Protokoll der Sitzung vom 13.10.2016

Meine Damen und Herren, fangen wir mit Brandenburg an. Da ist der Hinweis auf den Unterricht als Fremdsprache. Herr Abg. May hat ihn aufgegriffen. Es ist einfach nicht richtig, dass die Deutsche Gebärdensprache irgendwo in Deutschland als Fremdsprache unterrichtet würde. Das geht auch gar nicht; denn das ist in den Fachgremien der Kultusministerkonferenz intensiv beraten und am Ende einhellig abgelehnt worden, und zwar aus den Gründen, die Herr May genannt hat: Weil die für einen Fremdsprachenunterricht konstitutive Auseinandersetzung mit fremdsprachlicher Literatur in der Deutschen Gebärdensprache per definitionem nicht stattfinden kann, kann die Deutsche Gebärdensprache auch nicht als Fremdsprache klassifiziert werden. Das ist Konsens aller Länder, auch in Brandenburg.

Weil man aber den Schülerinnen und Schülern trotzdem entgegenkommen will, hat man sich darauf verständigt – das hat Frau Abg. Geis zu Recht erwähnt –, dass man individuelle Lösungen findet, beispielsweise, wenn es um das Erreichen der allgemeinen Hochschulreife für Schülerinnen und Schüler geht, die nur aufgrund ihrer Hörbeeinträchtigung die zweite Fremdsprache nicht erbringen können, ansonsten aber alle Voraussetzungen für das Abitur erfüllen. Hier individuelle Lösungen zu finden, ist ebenfalls Konsens aller Länder und wird selbstverständlich vom Hessischen Kultusministerium mitgetragen.

Was den Wahlpflichtunterricht anbetrifft, gilt es wohl ein weiteres Missverständnis auszuräumen. Herr Abg. Greilich, Sie haben schon völlig zu Recht aus unserem Schreiben zitiert: Wahlpflichtunterricht setzt einen direkten Bezug auf die Inhalte des Pflichtunterrichts voraus. Das geht bei der Deutschen Gebärdensprache nicht. Herr Greilich, das einzige Problem ist: Das ist nicht eine isolierte Rege

lung des Hessischen Schulgesetzes, die wir uns irgendwann einmal in Hessen haben einfallen lassen. Denn das ist ein Konsens im Rahmen der Kultusministerkonferenz. Deshalb würde es uns an dieser Stelle nicht viel helfen, das Schulgesetz zu ändern. Auch das ist etwas, was man, wenn man Einheitlichkeit gewährleisten will, auch in der Kultusministerkonferenz beraten muss. Die Regelung in Brandenburg ist in dieser Hinsicht nicht ganz eindeutig. Aber eine Nachfrage beim brandenburgischen Ministerium hat ergeben: Es gibt da keine allgemeine Schule, die die Deutsche Gebärdensprache als Wahlpflichtunterricht anbietet. Das ist schlicht und ergreifend nicht relevant.

In Berlin und Hamburg steht das nicht einmal auf dem Papier. In Berlin und Hamburg gibt es jeweils eine Regelschule, eine allgemeine Schule, die die Deutsche Gebärdensprache anbietet. Das ist in Berlin die Grundschule im Blumenviertel und in Hamburg die Schwerpunktstadtteilschule Hamburg-Mitte. Aber die arbeiten genau auf der Basis, auf der auch in Hessen jede Schule arbeiten könnte, nämlich mit einem Wahlangebot bzw. einer Arbeitsgemeinschaft.

Jetzt geht es um die spannende Frage, ob man das vom Wahlangebot zum Wahlunterricht hochstufen kann, zwar nicht zum Wahlpflichtunterricht, aber zum Wahlunterricht. Das wiederum setzt einen Lehrplan voraus. Das ist der einzige Punkt – das muss man sagen –, bei dem diese Bundesländer tatsächlich einen Schritt voraus sind. Diese haben zwar noch keinen Wahlunterricht, aber immerhin schon einen in Kraft gesetzten Rahmenlehrplan.

Meine Damen und Herren, dahin wollen auch wir. Deswegen hat unsere Lehrkräfteakademie den Auftrag, auch einen solchen Rahmenlehrplan zu erarbeiten bzw. zu schauen, inwieweit man den Rahmenlehrplan aus Berlin, Hamburg und Brandenburg übernehmen kann. Wenn diese Arbeiten abgeschlossen sind, dann können wir das auch bei uns als Wahlfach etablieren. Natürlich brauchen wir dann auch eine Schule, die das anbietet. Vor dem gleichen Problem stehen aber auch die anderen Bundesländer.

