Wir haben neben den hohen Mehreinnahmen eine Neuverschuldung von 350 Millionen €. Sie feiern das als Sieg. Ich bin ein bisschen überrascht, dass ich das eben als Überschrift einer dpa-Meldung lesen kann. Was ist daran ein Sieg? Was ist ein Sieg, wenn auf der einen Seite eine Mehreinnahme von 2 Milliarden € da ist und man auf der anderen Seite trotzdem Schulden machen muss? Meine sehr verehrten Damen und Herren, es ist ein Armutszeugnis, dass Sie noch Schulden aufnehmen, es ist kein Sieg.
Ich will den Kollegen sagen, weil das Thema Rücklage bei dem Redebeitrag des Kollegen Kaufmann eben eine Rolle gespielt hat: Der Haushalt hat eine Unterdeckung von über 500 Millionen €. Neben der Nettoneuverschuldung von 350 Millionen € werden noch 181 Millionen € aus den Rücklagen herausgenommen – nur, damit man eine Dimension dafür bekommt, dass die Zahlen noch schlechter sind, als ich sie eben vorgetragen habe.
Rücklagen heißt, Schulden aufs Sparbuch zu legen. In einer Zeit, in der es für die Schulden keine Zinsen gibt, fällt das haushalterisch nicht wirklich auf, aber mentalitätsmäßig umso mehr. „Man kann doch mal machen“, ist dahinter. Sie kriegen keinen Amtsleiter, keinen Mitarbeiter, schon gar nicht irgendwelche Vertretungen der Gewerkschaften oder der Personalräte dazu, bei Einschränkungen mitzumachen, wenn Sie sich als Landesregierung jetzt so benehmen.
Ich kann nur darauf hinweisen: Wir haben es z. B. bei der Arbeitsgerichtsbarkeit geschafft, dass es einen einvernehmlichen Vertrag zwischen dem Justizministerium und dem Personalrat gegeben hat. Es wurde ein Vertrag abgeschlossen. In einer Zeit, in der Sie so ausgeben wie jetzt, werden Sie niemanden dazu bewegen, an strukturelle Umorganisationen heranzugehen. Aber wir haben das Gefühl, Sie wollen das gar nicht. Sie wollen, dass es so bleibt, wie es ist.
Das Unambitionierte, das Kollege Schäfer-Gümbel wie auch ich schon bei der ersten Pressekonferenz festgestellt haben, liegt auch darin, dass Sie eine Haushaltsrede nach altem Stil vorgetragen haben. Ich habe nicht mitgestoppt, wie es der Kollege Schmitt gemacht hat.
Sie erzählen mindestens 25 Minuten lang stolz, wo man jetzt überall zusätzlich Geld ausgibt. Ich hatte eigentlich gedacht, dass das die Politik des letzten Jahrhunderts ist. Ich hatte eigentlich gedacht, dass durch die Diskussion um die Schuldenbremse und die Umsetzung der Schuldenbremse eine Änderung eintritt. 70 % der Bürgerinnen und Bürger unseres Landes haben Ja zur Schuldenbremse gesagt, sie wollen nicht, dass ihre Kinder und Kindeskinder zusätzlich durch Schulden belastet sind. Es kann doch nicht sein – –
Lieber Herr Kollege Dr. Arnold, wie kann man auf so etwas auch noch stolz sein? Sie haben es nicht verstanden. Ich sage es noch einmal: 2 Milliarden € zusätzlich im Sack und trotzdem noch eine Unterdeckung von über 500 Millionen € und deshalb 350 Millionen € Schulden machen. Das ist keine Leistung, das ist ein Armutszeugnis.
So macht man keine Haushaltspolitik; es sei denn, man will noch einen Sack zusätzlich haben, um im letzten Jahr vor der Landtagswahl mit den Scheinchen durchs Land zu gehen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, das ist eine alte, eine in meinen Augen sehr wenig zur Generationengerechtigkeit beitragende Politik. Es geht nicht mehr darum, den Menschen zu erklären, dass da und da noch etwas zusätzlich gemacht wird. Es geht darum, den Menschen klarzumachen, dass irgendwann einmal Schluss ist mit dem Zusätzlichen. Ich komme gleich dazu: Bei den Flüchtlingen müssen wir etwas Zusätzliches machen, ohne Frage. Dann muss man aber andere Dinge über Jahre ziehen.
