Protokoll der Sitzung vom 23.06.2016

Die Erwartung, dass gerade in solchen Fällen Personen vor der Tat einen Blick in ein Gesetzbuch werfen, sich über die Höhe des Strafmaßes informieren, daraufhin ihr Verhalten kritisch reflektieren und von der Ausführung einer Gewalthandlung absehen, ist nun wirklich abenteuerlich und überhaupt nicht lebensnah.

Kollege Wilken, Sie müssen bitte zum Schluss kommen.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank. – Das Wort hat Innenminister Beuth.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin den Kolleginnen und Kollegen der Fraktionen von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und CDU außerordentlich dankbar, dass sie sich mit ihren Wortbeiträgen – sosehr wir uns auch in Einzelheiten bei diesem Thema unterscheiden – zumindest einmal klar von dem abgrenzen, was Herr Kollege Dr. Wilken hier gerade von sich gegeben hat.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, er hat gerade davon gesprochen, dass die Polizei als Freund und Helfer nicht „unberührbares Staatssymbol“ sein dürfe. In der Konsequenz, die ich – und, ich glaube, auch Sie – für unerträglich halte, würde die Polizei zum Freiwild von jedem Irren in diesem Lande. Das dürfen wir schlicht und ergreifend nicht zulassen.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Lassen Sie mich ein paar Bemerkungen zur Innenministerkonferenz und zum Thema Schutz von Polizeibeamten, Einsatzkräften, Soldaten und Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Verwaltungen in unserem Lande machen.

Es ist gut, dass die Innenminister zu einem Ergebnis gekommen sind. Ich gebe zu und räume ein, dass dafür über ein ganzes Jahr hinweg ein bisschen Beratung notwendig war – aber am Ende haben wir es geschafft. Ich freue mich, dass wir Geschlossenheit haben und dass wir uns als Innenminister – dieser Punkt war mir besonders wichtig – zu unserer Verantwortung für unsere Polizeibeamten, Feuerwehrleute und den Rettungsdienst bekannt haben. Wir sind dazu berufen, diejenigen zu sein, die am Ende die Verantwortung für den Schutz von Polizeibeamten und Rettungskräften tragen. Das ist gelungen.

Das aber erreichen wir mit dem, worauf wir uns eben gemeinsam auf der Innenministerkonferenz geeinigt haben. Das ist ein wesentlicher und schöner Erfolg, den wir dort gemeinsam erreicht haben.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, es ist wahr: Im Jahr 2011 haben wir – aber eben auf der alten Basis: Kopplung mit der Vollstreckungshandlung – einen Strafrahmen erhöht. Die Innenminister haben das in der Tat evaluiert und festgestellt: Es hat nichts gebracht.

(Nancy Faeser (SPD): Ja!)

Deswegen haben die Innenminister gesagt: Okay, dann müssen wir eben noch anders darangehen. – Deshalb ist auch die Mindeststrafe weiterhin ausdrücklich im Gespräch. Wie das am Ende im Strafgesetzbuch aufschlägt, werden wir sehen. Aber ich halte das für wichtig, weil wir mit der Mindeststrafe natürlich zum Ausdruck bringen, dass es einen besonderen Unwert ausmacht, wenn man Einsatzkräfte im Einsatz – etwa einen Feuerwehrmann, der gerade dabei ist, jemanden zu retten, oder eine Einsatzkraft des Rettungsdienstes – daran hindert, jemandem zu helfen. Das hat einen besonderen Unwert und muss auch besonders hart bestraft werden. Darauf haben wir uns ebenfalls in der vergangenen Woche in der Innenministerkonferenz geeinigt.

Meine Damen und Herren, einen letzten Punkt möchte ich kurz ansprechen. In der Tat ist es so, dass wir uns nicht nur darüber unterhalten, was bei großen Auseinandersetzungen wie z. B. bei der EZB passiert, sondern das, was uns in besonderer Weise beschäftigt und beschäftigen muss, sind die Angriffe auf unsere Polizeibeamten, die zu 90 % im normalen Einzeldienst stattfinden: irgendwann in den Abend- oder Nachtstunden, wenn den Polizeibeamten in einer unmäßigen Form begegnet wird und sie angegriffen werden. Dafür den Schutz zu verbessern, das halte ich für wesentlich.

