Protokoll der Sitzung vom 14.07.2016

Herr Kollege Heinz, in der Sache war Ihr Vortrag dieses Mal enttäuschend. Das muss ich wirklich sagen. Ich muss allerdings auch dazusagen, ich hatte nicht die Hoffnung, dass jetzt auf einmal die Anhörung und vielleicht die Debatte, die wir vorgestern geführt haben, oder auch die ausführliche Beratung, die wir im Innenausschuss an dem Abend noch zu dem Thema hatten, doch noch wirken.

Deswegen will ich es Ihnen und mir ersparen, meine Argumente zu wiederholen. Das bewegt offensichtlich nichts in dieser Koalition, die beschlossen hat, dass ihre ursprünglich gefassten Auffassungen auch die zutreffenden sind. Ich will versuchen, noch einen letzten Appell an Sie zu richten, mit den Worten anderer.

Sie hatten schon das Thema Alimentationsprinzip angesprochen. Wir haben hier schon über die Probleme debattiert, die genau in Bezug auf das Alimentationsprinzip, aber auch in anderen Bereichen bestehen; ich nenne das Stichwort Abstandsgebot. Deswegen mein Zitat zu diesem Thema. Das bringt es genau auf den Punkt, und das soll es auch gewesen sein. Herr Prof. Battis hat in der Anhörung seinerseits zitiert. Das will ich hier aus dem Protokoll des Ausschusses wiedergeben. Er hat den Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts zitiert, der gesagt hat:

Das Alimentationsprinzip war immer ein zahnloser Tiger, und jetzt [durch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts] hat das Alimentationsprinzip richtig Zähne bekommen. Es kann jetzt zubeißen, und zwar wie? Indem die Beamten gegen ihre ungerechte Besoldung klagen. Das zeichnet sich ja auch ab.

Herr Kollege Heinz, Sie haben es in einem etwas unguten Zusammenhang hier in die Debatte eingebracht, aber Sie haben recht: Die Beamten werden klagen. Sie klagen zu Recht, weil Sie sich mit Ihrer Vorgehensweise über die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hinwegsetzen. Das ist richtigerweise nicht hinnehmbar.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der SPD)

Ich will hier noch ein zweites Zitat in die Debatte einbringen, weil Sie das offensichtlich auch nicht im notwendigen Umfang zur Kenntnis und wahrgenommen, jedenfalls nicht umgesetzt haben. Ich habe es vorgestern schon gesagt. Es

ist ein einmaliger Vorgang, dass in einer solchen Debatte die Seite der öffentlichen Arbeitgeber in Hessen in der Mitte auseinandergerissen ist und das Land Hessen etwas macht, was von allen Kommunalen Spitzenverbänden abgelehnt wird.

(Günter Rudolph (SPD): Ja! – Nancy Faeser (SPD): Als Arbeitgeber!)

Das hat Frau Dr. Baum für den Hessischen Städtetag wunderbar – in einem kurzen Absatz des Protokolls nachzulesen – zusammengefasst. Auch diese Worte mache ich mir zu eigen und trage das hier kurz vor:

Auch wir für die hessischen Städte erachten eine Besoldungs- und Versorgungsanpassung in Höhe von 1 % als zu niedrig. Wir können bei uns in den Mitgliedstädten in den letzten Jahren neue Entwicklungen erkennen. Zum einen wird es für unsere Mitgliedstädte immer schwieriger, qualifizierte Beamtinnen und Beamte zu gewinnen. Das gilt schon seit Längerem für die Bereiche Feuerwehr und in den Gesundheitsämtern für die Berufe Ärztin und Arzt. Aber wir können auch erkennen, dass sich das jetzt in die Breite streut. Zum anderen ist es immer schwieriger, qualifizierte Beamtinnen und Beamte zu halten. Viele wandern ab in andere Bundesländer, zu Bundesbehörden. Unsere Kommunen verlieren damit qualifiziertes Personal.

(Beifall bei der FDP)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, das ist im Landesdienst nicht anders. Ich kann deswegen nur ein letztes Mal – wahrscheinlich wieder vergeblich – an Sie appellieren: Kommen Sie zurück auf den Pfad der Vernunft und der politischen Tugend. Machen Sie nicht diese Rasenmähermethoden, sondern bieten Sie differenzierte Lösungen, wie sie z. B. die kommunalen Arbeitgeber verlangt haben.