Sie haben das im Hochschulbereich so schön gemacht. Sie erzählen immer noch, dass der Hochschulpakt genau derselbe sei wie unter der Landesregierung bis 2013. Das ist er aber nicht, weil er über Jahre gezogen wurde. Das muss man bei anderen Dingen dann auch machen. Das machen Sie aber nicht, sondern Sie wollen nur zusätzliche Mittel zur Verfügung stellen, um dann pressewirksam durch das Land zu fahren und zu zeigen, dass Sie Geld ausgeben.
Die Menschen merken immer mehr, dass es ihr eigenes Geld ist. Die Menschen merken immer mehr, dass sie es unfair finden. Deshalb prognostiziere ich: So jedenfalls kann man eine Wahl nicht gewinnen, auch wenn Sie gerade sehr stolz darauf sind, dass die von Ihnen in Auftrag gegebene Umfrage ein so gutes Ergebnis für die Regierung und für die sie tragenden Parteien gebracht hat.
Ich kündige jetzt schon für die FDP-Fraktion an, dass wir in jeder kursorischen Lesung – man kann sich schon qualifiziert darauf vorbereiten – genau wissen wollen, wie das mit den Stellenmehrungen ist. Ich sage das etwas flapsig. Es gibt eine Reihe von gegenläufigen Programmen, auch in Ihrem Haushalt. Dagegen habe ich nichts. Das muss auch so sein: auf der einen Seite Flüchtlinge, auf der anderen Seite Ausgleich der reduzierten Wochenarbeitszeit, jedenfalls für die Menschen bis 50 Jahre, dann das alte Stellenabbauprogramm aus Ihrer Hand und die zusätzlichen Stellen z. B. im Bereich der Sicherheit.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir wollen genau wissen: Wie viel bleibt unter dem Strich übrig? Ich habe das Gefühl – wie auch immer, wenn es brutto ist, dann können wir es gerade noch umrechnen –, dass wir auf der einen Seite von der Landesregierung eine Blase aufgebaut bekommen haben nach dem Motto: „So viele zusätzliche Stellen, was sind wir doch für Hechte“, aber auf der anderen Seite feststellen, wenn wir das gegenrechnen, dass nicht mehr viel übrig bleibt. Bei einem Ressort habe ich die Vermutung – ich bin nur Jurist, sollen das die Haushälter in den kursorischen Lesungen genau erklären –, dass es letztlich sogar weniger sind.
Dreist ist dann aber dabei, dass man z. B. beim Wirtschaftsministerium zusätzlich zwölf neue Stellen hat, von denen sechs ins Ministerium gehen.
Dreist ist es, dass im Umweltministerium acht Stellen ins Ministerium gehen. Was hat das jetzt auf einmal mit Nachhaltigkeit zu tun?
Wir wissen es doch, wir wissen es auch aus gemeinsamem Tun, und Herr Dr. Arnold als ehemaliger Staatssekretär im hessischen Finanzministerium weiß es sogar noch besser als ich: Den Hessen wird im Ländervergleich seit bestimmt 15 Jahren vorgehalten, dass die Kosten des Regierungshandelns, wie es so schön neudeutsch heißt, sehr hoch sind. Jetzt kann man ein bisschen argumentieren – das habe ich auch in meinen fünf Jahren als stellvertretender Ministerpräsident häufiger geübt –, dass man sagt: Wir haben eine andere Struktur. Manches ist bei uns direkt dem Ministerium zugeordnet. Ein klassisches Beispiel ist das Justizprüfungsamt oder der Justizvollzug, um nur zwei Dinge zu nennen, die in meinem ehemaligen Verantwortungsbereich waren.
Aber hoch liegen wir schon, und da legen wir jetzt noch drauf. Dass es auch noch die grünen Ministerien sind, haben Sie vorhin vergessen vorzutragen, Herr Kollege Kaufmann. Deshalb ergänze ich es gerne: zwölf Stellen im Wirtschaftsministerium, von denen sechs ins Haus gehen. Acht Stellen gehen ins Umweltministerium. Das ist und bleibt keine nachhaltige Politik.
