Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Islamismus stellt derzeit eine der größten terroristischen Bedrohungen dar. Islamisten versuchen mit Waffengewalt, Brutalität und Menschenverachtung, anderen ihren Glauben aufzuzwingen und ihre rückwärtsgewandte Herrschaft auszudehnen. Zu den Opfern zählen all jene, die von den Fanatikern als Ungläubige betrachtet werden, darunter Christen, Atheisten und, nicht zu vergessen, viele Menschen, die sich selbst als Muslime verstehen – allesamt unschuldig. Wir sehen mit Sorge, wie das todbringende Glaubensverständnis der Fundamentalisten zunehmend nach Europa greift. Eine lange Reihe islamistischer Gewaltverbrechen in Europa erschüttert auch unsere freiheitliche demokratische Ordnung.
Ich sage aber auch, dass es auch und gerade in angespannten Zeiten, in Zeiten mit einer großen Bedrohungslage, mit großen Ängsten in der Bevölkerung unsere Aufgabe ist, zu differenzieren – zu differenzieren zwischen dem Islam, dem Islamismus und dem Salafismus.
(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Nancy Faeser (SPD))
Auch bei dem Salafismus gilt es, zwischen dessen einzelnen Ausprägungen mit ihren damit verbundenen Gewaltbereitschaften zu differenzieren. Erstens gehört sich dies so, und zweitens erhöht diese reflektierende Diskussion unsere Chance, im präventiven Bereich noch erfolgreicher zu sein.
In Hessen und in Deutschland müssen wir den gesellschaftlichen Zusammenhalt wahren. Dazu gehört auch der Schulterschluss mit den vielen friedliebenden Muslimen gegen gewaltbereite und Gewalt suchende Islamisten.
(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Nancy Faeser (SPD) und Mürvet Öztürk (fraktionslos))
Dabei müssen wir neben den Gewalttätern auch die geistigen Brandstifter im Auge behalten. Oft sind sie es, die durch eine unmenschliche Koranauslegung die Stichworte, die Ansätze für die Radikalisierung anderer liefern.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, wenn wir in Zukunft ein „Noch mehr“ an Kooperationsbereitschaft wünschen, hilft die differenzierte Betrachtung – differenzieren, nicht schönreden, nicht kleinreden. Aber wenn wir lesen, dass in diesem Jahr in Hessen noch kein Islamist in den Dschihad gezogen ist, wenn wir eine steigende Sensibilisierung in den Vereinen, Schulen, Moscheegemeinden bezüglich beobachtbarer Verhaltens- oder sogar Wesensänderungen feststellen konnten, wenn wir den einen oder anderen sogar zum Ausstieg bewegen konnten, dann hat dies sicherlich auch mit unseren präventiven Bemühungen zu tun.
Die „Beratungsstelle Hessen – Religiöse Toleranz statt Extremismus“ leistet hierbei einen eminent wichtigen Beitrag. Dafür Dank, Respekt und Anerkennung.
(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Nancy Faeser (SPD) und Hermann Schaus (DIE LINKE))
Ich begrüße daher sehr gern die Herren Celik und Ülger hier auf der Besuchertribüne, Projektkoordinator und Mitarbeiter dieses wichtigen Netzwerks. Es ist uns eine große Freude, Sie hier begrüßen zu können.
Die hessische Beratungsstelle ist von der Ihnen allen bekannten Initiative „Deutschland – Land der Ideen“ in diesem Jahr ausgezeichnet worden. Diese Auszeichnung ist ein hochverdientes Lob für die engagierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Beratungsstelle – wissen wir doch alle, dass hier hoch professionell gearbeitet wird, die Mitarbeiter sich überdurchschnittlich engagieren und es dort niemanden gibt, der Dienst nach Vorschrift macht. Dies ist auch gut so; schließlich richten sich die Beratungsfälle genauso wenig nach der Dienstzeit wie die Einsätze des Kriseninterventionsdienstes des Roten Kreuzes. Nein, wenn es einen Hinweis beispielsweise aus dem familiären Umfeld gibt, ein Jugendlicher stehe kurz vor der Ausreise, um sich den Terroristen des IS anzuschließen, kann das nicht warten – genauso wenig, wenn wir von einer beobachtbaren Radikalisierung, man spricht auch von Turboradikalisierung, erfahren.
