Eingangs erwähnt habe ich, dass die erstarkte Studierneigung verschiedene Gründe hat. Einen habe ich eben aufgezählt; aber es gibt weitere. Beispielsweise zeigt uns die aktuelle OECD-Statistik, dass Akademikerinnen und Akademiker nur ca. halb so stark von Arbeitslosigkeit betroffen sind wie die Absolventen dualer Ausbildungen. Ebenso zeigt die Statistik, dass das Einkommen von Akademikerinnen und Akademikern durchschnittlich höher liegt als das der Absolventen dualer Ausbildungen. Hier muss unseres Erachtens dringend der Hebel angesetzt werden, um die
Noch ein wichtiger Punkt kommt hier hinzu: Im letzten Jahr streikten die Beschäftigten im Sozial- und Erziehungsdienst; wir alle erinnern uns an die mehrere Wochen lang geschlossenen Kindertagesstätten. Die Erzieherinnen und Erzieher streikten für bessere Arbeitsbedingungen – und für mehr Anerkennung der wichtigen Arbeit, die sie leisten: Anerkennung in Form von besseren Eingruppierungen und somit auch in Form von mehr Geld. Solange also die Eventmanagerin gesellschaftlich höher geschätzt und auch besser bezahlt wird als die Erzieherin, haben wir ein Problem. Das wirkt sich auch auf die Attraktivität der jeweiligen Berufe aus.
Natürlich ist die Berufsorientierung eine entscheidende Aufgabe der Schulen. Dabei müssen regionale Besonderheiten ebenso berücksichtigt werden wie die individuellen Neigungen und Fähigkeiten der Schülerinnen und Schüler. Dass ein oder zwei Praktika wirklich reichen, um überhaupt einen Überblick über den bunten Markt der Möglichkeiten zu erhalten, bezweifle ich. Aber ich unterstütze diese Praktika eindringlich, und für manch einen jungen Menschen mögen sie auch der Einstieg in seine Berufslaufbahn sein.
Wie gesagt, die Berufswelt befindet sich, ebenso wie die klassischen beruflichen Biografien, im Wandel. Lebenslanges Lernen und auch der Wunsch, keine 40 Jahre in derselben Institution zu verweilen, sind längst Bestandteile des Bildes des modernen Berufstätigen geworden. Auch der Studiengangwechsel gehört schon in vielen Bereichen eher zur Normalität als zur Ausnahme.
Meine Damen und Herren, wer sich um die duale Ausbildung sorgt, muss vor allem die Attraktivität der dualen Ausbildungsberufe erhöhen. Dies erfordert unseres Erachtens auch, dass die Gymnasien bei der Berufsorientierung keine Sonderstellung mehr innehaben. – Ich danke Ihnen.
Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Zunächst darf ich mich bei der SPD-Fraktion für die Große Anfrage betreffend Stärkung der Berufsorientierung und Arbeitslehre in Schule und Unterricht bedanken. Die Beantwortung der Anfrage bestätigt eindrucksvoll, dass das Kultusministerium mit einer Reihe von Maßnahmen die Berufsorientierung im Unterricht weiter aufgewertet und damit auch eine Forderung des Bildungsgipfels engagiert erfüllt hat.
Zusammen mit den Anhängen dokumentiert dieses Papier den hohen Stellenwert, den die von CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN getragene Landesregierung der Berufsorientierung einräumt und wie diese im Unterricht und in den Curricula der verschiedenen Schulformen ihre Umsetzung findet.
Ich gehe davon aus, dass die in den Vorbemerkungen der Fragesteller und die von der Landesregierung getroffenen Feststellungen unser aller Zustimmung finden. Die duale Ausbildung ist in der Tat ein Erfolgsmodell,
und sie leistet einen wesentlichen Beitrag zum Erfolg des Wirtschaftsstandorts Deutschland. Sie ist Grundlage für die erfolgreiche Fachkräftesicherung in Handwerk und Industrie. Sie stärkt unsere Wettbewerbsfähigkeit maßgeblich, und sie bietet jungen Menschen einen erfolgreichen Einstieg in ihr Berufs- und Arbeitsleben.