Einiges von dem, was ich auf meinem Zettel stehen habe, kann ich Ihnen daher ersparen und brauche es nicht noch einmal vorzutragen, weil der Kollege Schmitt das bereits getan hat. Das schönste Beispiel sind die ÖPNV-Mittel –
wie man sich darüber freuen kann. – Okay, das ist vielleicht die Freude gegenüber Herrn Schäuble; wir hatten ja nicht immer Freude mit ihm, auch als Landesregierung nicht. Da kann man sich dann einmal freuen. Aber die eigene Leistung ist null.
Kommunalinvestitionsprogramm – – Na ja, lieber Kollege Schmitt, null ist es nicht; ein bisschen kommt schon aus dem Landeshaushalt, aber das meiste kommt aus Berlin.
Wenn man sich dann auch noch stolz hinstellt, wie Herr Dr. Schäfer es getan hat, und sagt: „Wir haben aber 90 Millionen € für den Landesstraßenbau behalten“,
Meiner war es seinerzeit nicht; ich habe eine Reihe von Schlaglöchern mitbekommen. – Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich will das gar nicht ins Lächerliche ziehen, weil es ja auch nicht lächerlich ist.
Es ist vielmehr ein Thema, an dem deutlich wird, dass Investitionen in die Zukunft bei dieser Landesregierung nicht angesagt sind, sondern sie versucht, durch die Reduzierung der Investitionen einen Haushaltsausgleich durchzuführen, obwohl sie 2 Milliarden € Mehreinnahmen hat. Ich wieder
hole mich immer wieder, damit es auch ein bisschen in die Köpfe der uns begleitenden Journalistinnen und Journalisten geht.
stellen Sie fest, dass das Land Hessen an zweiter Stelle steht, aber leider wieder von hinten. Es ist dasselbe Spiel wie heute Morgen. Nur Bremen ist schlechter. Das hatten wir heute Morgen schon einmal, als es um die Bearbeitungsdauer von Lohnsteueranträgen bzw. um die Lohnsteuerfestsetzung ging. Hier haben wir dasselbe.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, Hessen ist viel zu wichtig, weil an Hessen kein Weg vorbeigeht, wie der Minister so schön gesagt hat. Deshalb müssen wieder Investitionen vorgesehen werden.
Dieser Haushalt erfüllt nicht die statischen Voraussetzungen, die wir Freien Demokraten von einem Haushalt erwarten, der nach vorn schaut, der Risiken abfedert, der Investitionen erhöht, sondern es ist ein Haushalt, bei dem ganz offensichtlich in Zukunft mit vielen Schecks herumgezogen werden soll und Pressekonferenzen gemacht werden. Meine sehr verehrten Damen und Herren, Sie sind Ihrer Aufgabe in diesem Punkt leider nicht gerecht geworden.
Ich freue mich auf die fachlichen Diskussionen, ich freue mich auf die zweite und die dritte Lesung.
Ich schlage zum Schluss noch einmal vor – das habe ich in verschiedensten Rollen vielleicht schon 15-mal getan –: Wir sollten uns auch überlegen, ob wir uns dieses Ritual immer weiter antun. Wir haben gesehen, dass bei der Rede der größten Oppositionsfraktion gerade einmal vier CDUKolleginnen und -Kollegen im Raum waren. Der Einzige, der tapfer durchhält, ist Dr. Walter Arnold, aber das hat auch etwas mit dem Posten des finanzpolitischen Sprechers zu tun. Ansonsten will ich gar nicht die Kollegen kritisieren, die zum Essen gegangen sind. Verstehen Sie mich bitte nicht falsch. Das System scheint mir eher suboptimal angelegt zu sein. Wir waren ja auch häufig nur ganz alleine dort; das betrifft also alle Fraktionen. Müssen wir das wirklich noch so machen? Ich glaube, auch das gehört aufgearbeitet.
Aber zunächst einmal gehört der von Schwarz-Grün eingebrachte Haushalt aufgearbeitet: hin zu mehr Nachhaltigkeit und weniger Schulden. – Vielen herzlichen Dank.
Herzlichen Dank, Kollege Jörg-Uwe Hahn. – Das Wort hat Dr. Walter Arnold für die CDU-Fraktion. Bitte, Walter.