Protokoll der Sitzung vom 23.06.2016

Sehr viel Geld fließt derzeit in diese Unternehmen. Spekulanten investieren Milliarden auf der Suche nach dem sogenannten Einhorn, dem einen seltenen Unternehmen unter den vielen, das Erfolg hat und tatsächlich das nächste Erfolgsunternehmen – wie Amazon oder Facebook – werden und seinen Wert verzigtausendfachen könnte.

Diese Goldgräberstimmung basiert natürlich auf einem Glücksspiel. Manche sprechen schon von einer neuen kleinen Dotcom-Blase, und wir wissen alle, dass diese Blasen irgendwann platzen können. PayPal, das wohl etablierteste Fintech, ist an der Börse schon längst mehr wert als die Deutsche Bank. Oft machen diese Unternehmen zwar noch keinen Gewinn, sind aber schon Millionen wert.

Diesen Modellen ist gemeinsam, dass sie in der Regel auf Automatisierung setzen, wo vorher vielleicht noch Menschen beteiligt waren, und dass sie versuchen, durch Algo

rithmen Geld aus dem Nichts zu erschaffen und dabei den Einsatz menschlicher Arbeitskraft so klein wie möglich zu halten.

Natürlich ist es ein positiver Nebeneffekt, wenn die etablierten Banken durch die neue Konkurrenz dazu getrieben werden, beispielsweise kundenfreundlichere Dienstleistungen anzubieten. Auch haben manche Produkte einen realen Nutzen für die Kunden, z. B. bei preisgünstigen internationalen Überweisungen. Es gibt aber auch Geschäftsmodelle wie Wucherkredite per App und automatisierte Finanzspekulationen. Denen müsste man nicht unbedingt den roten Teppich ausrollen.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Automatisierung bedeutet oft den Wegfall persönlicher Beratung und damit letztlich auch von Arbeitsplätzen. Zwar wird auch bei den klassischen Banken sehr viel automatisiert, aber gerade bei den kleineren Instituten entscheidet immer noch ein Mensch am Ende über eine Kreditvergabe.

Die automatisierten Modelle hingegen basieren rein auf Daten. Das Trendstichwort ist „Big Data“. Das früher nur bei der Berechnung der Bonität übliche Scoring hat sich inzwischen auf viele Felder ausgebreitet. Computer schauen auf die Daten, errechnen Gesundheitszustand, Charaktereigenschaften oder die Wahrscheinlichkeit von Schwangerschaften und entscheiden danach über das weitere Schicksal.

Automatisierte Dienstleistungen pflastern den Weg in eine Daten- und Scoring-Gesellschaft. Aufhalten können wir das wohl nicht, aber ich halte es schon für notwendig, dass der Gesetzgeber das wachsam begleitet.

(Beifall bei der LINKEN)

Datenschützer kritisieren Fintechs daher regelmäßig. Es gibt nämlich eine ganze Reihe fragwürdiger Geschäftsmodelle.

Wenn irgendwo eine milliardenschwere Spielwiese entsteht, will der Finanzplatz Frankfurt natürlich dabei sein. Neidisch blickt man auf Berlin, wo sich die hippen Startups ballen.

Die Fintech-Hub-Trägergesellschaft aus Land Hessen, Stadt Frankfurt, Uni, WIBank, KfW und anderen stellt nun eine Hochhausetage in Frankfurt für Existenzgründerinnen und -gründer zur Verfügung. Das ist als Akt der Wirtschaftsförderung erst einmal kaum der Rede wert. Es stellt sich höchstens die Frage, ob es nicht vielleicht auch ein paar etwas günstigere Räume als die in einem Hochhaus an der Messe getan hätten.

