Protokoll der Sitzung vom 13.03.2014

Gehen wir in Ihrem Antrag weiter. In Punkt 2 sehen Sie in der isolierten Einführung einer Finanztransaktionssteuer – ich nehme an, mit „isoliert“ meinen Sie: „isoliert in Deutschland“ – die Interessen des Finanzplatzes Frankfurt gefährdet. Noch einmal zum Mitschreiben: Sie sehen die Interessen des Finanzplatzes Frankfurt gefährdet – nicht die Interessen der Beschäftigten, nicht die Interessen derjenigen, die in den Bankentürmen Frankfurts jährlich ihrer Arbeit nachgehen, indem sie die Realwirtschaft mit Krediten und Privatkunden mit sicheren Geldanlagen versorgen wollen.

Um die geht es in diesem Punkt nicht. Es geht Ihnen um die Interessen des Finanzplatzes – also nicht um das Interesse bestimmter Personen, sondern um das abstrakte Interesse eines Kapitalverwertungssystems in Hessen. Genau da haben Sie recht. Wer die Finanztransaktionssteuer verhindern will, der will nicht die Menschen vor dem Kapitalismus schützen, sondern den Kapitalismus vor den Menschen.

(Beifall bei der LINKEN)

Und so sehen Sie den Finanzplatz als einen wichtigen Faktor an, der zu unserem Wohlstand beiträgt. Vielleicht sollten Sie mit der Formulierung „zu unserem Wohlstand beiträgt“ etwas vorsichtig sein. Denn der Finanzplatz trägt eben nicht zum Wohlstand aller, sondern vor allem zum Wohlstand einiger weniger bei, von denen überproportional viele die FDP gewählt haben dürften. Der Finanzplatz macht nicht alle reicher, sondern er macht vor allem Reiche reicher.

Kommen wir zu Ihrem dritten Punkt. Darin kritisieren Sie, dass die Finanztransaktionssteuer nicht die Banken an den Kosten der Krise beteilige, weil diese die Belastung auf ihre Kunden umgelegten. Vielleicht haben Sie eine andere Vorstellung von dem, was eine Finanztransaktionssteuer überhaupt bewerkstelligen soll. Es geht dabei nämlich keineswegs nur um die Banken, sondern es geht vor allem um Geschäfte, die an den Finanzmärkten stattfinden, die sich nur deshalb lohnen, weil die technische Entwicklung der letzten beiden Jahrzehnte sie überhaupt möglich gemacht hat.

Es gibt Geschäfte, die fanden früher gar nicht statt, weil sie entweder technisch in der gebotenen Kürze der Zeit nicht möglich oder die Transaktionskosten dafür viel zu hoch waren. Die Finanztransaktionssteuer setzt genau an diesem Punkt an und macht Geschäfte unattraktiv, beispielsweise im Hochfrequenzhandel. Bei einem Steuersatz von, wie wir ihn fordern, 0,1 % sind sicher nicht alle massiv belastet, die sich finanziell für das Alter absichern wolle, aber die, die schnell Geld mit schnellen Geschäften machen wollen.

Dass Sie gerade jetzt, wo die Zinsen niedrig sind und wir am Rande der Deflation stehen, mit der Angst der Kleinsparer spielen, beweist, dass Sie immer noch nicht verstanden haben, wer die Krise zu verantworten hat. Denn dass die Kleinsparer im Moment Angst um ihre Ersparnisse haben müssen, hängt nicht mit der mangelnden Freiheit des Finanzmarktes zusammen, sondern mit seiner unzureichenden Regulierung und einer Realwirtschaft, die unter dem Stichwort Shareholder Value alles für den Finanzmarkt und immer weniger für die Menschen getan hat.

(Beifall bei der LINKEN)

Ohne ausbeuterische Arbeitsverhältnisse und ohne Finanzmärkte, die nur noch sich selbst genug sind, wären wir noch weit tiefer in der Krise.

Auf den vierten Punkt Ihres Antrags möchte ich nur kurz eingehen. Im Wesentlichen ist das nur die Wiederholung des ersten Punktes. Aber es ist bemerkenswert, dass Sie die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit des Finanzplatzes fordern. Bisher hatte ich Sie immer so verstanden, dass Sie zumindest gerne behaupten, es ginge Ihnen nicht um einen Laissez-faire-Kapitalismus, sondern um einen ordoliberalen Markt, in dem der Staat den Rahmen setzt.