Richtig ist allerdings auch, dass in den vergangenen Jahren die Anzahl der abgeschlossenen Ausbildungsverträge rückläufig war, während die Anzahl der Studierenden stetig anstieg. Wir müssen daher alle Anstrengungen unternehmen, damit sich junge Menschen in der Schule umfassend über die 328 anerkannten Ausbildungsberufe informieren können. Alle Schülerinnen und Schüler müssen umfassend auf die Berufswelt vorbereitet werden, damit sie letztendlich eine ihren Interessen, Fähigkeiten und Neigungen entsprechende Berufswahlentscheidung treffen können. Der Übergang von der Schule in den Beruf muss ohne unnötige Warteschleifen in Übergangssystemen erfolgen. Ausbildungsabbrüche sind weitestgehend zu vermeiden.
Um dies alles erreichen zu können, ist eine umfassende und zielgerichtete Berufs- und Studienorientierung unerlässlich. Es ist daher richtig, dass in Hessen zwischenzeitlich die rechtlichen Voraussetzungen dafür geschaffen wurden, dass die Berufsorientierung in allen Schulformen zum Wahlpflicht- bzw. zum Pflichtunterricht gehört. Gerade beim Wahlpflichtunterricht legen die Schulen die genaue Ausgestaltung des Berufsorientierungsunterrichts unter Wahrnehmung ihrer diesbezüglichen Gestaltungsfreiheit selbst fest. Regionale Besonderheiten finden somit maßgeblich Einzug in den Unterricht. Frau Cárdenas, Sie haben das angesprochen.
Die Allianz für Aus- und Weiterbildung 2015 – 2018 hat zahlreiche Ziele formuliert, die die Berufsorientierung zum Thema haben. Einige davon wurden vom Fragesteller in der Vorbemerkung genannt. Herr Kollege Degen, es ist mehr als erfreulich, dass zahlreiche dieser in der Allianz für Aus- und Weiterbildung 2015 – 2018 formulierten Ziele in dem von CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN regierten Hessen bereits konkret umgesetzt werden konnten, im Gegensatz zu zahlreichen anderen Bundesländern.
So schafft beispielsweise die hessenweite Strategie OloV – Optimierung der lokalen Vermittlungsarbeit bei der Schaffung und Besetzung von Ausbildungsplätzen – seit 2008 durch Kooperation und Koordination der regionalen Ausbildungsmarktakteure Strukturen beim Übergang von der Schule in den Beruf, um die Transparenz der Angebote und Maßnahmen der Regionen zu erhöhen. Herr Degen, davon habe ich bei Ihnen leider nichts gehört. Mit der Einführung und den dazugehörigen Qualitätsstandards sollen die Verbesserung der Berufsorientierung der Jugendlichen und ihre Ausbildungsfähigkeit, die zielgerichtete Akquise von Ausbildungs- und Praktikumsplätzen sowie die Berücksichtigung der Kompetenzen der Jugendlichen im Vermittlungsprozess erreicht werden.
In der aktuellen vierten Förderphase, die den Zeitraum 1. Juli 2015 bis 31. Dezember 2017 umfasst, werden vom Europäischen Sozialfonds rund 3,6 Millionen € bewilligt. Mit den Kofinanzierungsmitteln des HKM aus Landesmitteln in Höhe von rund 4,5 Millionen € ergibt das einen Gesamtförderbetrag von rund 8,1 Millionen € – ein Betrag, der sich wahrlich sehen lassen kann.
