Auch das haben Sie erwähnt: Will ich vielleicht das Interesse an der Gebärdensprache wecken, um mehr Kinder für den Beruf des Gebärdensprachdolmetschers zu begeistern? Meiner Meinung nach ist aber deshalb der Wahlpflichtunterricht nicht notwendig. Vielmehr gibt es andere Ansätze, die wir wählen sollten.
Auch das haben Sie erwähnt: Auch in anderen Bundesländern gibt es die Möglichkeit, Gebärdensprachunterricht anzubieten. Die Nachfrage in den Schulen ist aber als sehr gering zu beurteilen. Erstens ist es sehr schwierig, geeignete Lehrkräfte zu finden, die die Gebärdensprache nicht für den anderen Unterricht nutzen, sondern die die Gebärdensprache als Sprache unterrichten. Zweitens ist die Gebärdensprache keineswegs leicht zu erlernen. Deshalb ist zu fragen: Finden sich genug Schüler, die den Wahlpflichtunterricht über mehrere Jahre in der Regelschule benotet haben wollen?
Ich habe deshalb noch einmal Kontakt mit Vertretern von einer der vier Förderschulen für Hörgeschädigte in Hessen aufgenommen. An dieser Schule wird Gebärdensprache bereits unterrichtet. Dort können die Kinder von Anfang an, also sobald sie dort eingeschult werden, mit ihren Mitschülern, die überhaupt kein Hörvermögen haben, über Gebärdensprache kommunizieren. Das ist für mich der entscheidende Unterricht. Denn dieser beginnt bereits in der 1. Klasse.
Frau Geis, mir ist die Notwendigkeit der Einführung eines benoteten Wahlpflichtfaches in Hessen auch nach der Rede von Ihnen nicht ersichtlich. Aber wir sind gerne bereit, mit Ihnen im Ausschuss weiter über die Einführung der Gebärdensprache zu diskutieren.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist sinnvoll, sich mit den Grundlagen zu beschäftigen,
wenn man über solche Veränderungen redet. Laut den Zahlen, die ich mir herausgesucht habe, haben wir derzeit 151 Schülerinnen und Schüler mit festgestelltem sonderpädagogischen Förderbedarf in dieser Art, die in Hessen am gemeinsamen Unterricht teilnehmen. Das sind 1,9 % der Schülerinnen und Schüler, die sonderpädagogische Förderung erhalten.
Wir haben im Gegenzug 736 Schülerinnen und Schüler, die an Förderschulen mit Förderschwerpunkt Hören unterrichtet werden. Das ist also deutlich die größere Zahl. Übereinstimmend ist natürlich das Ziel, das kommunikative Verhalten, das sprachliche Handeln und die Integration zu fördern, sodass die betreffenden Kinder und Jugendlichen gemeinsam an der kulturellen Welt der Hörgeschädigten und der Hörenden teilnehmen können.
Der Antrag mit der Forderung der SPD-Fraktion bezieht sich nicht auf alle allgemeinbildenden Schulen, sondern nur auf die Schulen, die Kinder und Jugendliche mit dem Förderschwerpunkt Hören unterrichten. Ich glaube, das ist bei dieser allgemeinen Diskussion schon von erheblicher Bedeutung.
Es gibt hierzu § 30 der Verordnung zur Ausgestaltung der Bildungsgänge. Dort sind gewisse Gestaltungmöglichkeiten vorgesehen. Ich darf zitieren:
Die Gestaltungsmöglichkeiten, die der Wahlunterricht nach der Stundentafel für die Mittelstufe über das Fremdsprachenangebot hinaus bietet, kann die Schule nutzen, um durch Schwerpunktsetzungen ein eigenes Schulprofil zu entwickeln oder zu verstärken und es den Schülerinnen und Schülern zu ermöglichen, ihre Neigungen und Schwerpunkte auszuprägen.
Ich habe den Kultusminister wegen des Begehrens angeschrieben, Gebärdensprache als Wahlpflichtunterricht zu ermöglichen. Ich bekam eine ausführliche Antwort, für die ich mich bei dieser Gelegenheit noch einmal bedanken will. An der entscheidenden Stelle heißt es – ich zitiere drei Zeilen –:
Die Deutsche Gebärdensprache kann aus hessischer Sicht auch nicht als Wahlpflichtunterricht an allgemeinen Schulen angeboten werden, da neben der fehlenden Anerkennung als Fremdsprache die Voraussetzung des direkten Bezugs auf die Inhalte der Fächer des Pflichtunterrichts dieser Schulen fehlt.
