Günter Rudolph
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Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Hans-Georg Maaßen ist seit dem 1. August 2012 Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz. Nach der Entdeckung der NSU-Morde war er auch eingesetzt worden, so damals die Begründung, zur Aufklärung dieser Morde und Verhinderung der Wiederholung solcher Terroranschläge. Nur, um das einmal in das Geschichtsbewusstsein zurückzurücken.
Herr Bellino, das Bundesamt für Verfassungsschutz ist keine Behörde, die einfach frei agieren kann, wie sie will, sondern sie hat nach Maßgabe der politischen Richtlinienkompetenz zu agieren, und sie ist eine weisungsgebundene Behörde, die nicht gerade machen kann, was ihr in den Kram passt.
Was in den letzten Tagen um diesen Präsidenten passiert ist, ist von den Kolleginnen und Kollegen dargestellt worden. Er gibt en passant in der „Bild“-Zeitung – einem anerkannten Organ für seriöse und ausführliche Berichterstattung –
ein Interview, in dem er die Authentizität des Videos über Vorfälle in Chemnitz, wo es eine Hetzjagd auf Ausländer oder ausländlich aussehende Mitbürger gegeben hat, in Abrede stellt. Das ist ein ungeheuerlicher Vorgang, in dem er die gesamte Politik desavouiert, den Innenminister, die Bundeskanzlerin. Die einzige Konsequenz, die eigentlich naheliegend gewesen wäre, wäre die Entlassung von Herrn Maaßen durch den Bundesinnenminister. Das wäre die einzig logische Konsequenz gewesen.
Wenige Tage vorher hat die Bundeskanzlerin klar von einer Hetzjagd gesprochen. Dieser Sachverhalt ist nachweisbar. Jetzt kann man über die Motivlage streiten – dafür gibt es aber keine nachvollziehbare Erklärung. Deswegen ist das, was Herr Maaßen gemacht hat, unverantwortlich. Die Glaubwürdigkeit des Verfassungsschutzes wird dadurch nachhaltig infrage gestellt. Dieser Diskussion muss man sich auch stellen.
Gerade nach den Terrorakten des NSU in den letzten Jahren, nach dem Mordanschlag in Berlin auf dem Breit
scheidplatz verbreitet er krude Verschwörungstheorien um die Ausschreitungen in Chemnitz. Das kommt doch der AfD zupass. Das ist doch genau die Argumentation der AfD, die wir kennen: Lügenpresse, Fake News – das ist doch genau der Standard der AfD. Und der Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz gibt dem Nahrung. Das ist unverantwortlich, ein ungeheuerlicher Vorgang. Deshalb sind Konsequenzen erforderlich.
Dieser Herr hat natürlich Vertrauen verspielt. Aber die Bundeskanzlerin ist nicht in der Lage – weder ist sie willens, noch hat sie die Kraft –, eigentlich den Innenminister zu entlassen. Das wird spätestens, da bin ich ziemlich sicher, nach dem 14. Oktober passieren. Dann ist Herr Seehofer kein Bundesinnenminister mehr, das wird die eigene Partei, die CSU, erledigen. Da bin ich sehr sicher, dass das am Wahlabend passieren wird.
Damit wird Herr Maaßen in den Ruhestand versetzt, und das ist gut so.
Was ist eigentlich die politische Konsequenz aus den Vorgängen, unabhängig davon, ob ein Herr Maaßen noch Präsident ist, zu dem viele kein Vertrauen mehr haben? Das wurde gestern im Deutschen Bundestag thematisiert: Die FDP, die LINKEN, die GRÜNEN und die SPD haben gesagt, sie hätten zu dem Präsidenten des Bundesamts für Verfassungsschutz kein Vertrauen. Im Gegensatz zur LINKEN fordern wir nicht die Abschaffung des Verfassungsschutzes, aber wir müssen darüber reden, welche Konsequenzen ein solches Verhalten hat und welche Schlussfolgerungen wir daraus ziehen.
Herr Frömmrich hat – sicherlich, weil er nicht mehr die Zeit hatte – vergessen, zu erwähnen,
dass die GRÜNEN in Berlin gefordert haben, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz aufzulösen und durch eine neue Inlandsaufklärung zu ersetzen sei.
Zum einen soll ein Institut zum Schutz der Verfassung gegründet werden. Zum anderen soll ein Amt zur Gefahrenerkennung und Spionageabwehr als verkleinerter Inlandsnachrichtendienst eingesetzt werden. Ich will das nur sagen. Das hätte man der Redlichkeit halber auch sagen müssen, dass wir Diskussionsbedarf darüber sehen. Was sagen Sie denn in Hessen dazu, wo Sie die Regierung bilden?
Dann will ich zum Innenminister überleiten. Der Verfassungsschutz des Landes Niedersachsen und der Stadt Bremen beobachtet die Jugendorganisation der AfD. In Thüringen wird die AfD beobachtet. – Meine sehr verehrten Damen und Herren, was macht eigentlich der hessische Innenminister zu diesem Thema, Beobachtung der AfD und entsprechenden Auswüchsen? Dazu hätten wir gerne hier
und heute eine Stellungnahme; denn Wegtauchen geht nicht.
Dass politische Parteien und Gruppierungen bis vor einigen Jahren auch in Hessen beobachtet wurden, das bestätigen die Kolleginnen und Kollegen der LINKEN.
Deswegen: Wenn ein Verfassungsschutz wirksam unsere Demokratie schützen soll, dann muss er von einem Präsidenten geführt werden, der dies eindeutig repräsentiert. Das aber ist bei Herrn Maaßen nicht der Fall. Klar ist ebenfalls, dass Hessen, wie andere Bundesländer auch, sich klar positionieren muss, wie es mit der AfD umgeht. Wird die Jugendorganisation, wird der Kreisverband Hochtaunus nach seinen unsäglichen Äußerungen hinsichtlich der Presseorgane von Ihnen ins Visier genommen, oder schweigen Sie dazu? Auch dazu erwarten wir heute eine Antwort. – Vielen Dank.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Bis zum 28. Oktober werden wir erleben, dass der Ministerpräsident immer wieder neue interessante Vorschläge macht. Das ist die freundliche Formulierung. Ich könnte auch von kruden Vorschlägen sprechen.
Der eine war: Wir wollen einen feierlichen Tag der Demokratie einführen. – Na ja, das Verhalten der Öffentlichkeit und von vielen war übersichtlich. Es ist fraglich, ob man dadurch die Wahlbeteiligung erhöht, dass man die Wahl an einem Mittwoch durchführt, wenn an einem Sonntag auch arbeitsfrei ist.
Ein weiterer Vorschlag war, für die 15.000 Besitzer von Ehrenamts-Cards kostenlos das sogenannte Landesticket zur Verfügung zu stellen. Für diejenigen, die es nicht wissen, und auch für die Zuhörer: Die Ehrenamts-Card besitzen in Hessen 15.000 Personen. Die bekommt man, wenn man mindestens fünf Stunden pro Woche ehrenamtlich tätig ist. Diese 15.000 Personen sollen nun kostenlos den ÖPNV nutzen können.
Meine Damen und Herren, das klingt bei der ersten oberflächlichen Betrachtung – so ist es auch angelegt – gut. Man kann eigentlich nicht dagegen sein. Wenn man sich etwas näher mit dem Thema auseinandersetzt, kommt man zu der Erkenntnis, dass es in Hessen zwei Millionen ehrenamtlich Tätige gibt, die unterschiedlich arbeiten, auch im Hinblick auf die zeitliche Beanspruchung. Ich will nur auf 75.000 Feuerwehrfrauen und -männer hinweisen.
Ich will nur auf 75.000 Menschen in der Jugendarbeit hinweisen. Ich will nur auf über 130.000 Menschen in Sportvereinen hinweisen. Was macht denn der Übungsleiter, der sich beispielsweise um Flüchtlingskinder kümmert? – Er fährt sie zum Training und zum Spiel. Das sind locker
mehr als fünf Stunden. Was sage ich der Dame im Hospizverein, die sich um Todkranke kümmert, den Mitarbeitern der Tafel, den Mitarbeitern bei den Maltesern, beim Deutschen Roten Kreuz? Ich könnte die Liste der ehrenamtlich Tätigen weiter fortsetzen.
Diese Menschen haben nicht die formalisierte EhrenamtsCard. Es gibt 7.500 überwiegend junge Menschen, die die Jugendleitercard besitzen. Dafür muss man sich anmelden. In 40 Stunden muss man sie erwerben. Das ist auch ein formalisiertes Verfahren. Diese sollen das Landesticket nicht bekommen. Warum eigentlich nicht, Herr nicht anwesender Ministerpräsident? Warum wird 7.500 jungen Menschen, die die Jugendleitercard besitzen, nicht dieses Angebot gemacht? Warum? Warum greifen Sie sich eine Personengruppe heraus?
Ist noch gar nicht entschieden. Der Vorschlag kommt nächste Woche. – Gestern war der Hessische Jugendring hier im Landtag. Der eine oder andere Kollege war auch da.