Wir sind da ein Stückchen weitergekommen, allerdings noch nicht am Ziel. Aber dass wir weitergekommen sind, das ist gut. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank. – Damit ist die Aktuelle Stunde zu Drucks. 19/3504, Tagesordnungspunkt 65, abgehalten.

Ich komme zu einer weiteren Ergänzung der Tagesordnung. Noch eingegangen und auf Ihren Plätzen verteilt ist ein Dringlicher Entschließungsantrag der Fraktion der FDP betreffend Landesregierung in grundlegenden energiepolitischen Themen uneinig, Drucks. 19/3520. Wird die Dringlichkeit bejaht? – Da sehe ich keinen Widerspruch. Dann wird dieser Dringliche Entschließungsantrag Tagesordnungspunkt 78 und kann, wenn es auch dazu keinen Widerspruch gibt, zusammen mit Tagesordnungspunkt 36 zu diesem Thema aufgerufen werden.

Außerdem eingegangen und auf Ihren Plätzen verteilt ist ein Dringlicher Antrag der Fraktion DIE LINKE und der Abg. Öztürk betreffend Erweiterung sicherer Herkunftsstaaten im Bundesrat nicht zustimmen, Drucks. 19/3521. Auch hier wird die Dringlichkeit bejaht? – Dann wird dieser Dringliche Antrag Tagesordnungspunkt 79 und kann nach Tagesordnungspunkt 66, der Aktuellen Stunde zu diesem Thema, aufgerufen und ohne Aussprache abgestimmt werden.

Kolleginnen und Kollegen, ich rufe jetzt Tagesordnungspunkt 67 auf:

Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend eine Aktuelle Stunde (Landesregierung stärkt den Standort Hessen – innovative Firmengründungen durch den Fintech-Hub Frankfurt) – Drucks. 19/3506 –

Erster Redner ist Kollege Klose, Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die Landesregierung aus CDU und GRÜNEN hat sich zum Ziel gesetzt, den Finanzplatz Frankfurt zu einem der führenden Standorte für IT-getriebene Start-ups im Finanzsektor, sogenannte Fintechs, zu machen.

Die in diesem Bereich entstandene und weiter wachsende Dynamik muss hier, am führenden kontinentaleuropäischen Finanzplatz, gefördert und genutzt werden, um Frankfurt/Rhein-Main zu Deutschlands Fintech-Zentrum zu machen. Dafür stellen wir die richtigen Weichen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Unsere heutige Aktuelle Stunde knüpft damit unmittelbar an die Regierungserklärung von Staatsminister Al-Wazir zum Megathema Digitalisierung an. Denn natürlich macht die Digitalisierung auch vor den Wertschöpfungsketten der Finanzbranche nicht halt. Im Gegenteil, gerade hier zeigt sich, welche Innovationskräfte und Chancen sie freisetzt, wenn wir sie richtig nutzen und auch gegenüber den Herausforderungen und Risiken nicht blind sind.

Fintechs sind Unternehmen, die Finanzdienstleistungen mit den technischen Möglichkeiten der digitalen Revolution verschmelzen. Für Deutschland ist bisher der digitale Zahlungsverkehr das größte Marktsegment. Das reicht vom Bezahlen per Smartphone über die Fotoüberweisung bis hin zu Apps, mit denen der Zahlungsverkehr direkt abgewickelt werden kann.

Zum Geschäftsfeld der Fintechs gehören auch Crowdfunding- und Crowdinvesting-Plattformen, mit deren Hilfe viele kleinere Investoren gesucht werden können, um ein konkretes Projekt zu finanzieren. Schließlich haben sich inzwischen auch automatische Anlagenberatungen und Vermögensgeschäfte etabliert.

Der Schub der Fintechs ist in den letzten Jahren auch dadurch befördert worden, dass inzwischen die Abwicklung von Onlinebanking und anderen Finanzdienstleistungen über das Netz eine Selbstverständlichkeit ist; und auch das aufgrund der Finanzkrise erschütterte Vertrauen in die Banken hat den Fintechs genutzt.

Gleichzeitig gilt aber auch: Gerade weil die meisten jungen Fintechs noch nicht profitabel und überwiegend auf die Zusammenarbeit mit Banken angewiesen sind, liegt darin eine große Chance für die etablierten Institute. Fintechs fördern den Wettbewerb. Sie tragen zur Diversifizierung des Finanzsektors und damit auch zu einer stabileren Kreditlandschaft bei.

