Protokoll der Sitzung vom 13.07.2016

Kolleginnen und Kollegen, guten Morgen! Da sich der Geräuschpegel etwas erhöht hat, nehme ich an, dass die Beschlussfähigkeit jetzt hergestellt ist. Ich begrüße Sie herzlich und eröffne die 79. Plenarsitzung.

Zur Tagesordnung: Erledigt sind die Punkte 1, 2, 8 bis 11, 13 bis 16, 19, 24, 28 bis 30 und 34.

Auf Wunsch der antragstellenden Fraktion wird der Antrag unter Tagesordnungspunkt 21 von der Tagesordnung abgesetzt.

Gestern Abend tagten drei Ausschüsse mit folgendem Ergebnis: Der Rechtspolitische Ausschuss hat zu dem Gesetzentwurf Drucks. 19/3471 eine Beschlussempfehlung, Drucks. 19/3595, abgegeben. Die dritte Lesung steht unter Tagesordnungspunkt 46 auf dem Nachtrag.

Der Innenausschuss hat zu dem Gesetzentwurf Drucks. 19/3373 eine Beschlussempfehlung, Drucks. 19/3596, abgegeben. Die dritte Lesung steht unter Tagesordnungspunkt 48 auf dem Nachtrag.

Der Sozial- und Integrationspolitische Ausschuss hat zu dem Gesetzentwurf Drucks. 19/1196 eine Beschlussempfehlung, Drucks. 19/3597, abgegeben. Diese dritte Lesung steht unter Tagesordnungspunkt 49 auf dem Nachtrag.

Außerdem hat der Sozial- und Integrationspolitische Ausschuss zu dem Antrag Drucks. 19/3513 eine Beschlussempfehlung, Drucks. 19/3598, abgegeben. Sie finden sie unter Tagesordnungspunkt 50 auf dem Nachtrag.

Bevor wir in den Sitzungsablauf einsteigen, habe ich ein Versäumnis nachzuholen. Ich muss noch von den Erfolgen unserer Landtagself berichten. Es gab ein Unentschieden und einen Sieg binnen Wochenfrist.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Vor einer Woche konnte die Landtagself vor dem Hessenfest in Berlin ein 3 : 3 Unentschieden gegen Mitglieder des Abgeordnetenhauses in Berlin im Olympiapark erreichen.

Gestern Abend ging es in Frankfurt gegen eine junge Flüchtlingsmannschaft vom Offenen Haus der Kulturen. Bereits vor dem Spiel wurde der Scheck des Landtagspräsidenten für das Offene Haus der Kulturen überreicht, mit dem deren ehrenamtliche Arbeit unterstützt wird.

Die jungen und quirligen Flüchtlinge legten ein hohes Tempo vor. Sie konnten so das Parlamentsteam in der dritten Minute bezwingen und gingen 1 : 0 in Führung. Dann kam das Team von Coach Becker besser ins Spiel und konnte mit Bruhn und Yüksel bis zur Pause auf 2 : 1 in Führung gehen.

Nach der Pause profitierten die Parlamentarier von dem einsetzenden Regen und konnten durch zwei weitere Tore von Yüksel und Hort bis auf 6 : 1 erhöhen, ehe den Flüchtlingen der 6 : 2 Anschlusstreffer gelang. Kurz vor dem Schlusspfiff dieser freundschaftlichen Begegnung traf erneut Hort zum 7 : 2 Endstand. Bei der anschließenden dritten Halbzeit, die folgte, zeigten sich die Flüchtlinge als gute Verlierer und saßen noch gemütlich mit den sportlichen Botschaftern des Parlaments zusammen.

Jetzt kommt erst einmal die Sommerpause. Danach wird die Landtagself gegen eine Mannschaft des Vorstandes der Fraport AG spielen.

Jetzt kommen wir allerdings zu ernsteren Dingen. Vereinbarungsgemäß tagen wir heute bis 18 Uhr bei einer Mittagspause von zwei Stunden. Wir beginnen mit Tagesordnungspunkt 32. Danach folgt Tagesordnungspunkt 23. Nach der Mittagspause folgt Tagesordnungspunkt 31.