Wichtig ist es selbstverständlich auch, dass diejenigen, die die Berufsorientierung im Unterricht vermitteln sollen, entsprechend ausgebildet sind. Herr Kollege Degen, die Berufsorientierung ist daher sehr wohl auf vielfache Weise fester Bestandteil der Lehrerausbildung. Sowohl in der ersten als auch in der zweiten Phase der Ausbildung ist sie, wie Sie selbst gesagt haben, fest verankert. Dies erfolgt durch verschiedene Praktika und mehrere Module in der zweiten Phase, die von den Studierenden absolviert werden müssen.
Ein weiterer Baustein – auch das haben Sie leider nicht aufgeführt, Herr Kollege Degen – ist das Gütesiegel Berufs- und Studienorientierung Hessen, das mit Beginn des Schuljahres 2010/2011 eingeführt wurde. Es fördert die Prozesse der Berufsorientierung von Schülerinnen und Schülern, die Kommunikation interner und externer Partner und den Wettbewerb von Ideen. Mit dem Gütesiegel werden Schulen ausgezeichnet, die ihren Schülern eine herausragende Berufs- und Studienorientierung anbieten. Zwischenzeitlich sind das 139 Schulen in Hessen – 139 Schulen, auf die wir sehr stolz sein können.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, lassen Sie mich abschließend folgende Feststellung treffen: Im Rahmen des Bildungsgipfels ist in der einschlägigen Arbeitsgruppe mit Zustimmung sämtlicher Teilnehmer festgehalten worden, dass die Arbeitswelt- und Berufsorientierung als Querschnittsaufgabe aller allgemeinbildenden Bildungsgänge zu betrachten sei und ein professionelles Beratungs- und Begleitsystem von der Schulzeit bis zum Übergang in die berufliche Ausbildung benötigt werde.
Diesem Ziel dient unter anderem der im vergangenen Jahr veröffentlichte Erlass zur Ausgestaltung der Berufs- und Studienordnung, der die bisherigen Regelungen zur Berufsorientierung für alle Schulformen und Bildungsgänge zusammenführt und dabei auch den gymnasialen Bildungsgang einbezieht.
Infolgedessen sind alle allgemeinbildenden Schulen zur Erstellung eines fächerübergreifenden Curriculums zur Berufs- und Studienorientierung verpflichtet. Auch die Kooperation mit der Berufsberatung und außerschulischen Partnern, das Ableisten von zwei Betriebspraktika oder der Einsatz des Berufswahlpasses sind darin als verbindliche Anforderungen definiert, Herr Kollege Degen.
Die Vielzahl der bisherigen Initiativen der Hessischen Landesregierung zur Intensivierung der Berufsorientierung wie die Benennung von Ansprechpersonen für Berufs- und Studienorientierung an den Staatlichen Schulämtern sowie von Koordinatoren an den Schulen, die Einführung eines Kompetenzfeststellungsverfahrens an den Schulen im Bildungsgang Haupt- und Realschule, die erfolgreiche Implementierung des Gütesiegels für Berufs- und Studienorien
tierung in Hessen und die Verankerung der Berufsorientierung als fester Bestandteil in der Lehramtsausbildung erfährt durch diese rechtliche organisatorische Neuregelung eine zusätzliche Aufwertung. Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen, Schüler werden dadurch im Ergebnis zu einer fundierten Entscheidung befähigt, ob der Weg in eine Ausbildung oder ein Studium die jeweils zielführende Alternative darstellt.
Erlauben Sie mir noch, auf einige Ausführungen meines Vorredners, des Kollegen Degen, einzugehen. Ich mache das jetzt einmal etwas vorsichtiger, da wir im Main-Kinzig-Kreis wieder Freunde werden wollen.
Aus dem Grund muss ich meine Worte jetzt etwas sorgfältiger wählen. Herr Kollege Degen, Sie haben mich mit Ihrer Rede nicht enttäuscht.
Sie haben eine typische parteipolitisch orientierte Rede gehalten. Sie mussten natürlich aufgrund des Ergebnisses der Großen Anfrage Kritik üben, dass dieses oder jenes noch gar nicht, dieses oder jenes nur halbherzig oder dieses oder jenes unmotiviert durchgeführt worden sei.