Auch die Deutsche Börse hat im April ein solches FintechHub in Frankfurt eröffnet, also ein paar Büroräume zur Verfügung gestellt. Ganz uneigennützig ist das natürlich nicht. Wie die anderen etablierten Unternehmen beobachtet sie den innovativen Start-up-Bereich genau, um sich potenzielle Konkurrenten schnell einverleiben zu können. Viele Gründer zielen gar nicht primär auf tragfähige Geschäftsmodelle, sondern hoffen direkt auf eine millionenschwere Übernahme. Im letzten Jahr hat die Deutsche Börse beispielsweise die unabhängige Handelsplattform „360T“ für etwa 0,75 Milliarden € übernommen. Mit Rationalität hat das kaum noch etwas zu tun.

Wir wissen: Blasen entstehen, wenn Unternehmen an den Börsen vollkommen überbewertet sind, wenn also ihr Bör

senwert in überhaupt keiner Relation zu ihrem tatsächlichen Wert mehr steht. Das gilt ganz besonders auch für die Fintechs. Daher dürfen sie nicht unter dem Radar der Regulierung bleiben. Das gilt für den Verbraucherschutz und natürlich erst recht im Bereich der Finanzmärkte, wo nach der Bankenkrise zumindest ansatzweise etwas strengere Regulierungen durchgesetzt wurden. Sie wissen, dass wir von den LINKEN noch viel weiter gehenden Regulierungen fordern.

Kleine, hoch automatisierte Unternehmen, die praktisch nur im Netz existieren, sind für den Gesetzgeber dabei kaum noch greifbar, weil sie sich überall ansiedeln können.

Existenzgründerinnen und Existenzgründer haben Unterstützung verdient. Die jungen Fintech-Unternehmen sind aber nicht per se besser oder schlechter als die klassischen Banken. Deswegen muss die Politik sie genauso kritisch im Auge behalten, wie es der Rest der Finanzwirtschaft tut.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich komme zum Schluss. Es mag kluge Konzepte unter den Finanz-Start-ups geben, die für die Verbraucher und für die Realwirtschaft sinnvoll sein können. Wir brauchen aber nicht noch mehr technologiegetriebene Finanzmarktprodukte, ob in Frankfurt oder sonst wo.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank. – Als Nächster spricht Kollege Eckert, SPDFraktion.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Finanzwirtschaft steht mitten in einem tief greifenden Wandel. Finanzgeschäfte werden durch die zunehmende Digitalisierung und die dadurch entstehenden neuen Dienstleistungen geprägt. Das ermöglichen sogenannte Fintechs, junge Unternehmen, die auf der Basis neuer Technologien sowie kundenzentrierter Ansätze Angebote für den Finanzsektor erbringen. Sie treten mit dem Anspruch an, dass ihre Kunden dank moderner Technik einfacher und günstiger zahlen, sparen und sich Geld leihen können als bei traditionellen Banken. Ich nenne folgende Beispiele: das Bezahlen von Smartphone zu Smartphone oder per App, Apps, die die Geldanlage mit der höchsten Rendite innerhalb von Sekunden aufspüren, die Eröffnung von Konten per App, das Geldanlegen vom Sofa aus und Geldtransfers innerhalb von Sekunden. Mehr als 1 Milliarde Menschen werden in diesem Jahr ihre Smartphones für das Onlinebanking nutzen.

Fintechs setzen auf Geschäftsmodelle mit dem Fokus auf Nutzerfreundlichkeit und Geschwindigkeit. Es ist eben aber völlig zu Recht angesprochen worden: Fintech ist nicht gleich Fintech. Deshalb brauchen wir unterschiedliche regulatorische Rahmenbedingungen für diese Finanzdienstleistungsprodukte der Fintechs. Ich gehe mit Ihnen völlig d’accord, dass wir einen regulatorischen Rahmen brauchen, den wir als Land Hessen zwar nicht zu bestimmen haben, aber an dem wir mitarbeiten möchten.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der LIN- KEN)

