Protokoll der Sitzung vom 23.06.2016

Eine Anmerkung zum Thema Religionsgemeinschaften. Ich denke, wir sind uns einig, dass wir bei der Frage, welche Kriterien wir der Entscheidung, welche Religionsgemeinschaft wir hinzuziehen, zugrunde legen, mit größter Sorgfalt agieren sollten. Ich sage das selbstkritisch, weil ich weiß, wie in der Frage des islamischen Religionsunterrichts agiert worden ist. Ich hoffe, dass sich die Landesregierung bewusst ist, dass sie hinsichtlich der Religionsgemeinschaften mit höchster Sensibilität agieren sollte. Das Thema ist schwierig – das weiß ich –, aber ich habe die Hoffnung, dass es mit großer Sensibilität behandelt wird.

Um etwas Positives zu sagen: Herr Kollege Frömmrich, wir werden Sie mit dem Gesetzentwurf nicht alleinlassen. Ich denke, es ist sinnvoll, dass wir einen Änderungsantrag zu dem Gesetzentwurf einbringen. Ich will den Änderungsantrag begründen. Wir sind der Auffassung, dass wir mit unserem Änderungsantrag dafür sorgen sollten, dass es die Regelung wieder gibt, die wir einmal im hr-Gesetz hatten, dass nämlich jede Fraktion dieses Landtags einen Vertreter in den Rundfunkrat entsenden kann. Ich sage Ihnen auch, warum wir dies vorschlagen. Ich bin der festen Überzeugung, dass sich die Legitimation, die wir als Parlamentarier erhalten haben, auch im Rundfunkrat widerspiegeln sollte. Dass ist deutlich demokratischer als das, was wir bisher gemacht haben. Ich glaube, dass wir auf diese Weise die Spielchen nach dem Motto „Wer kommt in den Rundfunkrat?“ beenden könnten, die ich im 13. Jahr hier im Landtag verfolge.

Herr Kollege Rentsch, kommen Sie bitte zum Schluss.

Wir sollten eine ganz einfache Regelung wählen – dagegen können sich die GRÜNEN nicht sperren, denn sie sind ja per se Basisdemokraten –: Jede Fraktion entsendet einen Vertreter in den Rundfunkrat. – Damit hätten wir viel erreicht, und das wäre sicherlich eine deutliche demokratischere Variante als das, was derzeit der Fall ist. Insofern werden wir die GRÜNEN in dieser Frage hoffentlich an unserer Seite finden.

(Beifall bei der FDP – Zuruf des Abg. Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Herr Staatsminister Wintermeyer, Sie haben das Wort für die Landesregierung.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Als für den hr zuständiger Minister des Landes Hessen begrüße ich den Gesetzentwurf der Fraktionen von CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Sie haben ihn ja auch geschrieben!)

Es steht außer Frage, dass die Landesregierung auch Formulierungshilfe leistet.

Der Gesetzentwurf zur Änderung des Gesetzes über den Hessischen Rundfunk setzt die Vorgaben des ZDF-Urteils des Bundesverfassungsgerichts in überzeugender Weise um, und er trägt zugleich dazu bei, den Hessischen Rundfunk transparenter zu machen und damit einen gewichtigen Mehrwert für die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes zu schaffen.

Da sich meine Vorredner ausführlich mit dem Inhalt des Gesetzentwurfs beschäftigt haben, möchte ich zu dem Entwurf nur noch zwei Gesichtspunkte kurz ansprechen, zum einen das Thema Staatsferne und zum anderen das Thema Transparenz, das mir in der Debatte etwas zu kurz gekommen ist.

Erstens. Wie Sie wissen, hat das Bundesverfassungsgericht im ZDF-Urteil zum Thema Staatsferne vorgegeben, dass der Anteil staatlicher und staatsnaher Vertreter in den Rundfunkgremien ein Drittel der gesamten Mitgliederzahl nicht überschreiten darf. Als die Länder mit dem 17. Rundfunkänderungsstaatsvertrag diese Vorgabe für das ZDF umgesetzt haben – übrigens einstimmig –, ist den Ländern in der Presse vorgehalten worden, der neue ZDF-Fernsehrat sei nur so staatsfern wie unbedingt nötig, nicht aber so staatsfern wie möglich organisiert worden. Für den Rundfunkrat des Hessischen Rundfunks galt und gilt ein solcher Vorwurf nicht, da die der staatlichen Seite zuzuordnenden Mitglieder im Rundfunkrat des hr die Drittelgrenze nicht erreichen und die Zahl der staatsfernen Mitglieder im Rundfunkrat mit der vorliegenden Novelle noch erweitert wird, ohne dass neue staatliche Mitglieder dazukommen.