Das heißt nicht, dass man alles 1 : 1 übernehmen muss. Aber das, was Sie hier machen, nämlich mit 1 % abzuspeisen, ist nicht vertretbar. Meines Erachtens ist es verfassungswidrig, und ich fände es bedauerlich, wenn das Land Hessen wieder einmal ein Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht verliert, was leider häufiger passiert, wenn die Union ohne die Liberalen regiert.

(Beifall bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Greilich. – Als nächster Redner spricht nun Kollege Rudolph von der SPD-Fraktion. Bitte schön, Herr Kollege, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir erleben heute den letzten – praktisch den dritten – Akt im schwarz-grünen Besoldungsdiktat. Wenn man den Vorredner Abg. Heinz gehört hat, kann man nachvollziehen, dass sich wahrscheinlich heute nichts verändern wird.

Ich habe selten so viel Ignoranz bei dem Thema erlebt, wie Sie mit Beschäftigten umgehen. Das mögen Sie als ehemaliger Ministerialbeamter im Innenministerium nicht nachvollziehen können. Aber die große Anzahl hessischer Beamtinnen und Beamter ist mit dem vorgelegten Gesetzentwurf nicht einverstanden, und das nicht seit Tagen, son

dern seit Wochen und Monaten. Das haben wir auch bei der Anhörung im Hessischen Landtag eindrucksvoll erlebt.

(Beifall bei der SPD)

Was war Ihre Antwort? – Sie haben ein bisschen herumgedoktert; und jetzt bewegt sich die Besoldungsanpassung – immer vor dem Hintergrund, dass wir im Jahr 2015 eine Nullrunde hatten – in einem Rahmen zwischen 1,02 und 1,78 %. Weil das vorhin dazwischengerufen wurde – Herr Kollege Heinz, wissen Sie, so ein bisschen kennen wir uns im Besoldungsrecht auch aus –: Sie als CDU haben in Hessen das Urlaubsgeld abgeschafft. Die frühere Weihnachtszuwendung ist heute eine Sonderzahlung, umgerechnet auf die Monate beträgt sie 5 %; früher waren es einmal 100 %, jetzt sind wir bei 60 %. Ich gebe Ihnen ein bisschen Nachhilfe, weil Sie da offensichtlich die eine oder andere Gedächtnislücke haben. Es ist deswegen natürlich richtig: Der öffentliche Dienst in Hessen ist bei Weitem nicht mehr so attraktiv, wie er sein müsste. Das Thema Nachwuchsgewinnung ist eines, das uns gemeinsam Sorgen machen muss.

(Beifall bei der SPD – Zuruf des Abg. Holger Belli- no (CDU))

Herr Kollege Bellino, das ist ja das Problem. Ich habe selten, bis auf den selbst ernannten Bund der Steuerzahler, solch eine Anhörung erlebt. Aber das ignorieren Sie. Man kann jetzt zwar sagen, dass uns das, was die Oppositionsfraktionen, die Berufsverbände und Gewerkschaften sagen, alles nicht interessiert.

Aber nehmen Sie doch einfach einmal zur Kenntnis, was die Gewerkschaften allen Fraktionen überreicht haben – Frau Präsidentin, ich zitiere –: „Nullrunde in 2015“, „Wertschätzen und Wort halten“ – so auch in den Stellungnahmen an den Hauptpersonalrat der Polizei per E-Mail, der knapp 20.000 Beschäftigte vertritt. Wenn Sie sich diese einmal im Einzelnen durchlesen – ich weiß, Sie machen das nicht, denn dann könnten Sie Dinge zur Kenntnis nehmen, die nicht in Ihr ideologisches Weltbild passen –,

(Beifall bei der SPD)

dann stellen Sie fest, dass dort drinsteht: „Wir fühlen uns verhöhnt“, „Wir fühlen uns nicht ernst genommen“, „Wir fühlen uns nicht wertgeschätzt“, und zwar unisono.