Wenn Sie sich jetzt aber hinstellen und die Finanztransaktionssteuer ablehnen, dann haben Sie nicht verstanden, dass die Finanztransaktionssteuer den Markt nicht abschafft, sondern die Regeln für diesen Markt aufstellt, unter denen der Wettbewerb stattfinden kann. Es geht hier also nicht um die Wettbewerbsfähigkeit, sondern darum, ob wir einen solchen, für unsere Gesellschaft ruinösen, Wettbewerb überhaupt wollen.

Als überzeugte Europäer wollen wir uns dafür einsetzen, dass mit der Idee der Tobin-Steuer, die ja jetzt weiterentwickelt wurde, ein Stück Regulierung an die Finanzmärkte zurückgebracht wird und auf der anderen Seite Einnahmen für einen weltweiten Aufbau sozialer Gerechtigkeit, z. B. im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit, zur Verfügung stellt. Europa wird nämlich nicht von den Finanzmärkten zusammengehalten, sondern von Menschen, die in Europa einen lebenswerten Platz des Zusammenlebens finden wollen.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank, Herr Kollege van Ooyen. – Mir liegt jetzt nur noch eine Wortmeldung vor: Herr Kollege Reif, CDUFraktion.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Lieber Herr Rentsch, als ich Ihren Antrag vom 4. März 2014 gelesen habe, habe ich mir gedacht: Mensch, das hast du doch alles schon einmal gelesen. – Dann haben wir einmal nachgeschaut und festgestellt: Am 24. Januar 2012 haben Sie einen fast wortidentischen Antrag gestellt – vom Betreff bis zum letzten Wort. Es hat sich nur wenig geändert. In der Fassung vom 24. Januar 2012 stand: Der Landtag unterstützt die Landesregierung. – Im diesjährigen Antrag steht: Der Landtag fordert die Landesregierung auf. – Ich würde sagen, auch das hätten Sie im Grunde genommen beibehalten können.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU)

Eines muss ich Ihnen nämlich sagen: Es hat sich in diesem Sinne nichts geändert.

(Lachen des Abg. Florian Rentsch (FDP))

Wir haben dem damaligen gemeinsamen Antrag mit Freude zugestimmt, und deshalb müssen wir es heute nicht erneut tun.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Lachen bei der FDP)

Übrigens lassen wir uns von Ihnen mit solchen Manövern nicht aufs Kreuz legen. Damit Sie wissen, wie wir in Zukunft verfahren, wenn Sie weiterhin wortidentische Anträge stellen: Wir werden auch diese ablehnen, denn wir erwarten selbst von einer kleinere FDP-Fraktion zumindest mehr Kreativität und mehr Hinwendung zu neuen Anträgen.

Ich stelle fest: In der Zwischenzeit, seit 2012, hat sich einiges verändert. Nur die FDP ist gleichgeblieben. Alles hier im Hause hat sich ein bisschen verändert, aber Sie von der FDP scheinen immer noch im alten Trott zu sein.

(Zuruf von der SPD: Es sind weniger geworden!)

Dazu möchte ich nicht unbedingt etwas sagen, weil ich die Lage bei dieser Diskussion nicht ganz verschärfen möchte.

Herr Kollege, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Abg. Rock?

(Clemens Reif (CDU): Gerne, Herr Rock!)

Werden Sie diesen Antrag, dem Sie schon einmal zugestimmt haben, jetzt ablehnen?

Wir werden ihn deshalb ablehnen, weil wir ihm schon einmal zugestimmt haben.

(Heiterkeit)

Warum sollten wir dem Antrag zum zweiten Mal zustimmen? Nur deswegen, weil wir das schon einmal gemacht haben?

(Heiterkeit – René Rock (FDP): Ich wollte es nur noch einmal hören!)

Herr Rock, ich will Ihnen einmal etwas sagen. Sie leiden spürbar unter zwei erschütternden Ereignissen aus jüngster Zeit. Die FDP gehört erstens nicht mehr der Landesregierung an. Das ist das erste spürbare Ereignis.

Zweitens regiert die CDU, Ihr ehemaliger Koalitionspartner, jetzt gemeinsam mit BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN unser Bundesland. Das ist das zweite spürbare Ereignis. Das erste Ereignis haben Sie selbst verschuldet. Sie sind nicht mehr mit 20 Abgeordneten hier im Landtag. Das muss man Ihnen so sagen. Das zweite Ereignis haben Sie ebenfalls verschuldet. Sie sind mit wenigen Hundert Stimmen über der erforderlichen Mindestzahl wieder in den Landtag gekommen, was ich Ihnen ja gönne. Aber nur deswegen war diese Koalition überhaupt möglich. Daher haben Sie auch das verschuldet. Im Grunde genommen sind Sie selbst an allem schuld.