Sie sehen, das aktuelle schulische Angebot ist in Hessen nicht schlechter als in den anderen Bundesländern. Wir machen uns gemeinsam mit anderen Bundesländern auf den Weg, um der Deutschen Gebärdensprache eine noch stärkere Stellung im Sinne eines Wahlfachs zu ermöglichen. Letzten Endes wird aber alles davon abhängen, wie das tatsächlich draußen angenommen wird. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor.

Damit kommen wir zur Überweisung des Antrags an den Kulturpolitischen Ausschuss. – Niemand widerspricht. Damit ist das Konsens, und der Antrag ist zur weiteren Behandlung an den Kulturpolitischen Ausschuss überwiesen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 14 auf:

Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend Ausweitung des Landesprogramms „Hessen – aktiv für Demokratie und gegen Extremismus“ – Prävention als wichtiger

Baustein im Kampf gegen Extremismus – Drucks. 19/3634 –

Die vereinbarte Redezeit beträgt fünf Minuten je Fraktion. Als Erster hat Herr Abg. Bauer für die CDU-Fraktion das Wort.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Hessen ist und bleibt aktiv im Einsatz für Demokratie und gegen Extremismus.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Vor gut einem Jahr haben wir hier im Landtag über die Einführung des Landesprogramms zur Extremismusbekämpfung gesprochen. Heute ist das Landesprogramm erneut Thema, und zwar aus gutem Grund.

Politischer Extremismus von Islamisten, von links, von rechts, von Ausländern und von anderen Gruppen bleibt eine der großen Herausforderungen unserer Zeit. Der jüngst vorgestellte Verfassungsschutzbericht hat uns das erneut sehr deutlich vor Augen geführt. Dass es in Deutschland gelingt, Anschläge zu verhindern, wie das zuletzt in Sachsen der Fall war, ist ein gutes Zeichen und ein Ausweis der Leistungsfähigkeit unserer Sicherheitsbehörden. Dafür möchte ich an dieser Stelle auch einmal ausdrücklich meinen Dank zum Ausdruck bringen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Meine Damen und Herren, wir Christdemokraten verfolgen eine doppelte Strategie. Wir stärken die Polizei und den Verfassungsschutz, weil ohne Erkenntnisse aus dem inneren Zirkel der Extremisten und ohne handfeste, auch repressive Maßnahmen der Kampf gegen den Extremismus nicht zu gewinnen ist. Alles andere wäre schlicht naiv.

Zugleich stärken wir auch die Prävention; denn jeder sich erst gar nicht Radikalisierende oder aus der Radikalisierung auf den Boden unserer Rechts- und Werteordnung Zurückgeführte ist eine Gefahr weniger für unseren Rechtsstaat. Beides geschickt zu verbinden, das ist unsere Aufgabe. Repression und Prävention, das ist der für uns richtige Weg.

Meine Damen und Herren, deshalb werden wir im nächsten Jahr den größten Ausbildungsjahrgang bei der hessischen Polizei haben, den es je gegeben hat. Über 1.000 zusätzliche Polizeivollzugsbeamtinnen und -beamte werden ab 2020 für mehr Sicherheit auf Hessens Straßen sorgen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Günter Ru- dolph (SPD): Falsch! – Zuruf von der SPD: Das stimmt nicht!)

Meine Damen und Herren, auch das Landesamt für Verfassungsschutz wird personell gestärkt. 2017 wird es über rund ein Drittel mehr Personal verfügen als noch im Jahr 2015. Auch das ist ein wichtiges Zeichen. Wir setzen damit die erfolgreiche Sicherheitspolitik der CDU-geführten Vorgängerregierung fort. Wir werden auch angesichts der zunehmenden Bedrohungen und Gefahren nicht nachlassen und unsere Anstrengungen weiter verstärken.

Meine Damen und Herren, das gilt selbstverständlich auch für die Präventionsarbeit. Im laufenden Jahr haben wir die Mittel für das Landesprogramm „Hessen – aktiv für Demo

kratie und gegen Extremismus“ vervierfacht. Insgesamt rund 3,8 Millionen € können für die Extremismusbekämpfung in Hessen ausgegeben werden. Das ist doch ein Wort.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Hinzu kommen noch Millionenbeträge des Bundes. Das kann sich doch sehen lassen. Damit unterstreichen wir erneut unser Credo: Bei uns ist Platz für vieles, aber kein Platz für Gewalt gegen Andersdenkende, Andersgläubige oder auch Andersabstammende. Meine Damen und Herren, das muss an dieser Stelle auch einmal gesagt werden.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Als Union haben wir dabei natürlich jegliche Form von Extremismus im Blick, und zwar Extremismus von links genauso wie Extremismus von rechts, Islamismus, Antisemitismus oder andere Formen des Extremismus. Sie alle haben in Hessen nichts verloren, meine Damen und Herren.

