Protokoll der Sitzung vom 23.06.2016

(Hermann Schaus (DIE LINKE): Man könnte auch „die Fossile“ sagen! – Gegenruf des Abg. Florian Rentsch (FDP))

genau: die letzten verbliebenen Fossile. Deswegen sind all Ihre Argumente zur Preis- und zur Netzstabilität ein Stück weit nur vorgeschoben.

Meine Damen und Herren, ich will aber auch sagen: Bei aller Erfolgsgeschichte des EEG ist es schon so, dass man sich Sorgen um die Energiewende machen muss. Die letzten Novellen und Veränderungen haben dem ErneuerbareEnergien-Gesetz nicht gerade gutgetan. Denken wir nur an die zum Teil sehr ausbremsenden Veränderungen.

Gerade heute habe ich einen Artikel in der „Wirtschaftswoche“ gesehen – die wird vielleicht auch bei der FDP gelesen. Dabei geht es um eine Studie der Berliner Hochschule für Technik und Wirtschaft. Der Artikel ist überschrieben mit: „EEG reicht nicht. Deutschland muss für Paris-Ziele Ökostromanteil verdoppeln“. Im Text steht:

Der Ausbau der erneuerbaren Energien reicht nicht aus, um die Ziele des Pariser Klimaabkommens zu erreichen. Deutschland muss den regenerativ erzeugten Strom bis 2040 verdoppeln, den Kohleausstieg bis 2030 umsetzen und den raschen Ausbau von Langzeitspeichern vorantreiben.

Das zeigt diese Studie …, die erstmals neben dem Stromsektor auch den Energiebedarf von Verkehr, Wärmeversorgung und Industrie mit einbezog.

Nach Berechnungen der Wissenschaftler braucht Deutschland spätestens 2040 jährlich … [mehr als doppelt so viel] an erneuerbarem Strom … wie heute.

Der Studienleiter kommt zu dem Ergebnis:

Mit den geringen Zubaukorridoren des ErneuerbareEnergien-Gesetzes ist ein Einhalten der Paris-Ziele praktisch unmöglich. Entweder fehlt den politisch Verantwortlichen der nötige Sachverstand, oder sie beabsichtigen, das Klimaschutzabkommen gar nicht einzuhalten. … Wir müssen die Wind- und Solarenergie drei- bis sechsmal schneller ausbauen als von der Bundesregierung geplant.

Will heißen: Wir sind mit der Energiewende wirklich nicht so weit, als dass man jetzt über ein Bremsen nachdenken könnte, um den Zubau zu deckeln, oder jetzt darüber reden müsste, die Energiewende irgendwie zu verlangsamen. Das Gegenteil ist der Fall: Wenn wir die Klimaschutzziele erreichen wollen, wenn wir einen vollständigen Umstieg auf die erneuerbaren Energien haben wollen, dann muss die Energiewende beschleunigt und nicht ausgebremst werden.

(Beifall bei der LINKEN und des Abg. Stephan Grü- ger (SPD))

Einige von Ihnen haben daran teilgenommen: Vor einigen Wochen hatten wir vor dem Landtag die Proteste seitens der Stadtwerke, Kommunen und Bürgerenergiegenossenschaften. Die haben hier vor dem Landtag demonstriert und ihre Befürchtungen nochmals vorgetragen. Sie haben gesagt: So, wie jetzt die Neuerungen im EEG geplant sind, ist es eine Bedrohung für den dezentralen Ausbau der erneuerbaren Energien.

Ich will kurz noch ein bisschen etwas zu den Neuerungen sagen. Dabei geht es um die Ausschreibungspflicht, die na

türlich für die Stadtwerke und Energiegenossenschaften ein Problem ist. Da steht eine ganze Menge auf dem Spiel, nämlich die Akteursvielfalt und natürlich auch die Auswirkungen, die das auf den ländlichen Raum haben kann, für Arbeitsplätze. Dabei ist die niedrige Bagatellgrenze von 0,75 MW bei der Ausschreibungspflicht ein großes Problem. Das ist nämlich weniger als die Leistung einer einzelnen Windkraftanlage. Da hätte man wenigstens den Spielraum nutzen können, den man europarechtlich hat. Auch der DGB hat gefordert, dass man eine Bagatellgrenze einzieht: sechsmal bis zu 3 MW hätte man als Bagatellgrenze einziehen können. Die jetzige wird nicht dazu führen, dass die Stadtwerke und Bürgerenergiegenossenschaften das auch wirklich nutzen können.

