Protokoll der Sitzung vom 04.02.2015

Kolleginnen und Kollegen! Ich stelle die Beschlussfähigkeit fest und eröffne die heutige Plenarsitzung.

Zur Tagesordnung. Erledigt sind die Punkte 1 und 2.

Noch eingegangen und an Ihren Plätzen verteilt ist ein Dringlicher Antrag der Fraktion der SPD betreffend Schulsozialarbeit ausbauen und verlässlich finanzieren – mehr Bildungsgerechtigkeit schaffen, Drucks. 19/1552. Wird die Dringlichkeit bejaht? – Das ist der Fall. Dann wird dieser Dringliche Antrag Tagesordnungspunkt 46 und kann, wenn dem nicht widersprochen wird, nach Tagesordnungspunkt 40, der Aktuellen Stunde zu diesem Thema, aufgerufen werden.

Eingegangen und an Ihren Plätzen verteilt ist außerdem der Dringliche Entschließungsantrag der Fraktion der SPD betreffend Hessischer Landtag missbilligt Publikation des Abgeordneten Hans-Jürgen Irmer, Drucks. 19/1549. Wird die Dringlichkeit bejaht? – Das ist der Fall. Dann wird dieser Dringliche Entschließungsantrag Tagesordnungspunkt 47 und kann, wenn dem nicht widersprochen wird, nach Tagesordnungspunkt 43, der Aktuellen Stunde zu diesem Thema, aufgerufen und ohne Aussprache abgestimmt werden.

Zum Ablauf der Sitzung. Wir tagen heute vereinbarungsgemäß bis 18 Uhr bei einer Mittagspause von zwei Stunden.

Wir beginnen mit Tagesordnungspunkt 17: Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend Einigung zur Inbetriebnahme der Partikeltherapieanlage am Universitätsklinikum Gießen und Marburg ist Meilenstein für den Medizinstandort Mittelhessen und für die betroffenen Patienten, Drucks. 19/ 976. Dann folgt Tagesordnungspunkt 32: Entschließungsantrag der Fraktion der SPD betreffend Bouffier-Brief an RWE öffnete Tür für Schadensersatzklage, Drucks. 19/ 1522. Nach der Mittagspause beginnen wir mit Tagesordnungspunkt 35, Drucks. 19/1525.

Heute fehlen entschuldigt Frau Staatsministerin Lucia Puttrich und Frau Abg. Lisa Gnadl.

Zu Beginn der Mittagspause der Plenarsitzung kommt der Untersuchungsausschuss 19/1 in Sitzungsraum 204 M zusammen.

Jetzt habe ich noch eine freudige Mitteilung. Seinen 62. Geburtstag begeht heute Herr Abg. Ernst-Ewald Roth.

(Allgemeiner Beifall)

Ich spreche Ihnen im Namen des gesamten Hauses die herzlichsten Glückwünsche aus. Zur inneren und äußeren Stärkung gibt es auch noch ein kleines Präsent.

(Abg. Ernst-Ewald Roth (SPD) nimmt Glückwünsche entgegen.)

Kolleginnen und Kollegen, wir können in die Tagesordnung eintreten. Ich rufe Tagesordnungspunkt 17 auf:

Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend Einigung zur Inbetriebnahme der Partikeltherapieanlage am Universitätsklinikum Gießen und Marburg (UKGM) ist Mei

lenstein für den Medizinstandort Mittelhessen und für die betroffenen Patienten – Drucks. 19/976 –

Verabredete Redezeit: zehn Minuten je Fraktion. Als Erster hat Abg. Dr. Bartelt von der CDU-Fraktion das Wort.

Verehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Im Oktober 2015 werden in Marburg die ersten Patienten mit einem bösartigen Tumor mittels Partikeltherapie behandelt.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Patienten, denen keine Behandlung durch Operation oder konventionelle Bestrahlung angeboten werden kann, erhalten eine neue Perspektive. Die Prognose wird deutlich verbessert. Eine zielgenaue Zerstörung des Tumorgewebes eröffnet Therapiechancen, wo ein chirurgischer Eingriff technisch nicht möglich ist oder die bisherige Art der Bestrahlung Strukturen in der Umgebung des Tumors schädigen würde.

