Protokoll der Sitzung vom 22.06.2016

Die Genehmigung kann nur erfolgen, wenn die Fortbildung einen Sinn für die Weiterentwicklung des Unterrichts und für die Umsetzung in einem Schulprogramm ergibt und wenn sie für die Schulgemeinde zugänglich ist.

(Zurufe von der FDP)

Mit Blick auf die Zeit will ich auf die Zielgerade einschwenken: Wir brauchen aus qualitativer und aus quantitativer Perspektive die Möglichkeit, ein Sowohl-als-auch umzusetzen. Das bedeutet, es müssen auch weiterhin Spielräume bestehen, damit Fortbildungen während der Unterrichtszeit stattfinden können, wenn das zu vertreten ist. Das fortwährende Lehrerbashing der FDP wird dem verdienstvollen und pflichtbewussten Handeln und dem Engagement der hessischen Lehrer nicht gerecht.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten der SPD)

Es ist das unwürdige Zerrbild eines Berufsstands, der derzeit ohnehin große Herausforderungen zu bewältigen hat. Es kommen auch noch freiwillige Leistungen wie Klassenfahrten und Projekte hinzu.

Herr Kollege, Sie müssen zum Ende kommen. Die Redezeit ist abgelaufen.

Noch einen Satz. – Sie demotivieren die Kolleginnen und Kollegen. Es bleibt dabei: Mit einer 105-prozentigen Lehrerversorgung einerseits und qualitativ hochwertiger Fortbildung andererseits stellen wir sicher, dass wir in Hessen auch weiterhin eine vorzügliche Unterrichtsqualität haben.

Ich freue mich auf die Beratungen im Ausschuss und bin gespannt, welche guten Argumente Sie dann bringen, um Ihren Gesetzentwurf, dem wir so nicht zustimmen können, möglicherweise noch etwas praktikabler zu machen. – Danke.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Schwarz. – Für die SPD-Fraktion spricht nun Kollege Degen. Bitte schön, Herr Kollege.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die FDPFraktion verfällt leider in den Duktus, den wir sonst von

der Landesregierung gewohnt sind: Sie argumentieren ausschließlich statistisch, nämlich mit Mittelwerten, und sind dabei ganz weit weg von der Unterrichtsrealität.

(Beifall bei der SPD)

Ich will etwas dazu sagen, wie eigentlich die Realität an hessischen Schulen und in der Fortbildungslandschaft ist. Wir wissen, dass der Fortbildungsbedarf kontinuierlich zunimmt. Das ist mehr als notwendig. Wir brauchen ein Mehr an Fortbildung. Aber wie ist eigentlich die Lage? Warum ist es eigentlich so, dass eine Schule in ihrem Fortbildungsbudget pro unterrichtswirksamer voller Lehrerstelle 40 € pro Jahr bekommt? Wie wollen Sie da überhaupt attraktive Angebote für Fortbildung machen können?

(Beifall bei der SPD – Hans-Jürgen Irmer (CDU): Bei Ihnen gab es doch gar nichts!)

Jetzt ruft Herr Kollege Irmer hinein, früher hätte es gar nichts gegeben. Wie war das denn früher, Herr Kollege Irmer? Bis 1999 gab es in Hessen eine bundesweit vorbildliche Lehrerfortbildung, eine staatlich organisierte Lehrerfortbildung, wo wirklich an verschiedenen Bildungsstätten ein ordentliches Angebot vorhanden war.

(Hans-Jürgen Irmer (CDU): Sozialismuserziehung war das!)

Herr Kollege Degen, lassen Sie eine Zwischenfrage zu?

Nein, ich habe jetzt nur eine kurze Redezeit.

Diese Lehrerfortbildung wurde von der ersten Regierung Koch eingestampft, als CDU und FDP gemeinsam regiert haben. Und jetzt beschwert sich die FDP, dass hier nicht ausreichend Angebote vorhanden sind. Das ist schon ein Treppenwitz.

(Beifall bei der SPD – Manfred Pentz (CDU): Holzapfel ist von der GEW mit Tomaten beworfen worden! Ich bin damals in die Junge Union eingetreten wegen Holzapfel und eurer Schulpolitik! – Gegenruf des Abg. Günter Rudolph (SPD))

Herr Pentz, ich springe Ihnen doch gleich zur Seite.

(Anhaltende Zurufe)

Bitte etwas mehr Ruhe, liebe Kolleginnen und Kollegen. Man muss Herrn Degen verstehen.

Sie werden gleich merken, dass ich sogar die Regierung in meinem Redebeitrag unterstützen will. Ich bin doch ganz nah bei Ihnen. Das ist ja das Schöne an der FDP, dass sie heute zeigt, dass die SPD nicht immer nur gegen die Bildungspolitik von Schwarz-Grün holzt, sondern auch an der einen oder anderen Stelle sich konstruktiv an ihre Seite stellen kann.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP – Zuruf des Abg. Dr. h.c. Jörg-Uwe Hahn (FDP))

Auch da muss ich dem Kollegen Schwarz zustimmen: Auch wenn Sie es abstreiten, hat das schon etwas von einer Misstrauenskultur, die Sie hier den Lehrkräften gegenüber aufbauen. Sie bedienen da ein Klischee, der Lehrer habe vormittags Unterricht und nachmittags frei. Das kann man so schon einmal gar nicht stehen lassen.