(Große Heiterkeit)

Herr Rentsch, zur Sache. Unsere Landesregierung aus CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN steht ohne Wenn und Aber zum Bilanzplatz Frankfurt. Das gilt auch für die Fraktionen von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU. Die Koalitionsvereinbarung spricht ebenfalls für

sich, denn wir tragen Verantwortung. Das unterscheidet uns von so manchem anderen hier im Parlament.

Ich glaube aber, es hat sich eben in der Diskussion gezeigt, dass wir – bis auf die GRÜNEN –

(Florian Rentsch (FDP): Sehr gut! – Lachen bei der FDP)

in dieser Situation einen großen gemeinsamen Nenner haben: die Sorge um die bis zu 75.000 Mitarbeiter, die zum Wohlstand unseres Landes sehr erheblich beitragen.

(Beifall bei der CDU)

Wir wissen, dass Frankfurt nicht irgendein Finanzplatz ist, sondern Frankfurt ist der Finanzplatz mit der Europäischen Zentralbank. Frankfurt hat die europäische Bankenaufsicht, die europäische Versicherungsaufsicht, den Europäischen Systemrisikorat, die Deutsche Bundesbank, die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht und vieles andere mehr, z. B. über 200 Banken. Die Hälfte davon – Frau Erfurth hat es gesagt – sind internationale Banken, deren Mitarbeiter sich hier wohlfühlen und die diesen Platz attraktiv finden.

Nun ist die Welt aber so, wie sie ist, und nicht so, wie wir sie uns manchmal denken. Elf Euroländer wollen, dass derjenige, der mit Aktien, Anleihen und Derivaten handelt, die damit erzielten Umsätze versteuert. Der Bundestag möchte dies mehrheitlich, und auch der Bundesrat möchte dies mehrheitlich.

Die Hessen sind die Einzigen in Deutschland, die eine verhältnismäßig differenzierte Haltung zur Finanztransaktionssteuer haben. Das ist aufgrund unserer Lage – Finanzplatz Frankfurt – so. In Mecklenburg-Vorpommern, in Hamburg, in Stuttgart oder in Düsseldorf sieht man das völlig anders. Die sind nicht betroffen; das ist der Unterschied. Bei den Transaktionen mit Aktien soll der Steuersatz 0,1 % betragen, bei Transaktionen mit Derivaten – Herr von Ooyen – 0,01 %.

Zu den elf Euroländern, die das wollen, gehören so bedeutende wie Deutschland, Frankreich und Italien. Aber man muss auch sagen: Großbritannien, Luxemburg und die Niederlande sind dagegen. Wenn wir nicht in der Lage sind, in diesem Punkt eine einheitliche europäische Meinung und eine einheitliche europäische Vorgehensweise zu entwickeln, schaden wir dem Finanzplatz Frankfurt mit der isolierten Einführung einer Finanztransaktionssteuer.

(Dr. Walter Arnold (CDU): So ist es!)

Es kann doch nicht sein, dass wir etwas machen, was anderen nutzt, aber uns schadet. Ich glaube, darin ist sich diese Koalition aus CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN völlig einig. Wir wollen nichts Isoliertes haben.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN).

Welches sind die Gründe für die Sympathie gegenüber einer Finanztransaktionssteuer? Der erste Grund ist, dass man insbesondere Spekulationen im Hochgeschwindigkeitshandel empfindlich treffen will, die sogenannten „high-frequency trades“. Es gibt diese hauptsächlich in den angelsächsischen Ländern und im Fernen Osten, aber auch in Europa – und selbstverständlich auch in Frankfurt.

Der zweite Grund ist, dass die Staaten eine neue, höchst lukrative mögliche Einnahmequelle entdeckt haben. Das macht begehrlich; das regt die Fantasie an. Was alles

macht man mit Einnahmen? Man kann sie z. B. in segensreiche Programme stecken. Mich stört an diesen Fantasien, dass niemand auf die Idee kommt, damit den Schuldenabbau zu meistern.

Je nach Sicht schwanken die Vorstellungen in Bezug auf das Volumen einer Finanztransaktionssteuer zwischen 16 Milliarden und 400 Milliarden €. Die neuesten Zahlen – ich habe sie mir heute Morgen beschafft – liegen zwischen 10 Milliarden und 30 Milliarden €. Der Bundesfinanzminister spricht mittlerweile von einem Einnahmevolumen von rund 2 Milliarden €. Die früher gehegte Fantasie, man könne damit ganze Haushalte sanieren, ist also wie eine Seifenblase geplatzt. Die gewaltigen Spannen sind schnell erklärt. Je mehr Händler auf Standorte ausweichen, die eine solche Steuer nicht erheben, desto geringer fallen die Einnahmen aus.