Ich sagte doch, dass der eine oder andere Kollege da war. Ich habe doch niemanden ausgegrenzt. Sie waren da. Wir waren da.
Der Jugendring will sich um politische Arbeit kümmern. Ein Thema war natürlich: Wie stehen Sie zu dem Vorschlag zur Ehrenamts-Card? – Es wurde gesagt: Wenn, dann bitte für alle ehrenamtlich Tätigen und keine Ausgrenzung.
Deswegen ist der Ansatz falsch. Wir brauchen kein Ehrenamt erster, zweiter und dritter Klasse. Wir haben doch ein anderes Problem in der Gesellschaft. Es geht um den Kitt, um die Gesellschaft zusammenzuhalten. Oft fragen wir – und an dieser Frage ist auch etwas dran –: Was hält die Gesellschaft zusammen? – Das Ehrenamt ist der Kitt, der die Gesellschaft zusammenhält.
Deswegen verändert sich das Ehrenamt auch nicht. Deswegen ist im Hochtaunuskreis beim Ehrenamt die Welt in Ordnung, und Sie machen als Landesregierung alles toll.
Meine Damen und Herren, wir erleben gerade im ländlichen Beritt eine Veränderung der Strukturen für ehrenamtlich Tätige. Zwischen 2006 und 2016 – lesen Sie die Untersuchungen des Stifterverbandes – wurden 15.500 Vereine aufgelöst. Gerade im ländlichen Raum erleben wir, wie ehrenamtliches Engagement und Strukturen kaputtgehen, weil sich Vereine auflösen. Darauf müssen wir eine Antwort finden, weil das Teil des lebenswerten Lebens in der Fläche ist.
Wie kann ich ehrenamtlich Tätige unterstützen? – Einen solchen Appell des Ministerpräsidenten hätte ich mir gewünscht. Die materielle Seite ist eine, über die man reden
muss. Es gibt aber auch viele Dinge, bei denen Ehrenamtliche sagen: Ich verzweifele am Ehrenamt.
Da ist die Steuergeschichte. Fragen Sie doch einmal einen Vereinskassierer. Wenn dieser Verein zwei Feste pro Jahr macht, verdient er vielleicht auch einmal 1 €, den der Verein dringend zur Finanzierung der Arbeit braucht. Das Steueramt lässt grüßen. Steuerrecht ist Bundesrecht. Damit haben wir Gott sei Dank nichts zu tun, würde der Innenminister jetzt sagen. Der Finanzminister hat ein bisschen etwas damit zu tun. Man könnte auch über den Bundesrat sprechen.
Das Steuerrecht ist ein ernsthaftes, ein dickes und fettes Problem für die Vereine. Es gibt Auflagen für die Vereinsfeste. Da ist ja fast nichts mehr durchzuführen. Die Vereine verzweifeln. Darum müssen wir uns kümmern.
Ein Vorschlag wäre es, Ehrenamt zu entlasten – Stichwort: Digitalisierung –, sodass man nicht mehr zu Vereinssitzungen zusammenkommen muss, sondern das digital machen kann. Da wäre der Breitbandausbau ein Thema, da flächendeckend Breitband vorhanden sein muss.
Meine Damen und Herren, wer das Ehrenamt stärken will, weil wir das Ehrenamt in der Gesellschaft brauchen, weil die Demokratie vom Ehrenamt lebt, der muss die Rahmenbedingungen verändern. Sich aber eine Gruppe herauszugreifen, weil in ein paar Tagen Landtagswahl ist, ist der falsche Ansatz. Kein Ehrenamt erster, zweiter und dritter Klasse.
Frau Präsidentin, da wir drei Anträge haben, möchten wir in dem Chor der namentlichen Abstimmungen nicht fehlen. Der Kollege Eckert hat es schon angekündigt: Zu unserem Antrag Drucks. 19/6784 beantragen wir getrennte Abstimmung. Die Punkte 1 bis 7 können so abgestimmt werden, zu Punkt 8 beantragen wir namentliche Abstimmung.
Frau Präsidentin! Herr Abg. Boddenberg hat nach § 88 Abs. 1 eine Erklärung zur Abstimmung für seine Fraktion abgegeben. Das ist vollständig in Ordnung. Er hat aber darüber hinaus auch noch Erläuterungen zur FDP abgegeben, die weit über das Abstimmungsverhalten seiner eigenen Fraktion hinausgingen. Ich bitte das zukünftig zu beachten.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Es gibt zwei Gründe, warum CDU und GRÜNE keine Mehrheit bei dieser Landtagswahl – zurzeit und auch am 28. Oktober – haben. Der eine ist Realitätsverweigerung, der andere ist Arroganz, wie es eben beispielhaft an Abg. Wagner deutlich wurde.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir haben heute einen Gesetzentwurf eingebracht. Er liegt Ihnen vor, er ist im Internet abrufbar. Es ist ein Gesetzentwurf der Fraktion der SPD für ein Gesetz zur vollständigen Abschaffung von Straßenausbaubeiträgen.
Dieser Gesetzentwurf hat eine Geschichte, die vor ein paar Monaten im Landtag stattgefunden hat. Das Thema Straßenausbaubeiträge bewegt viele Menschen in Hessen, viele Bürgerinnen und Bürger.
Es gibt weit über 50 Bürgerinitiativen, die seit Jahren dafür kämpfen, dass Straßenausbaubeiträge abgeschafft werden. Ja, die Welt hat sich in den letzten Jahren auch beim Thema Straßenausbaubeiträge gedreht und geändert, und Aufgabe der Politik ist es, veränderten Rahmenbedingungen Rechnung zu tragen. Deswegen heute dieser Gesetzentwurf.
Wenn Herr Boddenberg, der Fraktionsvorsitzende der CDU, „Populismus“ dazwischenruft, wenn wir Sorgen und Nöte – –
Ach, Sie waren es. Dann war es der Kollege Bellino. Der Zwischenruf ist damit trotzdem nicht intelligenter geworden.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn man mit den Sorgen und Nöten von Menschen so umgeht wie diese CDU, zeigt dies, es ist ein Problem, wenn man Realitätsverlust hat. Das ist schädlich für die Politik und die Demokratie in diesem Land.
Sie haben mit Ihrer Mehrheit von CDU, GRÜNEN und FDP einen Gesetzentwurf verabschiedet, in dem Sie sagen: Die Kommunen haben das Wahlrecht. Sie können Straßenausbaubeiträge einführen.
Richtig. – Aber Sie sagen, die Ratenzahlungsdauer wird von fünf auf 20 Jahre erhöht. – Schön, wenn man das letzte Jahr der Ratenzahlung noch lebend erlebt. Schön, wenn die Anwohnerinnen und Anwohner noch einen Kredit bekommen, wenn sie 80 sind und 20.000 € oder 30.000 € bei der Bank aufnehmen wollen. – Das sind Fälle aus der Praxis. Sie müssen sich einmal mit betroffenen Bürgerinnen und Bürgern unterhalten. Denen brennt die Hütte, weil es um ein Thema geht, das sie teilweise in ihrer Existenz bedroht. Deswegen müssen wir als Politik Antwort auf eine für viele Bürgerinnen und Bürger drängende Frage geben. Das ist die Realität in Hessen.
Jetzt könnte man sagen, nachdem CDU, GRÜNE und FDP etwas beschlossen haben, ist Ruhe an der Front eingekehrt bei dem Thema Straßenausbaubeiträge. Das wäre die logische Konsequenz. – Das Gegenteil ist der Fall. Hier oben sitzen stellvertretend für viele Bürgerinitiativen Betroffene, Sprecher aus unterschiedlichen Orten quer durch Hessen. Das Thema Straßenausbaubeiträge ist präsent, und viele Bürgerinnen und Bürger sind betroffen.
Deswegen ist Ihr Gesetzentwurf eine sogenannte Scheinlösung. Kein Bürger wird durch Ihren Gesetzentwurf, der Rechtskraft erlangt hat, um einen einzigen Euro entlastet. Kein einziges Problem wird gelöst. Deswegen gibt es heute den Gesetzentwurf der Sozialdemokratischen Partei respektive der Fraktion.
Herr Hahn, da gilt der alte Bauernsatz: Am Schluss wird abgerechnet, am Schluss wird man sehen, wer lacht. – Zu Ihnen komme ich noch.
Herr Hahn war vorbereitet. Sie brauchen keine Angst zu haben. So gehen wir schon miteinander um.
Meine Damen und Herren, mit unserem Gesetzentwurf wollen wir klarstellen: Straßenausbaubeiträge gehören abgeschafft. Aber natürlich muss eine Straße, die marode ist, irgendwann saniert werden. Das ist so. Wir haben auch in vielen hessischen Kommunen einen Sanierungsstau. Wir stellen auch fest, dass bei Ausschreibungen Baupreise um teilweise 30 oder 40 % steigen und das zu höheren Beiträgen für die Anwohner führt.