Beispielsweise kooperiert die Deutsche Kreditbank längst mit dem Fintech Cookies zur Abwicklung von Kleinüberweisungen mittels Smartphone – und zwar ohne PIN- und TAN-Nummern, wie man sie heute noch benötigt.

Die Schweizer Postbank – das hört sich im ersten Moment schon im doppelten Sinne nach einem eher konservativen Finanzdienstleister an – setzt auf die deutsche FintechPlattform moneymeets, über die sich ihre Kunden einen Überblick über ihre Konten, Fonds und Versicherungspolicen verschaffen können. – Sie sehen, viele haben sich bereits auf den Weg gemacht.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Selbstverständlich stellt sich auch hier die Frage der Regulierung. Derzeit ist nämlich nicht immer auf den ersten Blick erkennbar, ob bestimmte Fintechs nur der Gewerbeaufsicht unterliegen oder ob sie eine Erlaubnis der BaFin benötigen.

Deshalb kommt es für den Gesetzgeber darauf an, gleichzeitig angemessenen Verbraucherschutz und fairen Wettbewerb zu gewährleisten, ohne dass der Regulierungswahn Innovationskraft und Dynamik der Fintechs abwürgt. Als das Land, das den Finanzplatz Frankfurt beherbergt, sollten wir uns in diese Debatte aktiv einbringen. – Meine Damen und Herren, Minister Al-Wazir tut das auch bereits.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Investitionen in deutsche Fintechs haben sich in den letzten Jahren vervielfacht. Waren es im Jahr 2013 noch rund 80 Millionen €, so stieg diese Summe im Jahr 2014 auf 220 Millionen €. Im letzten Jahr waren es bereits rund 580 Millionen €, die in Fintechs investiert wurden.

Die französische Regierung hat im vergangenen Jahr eine Fintech-Offensive gestartet. Also auch im Wettbewerb mit den europäischen Partnerländern haben wir keine Zeit zu verlieren. Der Aufbau des Existenzgründerzentrums in Frankfurt ist dafür ein weiterer wichtiger Schritt. Die WIBank hat mit dem Innovationskredit Hessen jetzt auch ein geeignetes Förderprodukt für innovative und schnell wachsende Unternehmen und Gründungen in ihrem Portfolio. Das sind wichtige Bausteine zum genau richtigen Zeitpunkt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Denn auch die großen Geschäftsbanken investieren in dieses Segment. Beispielsweise unterstützt der Main-Incubator der Commerzbank seit dem Jahr 2014 Startups mit Beteiligungskapital, Know-how und Büroräumen. Die Deutsche Bank will noch in diesem Jahr eine Digitalfabrik mit 400 Expertinnen und Experten in Frankfurt starten, und die Deutsche Börse hat im April ein Fintech-Zentrum eröffnet und will auch eine eigene Investitionsplattform schaffen, um in Fintechs investieren zu können.

Das alles ist doch kein Zufall. Hier in Hessen, in Frankfurt/ Rhein-Main verfügen wir über eine herausragende Infrastruktur, über ausgezeichnete Hochschulen, über einen traditionellen und gleichzeitig innovativen Finanz- und – das ist mir in diesen Tagen besonders wichtig zu betonen – auch einen etablierten Börsenhandelsplatz.

Kollege Klose, Sie müssen bitte zum Schluss kommen.

Frau Präsidentin, ich komme zum Schluss.

Damit existieren hier die besten Voraussetzungen für die Ansiedlung erfolgreicher Fintech-Unternehmen. Es ist sehr gut, dass die Landesregierung diesen Schatz hebt. Wir werden sie dabei nach Kräften unterstützen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Vielen Dank. – Als Nächste spricht Kollegin Wissler, DIE LINKE.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Um was geht es? „Fintech“, kurz für: Finanztechnologie, ist zunächst einmal ein gehypter Trendbegriff, ähnlich wie „Start-ups“, zu denen die Fintechs letztendlich gehören. Hinter diesem unscharfen Begriff verbirgt sich ein Sammelsurium völlig unterschiedlicher Geschäftsmodelle, die man differenziert betrachten muss, statt sie pauschal zu bejubeln.

Sehr viel Geld fließt derzeit in diese Unternehmen. Spekulanten investieren Milliarden auf der Suche nach dem sogenannten Einhorn, dem einen seltenen Unternehmen unter den vielen, das Erfolg hat und tatsächlich das nächste Erfolgsunternehmen – wie Amazon oder Facebook – werden und seinen Wert verzigtausendfachen könnte.