Protokoll der Sitzung vom 17.05.2016

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Ausbildungsleistung ist erwähnt worden. Man muss es noch einmal sagen: Rund 26 % aller neuen Ausbildungsverträge sind im Bereich des Handwerks. Die Ausbildungsquote im Handwerk liegt bei 8 %. Das liegt deutlich über dem allgemeinen Schnitt von 4,8 %.

Ich will an dieser Stelle etwas zum Stichwort Ausbildungsplatzumlage sagen. Was vielleicht eine Forderung war, über die man zu einem Zeitpunkt diskutieren konnte, als es ein deutliches Überangebot an Ausbildungswilligen und ein deutliches Missangebot an Ausbildungsplätzen gab, wird immer schwieriger, wenn sich dieser Markt dreht und es teilweise so ist, dass Betriebe Ausbildungsplätze zur Verfügung stellen, aber keine Auszubildenden finden. Wollen Sie dann einen solchen Betrieb bestrafen und sagen, dass er sich nicht genug bemüht hat? Ich glaube, an dieser Stelle wird es etwas schwierig, wenn wir in eine Situation kommen – da sind wir teilweise schon –, wo es unbesetzte Ausbildungsplätze gibt. Dann wird es ein bisschen absurd. Deswegen glaube ich, dass das, was man immer schon gefordert hat, nicht richtig sein muss, wenn die Wirklichkeit sich verändert.

(Janine Wissler (DIE LINKE): Wie ist das mit den Altbewerbern?)

Ich will aber ausdrücklich sagen: Ich bin dafür, dass das Handwerk sich kräftig bemüht, um Auszubildende zu werben, die Ausbildungsbedingungen attraktiv zu machen und auch dafür zu sorgen, dass es weniger Ausbildungsabbrüche gibt. Auch das hat etwas mit Attraktivität zu tun. Das wird für die Zukunft ganz besonders wichtig sein.

Ich will ausdrücklich Folgendes sagen: Das Handwerk bietet vielen einen Ausbildungsplatz, die es anderswo schwerer hätten, einen Ausbildungsplatz zu finden. Auch das ist ein Beitrag zum Zusammenhalt der Gesellschaft.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Wir wollen das vonseiten der Landesregierung unterstützen. Wir tun das. Wir verbessern die Strukturen bei der landesweiten Strategie OloV, also bei der Optimierung der lokalen Vermittlungsarbeit. Wir haben neue Förderprogramme wie „gut ausbilden“ aufgelegt, die insbesondere die Ausbildungsqualität und -fähigkeit der Kleinstunternehmen stärken sollen. Wir haben wieder ein „Bündnis Ausbildung Hessen“, bei dem alle mitmachen, auch die Gewerkschaften. Wir haben da gemeinsam das Ziel, die duale Ausbildung attraktiver zu machen, um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken.

An dieser Stelle sage ich ausdrücklich: Es steht Neues bevor. Wir sind hinsichtlich der Digitalisierung in der Situation, dass in Zukunft auch im Handwerk Themen eine Rolle spielen werden, die in der Vergangenheit keine Rolle gespielt haben. So ähnlich wie der frühere Dreher inzwischen Zerspanungstechniker heißt, mit allem, was dazugehört, und mit vielem, was am Ende noch dazukommt, ist es sicherlich so, dass wir auch in anderen Bereichen erleben werden, dass die Digitalisierung die Ausbildungsberufe verändern wird. Wir werden uns Gedanken darüber machen müssen, was das für die nötige Qualifikation der Auszubildenden bedeuten wird.

Herr Staatsminister, die für die Fraktionen vorgesehene Redezeit ist um.

Ich komme zum Schluss meiner Rede. – Auch da ist es so, dass uns vieles bevorstehen wird. Ich bin aber davon überzeugt, dass wir, wenn wir in der Gesellschaft, in der Politik und im Handwerk zusammenhalten, diesen Herausforderungen gemeinsam begegnen werden.