Deswegen wollen wir im ersten Schritt sagen: Straßenausbaubeiträge gehören abgeschafft, egal ob wiederkehrend oder einmalig. Zweitens wollen wir den Kommunen über eine Investitionspauschale des Landes eine Entlastung geben, damit sie dieses Geld zweckgebunden in die Sanierung von Straßen stecken können. Das ist der richtige Weg und Ansatz. Er hilft den Kommunen und den Bürgerinnen und Bürgern. Das ist eine bürgerfreundliche Politik.
Die Arroganz von CDU und GRÜNEN hat verhindert, dass unser Gesetzentwurf in einem normalerweise üblichen parlamentarischen Verfahren mit einer Anhörung und danach einer Bewertung behandelt wird. Sie haben den Gesetzentwurf nach erster Lesung abgelehnt, was nach der Geschäftsordnung zulässig ist, aber zeigt, wie Sie mit einem für Sie unangenehmen Thema umgehen. Sie wollen es totschweigen. Es ist die Methode – – Ach, es ist ja außer dem Innenminister gar keiner mehr von der Regierung da. Das sehe ich jetzt erst.
Ja, Sie sind anwesend. Das habe ich auch korrekt gesagt, weil Sie der zuständige Minister sind. Aber die Regierung könnte trotzdem im Parlament sein.
Das hat etwas mit Respekt zu tun, was Sie in Sonntagsreden gern postulieren.
Meine Damen und Herren, deswegen haben Sie das abgelehnt. – Wir haben eine fraktionsinterne Anhörung durchgeführt. Das war in der Sommerpause bei 35 Grad plus. Viele betroffene Bürger und Initiativen waren vertreten, die gesagt haben: Die Richtung des SPD-Gesetzentwurfs stimmt.
Wir haben ihn nach der Anhörung an der einen oder anderen Stelle verändert. Wir haben rechtliche Klarstellungen gemacht. Wir haben insbesondere eine Anregung aufgegriffen, dass wir die Verteilung der Investitionsmittel möglichst unbürokratisch nach der Länge der Kilometer der Gemeindestraßen handhaben wollen. Das war ein Argument aus den Bürgerinitiativen: Je größer eine Kommune ist, je größer das Netz ist, umso mehr muss das berücksichtigt werden. – Ich finde, das spiegelt sich in unserem Gesetzentwurf wider und greift Bedenken und Anregungen von Betroffenen auf.
Wir wollen auch kein bürokratisches Monster. Wie werden 60 Millionen € verteilt? – Wir kommen auf 60 Millionen €, weil der Innenminister auf parlamentarische Nachfrage mitgeteilt hat, dass die Kommunen durch die Erhebung von Anwohnerbeiträgen 36 oder 37 Millionen € in den Jahren 2016/2017 eingenommen haben. Das war ohne die Städte Frankfurt und Wiesbaden; das sind große Städte. Damit kommen wir auf die 60 Millionen €.
Wie wird das finanziert? – Herr Frömmrich hat auf meinen Zwischenruf, wie die angekündigten zusätzlichen Polizeistellen finanziert werden, gesagt: aus Haushaltsmitteln. Auch aus Haushaltsmitteln wollen wir die 60 Millionen € finanzieren. Das ist genauso seriös, wie Sie mit dem Geld umgehen.
Meine Damen und Herren, diese 60 Millionen € sind haushalterisch darstellbar.
Beim Thema Straßenausbaubeiträge brennt vielen Bürgerinnen und Bürgern nach wie vor die Hütte. Thorsten Schäfer-Gümbel war im Rahmen der Sommertour an verschiedenen Orten. Überall war es der gleiche Tenor: Wir fühlen uns ungerecht behandelt. An einer Gemeindestraße muss ich etwas bezahlen, teilweise fünfstellige Beträge – wir haben Exzesse, wo es um sechsstellige Beträge, weit über 100.000 €, geht –, während 100 m weiter jemand an einer übergeordneten Straße nichts zahlen muss. – Das schafft Verdruss vor Ort. Der Verwaltungsaufwand ist groß. Das ist ein Konjunkturprogramm für Steuerberatungsbüros und Ähnliches.
Meine Damen und Herren, wenn die Kommunen ordentlich finanziell ausgestattet sind, brauchen sie solche Beiträge nicht zu erheben. Oft ist das nicht der Fall. Deswegen ist dieser Gesetzentwurf der SPD nach wie vor aktuell und richtig. Mal sehen, wie Sie mit dem Thema umgehen. Die Bürgerinnen und Bürger erwarten, dass sie darauf eine Antwort bekommen.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich deswegen am Schluss den stellvertretenden Bundesvorsitzenden der FDP, Herrn Kubicki, aus einem Zeitungsinterview zitieren. Ein großes Thema im Kreis Bad Hersfeld-Rotenburg sind die Straßenbeiträge. Kubicki sagt:
Sofort abschaffen. Das ist das Ungerechteste, was es überhaupt gibt. … Egal, ob das wiederkehrende Beiträge sind oder nicht …
Meine sehr verehrten Damen und Herren, Straßenausbaubeiträge – einmalig oder wiederkehrend – gehören abgeschafft. Ich finde, wo Herr Kubicki recht hat, hat er recht. – Vielen Dank.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Hahn, ich weiß gar nicht, warum Sie uns gegenüber so aggressiv waren. „Scheinheilig“ und „Populismus“ sind Themen, die die Menschen bewegen. Man kann unterschiedlicher Auffassung sein, wie man mit dem Thema umgeht. Aber uns vorzuwerfen, dass wir Sorgen und Nöte nicht ernst nehmen,
ist ein seltsamer Politikstil. Ich finde, das gehört sich nicht, Herr Hahn. Wir haben unterschiedliche Positionen, aber ich spreche Ihnen Ihre Rechtsauffassung oder Ihre politische Auffassung nicht ab. Das erwarte ich umgekehrt auch von Ihnen – um das deutlich zu sagen.
Herr Kubicki hat Folgendes über Straßenausbaubeiträge gesagt – da gibt es nichts hineinzuinterpretieren, auch nicht, dass er nur sozialdemokratisch geführt Kommunen meint –:
Sofort abschaffen. Das ist das Ungerechteste, was es überhaupt gibt. Manche Kommunen warten 30 Jahre, weil sie genau wissen: Dann kann ich die Anlieger wieder zu Kasse bitten. Den Menschen zuzumuten, dass sie aufgrund der Straßenausbaubeiträge im Zweifel ihre Häuser verlassen müssen, ist vollkommen gaga. Egal, ob das wiederkehrende Beiträge sind oder nicht: weg damit.
Das hat überhaupt nichts damit zu tun.
Zweitens. Natürlich gibt es auch sozialdemokratisch geführte Kommunen, die finden, diese Beiträge nicht ohne Kompensation abschaffen zu können. Genau deswegen fordern wir das Instrument des finanziellen Ausgleichs, damit die Kommunen in die Lage versetzt werden, marode Straßen zu finanzieren. Sonst wird das Modell nicht funktionieren.
Wissen Sie, Herr Hahn, warum der Kopf rund ist? – Der Kopf ist deswegen rund, weil man gelegentlich auch seine Meinung ändern muss. Wir waren wie die meisten vor ein paar Jahren der Auffassung, wiederkehrende Straßenbeiträge seien der Clou. Die Kommunen sagten: Dieses Modell funktioniert nicht. – Die meisten Kommunen nehmen es nicht in Anspruch.
Deswegen hat sich die Lage verschärft: Sanierungsstau, zu wenig Geld für die Infrastruktur, und die Bürger werden exzessiv belastet. Deswegen müssen wir eine Antwort auf eine veränderte Situation geben, die im September des Jahres 2018 besteht. Das ist völlig legitim. Bürgerinnen und Bürger erwarten eine Antwort auf die für sie drängenden Fragen. Das ist kein Problem einer Kommune, schon gar kein Problem einer Partei.
Wir haben einen Vorschlag gemacht, über den man diskutieren kann. Wir wollen, dass Sie ihm zustimmen. Wenn Sie ihn ablehnen, haben Sie es politisch zu verantworten.
Aber uns deshalb den respekt- und würdevollen Umgang damit abzusprechen? – Wir diskutieren seit einem Jahr über dieses Thema. Da stand der Termin der Landtagswahl noch nicht fest, meine sehr verehrten Damen und Herren, lieber Herr Hahn.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Es war ein bemerkenswerter Beitrag der Abg. Frau Goldbach, zu sagen, der Zeitpunkt sei nicht richtig gewählt. Mit kalter Verachtung wurde im Mai unser Gesetzentwurf nach der ersten Lesung abgelehnt.
Das ist schon ziemlich zynisch. Mit kalter Verachtung wird heute der Gesetzentwurf erneut abgelehnt. Warum scheuen Sie eigentlich eine ordentliche parlamentarische Beratung und die Anhörung von Betroffenen? Warum eigentlich?