Sie wissen natürlich, da Sie sich die Große Anfrage auch dezidiert angesehen haben, da Sie sich die Anhänge angesehen haben und da Sie natürlich die von mir aufgeführten Vorteile, die ich genannt habe, auch gelesen haben, dass man da etwas aufpassen muss, Herr Kollege Degen. Sie haben ein Beispiel genannt, was Sie in der Fortbildung gemacht haben. Meine Kollegin Claudia Ravensburg ist nicht da. Ihr hatte ich eigentlich versprochen, mein Lieblingsbeispiel vom Basketballkorb zu erzählen. Da sie abwesend ist, muss ich das auf die nächste Rede verschieben.
Sie müssen in dem Moment aufpassen, wenn Sie einen Kollegen kritisieren. Erlauben Sie mir, hier ein bisschen meiner Erfahrung aus 24 Jahren Berufsschullehrertätigkeit einzubringen. Ein Kollege, der vielleicht fachfremd in Berufsorientierungsmaßnahmen eingesetzt ist, kann wertvoller sein als zehn Kollegen, die Arbeitslehre summa cum laude abgeschlossen haben.
Denn er arbeitet mit Herzblut. Was die jungen Menschen in der Schule brauchen, das sind Lehrerinnen und Lehrer, die sich mit Herzblut ihrer annehmen.
Es ist weniger entscheidend, ob sie jetzt einen Abschluss als Arbeitslehrelehrer oder einen Abschluss als Deutschoder Politiklehrer haben. Die Hauptsache ist, dass sie mit Herzblut mit den jungen Menschen arbeiten. Wenn wir das stark kritisieren, müssen wir auch immer etwas aufpassen, dass wir nicht auch die Kollegen kritisieren, die so etwas mit Herzblut machen. Sie kennen ja auch die Philipp-ReisSchule in Gelnhausen. Gehen Sie wieder einmal dort hin. Reden Sie mit den Kollegen, die dort fachfremd unterrichten, und erfahren Sie, mit wie viel Herzblut dort Berufsorientierung betrieben wird und wie erfolgreich die Schule ist.
Ich denke, wir sind da wieder ganz nah zusammen, und der Freundschaft im Main-Kinzig-Kreis steht nichts entgegen. – Vielen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Der Kollege Degen hat in der Tat am Anfang seiner Rede die Landesregierung dafür gelobt, dass sie so schnell geantwortet hat. Er hat aber leider unberechtigterweise diesem Lob der Schnelligkeit kein Lob des Inhalts folgen lassen. Ich finde es ganz schön, dass Kollege Klein eben schon einmal angefangen hat, die Dinge ins rechte Licht zu rücken. Denn das Bild, das Sie hier gestellt haben, geht dann doch tatsächlich am Inhalt und der Wirklichkeit sehr stark vorbei. Ich möchte meinen Teil dazu beitragen, Ihnen noch einmal deutlich zu machen, was Ihnen eigentlich auch anhand der Antwort der Landesregierung hätte klar werden müssen, dass nämlich die Berufsorientierung für die Landesregierung eine ganz herausragende Stellung hat.
Herr Kollege Degen, Sie, aber auch Herr Kollege Klein haben richtigerweise darauf hingewiesen, dass vieles von dem, was im Bereich der Berufsorientierung jetzt auf den Weg gebracht wird, ein Ergebnis des Bildungsgipfels ist. Die Arbeitsgruppe 4 „Schule als Vorbereitung auf die Arbeits- und Lebenswelt“ hat in diesem Bereich sehr viele sehr einmütige Vorschläge gemacht. Ich bedanke mich an dieser Stelle noch einmal bei all denjenigen, die daran mitgearbeitet haben, dass diese Arbeitsgruppe und der Bildungsgipfel insgesamt so viele Vorschläge gemacht haben. Vieles von dem, was in dieser Arbeitsgruppe erarbeitet wurde, wird jetzt in die Wirklichkeit umgesetzt.