Protokoll der Sitzung vom 19.05.2016

Dazu muss man sagen: Glyphosat ist ein Unkrautvernichtungsmittel. Es ist ein Totalherbizid. Diese Aufgabe nimmt es hervorragend wahr. Im Moment gibt es keine bessere Alternative. Denn alle anderen Alternativen, selbst das Unterpflügen, haben auch Auswirkungen auf die Landwirtschaft und die Bodenbeschaffenheit, die auch nicht ganz unproblematisch sind.

(Beifall bei der FDP)

Wer die Frage stellt, ob wir Unkrautvernichtungsmittel überhaupt einsetzen wollen, der muss natürlich auch die Frage beantworten, wie wir dann beispielsweise an den Bahngleisen vorgehen. Es geht dann darum, wie wir die Bahngleise frei halten und die Sicherheit für den Schienenverkehr herstellen.

Wir sind da in einer anderen Diskussion. Viele Zahlen zeigen dies auch. Frau Hinz hat in einer Diskussion selbst einmal den Vergleich gezogen. Hinsichtlich der Rückstände von Glyphosat in Nahrungsmitteln geht es um die Frage, ob die Grenzwerte überschritten werden. Aber die Grenzwerte sind so tief unten, dass das beinahe lächerlich ist. Es gibt das Beispiel mit den 1.000 l Bier. Das stimmt. Mir ist auch schnell in den Kopf geschossen, dass das zu einer Alkoholvergiftung führt.

Das gilt auch hinsichtlich der Muttermilch. Ich hatte es Ihnen schon das letzte Mal gesagt: Das Baby müssen Sie mir einmal zeigen, das so viel Muttermilch jeden Tag zu sich nimmt. Das muss ein ausgesprochener Wonneproppen sein, der tatsächlich solche Mengen täglich zu sich nehmen kann.

(Beifall bei der FDP)

Das ist ein blöder Spruch: Die Menge macht das Gift. Aber wir sind mittlerweile bei einer anderen Diskussion angekommen. Da kann man natürlich unterschiedlicher Auffassung sein.

(Beifall bei der FDP)

Lassen Sie mich einmal kurz zu der Frage der Gefährdung kommen. Ich habe das oft erlebt. Es hieß, dass z. B. Leuchtstofflampen – das sind die Dinger, die hier oben in diesem Saal verbaut sind – epileptische Anfälle auslösen. In den Siebzigerjahren gab es deshalb große Panik. Ich habe noch keinen Kollegen erlebt, der mir gesagt hätte, dass er in diesem Raum gesundheitliche Probleme bekommen habe. Wir hatten eine ähnliche Diskussion, was den Elektrosmog anbelangt. Meine Damen und Herren, „Elektrosmog“ war in aller Munde. Wenn wir bei der Beleuchtung bleiben, kann ich Ihnen sagen: Heute gilt die LED-Beleuchtung als die modernste Errungenschaft. Da sind überall Transformatoren eingebaut, und es wird Elektrosmog erzeugt. Jeder hat mittlerweile ein Handy und einen TabletPC. Kein Mensch spricht mehr davon, dass dieser Elektrosmog gesundheitsgefährdend sei.

Beim Glyphosat wird es nicht anders werden. Die Gesundheitsgefährdung von Glyphosat ist überhaupt nicht nachge

wiesen. Eine totale Sicherheit wird es nicht geben können. Die werden Sie niemals erreichen.

(Beifall bei der FDP)

Meine Damen und Herren, hier wurde von „Herumgeeiere“ gesprochen. Wenn ich mir den Antrag von CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN anschaue: Das ist wirklich ein Eiertanz. Ich habe mich, ehrlich gesagt, gefragt: Ja, was denn nun? Was wollen die CDU und die GRÜNEN denn jetzt? Ich habe in dem Antrag nur noch den Absatz vermisst, dass wir darüber abstimmen sollen, dass Sie sich an diesem Punkt nicht einig sind. Dieser Absatz hätte vielleicht noch dazugehört. Dann hätte dieser Antrag vielleicht einen Grund gehabt. Wir werden auf jeden Fall beide Anträge ablehnen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP)

Vielen Dank. – Als Nächste spricht Frau Staatsministerin Hinz.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Es kommt selten vor, dass über einen Pestizidwirkstoff wie das Glyphosat nicht nur in den Abendnachrichten ausführlich berichtet wird, sondern dass ein öffentlicher Streit stattfindet, der dann auch die Politik in diesem Maße erreicht.

