Protokoll der Sitzung vom 12.10.2016

(Beifall bei der FDP)

Danke, Herr Kollege Lenders. – Als nächster Redner spricht nun Kollege Weiß von der SPD-Fraktion. Bitte schön, Herr Kollege, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Minister Al-Wazir, ich fange einmal mit einem Lob an den Minister an.

(Zurufe von der SPD: Was?)

Ich meine das völlig ironiefrei. Das hat er sich in dem Punkt verdient. – Ich finde, er hat sich ein Lob verdient, dass er sich dieses Themas Lärmobergrenze annimmt, auch wenn die SPD das Thema überhaupt erst auf die Tagesordnung gebracht hat

(Michael Boddenberg (CDU): Wie bitte?)

und auch wenn er über zwei Jahre gebraucht hat, um eine Konzeption vorzulegen – geschenkt. Neun Jahre nach dem Planfeststellungsbeschluss und 16 Jahre nach der Mediation ist das Thema Lärmobergrenze überfällig. Sie sind der

erste Verkehrsminister, der sich dieses Themas annimmt. Dafür haben Sie sich ein Lob verdient.

(Beifall bei der SPD)

Dabei nehme ich Sie auch gern gegen Herrn Kaufmann in Schutz, der Ihr Konzept gerade als „kleinen Schritt“ bezeichnet hat. – Das wars dann aber auch erst einmal mit der ungewohnten Milde.

(Holger Bellino (CDU): Das ist aber schade!)

Fangen wir einmal mit dem Verfahren an. Das Verfahren, wie diese Konzeption zustande gekommen ist, ist gerade eines grünen Ministers unwürdig. Nach dem sogenannten Lärmpausenmodell ist es nun zum zweiten Mal passiert, dass nicht alle Betroffenen – Fluglärmkommission, Forum Flughafen und Region, Fraport, Lufthansa, DFS etc. – bereits zur Erarbeitung der Konzeption einbezogen wurden. Dieses intransparente Verfahren ist eine Missachtung der Gremien der Region und zeugt von Arroganz, dass man der Meinung ist, bei einem so wichtigen und komplizierten Punkt im Vorfeld auf vielfältigen Sachverstand verzichten zu können.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Die Quittung dafür werden Sie noch bekommen. Wenn ein FDP-Minister ein solch intransparentes Verfahren an den Tag gelegt hätte und ein Beteiligungsgremium derart missachtet hätte, dann hätten gerade die GRÜNEN aufgeschrien. Jetzt legen Sie ein solches Handeln selbst an den Tag. Herr Al-Wazir, wenn Sie Ende der Neunzigerjahre Minister gewesen wären und so agiert hätten, wie Sie heute agieren, hätte es niemals eine Mediation zum Frankfurter Flughafen gegeben.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Sie haben offensichtlich nicht einmal in anderen Ministerien um rechtlichen Rat gefragt. Man könnte ja auf die Idee kommen, vielleicht einmal im Justizministerium zu fragen. Die wären ganz froh, wenn nicht jeder juristische Ratschlag von ihnen, wie bei Frau Puttrich, im Mülleimer landet,

(Zuruf des Abg. Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD))

sondern wenn den vielleicht einmal jemand annimmt. Aber auch da waren Sie offensichtlich der Meinung, dass Sie keine Beratung brauchen.

Ein zweiter Punkt zum Verfahren – das geht jetzt in Richtung Koalitionspartner und Ministerpräsident Bouffier – betrifft die Beteiligung der Opposition. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, es gab einmal einen Konsens der ausbaubefürwortenden Parteien, und das hatte einen Sinn. Es gibt Entscheidungen, die von so großer Tragweite sind, weit über eine Legislaturperiode hinaus, dass sie im Sinne der gesellschaftlichen Akzeptanz auf eine möglichst breite Basis gestellt werden sollten. Diesen Konsens hat die CDU verlassen.

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): So ist es!)

Es gab ein Angebot des SPD-Landes- und -Fraktionsvorsitzenden an den Ministerpräsidenten, im Sinne der Sache, im Sinne des Unternehmens, im Sinne der Betroffenen und im Sinne der Region über die üblichen Grenzen von Regierung und Opposition hinweg zusammenzuarbeiten. Diese ausgestreckte Hand der SPD hat der Ministerpräsident ausgeschlagen. Meine Damen und Herren, wer diesen Konsens verlässt, der kann nicht erwarten, dass die Opposition

zu dem, was sich die Koalition im stillen Kämmerlein ausgedacht hat, einfach Ja und Amen sagt.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Jürgen Lenders (FDP))

So funktionieren Beteiligung und Kooperation jedenfalls nicht. Aber vielleicht ist das auch der neue Stil von Schwarz-Grün. Mich wundert da jedenfalls nichts mehr.