Welcher Standort in Deutschland wäre prädestinierter für die Ansiedlung von Fintechs als der Finanzmarkt Frankfurt/Rhein-Main? Auf der einen Seite traditionelle klassische Finanzwirtschaft, auf der anderen Seite innovative kluge Köpfe, die die Bedürfnisse und Nachfragen von Kundinnen und Kunden zusammenführen und mit Ideen und Tatkraft Lösungen entwickeln. Es ist deshalb gut und richtig, wenn etablierte Unternehmen – wie die Deutsche Bank, die Deutsche Börse und andere – auch in Zusammenarbeit mit dem Land Hessen Fintech-Hubs einrichten und den Standort Hessen voranbringen.

Kollegin Faeser, der Bundestagsabgeordnete Dr. Zimmermann und ich waren gerade in der letzten Woche in Frankfurt zu dem Thema unterwegs. Insofern einen herzlichen Dank an BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, dass wir heute über dieses Thema reden können. Wenn man sieht, welch eine Dynamik da herrscht, welche Ideen hinter den Dienstleistungsangeboten stehen und dass dort trotz Schwierigkeiten kräftig gearbeitet wird, muss man sagen: Es ist gut und richtig, in diesem Bereich tätig zu sein, aber sich ausschließlich auf den Bereich Fintechs zu fokussieren, wäre deutlich zu kurz gesprungen.

Wir wollen eine gründerfreundliche Gesellschaft sein. Die Frage ist: Wie organisieren wir es, dass Innovationen in Deutschland auf den Markt kommen? Wie können wir Unternehmensgründer in Deutschland, in Hessen, im Idealfall am Finanzplatz Frankfurt/Rhein-Main unterstützen? Ich glaube, das Ergebnis der Debatte um Fintechs wird sein, dass wir Unternehmensgründungen fördern, unterstützen und begleiten werden, dass wir zeigen, dass wir eine Entwicklung hin zu innovativen technologiegetriebenen Unternehmen in Hessen haben und uns stärker und besser aufstellen wollen. Das ist gut und richtig. Wir dürfen aber bei dem Thema Fintech nicht zu lange stehen bleiben.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der LIN- KEN)

Die Gretchenfrage, die dahinter steht, lautet nämlich: Wie sieht die Arbeit von morgen aus? Wie organisieren wir die Arbeit von morgen? Dafür können wir jetzt Bausteine setzen. Wir können die Grundlage dafür legen, die Arbeit von morgen hier in Hessen, in der Region Frankfurt/RheinMain zu organisieren; denn wir sind noch lange nicht so gut, wie wir meinen und immer wieder darstellen. Wir brauchen uns nicht umzuschauen, um zu behaupten, wir seien besonders toll, aber wir sind auf einem guten Wege. Daran sollten wir weiterarbeiten.

Deswegen brauchen wir für Innovationen und Gründungen Initiativen wie den Fintech-Hub und andere Dinge mehr. Ein innovationsfreundliches Klima lässt sich nicht politisch verordnen. Wir können aber die Rahmenbedingungen dafür schaffen, dass Innovationen und Gründungen am Standort Hessen, in diesem Fall insbesondere am Standort Frankfurt/Rhein-Main, möglich werden.

(Beifall bei der SPD)

Aber eines möchte ich noch einmal sagen: Sosehr wir uns auch darin einig sind, was das Bundesland Hessen tun kann, den regulatorischen Rahmen insbesondere setzt immer noch der Bund. Für Wagniskapital und ähnliche Dinge ist der Bund in der Verantwortung. Wir Sozialdemokraten müssen unserem Koalitionspartner auf der Bundesebene immer wieder deutlich machen, was dort noch an Hausaufgaben zu machen ist.

(Norbert Schmitt (SPD): So ist es!)

Auf der Bundesebene sind die Union und Schäuble diejenigen, die das blockieren. Auch das Bundesland Hessen ist bisher noch nicht mit innovativen Anträgen über den Bundesrat in Erscheinung getreten, um deutlich zu machen, dass wir hier eine Veränderung brauchen. Deswegen ist das eine positive Initiative.