(Beifall bei der LINKEN und des Abg. Stephan Grü- ger (SPD))

Auch die Deckelung des Ausbaus ist natürlich hoch problematisch. Die Rede ist von 2.800 MW, und zwar brutto; d. h., Repowering wird eingeschlossen. Diese Begrenzung liegt unter den in den letzten Jahren installierten Leistungen und ist damit natürlich auch eine Bremse. Das Entscheidende ist, die Energiewende mit dem Umbau der Energiewirtschaft zu verbinden. Da gibt es natürlich enorme Chancen, gerade für den ländlichen Raum, wenn man auf Kommunen, Stadtwerke und Bürgerenergiegenossenschaften setzt. Wir wissen: Das erhöht auch die Akzeptanz für den Ausbau der erneuerbaren Energien.

Zusammenfassend ist es in diesem Sinne schon so, dass das Erneuerbare-Energien-Gesetz eine wichtige Rolle gespielt hat und unbedingt erhalten bleiben muss. Die Marktintegration der Erneuerbaren in dieser Form würde dazu führen, dass der Ausbau ausgebremst wird.

Deswegen sehen wir die Veränderungen, die hierzu von der Bundesregierung vorgeschlagen werden, äußerst kritisch. Das wird sich nicht positiv auf die Energiewende auswirken, und deswegen lehnen wir diese Änderungen auch ab. – Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Danke, Frau Wissler. – Für die Landesregierung – Herr Rock, jetzt müssen Sie ganz tapfer sein – erteile ich Herrn Wirtschaftsminister Al-Wazir das Wort.

(René Rock (FDP): Vielleicht macht er ja wieder etwas gut!)

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Bevor wir uns im Klein-Klein – das auch wichtig ist – verlieren, möchte ich doch am Anfang sagen, was unsere gemeinsame Aufgabe ist: Wir brauchen eine sichere, umweltschonende, bezahlbare und gesellschaftlich akzeptierte Energieversorgung. Wir wollen, dass sich Hessen bis zum Jahr 2050 bei Strom und Wärme zu 100 % aus erneuerbaren Energien versorgen kann.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, dieses Ziel wird von 82 % der Hessinnen und Hessen unterstützt. Das ist

das Ergebnis unserer repräsentativen Umfrage vom Herbst 2015.

Da gibt es auch Zwischenziele, nämlich, dass wir bis zum Jahr 2019 ein Viertel unseres Stromverbrauchs aus erneuerbaren Energiequellen decken wollen – denn wir befinden uns in Hessen bei der Energiewende auf einer Aufholjagd.

Herr Rock, ich will es nochmals ausdrücklich sagen: Ich will – und ich bin sicher: wir werden – zeigen, als Landesregierung wie als Land, dass eine Energiewende in einem wirtschaftsstarken Land möglich ist, dass sie neue Arbeitsplätze schafft, innovative Unternehmen anzieht und nicht – wie Sie das immer an die Wand malen – ein Beitrag zu einer Schwächung, sondern am Ende des Tages zur Stärkung unseres Landes sein wird.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zu Ihrem Stichwort „Antiwirtschaftsminister“ vorhin: Herr Rock, man müsste doch ein bisschen aus der Vergangenheit lernen. Im Jahr 1998 gab es eine heftige Auseinandersetzung um die Ökosteuer. Damals hat auch noch die CDU gesagt: alles eine Katastrophe.

(René Rock (FDP): Die CDU hat doch schon alles gesagt!)

Also bitte schön, jetzt passen Sie einmal auf: Werfen Sie jetzt bitte nicht der CDU vor, dass sie ihre Positionen ändert. Sie wissen doch: Nichts dreht sich schneller als die FDP.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Noch einmal: 1998, Diskussion um die Ökosteuer. Ich gebe zu, damals waren die GRÜNEN alles andere als kommunikativ geschickt. Im Hinterkopf ist bei manchen davon noch „5 Mark“ übrig geblieben. Allerdings steckte ein wirtschaftspolitisches Konzept dahinter: Ressourcenverbrauch besteuern, Lohnnebenkosten senken. Was die meisten Leute vergessen, ist – – Ja, ja, ich weiß, Guido Westerwelle hat daraus „Rasen für die Rente“ gemacht.