Warum ist Ihr Gesetzentwurf so ein Fehlgriff? – Er ist deswegen ein Fehlgriff, weil die Datengrundlage vollkommen falsch ist. Ich muss leider immer in Richtung Kultusminister schauen. Es ist absolut nicht haltbar, dass man definiert, dass alles, was an Fortbildung vor 14 Uhr stattfindet, während der Unterrichtszeit stattfindet und dass alles, was nach 14 Uhr stattfindet, in unterrichtsfreier Zeit stattfindet. Das kann man so heutzutage nicht mehr halten. Ich will Ihnen das an einem Beispiel aufzeigen.

Nach meiner eigenen Erfahrung an der Schule, an der ich gearbeitet hatte, hatten Sie grundsätzlich bis 14:30 Uhr schon einmal Unterricht. Das mit 14 Uhr stimmt also schon einmal nicht. Bis alle Schüler mit den Bussen weggefahren sind und bis Sie aufgeräumt haben, bis Sie Ihren Klassenbucheintrag gemacht haben und bis Sie alles dokumentiert haben – das ist heute sehr wichtig, dass Sie dokumentieren, was alles stattgefunden hat –, ist es schon einmal 15:30 Uhr. Dann bereiten Sie sich auf den nächsten Tag vor. Auch da muss man doch klarstellen, dass mit unterrichtsfreier Zeit und dem Zeitpunkt, zu dem ich die Schule verlasse, mein Tag nicht vorbei ist, sondern dass ich mich als Lehrkraft vorbereiten muss. Das passt nicht zusammen, wenn Sie vorschreiben, dass das immer in dieser Zeit passieren soll, zumal es auch wirklich viele, viele Konferenzen gibt.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Genauso muss man doch einfach auch auf die Ganztagsschulentwicklung hinweisen. Es ist doch heute so – auch das ist meine eigene Erfahrung –: Ich hatte die Möglichkeit, an meiner Schule meinen Unterricht auf vier Tage zu konzentrieren. Das waren vier Tage Ganztagsunterricht, und den Freitag hatte ich dafür unterrichtsfrei. Wissen Sie, wann ich meine Fortbildungen gemacht habe oder wann ich vielleicht auch manchmal politisch aktiv war? – Freitags, nämlich in der unterrichtsfreien Zeit.

(Beifall des Abg. Wolfgang Greilich (FDP))

Diese Fortbildung, die ich da gemacht habe, hat der Degen, so sehen Sie das, im Grunde während der Unterrichtszeit gemacht. Wahrscheinlich hat er sich hier noch irgendwie während der Unterrichtszeit eine Fortbildung erkauft. – Das war eben nicht so. Sie denken viel zu pauschal und sind weit weg von der Realität an hessischen Schulen.

(Beifall bei der SPD)

Dementsprechend war der erste Fehler schon einmal Folgender: Die Kleine Anfrage, Herr Kultusminister Lorz, war nicht wirklich stimmig beantwortet. Das hätte man anders machen können, als hier pauschal 14 Uhr als Grenze festzulegen.

Aber jetzt kommen wir doch einmal zu der Frage: Was würde das bedeuten, wenn der FDP-Gesetzentwurf umgesetzt werden würde? Das bedeutet: Eine Antwort aus der Anfrage besagt, dass eine Fortbildungsveranstaltung in der Regel 1,3 Tage dauert. Jetzt stückle ich eine sinnvolle Fortbildung, die in sich stimmig ist, auf fünf oder sechs Module auf, die immer nachmittags zwischen 16 und 18 Uhr stattfinden – ob man da wirklich aufnahmefähig und ob das

pädagogisch sinnvoll ist, wage ich schon einmal zu bezweifeln.

Kollege Schwarz hat auch schon folgende Frage angesprochen – und da will ich ihn unterstützen –: Wie ist das überhaupt organisatorisch machbar? Haben Sie Tagungsstätten und Referentinnen und Referenten, die das einmal täglich zwischen 16 und 18 Uhr anbieten? Oder Sie machen das in den Ferien: Wer lebt denn davon, dass er in den Schulferien immer volle Power Fortbildung anbietet und ansonsten von morgens 8 Uhr bis nachmittags 16 Uhr nichts macht? Auch das erscheint mir wenig praktikabel.

(Beifall bei der SPD)

Jetzt will ich doch noch einmal der Versuchung nachgeben, ein statistisches Beispiel zu bringen. Sagen wir einmal, eine Lehrkraft macht in Hessen im Jahr eine Eintagesfortbildung. Ich glaube, wir alle erhoffen uns, dass es mehr gibt. Aber wenn man alle 60.000 Lehrkräfte nimmt, und jeder macht eine Fortbildung im Jahr von einem Tag, und wenn wir sagen, dass ein Seminar etwa 20 Teilnehmer hat – auch das ist eigentlich schon ziemlich viel –, dann sind wir bei 3.000 Fortbildungsveranstaltungen im Jahr. Wenn wir jetzt sagen, dass sie das alle in den Ferien machen, dann sind wir bei 60 Fortbildungstagen. Das sind dann 50 Fortbildungsveranstaltungen pro Ferientag. Auch das ist, mit Verlaub, nicht machbar.