Auch Lehrer, Jugendliche, Vereine und nicht zuletzt die Kommunen finden in der Beratungsstelle kompetente Ansprechpartner. Hier werden wichtige Informationen geliefert, hier wird sensibilisiert, hier wird mit Rat und Tat geholfen. Auf die erfreulicherweise gestiegene Sensibilisierung habe ich bereits hingewiesen. Deshalb dürfen wir nicht müde werden, immer wieder unseren Bürgern zu sagen: Scheuen Sie sich nicht, sich an die Beratungsstelle zu wenden, wenn Sie in Ihrem Umfeld Menschen erleben, die sich augenscheinlich radikalisieren. Wir sind nicht machtlos, und je früher wir intervenieren können, umso besser.
Es war der hessische Innenminister Peter Beuth, der frühzeitig die Zeichen der Zeit erkannt hat und das Präventionsnetzwerk gegen Salafismus, zu dem die Beratungsstelle gehört, ins Leben gerufen hat.
Hessen war das erste Bundesland, das ein solches Netzwerk gegründet hat. Seit der Gründung im Jahr 2014 haben wir die Mittel dafür versechsfacht. 1,2 Millionen € stehen allein in diesem Jahr bereit. Wir haben damit in Hessen eine Art Blaupause geliefert. Dass die anderen Bundesländer jetzt nachziehen, ist gut und erforderlich; denn Islamismus macht vor Ländergrenzen nicht halt.
Den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Netzwerks wünsche ich allen Erfolg. Sie leisten einen herausragenden Beitrag für die Sicherheit und den Zusammenhalt in unserem Land. Meine Damen und Herren, Hessen verlässlich sicherer zu machen, daran werden wir auch künftig mit aller Entschlossenheit arbeiten – mit Sanktionen, wenn es nicht mehr anders geht, aber lange zuvor mit Information und Prävention. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte vorausschicken, dass das Land Hessen mittlerweile durchaus Fortschritte im Kampf gegen den islamistischen Extremismus gemacht hat. Das Hessische Präventionsnetzwerk – und hier ganz zentral das Violence Prevention Network als Schaltstelle – hat gezeigt, dass es einen erheblichen Beitrag zur Beratung von radikalisierten Jugendlichen und deren Angehörigen sowie zur aktiven Prävention vor Radikalisierung leistet. Für diese Arbeit gilt es Dank zu sagen. Es ist überwiegend das Verdienst, dass VPN mit dem Projektpreis der Initiative „Deutschland – Land der Ideen“ ausgezeichnet wurde. Ich kann mich dem von Holger Bellino ausgesprochenen Dank nur anschließen.
Aber, lieber Holger Bellino – auch darin sind wir uns einig –, diese positiven Entwicklungen und Teilerfolge dürfen nicht dazu führen, sich auf dem Erreichten auszuruhen oder sich gar in Selbstzufriedenheit zurückzulehnen und auf die Schulter zu klopfen, wie es für diese Landesregierung und diese Koalition durchaus typisch ist.
Zum Ersten muss man sich vor Augen führen, dass die Landesregierung erst auf massiven politischen Druck und Hinweise auf die dramatischen Folgen der eigenen Zögerlichkeit aus ihrem Dornröschenschlaf erwacht ist, obwohl das Problem der islamistischen Radikalisierung deutlich war.
Es steigerte sich in seiner Intensität. Ich darf nur in aller Kürze nennen: die im Jahr 2014 zunehmenden Aktivitäten der „Lies!“-Aktion und des Salafistenpredigers Pierre Vogel auch in Hessen, insbesondere in Offenbach und in Frankfurt; die stetig steigende Zahl an Ausreisen gerade Jugendlicher in den Heiligen Krieg im Irak und in Syrien in den letzten zwei Jahren; die salafistischen Übergriffe auf ein Jugendhaus in Frankfurt im Juni 2014, das ist mehr als zwei Jahre her, und die dann erst äußerst schleppend in Gang gekommenen Ermittlungen in der Sache – wir hatten seinerzeit Strafanzeige gestellt, weil seitens der Justiz nichts passiert war und es dann langsam in Gang kam –;
die Ausreise des Salafisten Hassan M., obwohl dieser zu diesem Zeitpunkt die kleine Fußfessel getragen hatte, man ihn aber trotzdem nicht unter Kontrolle hatte.
