Protokoll der Sitzung vom 14.09.2016

Wir können es anstoßen. Dazu gibt es Initiativen aus Hessen. Ich nenne hierzu die Begriffe Zinsschranke und Lizenzboxen. Das wurde durchaus von Hessen aus angestoßen. Wir stoßen da aber immer wieder an europäische Grenzen. Auch das müssen Sie wahrnehmen.

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Das geht national!)

Denken Sie nur an die gemeinsame konsolidierte Körperschaftsteuerbemessungsgrundlage, an der wir schon lange auf europäischer Ebene arbeiten, die aber leider immer noch nicht Wirklichkeit ist.

Ich stimme Ihnen zu: Wir haben bei großen Verflechtungen mit nationalen und internationalen Konzernen durchaus Nachholbedarf. Deswegen müssen wir gut ausgebildete Finanzbeamtinnen und -beamte haben, die diese ganzen Verflechtungen aufdröseln können und die das auch durchblicken. Dort müssen wir Kraft und Know-how hineinlegen. Wir sind da auf einem guten Weg. Ich denke, wenn wir daran gemeinsam arbeiten, werden wir das auch schaffen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Vielen Dank. – Als Nächster spricht Herr Staatsminister Schäfer.

(Norbert Schmitt (SPD): Jetzt kann er einmal etwas zu Apple sagen!)

Das Tempo des Hochfahrens des Rednerpults müssten wir bei der nächsten Renovierung ändern.

(Zuruf des Abg. Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD) – Weitere Zurufe)

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich will mich zunächst in mehrfacher Hinsicht herzlich bedanken. Ich will mich für die positive Einschätzung der Arbeit der Steuerverwaltung herzlich bedanken. Ich will mich aber genauso auch für kritische Anmerkungen bedanken.

Ich sage das auch deshalb so, weil viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Finanzverwaltung immer so ein Stück weit das Gefühl haben – ich lasse jetzt einmal die ganze Diskussion über die Fragen der Besoldung und der Beihilfe weg, die die Beamtenschaft in Summe beschäftigt –, in der Öffentlichkeit werde die Bedeutung ihrer Arbeit nicht in dem Maße wahrgenommen, wie es eigentlich als derjenige Teil der Verwaltung angemessen wäre, der mit seiner Arbeit dafür sorgt, dass wir all das beschließen können, über das wir beim übernächsten Tagesordnungspunkt diskutieren werden. Die Beteiligten haben oftmals das Gefühl, tendenziell eher ein Schattendasein hinsichtlich der öffentlichen Wahrnehmung zu führen.

Das ist auf der einen Seite gut so. Denn dann können sie in Ruhe ihre Arbeit machen. Das führt aber gelegentlich dazu, dass man den Eindruck gewinnen kann, dass andere Teile der öffentlichen Daseinsvorsorge mehr in der Sonne der medialen und politischen Wahrnehmung stehen. Deshalb danke ich für alle Anmerkungen im Parlament herzlich, und auch für die Gelegenheit, über die Arbeit der Finanz- und Steuerverwaltung im Landtag sprechen zu können. Herzlichen Dank dafür.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Lassen Sie mich mit einem zweiten Dank weitermachen. Angesichts all der Diskussionen um Menschen, die nicht

steuerehrlich sind, und angesichts all der Diskussionen um die Steuergestaltung will ich mich einmal herzlich bei all denen bedanken, die der überwiegende Teil der Bevölkerung sind. Das sind die, die ihre Steuern ehrlich zahlen, die bei den Kilometern auf dem Weg zur Arbeit nichts Falsches eintragen, die ihre Kapitalerträge ordentlich versteuern, die ihre Putzfrau anmelden und den Handwerker auf Rechnung bezahlen. Herzlichen Dank dafür.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Ab und zu hat man schon das Gefühl, dass man sich im gesellschaftlichen Mainstream nur dann bewegt, wenn man auf der anderen Seite unterwegs ist.

(Norbert Schmitt (SPD): Sehr richtig! – Nancy Faeser (SPD): Das stimmt leider!)

Lassen Sie mich zur Sache und zu den Fragestellungen bei der Arbeit kommen. Ich glaube, es gibt in unserer Gesellschaft wenige Bereiche, die sich in den letzten Jahren nicht dramatisch in ihrer Arbeitsstruktur und von den Anforderungen her verändert haben. Im Zuge der Globalisierung und der Digitalisierung verändert sich unsere ökonomische Landschaft in rasantem Tempo.