Wenn alle Argumente der SPD-Fraktion so hanebüchen sind, müssen Sie doch gar keine Angst haben. Herr Kollege Schaus, ja, wir haben auch bei der ersten Lesung im Mai gesagt: Über den Finanzierungsschlüssel wird man reden können, nämlich ob finanzschwächere Kommunen bessergestellt werden als finanzstärkere. – Das Beispiel der Stadt Eschborn mit 200 Millionen € Rücklagen ist natürlich eines, über das man nachdenkt. Aber es ist das normale parlamentarische Verfahren, über Gesetzentwürfe zu beraten und Veränderungen vorzunehmen. Sie scheuen davor zurück und wollen die Debatte nicht. Das ist Arroganz pur. Sie wollen nicht mit Betroffenen reden. Das ist Arroganz pur.
Wir haben in den 423 Kommunen eine jeweils völlig unterschiedliche Finanzstruktur. Ja, Herr Hahn, es gibt Kommunen,
die die Beiträge abgeschafft haben, weil sie es finanzpolitisch darstellen können. Dann haben wir Kommunen, die die höchsten Grundsteuer-B-Sätze und einen Sanierungsstau haben. Die sind besonders betroffen. Andere würden gerne sanieren, können es aber nicht. Deswegen wollen wir die Kommunen gleichstellen. Das Land ist für die Finanzausstattung der Kommunen zuständig. Hessische Kommunen haben bundesweit eine der schlechtesten Finanzaus
stattungen und die höchsten Schulden. Da gibt es einen kausalen Zusammenhang.
Ich will Ihnen ein Beispiel nennen: Die Kommune Felsberg mit ihrem Stadtteil Gensungen liegt in meinem Wahlkreis. Wir, unter anderem Thorsten Schäfer-Gümbel, waren bei 35 Grad Hitze da und haben uns mit fast 100 Leuten unterhalten. Ich habe mich mit einem älteren Bewohner unterhalten, er ist 80 Jahre alt und hat ein kleines Häuschen. Er sagte: Herr Rudolph, ich habe mein Haus abbezahlt. Die Rente ist auskömmlich. Ich soll jetzt aber für die Sanierung der Straße – vor Ort gab es auch noch Probleme mit der Sanierung, der Information und den Einwänden der Bürger; das gehört alles dazu – 20.000 € bezahlen. Das Geld habe ich nicht. Von meiner örtlichen Sparkasse oder Volksbank bekomme ich keinen Kredit. – Dann soll ich ihm mit der kalten Verachtung von Frau Goldbach sagen: Das ist kommunale Selbstverwaltung. – Nehmen Sie die Realität in unserem Land eigentlich noch wahr oder nicht mehr? Das ist kalte Verachtung.
Dann reden Sie von kommunaler Selbstverwaltung. Das machen Sie gerne bei kommunalen Jubiläen. Da wird der alte Freiherr vom und zum Stein noch einmal totgeredet, und die kommunale Selbstverwaltung wird postuliert.
Wissen Sie: Hessische Kommunen haben 11 Milliarden € Schulden.
Hessische Kommunen hatten 6 Milliarden € Kassenkredite. Das ist nach dem Bundesland Saarland die schlechteste Finanzausstattung. Dann reden Sie von kommunaler Selbstverwaltung, wenn in den Kommunen teilweise nur noch der Mangel verwaltet werden kann. Was ist das für eine Philosophie? Wo leben Sie eigentlich?
Meine Damen und Herren, liebe Zuhörerinnen und Zuhörer, immer dann, wenn die SPD Vorschläge macht, kommen die Ammenmärchen der CDU. Die GRÜNEN übernehmen jetzt schon seit viereinhalb Jahren die Verantwortung für 15 Jahre vorheriger CDU-Politik. Der Schuldenstand des Landes Hessen im Jahr 1999, als die CDU an die Regierung kam, betrug 23,6 Milliarden €. Der Schuldenstand des Landes Hessen am 31.12.2017 beträgt 43,1 Milliarden € – fast verdoppelt. Die Schuldenmajore Hessens wollen uns etwas über seriöse Finanzen erzählen. Das ist abenteuerlich.
Deswegen können und werden Sie das heute mit Ihrer Mehrheit mit kalter Verachtung erneut machen. Aber das Thema Straßenausbaubeiträge wird in vielen Kommunen eine Rolle spielen. Auf der Besuchertribüne sitzen Vertreter: Transportieren Sie es, es finden Podiumsdiskussionen mit allen Parteien statt. Damit jeder Bürger in Hessen weiß, wie der örtliche CDU-Abgeordnete über diesen Gesetzentwurf abgestimmt hat,
damit die Heuchelei endlich aufhört – vor Ort bin ich dafür, aber in Wiesbaden dagegen –, beantragen wir die namentliche Abstimmung. – Vielen Dank.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich denke, wir sollten abschichten.
Frau Schott, wir nehmen zur Kenntnis – und es ist ihr gutes Recht –, dass Sie sagen, Sie lehnen das ab. Der Prozess, der heute mit der wahrscheinlichen Beschlussfassung durch den Landtag sein Ende findet, ist rechtsstaatlich einwandfrei gelaufen. Darum geht es. Das habe ich als Landtagsabgeordneter zu bewerten. Das mag Ihnen nicht passen. Es gab mehrere Verfahrensstufen. Es gab einen Bür
gerentscheid in Neu-Eichenberg, der mit Zweidrittelmehrheit positiv dieses Projekt auf den Weg gebracht hat. Ich finde, solche demokratischen Entscheidungen sollte man akzeptieren, ob sie einem persönlich passen oder nicht.
Das ist mittlerweile kommunalpolitische Praxis. Ich kenne aus meinem Wahlkreis das erste interkommunale Gewerbegebiet in Hessen, das Gewerbegebiet Mittleres Fuldatal. Es gab mehrere Bürgerentscheide. Einer wurde mit 50,2 % angenommen, mit knapper Mehrheit. Die CDU war damals dagegen. Mittlerweile fahren auch Minister der CDU dorthin und finden gut, dass es dort ein Gewerbegebiet gibt und Arbeitsplätze entstanden sind. – Aber das sind kommunalpolitische Dinge, wie wir sie wahrscheinlich alle kennen. Das muss man als Demokrat und Demokratin akzeptieren.
Das müssen auch die LINKEN akzeptieren. Da muss man – das will ich durchaus kritisch sagen – vor Ort akzeptieren, wenn es Diskussionen über unterschiedliche Abstimmungsverhalten gibt. Das erleben Sie vor Ort. Das wissen wir. Die GRÜNEN vor Ort haben eine andere Position als hier. Den Spagat zu erklären, muss dann aber jede Partei für sich ausmachen. Das will ich an der Stelle nur noch einmal thematisieren.
Aber lokalpolitische Entscheidungen geraten, egal was man heute macht, immer mehr zu einem Diskussions- und Streitpunkt. Das ist ein generelles Thema: Bekomme ich Großprojekte in der Gesellschaft noch akzeptiert oder durch? Es ist die Frage: Wie organisiere ich den Prozess? – Da hat Lothar Quanz völlig recht. Am Schluss ist es eine Abwägungsfrage.
Sie haben das sehr dogmatisch für sich entschieden. Das nehme ich zur Kenntnis. Es ist dezidiert nicht unsere Auffassung. Das Verfahren ist ordnungsgemäß gelaufen. Das Land vollzieht jetzt mit den Grundstücksverkäufen die Beschlüsse, die vor Ort getroffen sind. Für Ihre Behauptung, dass jetzt alle in der Region dagegen seien, gibt es keine empirischen Daten. Das mag Ihre gefühlte politische Auffassung und Darlegung sein.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, es gibt unterschiedliche Positionierungen. Im Rahmen der Güterabwägung – Arbeitsplätze, Belastungen, Einschätzungen, wie sich die wirtschaftliche Lage entwickelt – ist das ein Projekt, das wir vor Ort unterstützen und wo es auch in der eigenen Partei kritische Meinungen gibt. Aber da muss man sich entscheiden, und man muss dann auch als Politiker den Mut haben, Entscheidungen umzusetzen und sich kritischen Diskussionen zu stellen. Nur wegzutauchen und zu sagen, wie es nicht geht, ist eine Möglichkeit – man kann das machen. Wir haben uns entschieden. Deswegen werden wir diesen Beschluss mittragen. Er ist rechtsstaatlich vollständig in Ordnung. Wer etwas anderes behauptet, sagt nicht die Wahrheit. – Vielen Dank.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Mobilität bringt Leben in unsere Gesellschaft. Mobilität darf weder vom Wohnort noch vom Einkommen abhängig sein, und Mobilität heißt auch, unterschiedliche Herausforderungen unterschiedlich zu beantworten. Während wir im Ballungsraum über das Problem reden, wie die Taktung um zehn Minuten ausgebaut werden kann, haben wir im ländlichen Raum eher das Problem, dass manchmal stundenlang gar kein öffentliches Verkehrsmittel zur Verfügung steht. Deswegen wird der ländliche Raum gelegentlich nicht ernst genommen oder gar verachtet. Ich könnte auch berichten, wie der Verkehrsminister manchmal zu meinem Schwalm-Eder-Kreis sagt, wie er den Namen etwas umwandelt; aber das mache ich jetzt nicht.