Deshalb handeln wir entschlossen, vorausschauend, verlässlich und auch zielstrebig, um realen Gefahren angemessen, aber ohne Hysterie und auch ohne Schönfärberei zu begegnen. Wir sind gut gerüstet. Wir können und wir werden unsere Demokratie verteidigen. Gleichwohl wissen wir auch, dass es absolute Sicherheit nicht geben kann.

Ein Schwerpunkt unserer Präventionsprogramme ist deshalb im Bereich des Rechtsextremismus angesiedelt. Wir haben die bekannten Beratungsnetzwerke in Hessen, nämlich das Demokratiezentrum an der Universität Marburg, das Kompetenzzentrum Rechtsextremismus, viele Aussteigerprogramme wie IKARus und „Rote Linie – Hilfen zum Ausstieg vor dem Einstieg“, die Beratungsstelle für Opfer rechtsextremer und antisemitischer Gewalt usw. In all diesen Bereichen sind wir sehr gut aufgestellt. Das hat die jüngste Anhörung zu diesem Extremismusbereich deutlich vor Augen geführt.

Wir werden natürlich auch nicht aufhören, den Linksextremismus als reale Gefahr zu beschreiben; denn auch in diesem Bereich gibt es Gewalttätigkeiten.

(Hermann Schaus (DIE LINKE): Wo ist denn hier die reale Gefahr?)

Es gibt Bestrebungen, die man auch nachweisen kann. Ihre Fraktionsvorsitzende lässt sich auf einer Marxismus-Konferenz in Berlin mit den Worten zitieren: Das Ziel müsse klar sein. Das System sei zu ändern und zu kippen. Das Ziel aller LINKEN müsse die Zertrümmerung des Staatsapparates sein.

Was ist das denn, meine Damen und Herren? Das ist ein Zitat von einem Marxismus-Kongress in Berlin, das man Ihnen zuschreibt. Wir können nachher ja einmal schauen, ob das zutrifft.

(Janine Wissler (DIE LINKE): Bitte, was?)

Auf jeden Fall ist für uns klar: Nie wieder Faschismus und nie wieder Kommunismus – das ist unsere Grundüberzeugung.

(Beifall bei der CDU)

Solange das für uns nicht Konsens ist, fällt für uns DIE LINKE als Ansprechpartner aus. Ich möchte das für alle Demokraten sagen, meine Damen und Herren.

Schwerpunkt der Präventionsarbeit ist auch der Islamismus. Hier haben wir auch entsprechende Verbünde. Als

erstes Bundesland haben wir ein Präventionsnetzwerk gegen Salafismus geschaffen.

Ich komme zum Schluss. In diesem wichtigen Gefahrenbereich haben wir die Mittel versechsfacht und damit auf 1,2 Millionen € erhöht. Die Bürgerinnen und Bürger können darauf vertrauen – das ist mein letzter Satz –: Die CDU wird auch in Zukunft verlässlich für mehr Sicherheit in Hessen sorgen. In unserem Land setzen wir uns dafür ein, dass Freiheit, Zusammenhalt und Frieden gewährleistet sind und bleiben. – Besten Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU)

Nächster Redner ist Herr Abg. Schaus für die Fraktion DIE LINKE.

(Janine Wissler (DIE LINKE): Das Zitat von dir hätte ich aber gerne noch! Ich glaube, das ist von Rosa Luxemburg! – Gegenruf des Abg. Alexander Bauer (CDU))

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich will der Rede meines Vorredners, die von vorgestern war, eine Rede entgegensetzen aus der realen Welt, also aus dem Bereich, mit dem wir uns beschäftigen müssen und mit dem wir uns beschäftigen sollten.

Alle Bürgerinnen und Bürger in unserem Land haben in der Tat Grund zur Sorge, weil es eine große Zunahme an rechter Gewalt, an rechten Straftaten, an Hass im Internet, an Hass gegenüber Flüchtlingshelfern, an Hass gegenüber Journalistinnen und Journalisten, schlechthin an Hass gegenüber unserer fortschrittlichen Gesellschaft gibt. Dieser Hass drückt sich leider auch aus in Brandanschlägen, in Morddrohungen und in gewalttätigen Angriffen. Ich jedenfalls bin wegen der Flüchtlinge, die im vergangenen Jahr zu uns gekommen sind, weniger besorgt als über die massive Gewalt und die Bedrohungen durch Rassisten und reaktionäre Ideologen.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Straf- und Gewalttaten von rechts haben um mehr als 400 % zugenommen. Das muss man sich einmal vorstellen. Die Rechten behaupten, durch Flüchtlinge werde das ganze Land unsicher, zünden aber selbst Häuser an und prügeln sich durch die Straßen.