Das ist richtig, wenn man sich auf die geltenden Regelungen des Hessischen Schulgesetzes zu den Unterrichtsgegenständen bezieht. Wenn ich mich richtig erinnere, ist es aber so, dass wir gestern gerade eine Novelle des Schulgesetzes in den Landtag bekommen haben. Wenn man den Willen hätte, etwas anzupassen, könnte man durchaus darüber nachdenken, im Gesetz eine entsprechende Veränderung vorzunehmen. Mir scheint es an dem Willen zu fehlen,
Ich sage einmal, was ich dazu recherchiert habe. Die Bremer Fraktion der GRÜNEN hat z. B. im September 2015 eine entsprechende Anfrage in die Bürgerschaft mit der Tendenz eingebracht, den Wahlpflichtunterricht dort zu ermöglichen. Berlin, Brandenburg und Hamburg haben ent
Frau Kollegin Ravensburg, wir sollten uns deswegen während einer Ausschusssitzung in der Tat noch einmal ausführlich mit der Frage beschäftigen. Denn wir reden, wie gesagt, nur über die Förderschulen mit dem Schwerpunkt Hören. Ich finde, da ist das Anliegen grundsätzlich zu begrüßen, das die SPD-Fraktion hier vorträgt. Jedoch müssen klare Kriterien erfüllt werden, was die Kursstärke, die Qualifikation etc. angeht.
Das Ganze ist ein Beitrag zur inklusiven Gesellschaft. Denn nicht nur die betroffenen Kinder, sondern die mit ihnen unterrichteten interessierten Kinder könnten von diesem Angebot Gebrauch machen und profitieren. Ich glaube, wir sollten das noch einmal sehr genau besprechen und überlegen, ob wir nicht gerade im Zuge der Schulgesetznovelle einen Weg finden, dort zu einer Lösung zu kommen. – Vielen Dank.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich hätte mir nicht nur anlässlich dieser Debatte, aber für diese ganz besonders, gewünscht, einen Gebärdensprachdolmetscher hier zu haben. Denn es wäre spannend gewesen, wenn in den Videos, die hinaus ins Land gehen, die Menschen, über die wir hier auch reden, nämlich die mit Hörschwierigkeiten, die Möglichkeit gehabt hätten, in ihrer Gebärdensprache zu verstehen, was wir hier debattieren.
Leider ist uns die Inklusion in diesem Haus nicht so viel wert gewesen – nicht einmal heute. Ich bedauere das sehr.
Wir reden über Schulen mit dem Schwerpunkt für hörgeschädigte Kinder. Wir sollten aber über alle Schulen reden. Wir sollten darüber reden, dass die Kommunikationsform Gebärdensprache ein Angebot wird, das die Kinder an den Schulen erlernen können. Damit würden wir einen Schritt in Richtung Inklusion in einer Art und Weise gehen, die ganz neu ist. Das würde nämlich bedeuten, dass alle Menschen die Möglichkeit hätten, mit einer speziellen Gruppe zu kommunizieren, die ansonsten Schwierigkeiten damit hat.
Wenn wir das anbieten würden, dann würden wir einen ernsthaften Schritt in Richtung Inklusion ermöglichen, und zwar deutlich über den Rahmen hinaus, dass das nur an Schulen angeboten werden soll, an denen die Betroffenen unterrichtet werden. Das wäre ein deutlicher Schritt in die Gesellschaft hinein. Denn dann könnte jede und jeder von uns, die wir hier sitzen, sich zumindest rudimentär – denn meistens lernt man eine Sprache an der Schule nur rudimentär – mit den Menschen verständigen, die sich in Gebärdensprache auseinandersetzen.
Wenn Sie Menschen treffen, die die Gebärdensprache – das ist fast schon das falsche Wort – sprechen, dann werden Sie sehr schnell feststellen, dass die Kommunikation ausgesprochen schwierig ist, weil wir bei dieser Sprache
totale Analphabeten sind. Diesem Zustand könnte man entgegenwirken, nicht schnell, nicht flächendeckend, aber doch sehr gründlich. Denn wenn alle die Möglichkeit hätten, diese Sprache zu erlernen, würde eine Barriere abgebaut. Es würde eine Schwelle abgebaut. Es würden Zugänge ermöglicht. Die Kommunikation würde verbessert. Das wäre dann eine Inklusion, wie sie im engeren Sinne des Wortes gemeint ist. Ich finde deshalb, dass es höchste Zeit ist, dass wir damit an den Start kommen.