Frau Goldbach, weil Sie eben sagten: „kalte Verachtung“: Ich habe bis jetzt nicht zur Kenntnis genommen, dass die GRÜNEN die Landpartei schlechthin ist. Auch aufgrund der Wahlergebnisse wäre ich damit ein bisschen vorsichtiger – um es eher freundlich zu formulieren.
Herr Minister, den Halbsatz mit der „schlechten Laune“ können Sie aus dem Manuskript streichen. Ich entscheide selbst, wann ich schlechte Laune habe. Das habe ich aber gar nicht. Wissen Sie, möglicherweise würde ich im Wahlkreis auch nicht solche Ergebnisse erzielen. Wenn ich immer nur schlecht gelaunt herumlaufen würde, würden die Leute sagen: „So etwas wählen wir nicht“. Nein, so einfach ist es nicht.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn wir über Mobilität im ländlichen Raum reden, dann brauchen wir die Mobilitätskette, eine Verzahnung. – Ja, natürlich spielt beispielsweise der Pkw im ländlichen Raum noch eine andere Rolle und hat eine andere Funktion. Wir sind aber Verfechter der Mobilitätskette, dass wir das miteinander verzahnen, d. h. die Bahn, den Bus, den Pkw, das Taxi, das Fahrrad und selbst die eigenen Beine. Dies miteinander in Einklang zu bringen, ist im ländlichen Raum deutlich schwieriger. Natürlich haben wir dort, wo wir eine Schienenverbindung haben, teilweise eine ordentliche Tak
tung, das ist okay – etwa im Schwalm-Eder-Kreis die Main-Weser-Bahn oder die Regiotram. Die Regiotram war damals ein Modell, so eine Art Straßenbahn nach Kassel, und wurde äußerst kritisch gesehen.
Die Reaktivierung von Bahnstrecken ist keine Erfindung der GRÜNEN. Die SPD setzt sich dafür auch ein. Nehmen wir z. B. die Bahnstrecke von Frankenberg nach Korbach – damals war die CDU vor Ort dagegen. Das ist alles keine alleinige Erfindung der GRÜNEN, sondern hier sind wir deckungsgleich. Ja, wir brauchen die Reaktivierung von Bahnstrecken, weil das gerade für den ländlichen Raum wichtig ist, damit die Menschen von A nach B kommen. Was wir aber vor allen Dingen brauchen, ist eine ordentliche Taktung im ländlichen Raum. Auch muss der ÖPNV bezahlbar sein; und das ist doch teilweise ein sehr großes Problem.
Das können Sie gern einmal nachprüfen. Wenn Sie mit der Bahn von Edermünde-Grifte, ein Ortsteil meines Heimatorts, nach Kassel-Wilhelmshöhe fahren, bezahlen Sie für diese Strecke, und zwar hin und zurück, 11,40 €. Das ist zu teuer. Das ist nicht so teuer, weil der NVV die ärgern will, das wissen wir alle, sondern weil das Geld nicht ausreicht. Sie haben als Verkehrsmister positiv zu verantworten – Sie sagen ja immer, dass wir Sie nicht lobten –, dass das Land seit 2017 an beide Verkehrsverbünde knapp 25 Millionen € gibt. Das ist richtig. Aber das reicht nicht aus; denn die Verkehrsverbünde müssen in die Lage versetzt werden, ordentliche Angebote zu machen.
Der Schwalm-Eder-Kreis gibt allein 8 Millionen € für die Schülerbeförderung aus. Dies zu organisieren, ist in einem Flächenkreis deutlich schwieriger. Dort haben Sie das Problem, dass die Busse morgens und nachmittags fahren. Dazwischen sind sie leer, die Vorhaltekosten sind aber trotzdem da. Wir wollen bessere Angebote. Wir haben Orte, wo eine ältere alleinstehende Frau nicht zum nächsten Facharzt kommt, weil auch ihre Kinder in aller Regel nicht mehr vor Ort wohnen. Das ist Aufgabe der Daseinsvorsorge; und deswegen müssen wir die Verkehrsverbünde der Städte, Gemeinden und Landkreise ordentlich ausstatten.
Über den ländlichen Raum darf man nicht nur in Sonntagsreden reden. Natürlich hat dies – vielleicht sind wir alle, die hier im Raum sind, so redlich miteinander – etwas mit dem 28. Oktober zu tun.
Am 31. August wird in dem ehemaligen schönen Kloster Haydau die Akademie für den ländlichen Raum gegründet. Auf die Idee hätte man auch zu Beginn der Wahlperiode kommen und nach drei Jahren sagen können, dass man etwas vorzuweisen hat. So taucht natürlich der ziemlich eindeutige Verdacht auf, dass das mit der Wahl zu tun hat. Man kann sagen: erwischt. – Das wird uns nicht helfen.
Wir brauchen endlich ein Dorferneuerungsprogramm, das aktiv gestalten kann. Von allen Beteiligten höre ich, dass dieses Programm bürokratisch und ein Hemmnis geworden ist. Gerade einmal 2 Millionen € reichen nicht. Da müssen wir richtig ansetzen.
Wir müssen sehen, dass die Menschen im ländlichen Raum möglichst innerhalb von einer Stunde zu einem nächsten
Mittel- oder Oberzentrum gelangen können. Das ist eine Riesenherausforderung, das bekommen wir nicht von heute auf morgen hin. Das ist Teil der Daseinsvorsorge, wenn es um gleichwertige Lebensverhältnisse geht, so, wie es im Grundgesetz steht. Wir müssen die Kommunen und Verkehrsverbünde entsprechend ausstatten.
Wir sehen die Preiserhöhungen der Verkehrsverbünde im ländlichen Raum kritisch. Das verteuert die Situation. Wenn ich an Subventionen im Straßenbau denke: Meine Damen und Herren, Mobilität darf nicht vom Wohnort und vom Einkommen abhängen, auch nicht von Sonntagsreden.
Bürgerbusse sind eine sinnvolle Ergänzung, bedürfen aber viel ehrenamtlichen Engagements. Sie sind nur ein kleiner Mosaikstein. Wir brauchen eine ordentliche Vertaktung, und wir brauchen einen bezahlbaren ÖPNV. Es gibt viel zu tun, wir wollen es anpacken. – Vielen Dank.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin gern der Aufforderung von Herrn Pentz nachgekommen, die Position der SPD vorzutragen. Ja, Demokratie lebt vom Ehrenamt, um einmal den bekannten Schauspieler Karlheinz Böhm zu zitieren. Herr Ministerpräsident, Sie haben bei diversen Anlässen – wie ich finde, zu Recht – darauf hingewiesen: Was ist der Kitt, der unsere Gesellschaft zusammenhält?
Das ist oftmals – nicht nur, aber oftmals – das Engagement Ehrenamtlicher. Aber Sie haben völlig recht, und das ist Ihr gutes Recht. Sie haben das im Sommerinterview aus politischen Gründen als Thema gesetzt: Wir wollen Ehrenamtliche unterstützen und ihnen etwas zurückgeben. – Sie hätten völlig recht, wenn Sie, wenn der Vorschlag von uns gekommen wäre, also von einer der Oppositionsfraktionen, als Erstes gefragt hätten, was das kostet, und als Zweites, ob das umsetzbar ist.
Das schenke ich mir an dieser Stelle ausdrücklich; denn ich finde, dass das eine kleinkarierte Debatte wäre, wenn wir Menschen für ihre Leistung Anerkennung entgegenbringen und ihnen etwas zurückgeben wollen. Deswegen machen wir das so nicht.
Ich will aber etwas sagen, weil Herr Pentz – Sie sind in der Tat ein sehr dankbarer Stichwortgeber – gesagt hat, die SPD verspricht allen alles. Die GRÜNEN und Kollege Frömmrich sind ja immer an erster Stelle und sagen: „Freibier für alle“, „Im Himmel ist Jahrmarkt“. Diese Sprüche kennen wir. Die SPD würde unseriöse Finanzierungsvorschläge machen.
Das muss im Protokoll des Hessischen Landtags am 23.08. gegen 12:10 Uhr einmal festgehalten werden.
Ja, wissen Sie, Herr Frömmrich, Sie müssen nicht für 19 Jahre CDU die Verantwortung tragen. Sie können es machen, und Sie machen es, aber Sie müssten es nicht. Sie müssten einmal darüber nachdenken, ob das besonders klug ist. Das ist aber nicht mein Problem, sondern eher Ihres.
Am 7. April 1999 – ich gestehe, das war ein düsterer Tag für die hessische SPD – wurde ein gewisser Herr Roland Koch – der mit den vielen nicht mehr vorhandenen Leuchttürmen – zum Ministerpräsidenten gewählt. Der Schuldenstand des Landes Hessen betrug zum damaligen Zeitpunkt 23,6 Milliarden €.
Bis Sie das kapieren, muss ich das noch jahrzehntelang vortragen. – Schuldenstand am 31.12.2017: 43,1 Milliarden €. Sie sind die größten Schuldenmajore in der Geschichte dieses Bundeslandes.
