Protokoll der Sitzung vom 14.09.2016

Meine Damen und Herren, man kann doch auch sagen, dieses Einmischen war durchaus erfolgreich. Der Protest hat bereits dazu geführt, dass nicht nur bei der Daseinsvorsorge der Trinkwasserbereich aus dem nun vorliegenden Handelsabkommen CETA herausgenommen wurde, sondern auch die ursprünglich vorgesehenen Regelungen zum Investitionsschutz, das Investor-Staat-Schiedsgerichtsverfahren, das ISDS-System, deutlich nachgebessert wurde.

(Stephan Grüger (SPD): Wer hat es gemacht?)

Die für CETA gewählte Form einer öffentlichen Investitionsgerichtsbarkeit, Investment Court System, ICS, soll bilateral aus einem Gericht erster Instanz und einem Berufungsgericht bestehen. Die Urteile sollen nun von öffentlich ernannten Richtern gefällt werden, die vergleichbar sind mit Mitgliedern anderer ständiger internationaler Gerichte wie des Internationalen Gerichtshofs.

Meine Damen und Herren, dies zeigt einen deutlichen Fortschritt zu den bereits bestehenden Investitionsschutzabkommen, die die EU mit Kanada hat und die nun durch CETA ersetzt werden sollen. Das heißt, es gibt eine deutliche Verbesserung zu dem Iststand.

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): So ist es! – Stephan Grüger (SPD): Und wer hat es erreicht?)

Ebenso erfolgreich war das Bemühen, die Abstimmung über dieses umfassende Handelsabkommen in den nationalen Parlamenten der Mitgliedstaaten vorzunehmen. Hier hat es ein Einlenken der EU-Kommission gegeben, die CETA vorher – das ist Ihnen bekannt – als ein Abkommen in gemeinsamer Zuständigkeit ansah und einem gemisch

ten Abkommen ablehnend gegenüberstand. Dies hat sich jetzt verändert. Das heißt, diese öffentliche Diskussion hat zu positiven Veränderungen beigetragen und dadurch ihre Wirksamkeit belegt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU sowie der Abg. Mürvet Öztürk (fraktions- los))

Seit Juli liegt die rechtsgültige Übersetzung von CETA auch in deutscher Sprache vor, und die Diskussion intensiviert sich – das können Sie feststellen –, nicht nur bei uns in Deutschland, sondern in allen Mitgliedstaaten der EU wie auch auf kanadischer Seite. Dabei wabern Gerüchte. Ich sage es noch einmal: Ein Großteil der Bürgerinnen und Bürger weiß nicht wirklich, was in diesem Abkommen festgehalten wird. Es ist auch für den, der sich die Mühe macht, das alles nachzulesen, manchmal sehr schwierig, das einzuordnen und zu sehen, welche Auswirkungen das Ganze hat. Diese kritischen Haltungen findet man auch in anderen EU-Staaten, da ist Deutschland nicht allein. Sie mehren sich insbesondere in den Mitgliedstaaten Luxemburg, Frankreich und Griechenland.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Beschlusslage im Hessischen Landtag ist sehr klar. In mehreren Anträgen, Drucks. 19/300 und 19/3333, wurden Bedingungen an die Freihandelsabkommen geknüpft. Aber es wurde auch dargestellt, welche Chancen in Freihandelsabkommen liegen können. Auch das haben wir in den Anträgen betont.

Mit Blick auf die exportorientierte Wirtschaft in Hessen kann ein Handelsabkommen zwischen diesen zwei großen Wirtschaftsräumen durchaus von Vorteil sein. Das beweisen auch die bereits beschlossenen Abkommen. Die Vereinigung hessischer Unternehmerverbände begrüßt daher das Freihandelsabkommen mit Kanada. CETA würde nach ihrer Ansicht den Zugang zum kanadischen Markt für die heimischen Unternehmen erheblich erleichtern und den bilateralen Wirtschaftsaustausch fördern. Gerade mittelständische Exportunternehmen würden laut VhU vom Abbau unnötiger Doppelregulierungen und auch vom Zollabbau profitieren.