Immerhin gehen Sie jetzt auf die Betroffenen zu, um auszuloten, ob die Konzeption umsetzbar ist. Ich prophezeie Ihnen jetzt schon, dass Sie mit Ihrem Vorschlag zur Lösung des Spannungsverhältnisses zwischen dem Entwicklungspotenzial des Frankfurter Flughafens auf der einen Seite und dem Lärmschutzbedürfnis der Bevölkerung auf der anderen Seite sehr schnell feststellen werden, dass Sie diese Abwägung zulasten der Entwicklung des Frankfurter Flughafens vollzogen haben. Darauf wird Sie die Fraport AG in den Gesprächen sicherlich hinweisen.

Ich will Ihnen das an einem Beispiel dokumentieren. Sie haben vielleicht in den letzten Tagen in der Presse verfolgt, dass der Vorstandsvorsitzende der Fraport ein Problem hat, weil sein Unternehmen nicht wächst. Das liegt unter anderem daran, dass die Lufthansa in Frankfurt nicht wächst. Die Lufthansa wächst mit ihrer Eurowings, aber nicht in Frankfurt, sondern in München.

(Janine Wissler (DIE LINKE): Wo soll die denn noch hinwachsen?)

Überhaupt wachsen die Low-Cost-Carrier, aber nicht in Frankfurt, sondern an den anderen deutschen Standorten, vor allem in Berlin.

Die Fraport will natürlich an diesem wachsenden Markt partizipieren, was unter anderem auch an dem Brexit liegt. Easyjet und Ryanair drängen vermehrt auf den deutschen Markt. Ein Element der Fraport dafür ist der Antrag auf eine Entgeltordnung, mit der genau versucht wird, neue Airlines anzulocken. Fraport hat einen Anteil von lediglich 4 % Low-Cost-Carriern. Herr Schulte hat mitgeteilt, dass er diesen Anteil erhöhen will. Wahrscheinlich gibt es dazu sogar in diesem Jahr noch Neuigkeiten. Zum Vergleich: München hat einen Anteil von 15 % Low-Cost-Carriern, und darin sind noch nicht die Eurowings-Flüge enthalten, die jetzt von München aus fliegen sollen.

Zum Stichwort Eurowings vielleicht zwei Punkte. Herr Minister, ich frage mich schon, wo Sie als Wirtschafts- und Verkehrsminister sind, wenn jetzt z. B. die Lufthansa entscheidet, dass Eurowings von München und nicht von Frankfurt aus fliegen soll. Wo ist da der Wirtschaftsminister, der sich für den Standort Frankfurt einsetzt?

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Timon Grem- mels (SPD): Abgetaucht!)

Wenn die Lufthansa entscheidet, dass die zehn neuen A350, die sie jetzt anschafft und die leise sind, ab Januar nächsten Jahres in München und nicht in Frankfurt stationiert werden, wo ist da der Wirtschafts- und Verkehrsminister, der sich offen dafür einsetzt, den Standort Frankfurt zu stärken?

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Heute Abend ist parlamentarischer Abend der Lufthansa. Herr Minister, ich gehe davon aus, dass Sie all diese Forderungen da vorbringen werden.

Wenn Fraport bis zum nächsten Jahr ihren Low-Cost-Carrier-Anteil auf die 15 % von München – ohne Eurowings – steigern sollte, bedeutet dies, dass bei jetzt 460.000 Bewegungen die Bewegungszahl um ca. 60.000 Bewegungen steigt. Liebe Kolleginnen und Kollegen, damit ist das Kontingent an zusätzlichen Flügen im Konzept von Minister Al-Wazir verbraucht, und das bereits im Jahr 2018. Aus diesem Grund kann der Vorstand der Fraport der Konzeption von Herrn Al-Wazir gar nicht folgen. Ich sage das jetzt einmal an die Reihen der CDU, weil ich mir nicht sicher bin, ob Ihnen überhaupt bewusst ist, was der grüne Minister Ihnen hier unterjubeln will.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Weg, den wir vorschlagen, ist ein anderer. Wenn auf der Grundlage einer Verkehrsprognose für einen Zeitraum von 15 Jahren – wie in der Planfeststellung – dem Flughafen Entwicklungsmöglichkeiten eröffnet werden und gleichzeitig für diesen Zeitraum die technisch möglichen und umsetzbaren Lärmreduzierungspotenziale an der Quelle, also am Flugzeug und bei den Flugverfahren, identifiziert und verbindlich festgeschrieben werden, ist das eine Möglichkeit, mit der man einerseits eine rechtlich verbindliche Lärmobergrenze schaffen kann und andererseits der Fraport einen Weg aufzeigen kann, den sie unseres Erachtens mitgehen kann. Ob diese Festschreibung dann in der Betriebsgenehmigung oder in der Planfeststellung erfolgt, ist ein zweiter Schritt, der gesondert zu betrachten ist.