Es ist bis zur Stunde unklar, wie sich Deutschland im zuständigen EU-Ausschuss verhalten wird. Wir wissen, dass andere Mitgliedstaaten wie Frankreich heute nicht zustimmen werden. Auch dies ist ein erstaunlicher, aber konkreter Befund. Das heißt, dass auch in anderen Ländern das Misstrauen gegenüber einer jetzigen Zustimmung zur Zulassung von Glyphosat sehr hoch ist. Ob die Kommission am Ende des Verfahrens Glyphosat im Alleingang zulassen wird, wenn es heute im EU-Ausschuss keine qualifizierte Mehrheit gibt, ist noch fraglich. Möglicherweise gibt es eine Verschiebung der Abstimmung. Das werden wir heute im Laufe des Tages erfahren.

Ich möchte mich jetzt aber nicht mehr weiter mit dem Verfahren beschäftigen, sondern mich zum Inhalt der aktuellen Diskussion einlassen, die sich mit den Ergebnissen der unterschiedlichen Gremien der WHO und mit der Frage, ob Glyphosat krebserregend ist oder nicht, beschäftigt.

Dass sich die Ergebnisse vermeintlich widersprechen, hängt damit zusammen, dass die wissenschaftlichen Untersuchungen etwas Unterschiedliches untersuchen sollten. Deshalb sind sie auch zu unterschiedlichen Ergebnissen gekommen. Während das Bundesinstitut für Risikobewertung wie auch Teile der WHO-Gremien versucht haben, ein möglichst konkretes Risiko für Glyphosat für üblicherweise aufgenommene Mengen zu ermitteln, hat die Internationale Krebsforschungsagentur, die IARC, versucht zu ermitteln, ob Glyphosat überhaupt krebserregend ist. Das ist ein Unterschied. Mit den jüngsten Ergebnissen wird die Einschätzung der Internationalen Krebsforschungsagentur deshalb nicht aufgehoben.

Die Frage lautet nämlich nicht, ob das Gift nachgewiesen werden kann. Es kann im Körper nachgewiesen werden. Die Frage lautet vielmehr, wie viel Gift eigentlich zu

Krebs führt. Dazu gibt es noch keine wissenschaftlich fundierten Erkenntnisse. Das ist der Punkt, um den es geht. Deshalb entscheidet – wie bei so vielen Dingen im Leben – am Ende die Dosis, ob wir es mit einem Gift oder einem Pflanzenschutzmittel, das für die Gesundheit nicht weiter erheblich ist, zu tun haben.

Herr Lenders, dass Glyphosat die Biodiversität schädigt, ist wissenschaftlich ziemlich unumstritten. Darüber muss man in diesem Hause hoffentlich nicht mehr reden.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zu- ruf des Abg. Jürgen Lenders (FDP))

Da wir es im Umwelt- und Verbraucherschutz häufig mit der Fragestellung zu tun haben, ab welcher Dosis ein solches Mittel gesundheitsschädlich ist, sind wir bislang immer gut damit gefahren, uns am Vorsorgeprinzip zu orientieren.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Deshalb haben wir in Hessen das getan, was wir konnten, was in unserer Kompetenz liegt und wofür wir eine Zuständigkeit haben. Ich hoffe, dass sich auch der Bund und die EU-Kommission beim dem Thema der Wiederzulassung von Glyphosat ihrer Verantwortung bewusst sind und bleiben. Dass die Bundesregierung bzw. ein Teil der Bundesregierung nicht schon immer klar gesagt hat, was sie will, ist in den vorherigen Debatten schon klar geworden.