Aber auch der Verband der Chemischen Industrie hat sich zu Wort gemeldet. Er hat eine Überprüfung vorgenommen. Sie sehen für sich Vorteile darin, z. B. durch einen besseren Zugang zu einem für sie interessanten Absatz- und Rohstoffmarkt. Der Verband der Chemischen Industrie zeigt sich überzeugt, dass CETA Vorteile für Verbraucher, Beschäftigte und Unternehmen in Europa bietet.

Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, verantwortliche Politik bedeutet, Chancen und Risiken gegeneinander abzuwägen und am Ende zu einem sachgerechten Ergebnis zu kommen. Daher ist es wichtig, dass die im Hessischen Landtag gefassten Beschlüsse mit dem Ergebnis der Verhandlungen zu CETA abgeglichen werden. Die realen Auswirkungen der Abkommen auf Hessen – und auf die Bundesrepublik als Ganzes – müssen also gründlich und sachlich überprüft werden.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Ich will die Ergebnisse deswegen noch einmal nennen. Das ist zum einen die Beibehaltung von Schutzstandards, insbesondere zum Schutz des Lebens, der Gesundheit, des geistigen Eigentums, der Arbeitnehmerrechte, des Umwelt

und Tierschutzes sowie des Daten- und Verbraucherschutzes.

Zum anderen ist es uns allen wichtig, dass das in Europa geltende Prinzip des vorsorgenden Verbraucherschutzes nicht angetastet wird. Die Entscheidung der EU und ihrer Mitgliedstaaten, bestimmte Produkte nicht zuzulassen oder deren Import zu verbieten, darf nicht durch Freihandelsabkommen konterkariert werden. Dies betrifft unter anderem Produkte, die aus gentechnisch veränderten Organismen bestehen, z. B. mit Wachstumshormonen oder mit verbotenen Verfahren behandelte oder geklonte Tiere und deren Fleisch. Diese dürfen auch weiterhin nicht in die EU importiert werden. Soziale und ökologische Standards müssen weiterhin Bestandteil öffentlicher Ausschreibungen bleiben können.

Dazu gehört auch, dass Investitionsschutzvereinbarungen rechtsstaatlichen Prinzipien entsprechen und Handlungsspielräume der Europäischen Union sowie der Parlamente und der Regierungen der Mitgliedstaaten gesichert sind. Es war daher sehr richtig, dass die Landesregierung in der Umweltministerkonferenz im Juni in Berlin zusammen mit anderen Landesregierungen die Bundesregierung aufgefordert hat, sich nicht auf eine Aufweichung der Umweltstandards einzulassen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist ein ganz wichtiges Signal.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Eines wird klar sein: Aufgrund der Entscheidung der EU, das CETA-Abkommen nun als ein gemischtes Abkommen zu betrachten, wird es zu einer Behandlung sowohl im Bundestag als auch im Bundesrat kommen.

Medienberichten zufolge wird auch über die Notwendigkeit von ergänzenden Erklärungen und Präzisierungen zu dem Abkommen diskutiert. Es bleibt abzuwarten, ob es dazu kommen wird und ob diese Ergänzungen substanzielle Änderungen bzw. verbindliche Klarstellungen hinsichtlich des Abkommens bewirken. Eine sorgfältige Überprüfung des zur Ratifizierung vorliegenden Freihandelsabkommens in seiner endgültigen Fassung ist notwendig, um die Auswirkungen dieses Abkommens anschließend richtig bewerten zu können.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, das werden wir tun. Aber man muss auch wissen, dafür braucht man Zeit. Ich denke, am Ende wird eine richtige Entscheidung dazu getroffen werden. Weder Polemik noch Ängste dürfen uns dazu verleiten, eine Entscheidung zu treffen, sondern die Grundlage muss eine sachgerechte Abwägung dessen sein, was zur Entscheidung vorliegt. – Vielen Dank.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Vielen Dank, Frau Kollegin Hammann. – Als Nächste hat Frau Kollegin Nicola Beer für die Fraktion der Freien Demokraten das Wort. Bitte sehr.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr van Ooyen, als ich Sie hier zu dem europäisch-kanadischen

Handelsabkommen CETA habe reden hören, habe ich mich gefragt, ob Sie den Vertragstext gelesen haben.

(Zurufe von der CDU)

Kollegin Hammann hat gerade dargelegt, dass der Vertragstext mittlerweile auch auf Deutsch vorliegt. Von daher wäre es Ihnen durchaus möglich gewesen, ihn vor der Debatte zu lesen.