Der Weg, den Sie jetzt gehen, wird keinen Erfolg haben. Die Begründung NORAH, wie in Punkt 5 Ihres Antrags, geht rechtlich nicht; das wissen Sie selbst auch. In Punkt 6 Ihres Antrags jetzt den Landtag Ihrer Konzeption eine rechtliche Absolution erteilen lassen zu wollen ist ebenfalls abenteuerlich.

Herr Al-Wazir, Sie werden zu diesem Thema noch viel zu erklären haben, und das haben Sie selbst zu verantworten. Es gibt schließlich kein wirkliches Konzept. Hier wird immer von einem Konzept geredet. Es gibt kein Konzept. Alles, was es gibt, ist eine Präsentation. Alles, was wir haben, ist eine Präsentation, die natürlich wieder von einer externen Firma grafisch aufgehübscht wurde, die aber auf viele zentrale Fragen keine Antworten gibt und in der im Übrigen nicht eine einzige Rechtsgrundlage genannt wird, auf der das ganze Handeln erfolgen soll – nicht eine Rechtsgrundlage. Aber es ist nicht das erste Mal, Herr Minister, dass Sie uns statt belastbarer Konzepte hier lediglich Powerpoint-Karaoke vorführen.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Herr Minister, wenn Sie gleich am Pult sind, erklären Sie uns vielleicht einmal, wo denn Ihre roten Linien in den anstehenden Verhandlungen liegen. Ich brauche nur zu verhandeln, wenn ich auch bereit bin, von meinen eigenen Vorstellungen etwas zur Disposition zu stellen; ansonsten sind Verhandlungen reines Alibi. Was steht aus Ihrer Sicht von dem, was Sie in Ihrer Präsentation beschrieben haben, zur Disposition? Das würde mich interessieren. Vielleicht machen Sie dazu gleich ein paar Ausführungen.

Ich will zum Schluss auf drei Punkte rekurrieren. Die SPD will eine Lärmobergrenze. Wir wollen eine Lärmobergrenze, die rechtlich verbindlich ist, einen fairen Interessenausgleich zwischen dem Unternehmen und den Betroffenen vornimmt und die Beteiligungsrechte der Betroffenen respektiert. In allen drei Punkten unterscheiden wir uns von

der Landesregierung. Von daher sind wir sehr gespannt, was jetzt von Herrn Al-Wazir vorgeschlagen und vorgestellt wird. Das, was bis jetzt vorliegt, ist aus den von mir vorgetragenen Gründen für uns nicht zustimmungsfähig. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Danke, Herr Kollege Weiß. – Als nächste Rednerin spricht nun Frau Kollegin Wissler von der Fraktion DIE LINKE. Bitte schön, Frau Kollegin, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! 300.000 Menschen sind derzeit in der Rhein-Main-Region von Fluglärm betroffen. Zum Thema Fluglärm hieß es einst im Wahlprogramm der GRÜNEN: „So, wie es jetzt ist, kann es nicht bleiben.“ Mittlerweile ist klar: So, wie es ist, wird es auch nicht bleiben; denn es wird noch lauter.

Statt endlich entschieden einzugreifen, geht sogar der Ausbau des Flughafens noch weiter. Mit dem Terminal 3 werden neue Kapazitäten und die Möglichkeit geschaffen, dass in Zukunft noch mehr Flugbewegungen abgefertigt werden.

Deswegen sagen wir: Wer Fluglärm ernsthaft bekämpfen will und wem die Gesundheit der Menschen in der Region am Herzen liegt, der muss bereit sein, sich mit der Luftverkehrswirtschaft und deren Interessen anzulegen, der kann nicht Konzepte stricken, die am Ende der Luftverkehrswirtschaft nicht wehtun und ein immer weiteres Wachstum eines Flughafens inmitten eines Ballungsgebiets ermöglichen.

(Beifall bei der LINKEN)

Die schwarz-grüne Landesregierung hingegen bringt ein Placebo nach dem nächsten auf den Weg. Aus der grünen Forderung im Wahlprogramm nach einem achtstündigen Nachtflugverbot wurden die sogenannten Lärmpausen, die je nach Wind- und Wetterlage mal eingehalten werden und mal nicht, die Lärm verschieben, statt ihn zu reduzieren. Aus dem grünen Nein zum Terminal 3 wurde eine Bedarfsprüfung. Der Baugenehmigung, ausgestellt durch einen grünen Dezernenten aus Frankfurt, folgte der Bau.

Der weitere Protest der GRÜNEN beschränkte sich darauf, dass Herr Minister Al-Wazir dem feierlichen Spatenstich von Fraport fernblieb. Das ist quasi das schärfste Schwert der GRÜNEN gegen den Bau von Terminal 3: der Verzicht auf Sekt und Schnittchen bei der Fraport, dass man nicht zum Spatenstich geht. Viel mehr hat der Minister leider nicht getan, um den Bau von Terminal 3 zu verhindern.