Genauso bestehen die Anforderungen zur Veränderung an die öffentliche Verwaltung insgesamt. Sie bestehen aber natürlich in besonderer Weise an die Finanzverwaltung, die an diesen ökonomischen Entwicklungen unmittelbar ein Stück weit dranhängen.

Dazu gehört auch, dass die zunehmende Internationalisierung und die zunehmenden wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Unternehmen und einzelnen Personen in unserem Land und im internationalen Kontext zu komplexeren steuerlichen Fragestellungen führen. Das führt wiederum dazu, dass der Anreiz der Steuerpflichtigen, sich zu bemühen, in diesem internationalen Geflecht zu Steuerersparnissen zu kommen, natürlich eher größer als kleiner wird.

Da muss die Finanzverwaltung gegensteuern. Ich will das in dieser Debatte durchaus auch sagen: Das gilt in zweierlei Hinsicht. Einerseits ist durch die Arbeit der Finanzverwaltung und insbesondere durch die der Betriebsprüfung eine gleichmäßige Besteuerung aller sicherzustellen.

Wir sind da in Hessen außerordentlich erfolgreich. Wir haben in den letzten vier Jahren jedes Jahr nur aus den Betriebsprüfungen mindestens ein Mehrergebnis von 750 Millionen € bis hin zu 1 Milliarde € erreicht.

(Zuruf des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

Ja, das ist das steuerliche Mehrergebnis.

(Zuruf des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

Das zeigt die sehr erfolgreiche Arbeit der Betriebsprüferinnen und Betriebsprüfer. Das ist die eine Seite. Die zweite Seite ist, dass die Qualität der Arbeit der Finanzverwaltung auch dadurch zum Ausdruck kommen muss, dass eine Rechtsauffassung zu einem steuerlichen Sachverhalt, so sie einmal gebildet worden ist, bei gleichem Sachverhalt bei der nächsten Betriebsprüfung auch Bestand hat. Der Steuerpflichtige muss sich darauf verlassen können. Denn die Unternehmen müssen auf berechenbarer Grundlage ihre Arbeit machen können. Das gilt für die Realwirtschaft genauso wie für die Finanzdienstleistungsbranche.

Deshalb investieren wir jetzt in zusätzliches Expertenwissen hinsichtlich der Beurteilungen dieser internationalen

Steuergestaltungen. Die Finanzämter in Frankfurt haben in Deutschland einen extrem guten Ruf. Wenn man mit deren Bediensteten einen Sachverhalt erörtert hat und die steuerliche Beurteilung abgeschlossen ist, dann kann man sich darauf verlassen, dass diese Rechtsauffassung Bestand hat. Man kann dann auf der Basis ökonomische Entscheidungen treffen.

Das brauchen wir. Wir brauchen beides. Wir brauchen eine Betriebsprüfung, die hingeht, schaut und alles aufdeckt, was nicht in Ordnung ist. Auf der anderen Seite muss sie aber hinsichtlich ihrer eigenen Rechtsauffassung verlässlich sein, damit sich unsere Wirtschaft weiterhin so entwickeln kann und damit wir unsere Arbeit machen können.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wenn es international wird, wird es natürlich komplexer. Herr Schäfer-Gümbel, ich bin Ihnen sehr dankbar, dass Sie den Hinweis auf die Frage des Verschiebens der Lizenzströme gegeben haben. Es war eine hessische Initiative, mit der die Frage des Umgangs mit diesen Lizenzboxen auf die nationale politische Ebene gehoben wurde.

Ich will das jetzt sehr vorsichtig formulieren. Meine Hoffnung, damit auf der Seite des Bundesfinanzministers positive Resonanz zu erzielen, ist etwas größer als die, dass es Bereitschaft im Bundeswirtschaftsministerium gibt, sich bei dieser Frage solidarisch zu erklären.

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Herr Schäfer, das werden wir in den nächsten Tagen sehen! Ich bin sehr gespannt, wie sie reagieren!)

Vielleicht haben wir gemeinsam die Aufgabe, die Beteiligten zu überzeugen. Wenn Ihnen das bei Herrn Gabriel gelingen sollte, wäre ich sehr zufrieden. Dann werden wir das auf der anderen Seite auch schaffen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und des BÜND- NISSES 90/DIE GRÜNEN – Michael Boddenberg (CDU): Dann hätte sich die heutige Debatte schon gelohnt!)

Ich komme jetzt auf das Thema Apple zu sprechen. Da haben Sie mich natürlich in eine nicht einfache Situation gebracht.

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Deswegen habe ich Ihnen die Brücke mit dem Steuergeheimnis gebaut! Sie müssen dazu nichts sagen!)