Deswegen können wir uns für den Rest dieser Parlamentswoche und auch der nächsten Woche einmal darauf einstellen: Wenn die CDU von solider Finanzpolitik spricht, ist das so glaubwürdig, wie wenn der Metzgermeister erklärt, eigentlich sei er Vegetarier und könne kein Blut sehen. So glaubwürdig ist das.
Da passt nahtlos das Thema Landesticket dazu. Die SPD hat im Jahr 2015 ein sogenanntes Jobticket gefordert. Das war 2015. Ich will damit nur sagen: Auch andere haben gute Ideen. Denn es heißt immer: macht Vorschläge. Wir haben Haushaltsanträge eingebracht. Nicht ein einziger Antrag der Opposition ist angenommen worden.
Deswegen gehört es zur Redlichkeit, dass wir die Wahrheit berichten.
Deswegen kommen wir jetzt zu Ihnen, Herr Ministerpräsident Bouffier. Es geht hier nicht um Einzelheiten und Details. Aber ich finde, Kollege Rock hat eine richtige Frage aufgeworfen:
Was hält die Gesellschaft zusammen? – Sie sagen, 15.000 – es sind übrigens keine 20.000 – Inhaber der EhrenamtsCard sollen das sogenannte Landesticket nutzen können. Das kostet das Land Hessen etwas. 15.000 war die Zahl, die auch im Internet steht. Aber das kann man überprüfen. Das ist geschenkt.
Wir haben 2 Millionen Ehrenamtliche. Wir haben etwa 580.000 Personen in den hessischen Sportverbänden, darunter 135.000 als Vorstand, Trainer oder Übungsleiter. Wir haben 75.000 freiwillige Feuerwehrleute. Wir haben Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Tafeln, von Flüchtlingsorganisationen und -hilfen, im Deutschen Roten Kreuz, beim THW.
Jetzt sagen Sie, dass 15.000 etwas bekommen. Oft geht es den Ehrenamtlichen – das ist meine Lebenserfahrung – nicht um das Geld, sondern sie wollen ein kleines Dankeschön aus der Gesellschaft. Daran können wir gemeinsam arbeiten, dass das verbessert wird.
Sie wollen ein kleines Dankeschön zurückbekommen. Da muss man sich darüber austauschen, wie wir das organisieren. Geld ist oft nicht das Problem. Ich stelle eher fest, wenn wir schon beim Thema Ehrenamt sind, dass – –
Wissen Sie, Herr Boddenberg, ich weiß ja nicht, wie Sie in Frankfurt unterwegs sind. Ich nehme für mich in Anspruch, dass ich über viele Jahre unterwegs war. Ich sehe nicht alle Abgeordneten anderer Parteien. Da begegnet es mir beim Ehrenamt, dass Leute teilweise verzweifelt sind.
Es löst sich der Männergesangverein auf, der Heimatverein. Sie finden keine Leute mehr. Sie verzweifeln teilweise an der Steuerbürokratie. Das ist ein Thema, über das wir seit Jahren reden. Sie verzweifeln an Auflagen von Behörden, wenn es um ein Sommerfest geht. Das sind sehr praktische Beispiele, wo es darum geht, ob wir Ehrenamtlichen helfen und ihnen die Arbeit erleichtern können oder ob wir das Ehrenamt kaputt machen. Das ist leider auch eine Entwicklung in dieser Gesellschaft.
Was sage ich denn den Mitarbeiterinnen in der Tafel? Das ist eine Aufgabe, die vielleicht nicht jeder übernehmen kann. Diese Mitarbeiterinnen arbeiten übrigens auch ehrenamtlich oft mehr als fünf Stunden. Was macht der Jugendleiter und der Übungsleiter, der eine Mannschaft betreut? Ich war selbst einmal Jugendleiter und weiß, was das für eine Arbeit ist. Er hat keine Jugendleitercard, weil sie an formelle Voraussetzungen geknüpft ist.
Was sage ich dem Feuerwehrmann, der keine Aufwandsentschädigung bekommt, Bereitschaft hat, manchmal auch zu Bränden gerufen wird und dann wieder an die Arbeit geht? Er bekommt nach Ihrer Diktion nichts. Sie schaffen ein Ehrenamt erster, zweiter und dritter Klasse. Das ist der falsche Ansatz. Das ist definitiv der falsche Ansatz.
Was mache ich mit den Damen im Hospizverein? Das ist eine Aufgabe, die wahrscheinlich viele von uns so gar nicht wahrnehmen könnten. Herr Ministerpräsident Bouffier, was sage ich den vielen Tausend ehrenamtlichen Kommunalpolitikern? Jetzt könnten Sie sagen: Sie bekommen eine Aufwandsentschädigung. – Na ja, manchmal bekommen sie 5 €. So sind manchmal die Beträge. Dann bekommen sie noch ein Getränk, das sie bezahlen müssen. Aber das ist es dann auch schon. Was sagen Sie den vielen Ehrenamtlichen in solchen NGOs und anderen? Was sagen Sie ihnen?
Sie bekommen keine Ehrenamts-Card. Sie bekommen keine Entschädigung des Landes.
Man hätte das ja auch anders aufbauen können.
Das Ehrenamt soll in der Verfassung als Staatsziel verankert werden. Ja, man hätte auch darüber reden können, wie wir gemeinsam – wir haben ja eine gemeinsame Informationskampagne –, über eine gemeinsame Aktion in diesem Landtag, möglicherweise auch Mittel bereitstellen. Geld ist aber nicht alles. Da sind wir uns auch einig. Warum haben wir nicht eine gemeinsame Aktion auf den Weg gebracht? Dann wäre der Verdacht, dass es ein paar Tage vor der Landtagswahl ein kleinkariertes parteipolitisches Karo hat, gar nicht auf den Weg gekommen,
sondern es wäre klar: Wir brauchen dieses Ehrenamt in der Gesellschaft, und wir brauchen diese Menschen dazu.
Danke schön, Herr Präsident.
Herr Pentz, ich erläutere es Ihnen noch einmal, damit auch Sie das nachvollziehen können. – Wir haben 15.000 Besitzer der Ehrenamts-Card. Sie wissen, dass das ein formalisiertes Verfahren ist. Ich habe Ihnen dargelegt, dass wir Hunderttausende haben, die ehrenamtlich tätig sind, aber nicht diese Karte besitzen.
Deswegen ist die formale Verknüpfung problematisch. Das kann man machen, schafft aber mehr Probleme, als es löst. Das ist der Ansatz, um den es hier geht.
Wir haben 75.000 junge Menschen, die sich in der Jugendarbeit engagieren. Wir haben 7.500 junge Menschen, die die sogenannte Juleica, die Jugendleitercard, besitzen, die übrigens jetzt auch schon die Forderung erhoben haben, gleichgestellt zu werden.
Diese Beispiele zeigen: Gut gemeint ist noch lange nicht gut gemacht. Wenn Sie, Herr Ministerpräsident, das jetzt einbringen, was politisch völlig zulässig ist – das ist völlig unstrittig –, darf es Sie aber nicht wundern, wenn wir das Thema aufgreifen, weil uns das wichtig ist.
Wenn es darum geht, wie wir Ehrenamt in der Gesellschaft stärken, ist das wichtig; denn der Staat kann das nicht alles leisten. Wir brauchen den Einsatz und das Engagement der Ehrenamtlichen. Wir haben doch ohnehin das Problem, dass ehrenamtliches Engagement immer mehr zurückgeht – aus unterschiedlichen Gründen. Deswegen ist das, was Sie machen, der falsche Weg. Sie teilen das Ehrenamt in unterschiedliche Gruppen. Ich halte das für gefährlich und fahrlässig. Es schadet dem Ehrenamt und diskreditiert auch Menschen.
Wenn Demokratie vom Ehrenamt lebt, dann müssen wir aufpassen, dass wir nicht solche Unterscheidungen machen, wie Sie sie machen. Die materielle Bereitstellung ist das eine. Das, was die GRÜNEN sagen, ist: Wir wollen ein Bürgerticket. – Wir haben 2 Millionen Ehrenamtliche. Sollen alle dieses Bürgerticket bekommen? Wenn ich jetzt ein GRÜNER wäre, würde ich das hochrechnen: 240 € mal 2 Millionen. Da bin ich bei 480 Millionen €. Geschenkt, das machen wir nicht,
sondern hier geht es darum: Wenn wir das Ehrenamt in der Verfassung verankern, wie können wir dann dieses Staatsziel nachhaltig so ausfüllen, dass Menschen auch sagen, dass es sich lohnt, sich für diese Gesellschaft und diesen Staat zu engagieren, und man etwas von der Gesellschaft zurückbekommt?
Ich glaube, Herr Ministerpräsident, Sie sind deutlich zu kurz gesprungen. Das ist Wahlkampf. – Vielen Dank.