Eines will ich noch sagen, da ich auch Energieminister bin: Ich finde es schön, dass das Handwerk vor einigen Jahren damit begonnen hat, sich als offizieller Ausrüster der Energiewende zu bezeichnen. Ich will sie ausdrücklich darin bestärken, das weiterhin zu tun.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, vielen Dank. Grüße an das Handwerk. Ich danke für die Debatte. Ich danke vor allem auch den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Ministerium für die viele Arbeit zur Erstellung der Antwort auf diese Große Anfrage. – Danke sehr.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank. – Damit wurde die Große Anfrage unter Tagesordnungspunkt 37 besprochen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 41 auf:

Antrag der Fraktion der SPD betreffend gute Arbeit auch in Hessen durchsetzen: Mindestlohn wirkt – Ordnung bei Leiharbeit und Werkverträgen herstellen – Tariftreue wirksam gestalten – Drucks. 19/3279 –

Damit zusammen wird Tagesordnungspunkt 30 aufgerufen:

Antrag der Abg. Barth, Eckert, Faeser, Frankenberger, Gremmels, Grüger, Weiß (SPD) und Fraktion betreffend wirksame Kontrolle des Hessischen Vergabe- und Tariftreuegesetzes – Drucks. 19/3154 –

Außerdem wird noch Tagesordnungspunkt 58 aufgerufen:

Dringlicher Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend Vergabegesetz stärkt fairen Wettbewerb – Bund muss Finanzkontrolle Schwarzarbeit angemessen ausstatten und Mindestlohn kontrollieren – Drucks. 19/3304 –

Die vereinbarte Redezeit beträgt auch hier zehn Minuten. Als Erster spricht Herr Kollege Decker für die SPD-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Auch in diesem Haus haben wir lange Zeit über die Fairness auf dem Arbeitsmarkt teilweise heftig debattiert. Es ging vor allem um den gesetzlichen Mindestlohn. Inzwischen ist das Mindestlohngesetz mehr als 15 Monate in Kraft. Ich sage Ih

nen: Die Einführung war bitter notwendig. Sie war absolut richtig.

(Beifall bei der SPD)

Warum sie bitter nötig war, will ich Ihnen anhand einiger Zahlen dokumentieren. Diese machen gleichzeitig deutlich, dass das schon jetzt eine Erfolgsgeschichte ist.

Im April 2014 gab es in Deutschland 5,5 Millionen Jobs, die geringer als der Mindestlohn in Höhe von 8,50 € pro Stunde bezahlt wurden. Davon kamen 4 Millionen zum 1. Januar 2015 unter den Schutz des Mindestlohngesetzes. Das sind 10,7 % aller Jobs. In Westdeutschland sind es fast 9 % aller Jobs.

Der gesetzliche Mindestlohn bietet vor allem Beschäftigten Schutz, für die keine Tarifverträge gelten. Das sind jede Menge, auf die das bis dahin nicht zutraf. In Zahlen ausgedrückt: Es waren 3,3 Millionen ohne Tarifbindung. Das sind sage und schreibe 83 % der nunmehr geschützten gering bezahlten Jobs. Die meisten davon waren in der Gastronomie und im Einzelhandel, aber auch in vielen anderen Branchen. Ich denke z. B. an den Paketfahrer und viele andere.

Ich betone das auch deshalb hier so deutlich, weil ein Argument der Mindestlohngegner immer war, dass die Lohnregulierung Aufgabe der Tarifpartner und nicht des Staates sei. Fazit: Wenn es keine Tarifpartner gibt, gibt es auch nichts zu regulieren, geschweige denn, zu verbessern. Schon deshalb war es logisch und richtig, dieses Gesetz einzuführen.

(Beifall bei der SPD)

Im Übrigen trägt das Mindestlohngesetz zumindest auch ein Stück weit dazu bei, bestehende Lohnungerechtigkeiten zwischen Männern und Frauen zu beseitigen. Hören Sie zu: Der Anteil der Frauen, die jetzt durch das Mindestlohngesetz geschützt werden, liegt bei 2,5 Millionen. Das ist wesentlich höher als bei den Männern. Da geht es um 1,5 Millionen Jobs.

Frau Ministerin Hinz, ich hoffe, dass Sie, wenn Sie wie jedes Jahr den Spargel anstechen, 8,50 € bekommen. Wenn das nicht der Fall ist, melden Sie sich bei mir. Ich helfe Ihnen dann gerne.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD)

Ich sage Ihnen heute noch einmal: Allen Unken- und Kassandrarufen zum Trotz war und bleibt die Einführung des gesetzlichen Mindestlohns richtig. Die prophezeite Katastrophe auf dem Arbeitsmarkt ist nicht eingetreten. Das Gegenteil ist der Fall. Es ist ein deutlicher Anstieg der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung zu verzeichnen.