Heute fehlen entschuldigt Frau Staatsministerin Puttrich ab 12:45 Uhr und Herr Staatsminister Lorz von 10 bis 13 Uhr.

In der Mittagspause trifft sich der Europaausschuss in Sitzungsraum 204 M.

Ich habe noch einen Geburtstag zu verkünden. Allerdings ist das Geburtstagskind noch nicht da. Es bekommt seine Blumen später überreicht. Gratulieren können wir Frau Nancy Faeser zu ihrem heutigen Geburtstag trotzdem. Herzliche Glückwünsche vom gesamten Haus.

(Allgemeiner Beifall)

Ich rufe nun Tagesordnungspunkt 32 auf:

Antrag der Fraktion der SPD betreffend Investitionsstau in Hessen – Drucks. 19/3566 –

Die vereinbarte Redezeit beträgt zehn Minuten je Fraktion. Als Erster erhält Herr Kollege Schmitt für die SPD-Fraktion das Wort.

Guten Morgen, Frau Präsidentin, guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen!

Angemessene Investitionen des Landes sind notwendig, um den Wirtschaftsstandort attraktiv zu gestalten und so Wachstum sowie Beschäftigung zu fördern. Die Investitionsausgaben sollten daher nicht gesenkt, sondern nachhaltig erhöht werden.

(Beifall bei der SPD)

Die Investitionen sollten rechtzeitig und perspektivisch erfolgen, um eine Kostenoptimierung zu erreichen. Insbesondere zur Instandhaltung und Verbesserung der Verkehrsinfrastruktur (Straßen- und Brückenbau) sind zusätzliche Investitionen erforderlich.

(Beifall bei der SPD)

Das sagt niemand von der SPD. Auch ich sage das nicht. Das ist ein Zitat aus der „Halbzeitbilanz der Hessischen Landesregierung“ der Industrie- und Handelskammer Arbeitsgemeinschaft Hessen. Ich finde es schon sehr erstaunlich, dass die Mitglieder der SPD-Fraktion geklatscht haben. Sie von der CDU fühlen sich doch immer als Vertreter der Wirtschaft. An dieser Stelle schweigen Sie. Dabei ist das eine ganz nüchterne Halbzeitbilanz der Wirtschaft über diese Landesregierung.

(Beifall bei der SPD sowie der Abg. René Rock und Jürgen Lenders (FDP) – Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Jetzt sollten Sie auch die anderen Seiten vorlesen! – Unruhe – Glockenzeichen der Präsidentin)

Die Investitionsausgaben des Landes lagen im Jahr 2015 bei rund 1,9 Milliarden €. Dieser Sollwert lag

damit um rund 7 % unter dem Istwert des Jahres 2010 und zeigt die rückläufige Tendenz. … die Investitionen des Landes – insbesondere in die Erhaltung und Qualitätssicherung der Verkehrsinfrastruktur – [sind] grundsätzlich zu gering.

Auch das ist nicht von uns. Auch das steht in der Halbzeitbilanz der Industrie- und Handelskammer Arbeitsgemeinschaft Hessen.

Die Vereinigung der hessischen Unternehmerverbände verweist zur Halbzeitbilanz auf ihrer Internetseite auf eine Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft. Auch das ist keine Institution, die den Sozialdemokraten grundsätzlich sehr nahesteht. Vielmehr steht es eher der Wirtschaftsseite des Hauses nahe.

Wissen Sie, was da festgestellt wird? Da werden die Investitionsquoten der öffentlichen Hände der Bundesländer im Vergleich dargestellt. Was denkt man, wo ein so wirtschaftsstarkes Land wie Hessen bei einem Vergleich der Bundesländer hinsichtlich der Investitionen der öffentlichen Hände liegen wird? Liegt es auf dem ersten Platz? Ist es auf dem zweiten Platz? Herr Arnold, ist es auf dem dritten Platz? Herr Ministerpräsident, wissen Sie, wo Hessen im Ländervergleich hinsichtlich der Investitionen der öffentlichen Hände liegt?

(Günter Rudolph (SPD): Er googelt es gerade nach!)