Zweitens. Die Transparenzvorgaben des Gesetzentwurfes, z. B. die im Internet abrufbaren Informationen zur Organisationsstruktur des Senders, die künftig im Geschäftsbericht auszuweisende Vergütung des Intendanten und der Direktoren – samt Tarifstrukturen – und die Veröffentlichung der Tagesordnungen und der Zusammenfassung der Gremienprotokolle, werden dazu beitragen, den Hessischen Rundfunk deutlich gläserner zu machen. Sie werden dem Bürger bei Interesse fundierte Einblicke vermitteln, wie der Hessische Rundfunk funktioniert, welche Unternehmenspolitik er verfolgt und was in seinen Aufsichtsgremien erörtert und entschieden wird.

Meine Damen und Herren, der Zuwachs an Transparenz, den der Gesetzentwurf schafft, bedeutet in Zeiten, da den Medien von Teilen der Öffentlichkeit Misstrauen entgegenschlägt und die Glaubwürdigkeit auch des öffentlichrechtlichen Rundfunks in Zweifel gezogen wird, ein wichtiges Signal und ein Schritt in die richtige Richtung.

Von den 16 Ländern der Bundesrepublik verfügen nur fünf über eigene Landesrundfunkanstalten; Frau Kollegin Wolff hat darauf hingewiesen. Elf Länder werden von Mehrländeranstalten versorgt. Das Land Hessen genießt insofern durchaus ein Privileg: Es verfügt mit dem Hessischen Rundfunk über einen eigenen Landessender, der wesentlich zur Stärkung unserer hessischen Identität beiträgt und für eine umfassende und vielfältige Berichterstattung aus unserem Bundesland unverzichtbar ist.

Aber wiegen wir uns nicht in zu großer Sicherheit. Dieses Privileg ist nämlich keineswegs ungefährdet. Im Zuge der anbrechenden Debatte über die künftige Entwicklung des Rundfunkbeitrags wird die Landespolitik, also wir alle, möglicherweise durchaus für den Erhalt des Hessischen Rundfunks zu kämpfen haben. Ich kann Ihnen versichern, dass ich als Medienminister des Landes das mir Mögliche für den Fortbestand des Senders tun werde. Auch der hr selbst wird dauerhaft gefordert bleiben, sich über Güte und Attraktivität seiner Landesprogramme die Nutzerakzeptanz und die Beitragslegitimation zu erhalten und sogar auszubauen.

Der vorliegende Gesetzentwurf versucht ersichtlich, den legislativen Rahmen des Senders so abzustecken, dass der Hessische Rundfunk für die Zukunft gut aufgestellt ist. Dies begrüßen die Landesregierung und ich ausdrücklich.

Lassen Sie mich zum Schluss meiner Rede noch einen kurzen Hinweis auf aktuelle europapolitische Probleme im Umfeld dieser Gesetzesnovelle geben. In Deutschland haben wir hinsichtlich der Aufsicht über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk und den privaten Rundfunk bekanntlich unterschiedliche Systeme. Der private Rundfunk wird durch externe Institutionen, nämlich die Landesmedienanstalten, beaufsichtigt. Für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk erfolgt die Kontrolle anstaltsintern, nämlich über die Organe, über die wir gerade geredet haben: Rundfunkrat und Verwaltungsrat.

Die EU-Kommission hat vor drei Wochen einen Vorschlag zur Revision der Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste vorgelegt, der vorsieht, dass die mitgliedstaatlichen Regulierungsstellen künftig generell als separate juristische Personen ausgestattet sein sollen. Würde dieser Vorschlag der EU-Kommission Wirklichkeit werden, könnte dies das Ende der anstaltsinternen Gremienkontrolle bedeuten.