Frau Kollegin Beer, man müsste aber einmal anerkennen, dass das funktioniert hat. Wir hatten damals einen Rentenversicherungsbeitrag von 20,5 %; jetzt haben wir einen Rentenversicherungsbeitrag von 18,7 %. Inzwischen sind alle versicherungsfremden Leistungen steuerfinanziert. Wir haben nämlich den Ressourcenverbrauch besteuert und die zusätzlichen Einnahmen in die Rentenversicherung gegeben. Damals hat Herr Rock gesagt, das werde das Ende des Industriestandorts Deutschland sein, das werde das Ende der Automobilindustrie in Deutschland sein. Heute stellen wir fest: Deutschland ist so wettbewerbsfähig wie noch nie, wir sind, was die Exportstärke angeht, stärker, als wir es jemals zuvor waren.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zu- rufe von der FDP)

Das müsste Ihnen doch zu denken geben, Anlass für Zweifel sein, ob das, was Sie da sagen, eigentlich richtig ist.

Beim EEG gibt es genau die gleichen Debatten. Herr Großmann, Ihr ehemaliger Freund von RWE, hat gesagt: Eher wachsen Ananaspflanzen am Südpol, als dass Deutschland einen wesentlichen Teil seines Stromverbrauchs aus erneuerbaren Energien deckt. – Herr Rock, Herr Großmann ist nicht mehr bei RWE, die FDP ist nicht

mehr im Bundestag, und trotzdem – oder gerade deswegen – kann ich sagen: Bundesweit decken die erneuerbaren Energien rund 33 % des Bruttostromverbrauchs in Deutschland, und kein Licht ist ausgegangen, im Gegenteil.

(Heiterkeit und Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU und der SPD)

Das müsste Ihnen doch zu denken geben. Deswegen noch einmal sehr ausdrücklich gesagt: Wir sind momentan in der Situation, dass die Markteinführung der erneuerbaren Energien geglückt ist; jetzt kommt deren Marktintegration. Wir sind natürlich bereit, in einer solchen Situation konstruktiv über den Übergang von einer festen Vergütung zu Ausschreibungen zu diskutieren. Wir wollen allerdings das EEG so verändern, dass die Energiewende weitergehen kann. Das ist wichtig. Wir wollen darauf achten, dass durch das EEG die kostengünstigen erneuerbaren Energien besonders gefördert werden.

Lieber Thorsten Schäfer-Gümbel, zum Stichwort Offshore. Ich verstehe – gerade aus hessischer Sicht – nicht, dass die SPD, die inzwischen auch intern über die Kosten nachdenkt, weiterhin sagt, Offshorewindparks müssten ausgebaut werden, und bei der Windkrafterzeugung an Land auf die Bremse tritt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Unter Kostengesichtspunkten sind Offshorewindparks doppelt so teuer wie Windenergieanlagen an Land. Hinzu kommen dramatisch hohe Netzanbindungskosten.

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Da sind wir uns völlig einig!)

Wenn es allein um die Kosten ginge, müsste man eigentlich bei den Offshorewindparks bremsen. Aber leider muss ich sagen: An der Stelle ist in der Ministerpräsidentenkonferenz nichts zu erreichen gewesen. Noch eine kurze Anmerkung zur Ministerpräsidentenkonferenz. Ehre, wem Ehre gebührt: Es sind schon viele genannt worden, aber auch Kollege Wintermeyer hat bei dieser Frage heftig und kräftig mitgearbeitet.

In der Ministerpräsidentenkonferenz gibt es entweder einstimmig gefasste Beschlüsse oder keine Beschlüsse.

(Zuruf des Abg. Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD))

Inzwischen haben wir die Situation, dass im Bundesrat 16 Bundesländer mit elf unterschiedlichen Koalitionsvarianten vertreten sind, und wir stehen vor der Situation, dass es kein EEG mehr geben wird, wenn nicht bis zum 31. Dezember über eine EEG-Novelle befunden wurde.

(René Rock (FDP): Super!)

Sie finden das super. Das ist toll. Aber im Bundestag gibt es keine FDP-Fraktion. Deshalb fragt Sie keiner, Herr Rock.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU, der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der LIN- KEN)