Das ist das Ergebnis einer klugen, besonnenen und geduldigen Politik dieser Landesregierung, die stets das Wohl der Patienten und den Wissenschaftsstandort Mittelhessen im Auge hatte.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir hatten das Gelingen dieses Projektes im Sinn, während der linke Teil der Opposition stets das Scheitern im Auge hatte und darüber nachdachte, wem man das anlasten könne. Das ist der Unterschied zwischen einer guten Regierung und einer schlechten Opposition.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, derzeit werden hauptsächlich Knochentumore an der Schädelbasis, Bindegewebstumore und Hirntumore erfolgreich behandelt. Die Indikationen werden auf die inneren Organe erweitert. Es ist geplant, in Marburg jährlich 750 Patienten zu behandeln. Es wird geschätzt, dass für 10 % aller Krebspatienten die Partikeltherapie eine Option werden kann. Die Entwicklungen sprechen dafür, dass das Marburger Ionenstrahl-Therapiezentrum (MIT) die Reputation des Medizinstandorts Mittelhessen weltweit stärkt und dieses Therapiezentrum Vorbild in Europa sein wird.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Der Bedarf an dieser innovativen Therapie ist derzeit in Deutschland, ja in Europa bei Weitem nicht gedeckt. In der Bundesrepublik haben wir vier solcher Zentren: in Essen, in München, in Dresden und in Heidelberg. Sie haben eine Kapazität von insgesamt etwa 3.000 Patienten im Jahr. Wenn in Deutschland mittelfristig für 10 % der Krebspatienten eine Partikeltherapie in Erwägung gezogen und sie auch nur in jedem fünften Fall realisiert würde, benötigte man etwa 10.000 Therapieplätze pro Jahr. Europaweit ist die Schere zwischen verfügbaren und künftig nachgefragten Therapieplätzen noch viel größer. In Europa gibt es zwei Zentren in Italien und jeweils ein Zentrum in der Schweiz, in Österreich, in Frankreich, in England und in Schweden.

Diese Therapie mit ihrer faszinierenden Technik wurde in Hessen, im Helmholtzzentrum für Schwerionenforschung in Darmstadt, entwickelt. Unter den Partikeltherapieverfahren ist die künftig in Marburg praktizierte Kohlenstoffionentherapie besonders geeignet, in die DNA-Synthese einzugreifen und die Tumorzellvermehrung zu verhindern. Die modernste Form dieser Therapie wird im Lande ihrer Entwicklung bei Patienten und zuweisenden Medizinern auf besonderes Interesse stoßen.

Die meisten gesetzlichen Krankenkassen übernehmen nach Einzelfallprüfung mittlerweile die Kosten. Das ist erfreulich.

Weniger erfreulich ist, dass der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) der Kassenärztlichen Bundesvereinigung die Partikeltherapie noch nicht in den allgemeinen Leistungskatalog aufgenommen hat. Es ist ein Antrag auf die Behandlung von Hirntumoren im Verfahren; dieses wurde im Juni 2014 ausgesetzt. Ich glaube aber, dass die Erfolge der einzelnen Behandlungen mit der Partikeltherapie in Marburg auch bei der KV Bewegung auslösen werden. Dazu soll auch die Diskussion hier beitragen.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Insgesamt wird das MIT durch Therapieerfolge, Auslastung, Kostendeckung und internationale Anerkennung ein Erfolg werden. Ohne den Einsatz dieser Landesregierung – des Ministerpräsidenten Bouffier und des Wissenschaftsministers Rhein – wären die Einigung aller Beteiligten und die Gründung des Marburger Therapiezentrums nicht zustande gekommen. Der Rückkauf der Anlage durch die Rhön AG von der Siemens AG, die die Anlage stilllegen wollte, war die Voraussetzung zur Bildung der Betriebsgesellschaft MIT.