Ich kann Ihnen helfen. Hessen ist nicht Erster. Hessen ist nicht Zweiter. Hessen ist nicht Dritter. Hessen ist nicht Siebter. Hessen ist nicht Zehnter. Hessen befindet sich auf dem drittletzten Platz. Nur das Saarland und Berlin sind hinsichtlich der Investitionen der öffentlichen Hände schlechter.

(Zustimmung bei der SPD)

Herr Ministerpräsident, Herr Minister Schäfer, an was liegt das? – Herr Pentz fehlt hier.

(Günter Rudolph (SPD): Der läuft weg!)

Er würde jetzt dazwischenrufen: „Es liegt natürlich am Länderfinanzausgleich.“

(Dr. Walter Arnold (CDU): Sie kriegen schon Ihre Antwort!)

Meine Damen und Herren, es liegt eben nicht am Länderfinanzausgleich. Als in den Neunzigerjahren Rot-Grün in Hessen regiert hat – als wir prozentual sogar einen höheren Anteil an den Länderfinanzausgleich abgeben mussten –, war Hessen deutlich weiter vorne. Hessen war auch in diesem Bereich unter den ersten vier Ländern. Wissen Sie, wer an Stelle 2 und 3 liegt? Das sind Baden-Württemberg und Bayern, die noch viel höhere Summen in den Länderfinanzausgleich einzahlen.

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Hört, hört!)

Die Begründung, dass wir in Hessen wegen des Länderfinanzausgleichs nicht ausreichende Mittel für Investitionen hätten, ist eine miese Ausrede. Meine Damen und Herren, Tatsache ist: Es fehlt an der richtigen politischen Schwerpunktsetzung.

(Beifall bei der SPD)

Hessen hat infolge einer verfehlten Politik tatsächlich einen ganz erheblichen Rückstand bei den öffentlichen Investitionen. Meine Damen und Herren, das beklagen zu Recht die Industrie, das Handwerk, die Handwerkskam

mern und die VhU – das ist auch keine sozialdemokratische Nebenorganisation. Die Folgen dieser historisch niedrigen Investitionsquoten – wir haben Investitionsquoten bei den Kommunen, die nominal auf dem Stand von Mitte der Neunzigerjahre lagen – sind natürlich überall sichtbar: marode Landes- und Kommunalstraßen, kaputte Brücken, Wohnungsmangel, unzureichende Breitbandversorgung, insbesondere im ländlichen Raum, und der Verfall von öffentlichen Einrichtungen, vor allem bei finanzschwachen Kommunen.

(Dr. Walter Arnold (CDU): Das ist doch gar nicht wahr!)

Meine Damen und Herren, das ist eine nüchterne Feststellung. So verspielt Schwarz-Grün in Hessen die Zukunft. Es ist eine bittere Erkenntnis, dass Hessen eigentlich nur von der Substanz lebt.

Der Finanzminister lobt sich immer selbst: dass für das Land Hessen so eine tolle Bilanz vorgelegt wird und insbesondere dass diese Bilanz den Werteverzehr abbildet. Herr Finanzminister Dr. Schäfer, ich frage Sie: Sie bilden in Ihrer Bilanz vom letzten Jahr ab, dass der Werteverzehr bei den Landesstraßen 170 Millionen € beträgt. So eine Bilanz ergibt doch eigentlich nur einen Sinn, wenn man daraus Schlussfolgerungen zieht. Wenn aber nur 90 Millionen € jährlich in den Straßenbau investiert werden, dann ist doch der Wertverzehr offensichtlich. Wir finanzieren praktisch nur die Hälfte des Werteverzehrs. Die Situation ist doch sichtbar: überall kaputte Brücken und Straßen mit Schlaglöchern. Deshalb stellt die Wirtschaft zu Recht fest, dass die Unternehmer zu 72 % darüber klagen, ihre größten Probleme seien, dass es in Hessen zu Staus kommt und dass sie nicht mehr zuverlässig liefern können. Meine Damen und Herren, das ist ein echter Wirtschaftsnachteil für das Land Hessen.

Ich komme zu einem weiteren wichtigen Punkt: Hessen war beim Wirtschaftswachstum immer unter den ersten drei, zumindest als Sozialdemokraten regiert haben.