Sie stellen sich aber hier hin und wollen das noch als Wohltat verkaufen. Meine Damen und Herren, die Postkarten bekommen bestimmt auch Sie, aber auch diese werden Sie wahrscheinlich nicht zur Kenntnis nehmen. Auf diesen steht: „Wir geben 100 % – Sie geben 1 %“. – Sie bekommen jetzt 1,02, maximal 1,78 %. Der Bundesinnenminister hat gestern einen Kabinettsentwurf vorgelegt, wonach die Bundesbeamten ab dem nächsten Jahr rückwirkend ab dem 1. März 2016 2,2 % bekommen; und ab dem 1. Februar 2017 bekommen sie noch einmal 2,35 %.

Jetzt haben Sie die rechtlichen Parameter genannt. Sie haben ja immer toll versichert, dass das alles rechtmäßig sei. – Ja, das ist der Unterschied zu einer Bananenrepublik: Wir gehen zunächst einmal auch davon aus, dass Gesetzentwürfe, die die Landesregierung vorbereitet hat – Amtshilfe ist ihnen ja unstrittigerweise gegeben –, rechtmäßig sind. Ich finde, das ist nicht besonders erwähnenswert. Das ist eher pure Realität und normaler mitteleuropäischer Standard. Und, meine Damen und Herren, was rechtmäßig sein muss, muss auch im Einklang mit klugen

politischen Entscheidungen sein. Wir erleben aber, dass Sie das aussitzen wollen – gerade die CDU.

Ich weiß das jetzt nicht, aber ich unterstelle, dass der eine oder andere Kollege der CDU einmal in eine Polizeistation oder in ein Finanzamt geht und sich von einer Kollegin oder einem Kollegen, insbesondere von Beamten, die im Schichtdienst sind, schildern lässt, was das heißt, die Nullrunde 2015 und diese jetzigen mickrigen etwas mehr als 1 %, wobei die Tarifergebnisse der Jahre davor auch nicht 1 : 1 übertragen wurden.

Herr Heinz, was sagen Sie denn einem Polizeibeamten bei Ihnen im Main-Taunus-Kreis, der von einer Mieterhöhung betroffen ist? Sie wissen das bestimmt noch besser als ich, und Frau Kollegin Faeser weiß das bestimmt genauso: Wenn eine Mieterhöhung ansteht und man jetzt 35 € mehr im Monat bekommt – wir ziehen die 18,90 € jetzt einmal nicht virtuell, sondern cash auf die Hand für die Beihilfe ab –, dann bleiben noch 16,10 € brutto. Das deckt jedenfalls keine 20- oder 25-prozentige Mieterhöhung. Daher nützt Ihre geheuchelte Wertschätzung rein gar nichts.

(Beifall bei der CDU – Alexander Bauer (CDU): Wollen Sie etwa Lohnerhöhungen, oder was?)

Was sagt denn der Kollege Bauer dem Polizeibeamten in Heppenheim oder Bensheim, wenn es darum geht, dass sich Wertschätzung auch materiell ausdrückt? Dann nützt Ihnen dieser Ansatz, zu sagen: „Ihre Arbeit ist toll, wir finden es prima, dass Sie sich für den Rechtsstaat einsetzen“, rein gar nichts. Natürlich brauchen sie auch eine materielle Grundlage. Das konnten Sie bisher, wie gesagt, nicht glaubhaft darlegen. 260 Millionen € gehen in die Rücklage. Daher haben Sie auch das Geld für eine angemessene Besoldungserhöhung.

Meine Damen und Herren, wir wollen Ihnen die Gelegenheit geben, Ihr Abstimmungsverhalten im Wahlkreis zu erläutern. Deswegen beantragen wir für unsere Fraktion eine namentliche Abstimmung über den Gesetzentwurf. Wir jedenfalls werden ihn ablehnen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Rudolph. – Als nächster Redner spricht nun Herr Kollege Frömmrich vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Bitte schön, Herr Kollege, Sie haben das Wort.