(Beifall bei der SPD)

Kollege Eckert, kommen Sie bitte zum Schluss.

Herr Minister, wir haben aber noch viel Arbeit vor uns. Wir müssen unseren jeweiligen Koalitionspartnern – in beiden Fällen die Union: Sie in Hessen und wir im Bund – ein bisschen Beine machen; denn sie verschlafen aktuell die Entwicklungen in diesem Bereich. Sie verschlafen mit ihrer Blockade- und Verschiebehaltung wichtige Weichenstellungen für die Arbeit von morgen, die wir jetzt vornehmen müssen, damit wir auch noch in zehn oder 20 Jahren gut aufgestellt sind. Wir sind dazu bereit und werden unseren Beitrag leisten. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank. – Nächster Redner ist Kollege Lenders, FDPFraktion.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Die Initiative zur Förderung der Start-ups in der Frankfurter Finanzbranche ist absolut richtig und notwendig und findet unsere volle Zustimmung. Der eine oder andere Kollege hat gesagt, ich solle doch einmal die Landesregierung loben. Das mache ich gern an dieser Stelle.

(Hans-Jürgen Irmer (CDU): Geht doch! – Heiterkeit bei der CDU – Minister Tarek Al-Wazir: Rede beenden!)

Rede beenden, hinsetzen. – Es ist noch mehr gesagt worden. Ich habe die Rede des Kollegen Eckert aufmerksam verfolgt. Er hat recht, wenn er sagt, dass wir gerade, wenn es um neue Märkte, neue Unternehmen und die digitale Welt geht, auch über die Rahmenbedingungen diskutieren müssen. Das ist nicht nur bei Fintechs, sondern auch bei Unternehmen wie Uber oder Airbnb so. Da gibt es viele offene Fragen, mit denen sich die Politik noch befassen muss.

Herr Kollege, wenn Sie jetzt den Ball nach Berlin schießen, müssen Sie dazusagen: Es gibt zwei Bundesminister, die maßgeblich dafür zuständig sind, nämlich den Justizminister und den Wirtschaftsminister.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Von daher können Sie sicherlich viele Fragen mit den Parteifreunden klären, die Sie dort haben.

Meine Damen und Herren, ich glaube, es ist richtig, dass wir hier die Start-ups in der Finanzbranche unterstützen.

(Unruhe – Glockenzeichen der Präsidentin)

Ich glaube auch, dass wir gerade, was den Finanzplatz Frankfurt anbelangt – auch mit den Teilaspekten Zukunft der Deutschen Börse und Reaktionen im Falle eines Brexits –, gut aufgestellt sein müssen. Dass das Netzwerken von etablierten Unternehmen und Gründern hervorragend funktioniert und innovative Ideen sowie eine Standortsicherung mit sich bringt, hat nicht zuletzt die Entwicklung der Deutschen Börse in der Vergangenheit gezeigt.

Frau Wissler, dass Unternehmen an der Börse jetzt – ich sage einmal – stark gehandelt werden, hat auch damit zu tun, dass die Investoren sozusagen in die Zukunft dieser Unternehmen investieren, weil sie an sie glauben. Mit Spekulation hat das nicht allzu viel zu tun, sondern damit, ob man an einem solchem Unternehmen und an den Zukunftsperspektiven, die sich daraus ergeben können, beteiligt sein will.

Neben all dem Lob muss man aber eines sagen: Lassen Sie uns die Existenzgründer in der Old Economy nicht vergessen; lassen Sie uns nicht vergessen, dass es nicht nur Hightech-Unternehmen gibt. Die Hightech-Unternehmen sind sehr spannend, aber wir müssen unsere Förderprodukte an allen Unternehmen ausrichten. Die Wertschöpfung ist bei der Old Economy viel leichter nachzuvollziehen.