(Zuruf von dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ge- nau!)

Das zeigt mir wieder einmal, dass es in dieser Debatte – wie, glaube ich, in den Debatten über Freihandelsabkommen insgesamt – dringend notwendig ist, dazu aufzufordern, dass man zu einer sachlichen Diskussion zurückkehrt, die sich auf Fakten bezieht.

(Beifall bei der FDP – Zuruf des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Herr van Ooyen, wir Freie Demokraten fordern alle Protektionisten, die wie Sie einen rein ideologischen Kampf gegen den Freihandel führen, auf, in der Debatte endlich einmal ehrlich, fachlich und sachlich anhand der Fakten zu argumentieren, statt öffentlich mit überzogenen Schreckensszenarien zu agieren.

(Beifall bei der FDP – Zurufe von der LINKEN: Oh! – Hermann Schaus (DIE LINKE): 80 % der Bevölkerung in Deutschland sind gegen die Abstimmung über CETA!)

Herr Schaus, ich kann Ihnen sagen, warum Sie versuchen, genau so etwas durch eine emotionalisierte Debatte herbeizuführen. Ich nenne Ihnen ein Beispiel: In dem Aufruf zu den Demonstrationen am 17. September, den Herrn van Ooyen vorhin angesprochen hat, steht unter anderem – ich zitiere –:

Mit CETA können Großunternehmen über kanadische Tochtergesellschaften EU-Mitgliedstaaten auf Schadensersatz verklagen, wenn neue Gesetze ihre Profite schmälern.

(Hermann Schaus (DIE LINKE): Ja!)

Wow, das kommt ja sehr schneidig daher.

(Beifall bei der FDP – Hermann Schaus (DIE LIN- KE): Ja! Das ist die Bewertung!)

Herr Kollege van Ooyen, Fakt ist, wie Sie feststellen werden, wenn Sie lesen können, dass in Art. 8.9 Abs. 2 – Investitionen und Regulierungsmaßnahmen – wörtlich steht:

Zur Klarstellung: Die bloße Tatsache, dass eine Vertragspartei – auch durch Änderung ihrer Gesetze – Regelungen in einer Art und Weise trifft, die sich auf eine Investition negativ auswirkt oder die Erwartung eines Investors, einschließlich seiner Gewinnerwartungen, beeinträchtigt, stellt keinen Verstoß gegen eine Verpflichtung aus diesem Abschnitt dar.

Das Gegenteil ist also der Fall. Das, bei dem Sie hier gerade versuchen, den Leuten etwas weiszumachen, ist längst vom Tisch. Das nenne ich das Hochziehen von Horrorszenarien.

(Beifall bei der FDP)

Sehr geehrter Herr van Ooyen, Fakt ist stattdessen: Freihandel schafft und sichert Arbeitsplätze, gerade im exportorientierten Hessen. Ich wundere mich, dass Sie sich nicht

unter Vertretern der hessischen Wirtschaft umgehört haben, durchaus auch in Branchen, die Ihnen sonst am Herzen liegen.

Ich verweise z. B. auf das Recyclingunternehmen Reclay in Herborn. Die haben nicht nur die Möglichkeit, 60 zusätzliche Arbeitsplätze zu schaffen, sondern auch die Möglichkeit, eine nachhaltige, Ressourcen schonende Kreislaufwirtschaft nach Nordamerika zu exportieren. Was haben Sie gegen eine solche Möglichkeit? Das Unternehmen erklärt, es braucht CETA, um hier weiter tätig zu sein.

(Beifall bei der FDP)

Herr Kollege Reif hat es schon dargestellt: Die Europäische Union rechnet mit einem unglaublichen Anstieg bei dem entsprechenden bilateralen Handelsvolumen: plus 23 % bei Waren und Dienstleistungen.

(Zuruf des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Herr Kollege van Ooyen, das wäre beim Bruttoinlandsprodukt in der Europäischen Union im Jahr eine Steigerung in Höhe von 12 Milliarden €. Man kann das in Arbeits- und Ausbildungsplätze übersetzen. Das ist Wohlstand für die Menschen in Deutschland.

(Beifall bei der FDP)

Herr Kollege van Ooyen, Fakt ist: CETA ist das modernste Abkommen seiner Art.