Liebe Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Das war wieder ein Parforceritt durch die Beamtenbesoldung. Das kann man so machen, ob das aber solide Finanzpolitik, eine solide Politik ist, wage ich zu bezweifeln. Natürlich ist das für uns als Koalition eine schwere Entscheidung gewesen, das, was wir im Koalitionsvertrag hinterlegt haben, also die 1-%-Regelung, umzusetzen.

(Zurufe von der SPD: Oh! – Hermann Schaus (DIE LINKE): Schade für Sie!)

Aber wir tun das auf der Grundlage einer sehr angespannten Finanzsituation und einer schwierigen Haushaltspolitik. Wenn sich Herr Kollege Rudolph hier vorne hinstellt und wie eben erzählt, was der Bundesinnenminister jetzt als Gesetzentwurf in die Bundesregierung einbringt, welche

Erhöhung es bei der Besoldung der Beamtinnen und Beamten im Bund geben wird, dann verschweigt er eines: Der Bund hat einen ausgeglichenen Haushalt. Es ist schon ein Unterschied, ob ich in diesem Jahr im Haushaltsplan noch 650 Millionen € Schulden mache oder ob ich im Bundeshaushalt eine schwarze Null habe. Von daher sind die Rahmenbedingungen deutlich andere. Wir versuchen, dahin gehend zu arbeiten, dass wir die Schuldenbremse erfüllen, dass wir ausgeglichene Haushalte haben. Wer ausgeglichene Haushalte hat, kann auch in Zukunft Beamtinnen und Beamten bessere Steigerungen zusichern. Das sieht man an Bayern, und das sieht man am Bund. Das ist der Weg, den sich diese Koalition vorgenommen hat.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Wir haben Verständnis für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Natürlich wünschen sich Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter höhere Lohnzuwächse. Das kann und will ich gar nicht bestreiten. Aber ich habe das vorgestern schon einmal in der Plenardebatte gesagt: Der Hessische Landtag hat Abwägungsprozesse zu treffen, und zwar zwischen den Interessen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, das ist gerechtfertigt, und den Finanzinteressen des Landes, auch unter Berücksichtigung der nächsten Generation und der Verfassung.

(Hermann Schaus (DIE LINKE): Ach du lieber Gott, jetzt wird schon die nächste Generation benötigt!)

Wir haben die Schuldenbremse in der Verfassung verankert, und wir müssen bis 2019 einen ausgeglichenen Haushalt vorlegen. Bei einem Personalkostenanteil von 40 %, den wir in dem Landeshaushalt haben, kann man über diesen Bereich nicht einfach hinweggehen; es sei denn, man macht es so wie die Kollegen von der LINKEN, nach dem Motto: Darf es ein bisschen mehr sein? – Diese legen hier einen Antrag vor, der 500 Millionen € kostet, ohne auch nur einen Ton dazu zu sagen, wie man das finanzieren will.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Die Besoldungssituation in Hessen ist gut. Hessen bewegt sich bei den Besoldungsvergleichen mit den anderen Bundesländern eher im oberen Drittel.

(Janine Wissler (DIE LINKE): Mit der höchsten Arbeitszeit!)

Wir haben einen Bereich, in dem wir nicht gut sind, in dem es Nachbesserungsbedarfe gibt. Das haben wir festgestellt; und da ändern wir auch etwas. Das ist der Bereich der unteren Besoldungsgruppen. Da sagen wir: Wir geben 420 € im Jahr für diejenigen dazu, die in diesen Besoldungsgruppen arbeiten. – Dass ausgerechnet diejenigen, die auf der linken Seite dieses Hauses sitzen, eine differenzierte Besoldungserhöhung gerade für die unteren Besoldungsgruppen ablehnen, verwundert mich schon.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Sie stellen sich aber hier vorne hin und sagen: „Wir haben Probleme mit der Nachwuchsgewinnung“, und wischen einfach einmal weg, dass wir mit dem Änderungsantrag, den wir Ihnen vorgelegt haben, gerade bei den Anwärtern einen richtig guten Vorschlag gemacht haben. Wir erhöhen pauschal um 50 € im Monat, d. h. um 600 € im Jahr, was eine Steigerung von 4,2 % bei den Anwärterbezügen ist.

Dass ausgerechnet die linke Seite dieses Hauses das ablehnt, ist schon einigermaßen verwunderlich.