Sowohl die Vorbereitung einer Klage gegen die Rhön AG als auch das Einräumen einer Nachfrist zum 2. Mai 2014 waren kluge, zielführende Begleitungen der Vertragsverhandlungen, die am 22. September ihren erfolgreichen Abschluss gefunden haben. Die Opposition auf der linken Seite des Hauses hatte noch in der Debatte am 12. März 2014 vorgetragen: Wir könnten viel weiter sein, wenn die Landesregierung schon vor zwei Jahren, als wir es ihr geraten haben, endlich die Klage eingereicht hätte.

Wohlgemerkt, das Ziel einer Klage wäre gewesen, von der Rhön AG die 100 Millionen € Kaufpreis zurückzubekommen. Eine Inbetriebnahme hätte man durch einen Gerichtsbeschluss niemals erreichen können. Die Anlage wäre längst abgebaut worden, wenn wir dem Weg der SPD und der LINKEN gefolgt wären.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Die Landesregierung und die Regierungsfraktionen haben der Patientenbehandlung immer den Vorzug gegenüber dem Schadenersatz gegeben. CDU und GRÜNEN geht es um Patienten und um den wissenschaftlichen Fortschritt; SPD und LINKEN geht es um Geld und ideologische Rechthaberei.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Der Anteil dieser Landesregierung am Zustandekommen von insgesamt 28 Verträgen – besonders dem Vertrag zwischen dem Heidelberger Ionenstrahl-Therapiezentrum und

der Rhön AG – ist umso höher zu bewerten, als ein Partikelzentrum in Kiel unter fast gleichen Voraussetzungen gescheitert ist. Dort war die Uniklinik in staatlicher Hand; die Firma Siemens war ebenfalls ein Partner. Die Partikeltherapieanlage ist mittlerweile abgebaut. Die Einrichtung wurde in ein Krebstherapiezentrum ohne Partikeltherapie umgewandelt. Nein, meine Damen und Herren, eine weltanschauliche Auseinandersetzung über die beste Trägerschaft für innovative Medizin führt ins Leere. Davon haben die Patienten nichts.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Wir haben eine erfolgreich arbeitende Therapieanlage in der staatlichen Universitätsklinik Essen und ein erfolgreiches Zentrum mit privatem Kapital in München. So einfach ist das.

Die Zusammenarbeit mit der Universitätsklinik Heidelberg, die ebenfalls im Vorfeld dieser Debatte von den LINKEN kritisiert wurde, ist in vieler Hinsicht von Vorteil. Der medizinische Erfahrungsaustausch bei einem neuen Verfahren kommt den Patienten zugute. Da die Patientenzahlen bei den einzelnen Tumorarten klein sind, dient die Kooperation der wissenschaftlichen Erkenntnis.

Alle Therapiezentren in Deutschland arbeiten mit der Universitätsklinik Heidelberg zusammen. Dies ist auch die Empfehlung der Deutschen Gesellschaft für Radioonkologie (DEGRO). Durch den Forschungskooperationsvertrag zwischen den Universitäten Heidelberg und Marburg und dem Heidelberger Ionenstrahl-Therapiezentrum befinden sich die wissenschaftlichen Standorte Heidelberg und Marburg auf Augenhöhe.

Die Inbetriebnahme des Marburger Ionenstrahl-Therapiezentrums dient schwerstkranken Patienten und stärkt den Wissenschaftsstandort in Hessen. Dafür können wir der Regierung Dank sagen. Wir können uns jedenfalls über diese Entwicklung und den erfolgreichen Abschluss freuen. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank. – Als Nächster spricht Kollege Spies, SPDFraktion.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Anlage würde längst laufen, wenn die CDU und die Regierung so klug gewesen wären, unseren Ratschlägen zu folgen, und von vornherein anständig Druck ausgeübt hätten, statt sich jahrelang am schulz-ascheschen Nasenring durch die Manege führen zu lassen, bis sie endlich zu einem Ergebnis kamen.

(Beifall bei der SPD – Michael Boddenberg (CDU): Ach du liebe Zeit!)

Ich will ganz ausdrücklich das Ergebnis loben.

(Zurufe von der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ah!)

Ich will ausdrücklich loben, dass nun endlich damit zu rechnen ist, dass die Partikeltherapieanlage in Betrieb ge

nommen wird, wenn auch, wie vor Ort zu hören ist, eher trotz als wegen der Bemühungen der Landesregierung.