Wir beantragen, diesen Antrag an das Ende der heutigen Tagesordnung zu setzen und fünf Minuten Redezeit vorzusehen.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Bellino versucht darzulegen, der damalige Vorsitzende der Parlamentarischen Kontrollkommission, also ich, hätte irgendetwas nicht aufgegriffen und hätte das akzeptiert, was das Ministerium mitteilt. – Das ist glatt falsch. Es gibt ein Schreiben der damaligen Staatssekretärin vom 17.10.2006 an mich als den Vorsitzenden. Sie schreibt: Im Hinblick auf die Erörterungen in den beiden letzten Sitzungen der Parlamentarischen Kontrollkommission Verfassungsschutz unterrichte ich die Kommission darüber, dass Herr Minister Bouffier der Staatsanwaltschaft Kassel nach Abwägung aller Umstände die erbetene Aussagegenehmigung für geheime Mitarbeiter des LfV nicht erteilt hat. Die Gründe hierfür können in der nächsten Sitzung der Kommission erläutert werden.
Das war jetzt kein Angebot von Dialog und Erörterungsverfahren, sondern das war eine ganz plumpe Mitteilung: Ich habe das entschieden, und ich kann gegebenenfalls in der nächsten Sitzung, die erst im Dezember 2006 war, das erläutern. – Sie erwecken den Eindruck, hier wäre irgendetwas akzeptiert worden.
Die Mitglieder der Kontrollkommission waren durchaus honorige Personen – ich erinnere mich zumindest an Herrn Hahn und Herrn Al-Wazir. Ich weiß, dass Herr Hahn die Sitzung beantragt hat auf den Bericht der „Bild“-Zeitung hin. Ich weiß nicht, wer von der CDU dabei war. Ich glaube, vielleicht war es Herr Wintermeyer oder Frau Kollegin Zeimetz-Lorz. Das spielt aber auch keine Rolle.
Wir waren überhaupt nicht eingebunden. Es gab eine Sitzung Anfang Mai 2006. Ich will das als der damalige Vorsitzende noch einmal deutlich machen. Wir wussten ja monatelang gar nicht, um was es ging, um welche Zusammenhänge es ging, dass es hier um eine Mordserie ging, die bundesweit war, und dass die Tatwaffe schon mehrfach benutzt worden war. Das war eine Woche nach dem Mord in Kassel klar. Da hätten die Alarmglocken schrillen müssen.
Was wäre denn passiert, wenn man die Kontrollkommission informiert hätte? – Ein ungeheuerlicher Vorgang, ein Mitarbeiter steht im Verdacht, er wird suspendiert – da wäre gar nichts passiert. Hier wurde über mehrere Monate vertuscht. Parlamentarier könnten ja nachfragen – das war
die Antwort des damaligen Innenministers. Das war falsch. Da es keine Aufzeichnungen über die Sitzungen gibt, weil wir ja nichts mitschreiben können, können Sie auch nicht belegen, dass wir irgendwo nachfragen konnten. Wir hatten keine Informationen. Sie haben bewusst über mehrere Monate das Parlament nicht informiert. Dieser Vorwurf bleibt. Das ist auch heute noch ein Skandal.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben eine zweigeteilte Rede des Innenministers erlebt. Im ersten Teil hat er die Rolle der beleidigten Primadonna gespielt. Im zweiten Teil hat er sich tatsächlich mit dem Thema Leistungssport auseinandergesetzt.
Herr Innenminister, so viel wollte ich zu dem Thema Respekt sagen. Erstens sagen Sie, wie auch andere Mitglieder der CDU, gerne, vor 1999 habe es keine Sportpolitik gegeben. Das ist natürlich konzentrierter Unsinn. Das sollten Sie vielleicht endlich einmal akzeptieren.
Zweitens haben Sie sich hierhin gestellt und gesagt, die Oppositionsfraktionen hätten den Haushaltsentwurf abgelehnt, deswegen würden sie sportpolitische Maßnahmen ablehnen. Das ist ein bisschen dümmlich und unter Ihrem Niveau. Das sollten Sie lassen.
Wir stimmen einzelnen Maßnahmen zu. Wir stimmen beim Haushaltsentwurf nicht über einzelne Produkte ab. Vielmehr geht es um ihn insgesamt. Wenn Sie keine anderen Argumente mehr haben, ist das Ihr Problem.
Wir wissen um die überragende Bedeutung des Sports, gerade für die Integration, die Inklusion und den sozialen Zusammenhalt unserer Gesellschaft. Ich glaube, in den letzten zwei, drei Jahren wurde das mehr als eindrucksvoll von vielen bewiesen.
Der Sport wird aufgrund seiner gesellschaftlichen Kraft auch in Zukunft unsere Unterstützung erhalten. Ich habe das übrigens bei keiner der anderen Fraktionen dieses Hauses vermisst. Das betrifft sowohl den Breiten- wie auch den Leistungssport.
Leider haben sich nicht alle Vorredner mit dem Titel der Aktuellen Stunde auseinandergesetzt. Ich hatte eher den Eindruck, es gab den Ansatz, über den Leistungssport zu reden. Das andere kam kaum vor. Beim Minister kam es am Schluss schon vor.
Am 24. November 2016 haben der Deutsche Olympische Sportbund, das Bundesministerium des Innern – so hieß es damals – und die Sportministerkonferenz ein gemeinsames Konzept zur Neustrukturierung des Leistungssports und der Spitzensportförderung vorgestellt.
Vorausgegangen waren Analysen, warum es auch in medaillenträchtigen Disziplinen bzw. Sportarten in den letzten Jahren zu einem enormen Rückgang in Deutschland gekommen ist. Sie haben eben selbst darauf hingewiesen, dass Sie nah bei den Athleten sind. Herr Innenminister, Sie sind in den letzten Jahren ja nach Rio, nach Sotschi, nach Pyeongchang gereist, wie wir es durch Kleine Anfragen entsprechend bestätigt bekommen haben. Das haben Sie eben noch einmal erläutert.
Wenn es um die Frage des Leistungsports geht, ist vielleicht auch ein ehemals erfolgsverwöhntes Land wie Deutschland an einem Scheideweg. Das gilt nicht nur für den Fußball. Ich weiß gar nicht, wer die politische Verantwortung dafür trägt, wenn wir jetzt möglicherweise schon früher ausscheiden.
Die anderen sind schuld. Das ist ein Motto, das wir aus dem einen oder anderen Politikbereich kennen. Aber auch da gilt: Wenn man schlecht spielt, muss man damit leben, dass man möglicherweise verliert. Es könnte auch sein – wie in der Politik –, dass andere Mitbewerber einfach einmal besser sind. Man muss das dann auch einmal akzeptieren. Auch das gehört zu einem Fair Play. – Schauen wir einmal, was der Samstag bringt.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, bei dieser Konzeption, wo es auch in Berlin schon lange hakt, könnte Herr Seehofer seine Kraft doch auch einmal in den Sport investieren. „Heimatmuseum“ sage ich versehentlich schon – das hat er gesagt – nein, Heimatministerium und Wohnen wären Themen, wo man sich stark engagieren könnte. Also, man sollte sich nicht nur auf ein Thema fokussieren; es sei denn, man will das als Unterstützungsprogramm für die AfD machen. Dann ergibt das einen gewissen Sinn. Wir sind sicher gemeinsam in diesem Hause der Auffassung, dass das dem Land wohl nicht guttut.
Wir sind bei dem Thema Leistungssport. Ich rede über die Konzeption, die im Jahre 2016 auf den Weg – –
Ja, siehe Antrag. Ich weiß, Sie haben dazu nicht geredet, Herr Kollege. Ich weiß auch, dass die CDU-Kollegin nur ganz am Rande einmal etwas mit zwei Sätzen zum Leistungssport gesagt hat.
Worum geht es? – Da bin ich dem Minister ausdrücklich dankbar. Er hat gesagt, im Mittelpunkt aller unserer Bemühungen müssten die Athletinnen und Athleten stehen. Wir müssen uns über den Aufbau der Trainingsmethoden unterhalten, wir müssen beispielsweise die Deutsche Trainer Akademie in Köln stärken. Das alles sind richtige und wichtige Ansätze. Wir müssen aber auch über die Infrastruktur reden. Sportstätten sind z. B. ein Thema – da geht es nicht nur um Spitzensport, sondern auch um ehrenamtlichen Sport. Meine Damen und Herren, wir müssen mehr in die Sportinfrastruktur investieren, um damit den Städten, Gemeinden und Landkreisen zu ermöglichen, diese Infrastruktur gerade den Ehrenamtlichen kostenlos zur Verfügung zu stellen. Es darf nicht sein, dass wir über Hallenbenutzungsgebühren reden.
Wir müssen berücksichtigen, dass auch Spitzensportler Sport und Beruf in Einklang bringen müssen. Das, was die Bundeswehr, die Polizei in fast allen Bundesländern leisten, sind Möglichkeiten, die andere, die in der Privatwirtschaft sind, nicht haben, nämlich dass man auch nach dem Spitzensport eine berufliche Perspektive hat und nicht ins Bodenlose fällt. Das sind richtige und gute Ansätze, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Wir müssen uns auch dafür einsetzen, dass natürlich der Kampf gegen Doping, gegen Korruption, aber auch gegen sexuelle Gewalt im Sport weiter verfolgt wird. Dafür gibt es auch im Sportbereich in einigen Verbänden durchaus
Bedarf. Auch das sind Themen, die im Zusammenhang mit dem Leistungssport zu behandeln sind.