Auch bei dem Thema Bier: Kein Mensch trinkt 1.000 l Bier am Tag. Das kann auch keiner trinken, weil er vorher auf andere Weise stirbt, aber nicht an Glyphosat.

(Michael Boddenberg (CDU): Er ertrinkt!)

Vielleicht ertrinkt er dann auch; je nachdem, woraus er das Bier trinken will.

Die Frage zu den Eintragspfaden lautet: Wie kumuliert sich Glyphosat über die verschiedenen Eintragspfade im Körper? Auch das ist noch nicht endgültig erforscht. Daher bestehe ich schon darauf, dass wir mehr Forschung brauchen, um wissenschaftlich fundierte Ergebnisse zu erhalten. Wir müssen genau wissen, wie man ein solches Herbizid anwenden sollte und ob man es überhaupt noch anwenden sollte.

Wir in Hessen haben 2014 die Anwendungsbestimmungen für Spätbehandlungen im Getreide, die sogenannte Sikkationsanwendung, deutlich verschärft. Das heißt, dass wir im Ergebnis keine Rückstände mehr haben. Wir haben die pflanzenschutzrechtlichen Genehmigungsbestimmungen für Freilandflächen – Friedhöfe, Parks, Schwimmbäder und all das, was öffentlich zugänglich ist – bereits drastisch verschärft.

Frau Staatsministerin, ich weise auf die Redezeit hin.

Ja, ich komme zum Schluss. – Die Landesregierung hat weiterhin Fördermittel von fast 18.000 € für Untersuchungen zur Risikoabschätzung an hessische Einrichtungen gegeben, nämlich an den Landesbetrieb Hessisches Landesla

bor und die Universität Gießen. Das ist das, was wir auf Landesebene tun können.

Auf Agrarministerkonferenzen habe ich mich immer dafür eingesetzt, dass es keine Zulassung von Glyphosat gibt, solange nicht wissenschaftlich fundierte Ergebnisse auf dem Tisch liegen. Die SPD-Agrarminister haben uns weitestgehend im Regen stehen lassen. Deswegen kamen Beschlüsse dazu auf den Agrarministerkonferenzen nicht zustande.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zu- rufe der Abg. Nancy Faeser und Thorsten Schäfer- Gümbel (SPD))

Das zu der Frage, wie die SPD als Partei aufgestellt ist. Sie können das auch in den entsprechenden Dokumenten nachlesen. Ich hoffe, dass es eine Abstimmung in der EU zugunsten des Verbraucherschutzes und der Vorsorge gibt.

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Ja, genau!)

Ich bin gespannt, wie sich die Bundesregierung hier aufstellen wird.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU – Thorsten Schäfer- Gümbel (SPD): Priska, wir auch! Aber Hauptsache, du weißt, wo der Feind steht!)

Vielen Dank. – Wir sind am Ende dieser Aktuellen Stunde. Ich habe keine weiteren Wortmeldungen. Damit ist die Aktuelle Stunde zu Tagesordnungspunkt 58 abgehalten.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 25 auf:

Dringlicher Antrag der Fraktion der SPD betreffend keine Neuzulassung von Glyphosat in der Europäischen Union (EU) – Drucks. 19/3095 –

Mir wurde mitgeteilt, über diesen Antrag solle direkt abgestimmt werden. Dann rufe ich zur Abstimmung auf. Wer diesem Antrag zustimmt, bitte das Handzeichen.

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Der SPD-Antrag?)

Ja. – Das sind die Fraktionen der SPD und DIE LINKE sowie Abg. Öztürk. Wer ist dagegen? – Das sind die Fraktionen von CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP. Damit ist dieser Antrag abgelehnt.

Ich komme zu Tagesordnungspunkt 70, das ist der Entschließungsantrag – –

(Wortmeldung der Abg. Angela Dorn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zur Geschäftsordnung)

Ja, bitte, zur Geschäftsordnung, Frau Dorn.

Frau Präsidentin, wir haben Sie gebeten, auch über den Antrag von CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN direkt abstimmen zu lassen.

Wenn Sie mich hätten zu Ende reden lassen – ich war gerade dabei.