(Beifall bei der SPD)

Ein letzter Punkt. Kommen wir noch einmal zur Lehrerarbeitszeit. Meines Wissens ist es schon so, dass Lehrkräfte, die in der Tat durch die Ferien größere Blöcke an unterrichtsfreier Zeit haben, den regulären Urlaubsanspruch haben wie andere auch und dass die Zeit, die sie dann nicht im Unterricht absolvieren, aufgerechnet wird in die Unterrichtszeit. Ich glaube, dass das so ist. Wenn Sie also sagen, dass man die Fortbildungen alle am Stück in den Ferien machen soll, dann müssten sie eigentlich auch die Pflichtstundenzahl der Lehrkräfte senken, weil das entsprechend umgerechnet werden muss. Das müssten wir einmal durchrechnen. Ich glaube, das wäre auch ganz interessant, wie viel Geld Sie dann noch sparen, Herr Greilich, durch solch ein Modell.

(René Rock (FDP): Es geht nicht um Geld Sparen, sondern um mehr Unterrichtszeit!)

Das alles ist möglicherweise gut gemeint. Ich glaube, es ist auch ein Stück weit populistisch – ähnlich wie letztens bei der Frage der Geltung der Grundschulempfehlung. Aber am Ende ist es realitätsfern. Ich gehe davon aus, dass das die Anhörung bestätigen wird. Ich bin trotzdem sehr gespannt, wie das die Fachverbände beurteilen werden. Ich bin also auf diese Stellungnahmen gespannt. Dann werden wir hier weiter diskutieren. Bis dahin bedanke ich mich für Ihre Aufmerksamkeit. – Danke.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Degen. – Als nächste Rednerin spricht nun Frau Kollegin Cárdenas von der Fraktion DIE LINKE. Bitte schön, Frau Kollegin, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich weiß gar nicht, wie lange wir bei allen möglichen Gelegenheiten im Kulturpolitischen Ausschuss oder auch in der Enquetekommission Bildung über dieses Thema geredet haben – mindestens seit dem 15. April, als Ihnen die Antwort des Kultusministers auf Ihre Kleine Anfrage übermittelt worden ist. Was Sie wollen, Herr Greilich, ist uns schon klar geworden. Im Prinzip stimmen wir Ihrer Forderung in einem Punkt jedenfalls zu: Unterrichtsausfall aufgrund von Fortbildung sollte unbedingt vermieden werden. Doch die Lösung dafür kann nicht die sein, die Sie vorschlagen.

Sie schlagen vor, dass Fortbildung von nun an nur noch an den Wochenenden, in den Abendstunden oder in den Ferien stattfinden soll. Meine Damen und Herren von der FDP, was genau wollen Sie eigentlich unseren Lehrkräften noch alles zumuten? Da wären in den letzten zwei Jahren die unverschämt minimale Bezugserhöhung und die Nullrunde zu nennen. Da wäre die deutschlandweit höchste Pflichtstundenverordnung zu nennen. Da sind die immer weiter ausufernden Zusatzaufgaben vor allem im Verwaltungsbereich zu nennen, usw. usf.

Herr Greilich, wie so oft erkennen Sie Probleme. Doch präsentieren Sie dazu Lösungen? – Da ist wieder einmal Fehlanzeige. Fortbildungen – egal zu welcher Zeit – sollten doch vollkommen unproblematisch sein, wenn durch Vertretungsunterricht kompetenter Lehrerkolleginnen und -kollegen kein Unterrichtsausfall stattfindet.

Somit ist die Lösung einfach: Fordern Sie eine Ausstattung an den Schulen, die genau das ermöglicht, und kommen Sie mir jetzt nicht mit der dank Ihnen 105-prozentigen Lehrerversorgung. Erst jüngst erreichte uns ein Elternbrief einer Grundschule, in dem der Rektor erklärt, dass aufgrund von Lehrermangel alle AGs und der DaZ-Unterricht bis zum Ende des Schuljahres ausfallen. Punkt 1 ist also abgehakt – genügend Lehrerinnen und Lehrer an den Schulen sind unseres Erachtens die beste Prävention gegen Unterrichtsausfall.

Punkt 2 ist aber nicht weniger wichtig; denn zu Recht steht in Ihrem Änderungsentwurf, dass die Fortbildungsangebote nicht ausreichend genutzt werden. Das ist sicherlich auch ein zeitliches Problem, dem mit ausreichend Lehrkräften entgegengetreten werden kann – aber nicht nur ein zeitliches: Es ist auch ein finanzielles Problem. 40 € im Schuljahr stehen pro Lehrerin und Lehrer für die Fortbildung zur Verfügung. Herr Degen ging schon darauf ein. Das ist unseres Erachtens der eigentliche Skandal an der ganzen Sache.