Außerdem müssen wir beim Sport früh anfangen. Eben hat die Kollegin von Symbolarbeit gesprochen, die zwischen dem Innen- und Kultusministerium stattfinde – sie hat es wahrscheinlich nicht so gemeint. Meine sehr verehrten Damen und Herren, das ist jetzt Majestätsbeleidigung, aber ich sage es trotzdem: Solange in Hessen jede fünfte Schulsportstunde ausfällt, kann das Problem der Bewegungsarmut gerade bei jungen Menschen nicht behoben werden. Schulsport ist notwendig.
Dazu braucht man eine Infrastruktur, dazu braucht man übrigens auch Sportlehrer. Da helfen auch keine großen mathematischen Berechnungen, dass im Querschnitt, im Durchschnitt, im Unterschnitt, im Mittelschnitt Sport stattfindet. Nach Berechnungen des Kultusministeriums fällt jede fünfte Sportstunde aus – da hat übrigens der Kultusminister tatsächlich einmal Zahlen. Jede Stunde, die ausfällt, ist genau eine zu viel. Wenn es um das Thema Sport geht, geht es also auch um die Infrastruktur
All das, was Sie präsentiert haben und was Sie auch in Ihrer Pressemitteilung gesagt haben – das Landestrainerprogramm ist eine wichtige Einzelmaßnahme, das Landesprogramm Talentsuche, langfristige Existenzsicherung dank dualer Karriere, Zuwendungen an die Fachverbände, Stärkung des Olympiastützpunkts Hessen –, sind Maßnahmen, die in der Sache gut sind. Wir haben damit überhaupt kein Problem, das auch von diesem Pult aus zu sagen. Das unterscheidet uns möglicherweise von Ihnen, weil Sie ja festgestellt haben, dass es vor 1999 keine Sportpolitik in Hessen gab.
Meine Damen und Herren, wir brauchen aber auch – – Ich habe Sie etwas brummeln hören, aber ich habe es nicht verstanden; es ist auch egal. – Wenn es um den Sport geht, gibt es viele Gemeinsamkeiten. Der Spitzensport steht übrigens im besonderen Fokus. Deswegen haben Spitzensportler auch eine besondere Vorbildfunktion. Wir müssen aber auch aufpassen, dass wir solche Funktionen an der Stelle nicht überhöhen. Auch das kann zu negativen Folgen führen. Deswegen sage ich auch: Das gilt insbesondere für den Fußball-Leistungssport. Wir stellen da Exzesse und Auswüchse fest, wenn es um Prämien, wenn es um Gelder geht, die wir so im Spitzensport bei den normalen Disziplinen, die olympiatauglich sind, nicht feststellen. Da müssen wir schon aufpassen, dass wir Spitzensport nicht mit Profisport gleichsetzen. Ich mache da schon einen Unterschied, weil ich nicht mehr bereit bin, jeden Unsinn, der mit Geld finanziert wird, so zu akzeptieren.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, deswegen lohnt es sich durchaus, über die Stärkung des Leistungssports zu reden. Ich bin mir ziemlich sicher: Hessen ist nicht das einzige Land, das dieses Konzept umsetzen will. Da ist der Bund stärker gefordert. Dass Hessen dabei ist, haben wir nicht zu kritisieren. Das finden wir gut. Wir würden das genauso akzeptieren, wenn wir in der Regierung wären und Sie dann die Größe hätten, zu sagen: Ja, beim Sport gibt es
eine große Übereinkunft. – Sie verfügen über die Haushaltsmittel. Deswegen können Sie das natürlich auch zusammen mit dem Landessportbund an der Stelle machen, wenn es dazu beiträgt, den Spitzensport zu stärken.
Am Schluss darf nicht nur die Anzahl der Medaillen entscheidend sein. Wir haben ja gemerkt, was passiert, wenn man zu stark darauf fokussiert ist. Wir erleben das in bestimmten Ländern, wo man mit manipulativen Mitteln versucht, möglichst viele Goldmedaillen zu holen. Der Sport muss sich auch an ethischen Grundsätzen orientieren.
Deswegen müssen wir immer eine Abwägung zwischen wünschenswerten Spitzenleistungen von deutschen oder auch anderen Athleten treffen. Hessen leistet einen Beitrag im Rahmen seiner Möglichkeiten. Das finden wir gut. Deswegen können wir mit dieser Maßnahme auch leben, jedoch nicht mit der einen oder anderen polemischen Feststellung des Innenministers. Aber dann ist das eben so. – Vielen Dank.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Bauer, das war ja wieder einmal bemerkenswert, wie Sie die Realität ausblenden. Das ist nicht mein Problem, zugestanden. Jeder entscheidet, wie er mit den Lebenswirklichkeiten vor Ort umgeht.
Sie haben das letzte Mal, im letzten Plenum, mit Ihrer Mehrheit entschieden, einen Gesetzentwurf zu verabschieden, mit dem Sie die Verantwortung vollständig auf die Ebene der Kommunen legen. Das kann man machen. Dann ist man den Ärger los, überlässt den Ärger den hauptamtlichen Bürgermeistern und Oberbürgermeistern und ehrenamtlichen Kommunalpolitikern.
Das kann man machen. Wir halten es für falsch.
Dann sagen Sie, Herr Kollege Bauer, Sie hätten tolle Rahmenbedingungen geschaffen; das sei alles kein Problem. – Nennen Sie mir eine Bürgerinitiative, die Ihren Gesetzestext toll findet. Kein Einziger findet den gut.
Viele Rückmeldungen besagen, Sie hätten nichts verbessert. Am Schluss müssen die Bürgerinnen und Bürger trotzdem fünf- oder sechsstellige Beträge zahlen. Ja, Sie haben die Ratenzahlung von fünf auf 20 Jahre verlängert. Schön, wenn man die letzte Ratenzahlung noch erlebt. Das hilft den Menschen nicht. Deswegen ist Ihr Gesetzesvor
schlag, wie er verabschiedet wurde, keine Entlastung für die Bürgerinnen und Bürger und bleibt falsch.
Das haben Sie beim letzten Mal gemacht.
Ja, was denn nun?
Haben wir es jetzt?
Gut. Wie finanzieren Sie eigentlich Ihre 30 Millionen €?
Meine sehr verehrten Damen und Herren, was Herr Boddenberg tut, zeigt: Ihn interessiert die Lebenswirklichkeit vieler Bürgerinnen und Bürger nicht. Das ist elitäre Arroganz insbesondere der CDU.
Das kann man machen. Dann sagt Herr Bauer, die parteiunabhängigen Bürgermeister hätten gesagt, sie fänden unseren Vorschlag nicht gut. – Ja, ich war bei dem Gespräch dabei. Und? Sie machen doch sonst auch nicht alles, was die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister fordern.
Was soll das denn für ein Argument sein?
Entschuldigung: Wir haben den Freien Wählern und den parteiunabhängigen Bürgermeistern auch gesagt – – Diese haben vertreten, dass sie das nicht für richtig halten. Eine Leistung, die die Kommune erbringe, dürfe auch etwas kosten.
Wir erleben zurzeit doch – und das ist mit dem Gesetzesvorschlag nicht besser geworden –, dass wir den Unfrieden in die Kommune treiben. Der Bürger, der an einer Gemeindestraße wohnt, muss zahlen, und ein anderer Bürger 100 m weiter an einer übergeordneten Kreis- oder Landesstraße zahlt nichts. Das führt zu Unfrieden in den Kommunen. Das ist die Lebensrealität in Hessen, und die wollen wir ändern.
Sie haben in der bekannten Manier „Mehrheit ist Wahrheit“ unseren Gesetzentwurf abgelehnt und sich noch nicht einmal bereitgefunden, eine Anhörung durchzuführen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn das alles Murks ist, was wir vorlegen, dann brauchen Sie auch keine öffentliche Anhörung im Hessischen Landtag zu fürchten. Dann kann man in den Diskurs eintreten.
Das, was wir bisher an Rückmeldung haben, ist äußerst positiv. Wir werden das im Übrigen – ob es einem Herrn Kaufmann passt oder in China ein Sack Reis umfällt, auch egal – wieder und wieder im Landtag thematisieren.
Herr Kaufmann kann dann ja hinausgehen, wenn er das nicht mehr anhören will. Das Thema bleibt auf der Agenda.
Die 60 Millionen € sind finanzierbar, genau wie Ihre 30 Millionen €.
Diese 5 € für Abrechnungsbezirke sind ein Konjunkturprogramm für Steuerberater und für Büros, die so etwas machen. Das ist Verwaltungsbürokratie pur – unnötig. Wir wollen die Bürgerinnen und Bürger entlasten.