Wir können uns gerne noch einmal in Hamburg umhören. Sie haben viele Jahre Erfahrung damit. Sie machen da schon eine ganze Menge, und das seit mindestens 20 Jahren. Wir könnten davon lernen und profitieren. Es ist höchste Zeit, dass wir das tun.
Deswegen kommt der Antrag nicht zur rechten Zeit. Eigentlich ist er längst überfällig. Aber es ist gut, dass er auf dem Tisch ist, und es ist gut, dass wir die Chance haben, darüber zu reden. Ich finde, wir sollten das angehen. Wir sollten das auch nicht kleingeistig und eng angehen, sondern groß und mutig. Wenn wir Inklusion wollen, müssen wir etwas dafür tun. Es wird uns etwas kosten. Ja, das ist richtig, aber es wird uns auch einen großen Gewinn bringen, und zwar für alle Menschen, die in diesem Land leben. In diesem Sinne sollten wir diesen Antrag sehr positiv beraten. – Herzlichen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Umsetzung der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen ist der schwarz-grünen Koalition eine Herzensangelegenheit. Wir haben daher auch schon eine Vielzahl von Initiativen und Maßnahmen gestartet, um dieses Ziel zu erreichen. Es freut mich natürlich, dass Kollege Degen das sogar als historisch bezeichnet, und das hier per Zwischenruf.
dass die Initiativen im neuen Schulgesetz von Frau Abg. Geis lobend erwähnt wurden. Es ist natürlich vollkommen klar: Dazu gehört auch das Inkludieren von Schwerhörigen und Gehörlosen.
Auch wir haben im Grundsatz überhaupt nichts dagegen einzuwenden, die Unterrichtung der Deutschen Gebärdensprache weiter auszudehnen. Allerdings haben wir im Detail ein paar Fragen zu dem, was die SPD heute als Antrag vorgelegt hat, weil wir glauben, dass das so nicht praktikabel ist.
Einen Punkt hat Frau Kollegin Geis schon bei der Einbringung hier relativiert, nämlich die Frage des Wahlpflichtfachs. Es ist so, dass der Wahlpflichtunterricht dann eine große Anzahl von Schulen, nämlich die Gymnasien, ausnehmen würde. Sie haben das zwischenzeitlich wahrgenommen und in Ihre Rede eingefügt, dass das wohl nicht zielführend wäre.
Das andere ist die Gleichsetzung der eigenständigen Sprache und der Fremdsprache, die Sie vorgesehen haben. Sie haben mit Ihrem Antrag eine Initiative von verschiedenen Elterninitiativen aufgegriffen und haben in Ihrer Rede dargestellt, dass Sie das gerne als gleichwertigen Ersatz einer Fremdsprache sehen würden. Ob das vom Inhalt her zielführend ist, weiß ich nicht. Denn zuerst einmal ist die Deutsche Gebärdensprache eine Ausdrucksform der deutschen Sprache. Wenn wir über Fremdsprache reden, ist es so, dass der Fremdsprachenunterricht nicht nur auf das Erlernen der Sprache ausgerichtet ist, sondern auch in den kulturellen Bereich, insbesondere in die fremdsprachliche Literatur, geht. Das sind natürlich Dinge, die in diesem Bereich nicht so sehr vorhanden sind. Daher müsste man noch einmal darüber diskutieren, ob das tatsächlich so sinnvoll ist.
Sie haben schon an den Worten von Frau Kollegin Ravensburg gehört, dass wir durchaus sehr offen dafür sind, wie man die Gebärdensprache an unseren hessischen Schulen weiter stärken kann. Wir würden dort mit größter Offenheit in die Ausschussberatungen gehen. Aber das, was Sie heute vorgelegt haben, Stichworte: Wahlpflichtfach und Fremdsprache, halten wir für schwierig und zweifelhaft. Von daher freuen wir uns auf die Ausschussberatungen und hoffen, dass wir dort mit großer Sachlichkeit zu einem Ergebnis kommen werden. – Vielen Dank.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Deutsche Gebärdensprache ist in der Tat von entscheidender Bedeutung für die Kommunikationsmöglichkeiten gehörloser Menschen und deswegen in Hessen schon seit vielen Jahren auch politisch als Sprache anerkannt – das ist hier von mehreren Rednern erwähnt worden.