Nun wissen wir alle selbstverständlich, dass 8,50 € besser als 6,50 € sind. Diese 8,50 € sind aber bei Weitem nicht auskömmlich. Deshalb haben wir dies von Anfang an als einen unumgänglichen Einstieg bezeichnet. Anders gesagt: Wir halten das für die unterste Schamgrenze.

Uns allen ist klar, dass der Mindestlohn sukzessive steigen muss. Dafür ist im Gesetz die Mindestlohnkommission vorgesehen. Sie wird über die einzelnen Anpassungen entscheiden.

Ich habe das gerade in dem Dringlichen Entschließungsantrag gelesen. Ich freue mich im Übrigen darüber, dass auch die Fraktionen der CDU und der GRÜNEN jetzt dafür sind, verstärkte Kontrollen durchzuführen.

(Beifall des Abg. Michael Siebel (SPD))

Sie sagen auch, dass das gestärkt werden muss. Herzlichen Dank für Ihre Unterstützung an dieser Stelle.

(Beifall bei der SPD)

Mit der Einführung des gesetzlichen Mindestlohns haben wir einen ersten wichtigen Schritt getan, um für mehr Fairness auf dem Arbeitsmarkt zu sorgen. Wir dürfen da aber nicht stehen bleiben. Wir müssen diesen Weg weiterhin konsequent gehen, um noch bessere Ordnung auf dem Arbeitsmarkt zu schaffen. Wir müssen weiterhin konsequent für mehr gute Arbeit einstehen. Deshalb muss jetzt im nächsten Schritt der Missbrauch der Leiharbeit und der Werkverträge eingedämmt werden.

(Beifall bei der SPD)

Wir müssen einer weiteren Spaltung des Arbeitsmarkts in prekäre und unsichere Beschäftigung einerseits und in sichere und gut entlohnte Beschäftigung andererseits Einhalt gebieten. Das ist eine unserer wesentlichen sozialpolitischen Herausforderungen.

Als damals die Regelungen zur Flexibilisierung des Arbeitsmarktes eingeführt wurden, geschah das in der Absicht, auf die hohe Arbeitslosigkeit zu reagieren und die Betroffenen über den Weg der Leiharbeit wieder verstärkt in dauerhafte Beschäftigung zu bringen. Wir müssen heute feststellen, dass sich die Dinge leider anders entwickelt haben, als es beabsichtigt war. Deshalb unterstützt auch die SPD-Fraktion in diesem Landtag in aller Deutlichkeit und mit großem Nachdruck den Gesetzentwurf der Bundesarbeitsministerin Nahles zur Bekämpfung des Missbrauchs bei der Leiharbeit und bei Zeitverträgen.

(Beifall bei der SPD)

Zweifellos ist unser Land wirtschaftlich gut aufgestellt. Der wirtschaftliche Erfolg unseres Landes basiert bisher auf gut ausgebildeten und fleißigen Beschäftigten, auf weltweit anerkannten guten Produkten und Dienstleistungen sowie auf einem hohen Maß an sozialem Frieden. Die Erfolge sind das Ergebnis klarer und gerechter Spielregeln für die wirtschaftlichen Prozesse und gute Arbeitsbedingungen in der sozialen Wirtschaft.

Die Pfeiler dieses Erfolgsmodells waren immer die Tarifautonomie, die sozialen Sicherungssysteme und die Mitbestimmung. Dieses Modell war auch immer deshalb erfolgreich, weil die ökonomisch notwendige Flexibilität und die Sicherheit für die Beschäftigten die zwei Seiten derselben Medaille waren.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Dieses Modell hat leider Risse bekommen. Die Tarifbindung ist dramatisch gesunken. Das wurde vor allem durch die Tarifflucht der Arbeitgeber verursacht. Es gibt einen deutlich angewachsenen Niedriglohnsektor. Es gibt die Zunahme atypischer und prekärer Beschäftigung. Das betrifft z. B. ausufernde Leiharbeit und dubiose Werkverträge.

All diese Entwicklungen gefährden das Erfolgsmodell der sozialen Marktwirtschaft. Wir sollten uns das alles noch einmal genau vor Augen führen. Das gefährdet das Modell der sozialen Marktwirtschaft. Das hat Auswirkungen über die unmittelbar Betroffenen hinaus bis in die Mittelschicht der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Deshalb werden wir dafür sorgen, dass diese Entwicklung korrigiert wird.

(Beifall bei der SPD)