Ich kann Ihnen nur das sagen, was durch eine Internetrecherche ermittelbar ist. Die Beihilfeentscheidung der Europäischen Kommission bezog sich ausschließlich auf die beiden in Irland tätigen Gesellschaften. Die Europäische Kommission hat ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es dabei um die regulär ermittelte Höhe der Einkünfte in Irland gegangen ist. Es waren also die Einkünfte in Irland, die dort einer zu niedrigen Besteuerung unterworfen wurden.

Zweitens. Das ist das, was Sie angesprochen haben. Die wesentlichen ökonomischen Aktivitäten von Apple in Europa werden von Irland aus gesteuert. In aller Regel wird das dann in den jeweiligen Nationen nur über Vertriebsgesellschaften gesteuert. Die von Ihnen angeführten Vertriebsgesellschaften sind im Wesentlichen relativ nah am Kunden. Das sagt schon der Name Retail.

Jetzt ist schlicht die Frage – das ist immer Gegenstand der Betriebsprüfung, mehr sage ich dazu nicht –, ob mit den sogenannten Verrechnungspreisen die Lieferung der Leistungen im internationalen Verkehr angemessen oder nicht angemessen beurteilt wurde. Das ist eines der Problem, die wir in der Europäischen Union haben. Deshalb setzen wir Hessen uns seit Jahr und Tag dafür ein, dass es zu einer gemeinsamen konsolidierten Körperschaftsteuerbemessungsgrundlage innerhalb der Europäischen Union kommt, damit es diese Verrechnungspreissystematik nicht mehr gibt.

Sie sollten sich einmal anschauen, wie viele Betriebsprüferinnen und Betriebsprüfer in großen internationalen Konzernen den ganzen Tag nur damit beschäftigt sind, die Verrechnungspreise zwischen den verschiedenen Volkswirtschaften zu prüfen. Wenn wir das zumindest innerhalb der Europäischen Union nicht mehr machen müssten, weil wir eine gemeinsam festgestellte Bemessungsgrundlage hätten, wäre sehr viel gewonnen. Wir könnten uns dieses Spielchen dann vollständig sparen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und des BÜND- NISSES 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Thors- ten Schäfer-Gümbel (SPD))

Damit sind wir beispielsweise auf der nationalen Ebene – allerdings, muss ich zugeben – eines der wenigen Bundesländer. Die meisten SPD-regierten Bundesländer sind in dieser Frage anderer Auffassung. Die wollen nämlich die gemeinsame Körperschaftsbemessungsgrundlage nicht haben, weil ihnen die Folgedebatten mit den Kommunen über die Gewerbesteuern mit all diesen Fragen sehr unangenehm sind. Deshalb sind sie an der Stelle auf andere Weise unterwegs. Lieber Herr Schäfer-Gümbel, insofern haben Sie in Ihrer Partei noch eine Menge Überzeugungsarbeit zu leisten, um am Ende dafür zu sorgen, dass wir vorankommen.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Ja, ja, ja!)

Lassen Sie mich eine letzte Bemerkung hinsichtlich der Grunderwerbsteuer machen. Sie haben in den letzten Tagen gesehen, dass wir eine Initiative ergriffen haben, um auf der nationalen Ebene eine Mehrheit dafür zu generieren, was wiederum unter den Finanzministern nicht ganz einfach war. Wir müssen zunehmend feststellen, dass diejenigen, die sich als Privatleute ein Häuschen kaufen, gestiegene Grunderwerbsteuersätze zahlen müssen, während diejenigen, die Grundstücke über Grundstückshaltegesellschaften halten, durch den Versuch, das „Unternehmen“ in bestimmten Prozentsätzen anders zu veräußern, die Grunderwerbsteuer weitestgehend vermeiden können. Das ist am Ende mit Steuergerechtigkeit nicht vereinbar.

(Beifall der Abg. Norbert Schmitt und Marius Weiß (SPD))

Deshalb brauchen wir bei der Grunderwerbsteuer möglicherweise sogar einen vollständigen Systemwechsel. Das stößt nicht bei allen auf Sympathie. Es stellt aber sicher, dass am Ende nicht die Großen steuerfrei ausgehen und die Kleinen die Steuern zahlen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, das geht nicht.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Wieder sind wir mit Ruhe, Gelassenheit und Augenmaß an der Spitze der Bewegung, um sicherzustellen, dass eine

gleichmäßige Besteuerung stattfindet. Diesen Weg werden wir fortsetzen. – Ich bedanke mich für die Unterstützung auf diesem Weg.