Zwar – das muss man hinzufügen – werden in den meisten Fällen gehörlose Kinder in ein hörendes Umfeld geboren, sodass nur sehr wenige Eltern eine ausschließlich gebärdensprachliche Kommunikation wünschen und betreiben. Wo das aber der Fall ist, ist die Deutsche Gebärdensprache auch die Muttersprache.
Meine Damen und Herren, deswegen fördern wir hörgeschädigte Kinder tatsächlich auf unterschiedliche Weise. Alle hörgeschädigten Schülerinnen und Schüler haben das Recht auf sonderpädagogische Unterstützung. Wo es durch gute Förderung und Nutzung optimaler technischer Hilfen möglich ist, arbeitet man auch auf eine lautsprachliche Orientierung hin. Das will ich hier nur deshalb erwähnen, um dem Missverständnis vorzubeugen, die Deutsche Gebärdensprache sei für alle hörgeschädigten Kinder per definitionem das alleinige Kommunikationsmittel. Das trifft so nicht zu. Weil das so ist, können wir auch fast zwei Drittel der hörbeeinträchtigten Schülerinnen und Schüler an den allgemeinen Grundschulen einschulen. Im Anschluss daran werden von diesen Schülerinnen und Schülern alle Schulformen einschließlich des Gymnasiums besucht.
Es gibt aber auch die vier hessischen Förderschulen mit dem Förderschwerpunkt Hören, die im Übrigen in eigener Regie die Bildungsgänge Grundschule, Hauptschule und Realschule anbieten und an denen selbstverständlich – darauf hat Frau Abg. Ravensburg schon hingewiesen – auch heute schon die Deutsche Gebärdensprache unterrichtet wird. Soweit Schülerinnen und Schüler, die tatsächlich auf die Deutsche Gebärdensprache angewiesen sind, die allgemeine Schule besuchen, werden sie außerdem durch jeweils zwei Gebärdensprachdolmetscher der Jugendhilfe begleitet. Natürlich könnte jede allgemeine Schule schon heute Deutsche Gebärdensprache als Wahlangebot oder im Rahmen einer Arbeitsgemeinschaft für ihre Schülerinnen und Schüler offerieren. Dieses Angebot wird bisher allerdings nicht genutzt.
Meine Damen und Herren, das ist der aktuelle Stand. Nun geht es um die Frage, die im Antrag der SPD-Fraktion steckt: Wie kann man dieses Angebot noch weiter stärken? Das ist im Übrigen ein gemeinsames Ziel – das will ich an dieser Stelle ausdrücklich betonen. Wir als Kultusministerium verfolgen das auch. Zum Beispiel möchten wir die Zahl der Gebärdensprachdozenten erhöhen, wenn eine Fortbildung in Deutscher Gebärdensprache für Hörgeschädigtenpädagoginnen und -pädagogen ab 2017 über die Lehrkräfteakademie angeboten wird.
Ich möchte die Gelegenheit nutzen – bevor wir das in den Ausschussberatungen weiter vertiefen –, ein paar Dinge zurechtzurücken, vor allem mit Blick auf die in dem Antrag der SPD-Fraktion genannten anderen Bundesländer, die angeblich alle schon sehr viel weiter sind, was einfach nicht stimmt.
Meine Damen und Herren, fangen wir mit Brandenburg an. Da ist der Hinweis auf den Unterricht als Fremdsprache. Herr Abg. May hat ihn aufgegriffen. Es ist einfach nicht richtig, dass die Deutsche Gebärdensprache irgendwo in Deutschland als Fremdsprache unterrichtet würde. Das geht auch gar nicht; denn das ist in den Fachgremien der Kultusministerkonferenz intensiv beraten und am Ende einhellig abgelehnt worden, und zwar aus den Gründen, die Herr May genannt hat: Weil die für einen Fremdsprachenunterricht konstitutive Auseinandersetzung mit fremdsprachlicher Literatur in der Deutschen Gebärdensprache per definitionem nicht stattfinden kann, kann die Deutsche Gebärdensprache auch nicht als Fremdsprache klassifiziert werden. Das ist Konsens aller Länder, auch in Brandenburg.