Meine Damen und Herren, Sie werden sich erinnern, dass wir als Freie Demokraten vor dem Hintergrund dieser Entwicklung im Juni 2014 schon eine Landtagsanhörung angeregt hatten, die erfreulicherweise im Januar 2015 auf Beschluss aller Fraktionen zweitägig durchgeführt wurde und wichtige Erkenntnisse geliefert hat, aus denen wir noch heute Nutzen ziehen und mit denen wir alle zusammen arbeiten können.
Sie werden sich auch an die Verdreifachung der Mittel vor dem Hintergrund dieser Ermittlungen erinnern. Wir als Freie Demokraten waren es, die 2014 mit Haushaltsanträgen letztlich die Verdreifachung der Mittel in Gang brachten.
Wir freuen uns, dass die Koalition das aufgenommen hat. Herr Kollege Frömmrich, es wurde in Beratungen von den Regierungsfraktionen aufgenommen und wurde dann Bestandteil des Haushalts. Wir haben gar nichts dagegen. Im Gegenteil, wir freuen uns darüber, dass das funktioniert hat.
Das Bedauerliche ist immer wieder, dass wir Sie zum Jagen tragen mussten. Ich hoffe, das wird in Zukunft nicht mehr passieren müssen.
Diese Tatsachen und der Umstand, dass der Innenminister im Frühjahr kleinlaut die unvollständige Beantwortung unserer Anfrage zu salafistischen Anwerbeaktivitäten in und um Flüchtlingsunterkünfte in Hessen einräumen musste, sollten eigentlich zu einer etwas selbstkritischen Haltung der Koalition und der Landesregierung zu diesen Fragen führen.
Ich will zum Zweiten anführen – Kollege Bellino hat auch darauf hingewiesen –: Die Herausforderungen sind weiterhin groß. Es sind viele Baustellen offen, und es gibt absolut keinen Grund zur Entwarnung, wie wir auch an den jüngsten Verhaftungen von Terrorverdächtigen in Schleswig-Holstein sehen konnten.
Eine Tatsache – das muss man auch einmal sagen –, warum Hessen richtigerweise in der Bekämpfung des Salafismus besonders aktiv ist, liegt darin, dass es hier auch notwendig ist, notwendiger als in anderen Bundesländern. Hessen ist ein Hotspot der salafistischen Bewegung; das bestätigt auch das Landesamt für Verfassungsschutz.
(Beifall bei der FDP und der Abg. Nancy Faeser (SPD) – Florian Rentsch (FDP): Das ist mehr als bedenklich!)
Wie wir aus der Beantwortung unserer bereits angesprochenen Anfrage vom Innenminister wissen, gibt es nach wie vor umfangreiche Versuche vonseiten der Salafisten, in und um Flüchtlingsunterkünfte gerade junge Muslime für ihre Sache zu gewinnen.
Vor dem Hintergrund verschiedener Äußerungen in den letzten beiden Tagen sage ich auch sehr deutlich: Der erfreuliche – darin sind wir uns sicherlich einig – Rückgang der Koranverteilungsaktion im Rahmen des „Lies!“-Projekts sollte niemanden zu dem Rückschluss verleiten, dass die Indoktrinierungsversuche der Islamisten damit beendet seien oder dass das ein besonderer Erfolg der Arbeit der Sicherheitskräfte in Hessen sei. Vielmehr weist der – wenn ich mir den Bericht des Hessischen Rundfunks anschaue – offensichtlich regelmäßig besser als die Landesregierung informierte Sender darauf hin, dass Ursache insbesondere Streitigkeiten innerhalb der „Lies!“-Aktion und daraus folgende finanzielle Schwierigkeiten sind.
Das ist der Punkt. Herr Kollege Tipi, die haben sich intern zerstritten. Es geht ums Geld, was immer ein gefährlicher Punkt für solche Dinge ist. Das ist erfreulich, aber ich wüsste nicht, dass Sie ihnen das Geld entzogen hätten.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir werden dafür, wie auch bisher, die richtigen und wichtigen Maßnahmen der Landesregierung bei der Islamismusprävention, aber auch bei der Stärkung der Institutionen zur Strafverfolgung unterstützen. Aber wir werden auch darauf achten, dass die Landesregierung nicht in ihren Dornröschenschlaf zurückfällt. Wir haben einige Kleine Anfragen zu dem Thema laufen. Ich denke, die Antworten werden die Landesregierung wieder dazu bewegen, auch dort voranzuschreiten. – Danke sehr.