Hier besteht aus meiner Sicht dringender länderseitiger Handlungsbedarf. Die Länder werden in den Beratungen

auf EU-Ratsebene ebenso wie über den Bundesrat die Wahrung der nationalen Rundfunkordnung einfordern, wie sie durch zahlreiche Urteile des Bundesverfassungsgerichts und sämtliche Landesrundfunkgesetze vorgeprägt ist – auch durch unseres, über das wir gerade reden.

Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit und freue mich ebenfalls auf interessante Debatten in der Ausschussanhörung.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank. – Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor.

Ich stelle fest, dass die erste Lesung durchgeführt worden ist und dass wir diesen Gesetzentwurf zur Vorbereitung der zweiten Lesung an den Hauptausschuss überweisen. – Dem widerspricht niemand. Dann ist das so beschlossen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 10 auf:

Zweite Lesung des Gesetzentwurfs der Landesregierung für ein Gesetz zu dem Neunzehnten Rundfunkänderungsstaatsvertrag und zur Änderung des Gesetzes zu dem Staatsvertrag über den Rundfunk im vereinten Deutschland – Drucks. 19/3445 zu Drucks. 19/3276 –

Die vereinbarte Redezeit beträgt fünf Minuten je Fraktion. Zunächst hat der Berichterstatter das Wort. Herr Abg. Bauer, das ist ein Gesetzentwurf. Sie müssen berichten.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Beschlussempfehlung des Hauptausschusses zu dem Gesetzentwurf der Landesregierung lautet: Der Hauptausschuss empfiehlt dem Plenum mit den Stimmen von CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der Fraktionen DIE LINKE und der FDP bei Enthaltung der SPD, den Gesetzentwurf in zweiter Lesung unverändert anzunehmen. – Besten Dank.

Beifall bei der CDU)

Herr Berichterstatter, danke schön. – Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat Herr Abg. Rentsch, FDP-Fraktion.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Gerade noch habe ich mit dem Kollegen Frömmrich über den Rundfunkänderungsstaatsvertrag gesprochen. Normalerweise ist es so, dass wir das hier nur durchwinken. Deshalb müsste man sich einmal grundsätzlich fragen, ob es überhaupt einen Sinn ergibt, dass man die Länder beteiligt.

Wir haben in der letzten Debatte das Problem des Datenschutzes behandelt. Wir haben darum gebeten, weil im Neunzehnten Rundfunkänderungsstaatsvertrag neben anderen Punkten, die möglicherweise mittelstandsrelevant und auch wirtschaftsrelevant sind, der sogenannte vollständige Meldedatenabgleich verankert ist.

Ich bin der Vorsitzenden des Hauptausschusses, Frau Kollegin Wolff, dankbar – wir hatten darum gebeten –, dass wir den Datenschutzbeauftragten in den Hauptausschuss eingeladen haben. Prof. Ronellenfitsch war da. Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht – ich kann mich an Frau Kollegin Ypsilanti und an andere erinnern –: Ich glaube, der Datenschutzbeauftragte hat selten eine so klare Aussage zu den vorgelegten Regelungen abgegeben wie in diesem Fall.

(Beifall bei der FDP)

Herr Kollege Frömmrich, er hat nicht nur deutlich gemacht, dass die Datenschutzbeauftragten der Länder gesagt hätten, es handele sich um eine verfassungswidrige Grundlage, sondern auch, dass er, sollte das Land dem Rundfunkstaatsvertrag in dieser Form zustimmen, davon ausgeht, dass dieser Vertrag vom Bundesverfassungsgericht gekippt wird.

Ich habe gedacht, dass gerade wir, GRÜNE und FDP, in Sachen Datenschutz auf einer Seite stehen. Ich will auch versuchen, mit Ihrem Argument, das alles sei nicht so schlimm, ein bisschen umzugehen; denn ich bin der Auffassung, dass man in einer Debatte im Rahmen der Umstellung auf ein neues Gebührensystem einmal darauf schauen sollte, was damals gesagt worden ist.

In der Gesetzesbegründung – grundsätzlich sind es nur redaktionelle Änderungen – wird darauf verwiesen, dass in § 14 ein neuer Abs. 9a eingefügt wird, wonach „zur Sicherung der Aktualität des Datenbestandes ein weiterer vollständiger Meldedatenabgleich“ durchgeführt werde. Nach den bisherigen Erfahrungen komme es im zeitlichen Verlauf regelmäßig zu einer Verschlechterung des Datenbestandes, und deshalb sei ein neuer Datenbestand abzufragen.

