr 2008 – wissen wir jedoch, dass jede dritte Einwohnerin Deutschlands sich bereits wegen eines der im Allgemeinen Gleichstellungsgesetz genannten Merkmale diskriminiert gefühlt hat.

Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes arbeitet daran, dass bekannt wird: Der Rechtsstaat nimmt unrechtmäßige Benachteiligungen nicht länger hin, Diskriminierung ist in Deutschland ausdrücklich verboten.

(Beifall bei der LINKEN)

Dass Hessen dieser Koalition gegen Diskriminierung nun beitreten wird, begrüße ich ausdrücklich. Aber wie kommen wir im realen Leben über diese sicherlich nicht unwichtige, aber nur wenig ausstrahlende Bekundung hinaus? Antidiskriminierungspolitik darf sich auf keinen Fall auf folgenlose Appelle und Absichtserklärungen beschränken. Das will hier auch niemand. Deutschland soll ein Land werden, in dem Diskriminierung keinen Platz hat.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Wir müssen gemeinsam zur Kenntnis nehmen, dass insbesondere Armut und Perspektivlosigkeit Nährböden für Diskriminierung sind. Deswegen ist die Bekämpfung der Armut ein zentrales Mittel antidiskriminierender Politik. Da sind die aktuellen Entscheidungen der Politik verheerend.

In von Armut und Perspektivlosigkeit geprägten Milieus ist oft blanker Hass gegenüber den Menschen anderer ethnischer Herkunft oder Hautfarbe zu spüren. In diesen Milieus ist die Überzeugung verbreitet, nicht beispielsweise die Migranten benötigten den staatlichen Schutz vor Diskriminierung, sondern die Einheimischen, das eigene Volk müsse vor den Folgen der als bedrohlich empfundenen Einwanderungswelle, die die Fundamente unseres Sozialstaats unterspült, geschützt werden.

Meine Damen und Herren, Sie kennen diesen Sprachgebrauch. Deswegen will ich einen kurzen Blick auf die Sprache werfen, wie sie uns gewohnt ist. Häufig wird die Flutmetaphorik benutzt. Viele sprechen von einer Flut der Asylanträge, als ob wir gleich überschwemmt würden. Sieht man die Relation der Anträge zur Zahl der Bevölkerung in Deutschland, ist das nichts weiter als ein Tropfen. Es ist also keine Welle, die etwas unterspült.