Mit dieser Argumentation kommen wir von der einmaligen Regelung, die damals nur unter Vorbehalt getroffen worden ist – dass man einmal einen ordentlichen Datenabgleich macht –, zu einer Regelung, die einen solchen Abgleich regelmäßig vorsieht, womit das das Regel-Ausnahme-Verhältnis ins Gegenteil verkehrt wird. Das ist nicht mehr die Ausnahme, sondern es wird hier zur Regel.

(Beifall bei der FDP)

Herr Kollege Frömmrich, ich habe eine Bitte: Erklären Sie mir, wenn Sie nachher am Pult stehen, wie man das Argument, dass sich der Datenbestand verschlechtert, bei der nächsten Änderung des Rundfunkstaatsvertrags – beim Zwanzigsten oder auch beim Einundzwanzigsten Rundfunkänderungsstaatsvertrag – zurücknehmen will. Auch dann wird wieder ein Meldedatenabgleich über die Meldeämter gemacht werden.

Das kann mit Sicherheit nicht der richtige Weg sein. Der Datenschutzbeauftragte hat recht: Es ist im Sinne der Datensparsamkeit und der Frage, wie man mit Daten umgeht, der völlig falsche Weg, den die Länder hier gehen.

(Beifall bei der FDP)

Es ist in Ordnung, dass Sie uns nicht vertrauen. Das ist schade, aber mittlerweile haben wir uns daran gewöhnt. Dass Sie dem Datenschutzbeauftragten nicht vertrauen, wundert mich; denn er wird hier von Ihnen häufig beklatscht, und Prof. Ronellenfitsch ist weiß Gott kein Hardliner oder Ideologe, sondern ein sehr vernünftiger Protagonist in der Frage, wie man mit dem Datenschutz umgeht.

Aber, meine Damen und Herren, ich hätte gedacht, dass Sie wenigstens Ihrem eigenen Koalitionsvertrag vertrauen. Ich lese jetzt immer öfter in Ihrem Koalitionsvertrag. Ich muss sagen, Sie hatten recht: Es lohnt sich, hineinzuschauen. Im Koalitionsvertrag steht unter Punkt II „Medien, Datenschutz und Netzpolitik“:

Den geräteunabhängigen Rundfunkbeitrag wollen wir beibehalten, jedoch die Datenerhebung, -verarbeitung und -speicherung im Zusammenhang mit der Beitragserhebung dabei auf ein Mindestmaß beschränken.

Herr Kollege Frömmrich, ist das die Beschränkung auf ein Mindestmaß? Ist es das, was Sie mit diesem Koalitionsvertrag gemeint haben, oder machen Sie gerade das Gegenteil von dem, was Sie hier vereinbart haben?

(Beifall bei der FDP)

Ich glaube, Sie machen das Gegenteil von dem, was Sie hier vereinbart haben. Ich weiß nicht, wie es dazu gekommen ist: ob Ihnen das durchgegangen ist oder ob Sie das Problem nicht gesehen haben. Aber in der Hauptausschusssitzung war genug Zeit, um umzukehren.

Ich sage ganz offen – auch um ein Angebot zu machen –: Das Mindeste wäre gewesen, dass wir gemeinsam eine Resolution verabschiedet hätten, in der wir klarmachen, dass wir das nicht für richtig halten, und unsere Position darstellen. Einfach zu sagen: „Da kommt ein Staatsvertrag, den können wir halt nicht ändern“, widerspricht meinem Selbstverständnis als Parlamentarier und sollte eigentlich auch dem grünen Selbstverständnis als Parlamentarier widersprechen.

Insofern sage ich, wir können diesem Rundfunkänderungsstaatsvertrag nicht zustimmen. Ich glaube, dass es gute Gründe gibt, dagegen zu stimmen. Das, was der Datenschutzbeauftragte in – glaube ich – noch nicht da gewesener Klarheit zu diesem Punkt gesagt hat, sollte uns alle ein bisschen sensibel machen.