Protokoll der Sitzung vom 13.10.2016

(Torsten Warnecke (SPD): Warum?)

Wir werden uns nach dem, was ich gerade dargelegt habe, zu beiden Anträgen enthalten.

(Beifall bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Greilich, für das Lob. Wenn ich genau pünktlich gewesen wäre, hätte ich Sie vor 61 Sekunden Ihre Rede beenden lassen müssen. – Das Wort hat der Minister, Herr Prof. Dr. Lorz.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Inwieweit uns diese Debatte in der Sache weiterbringt, darüber mag man in der Tat unterschiedlicher Meinung sein. Aber es ist eine gute Gelegenheit, um ein Thema, das nun eindeutig öffentliche Beachtung gefunden hat, auch in diesem Hause noch einmal zu thematisieren.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Dafür habe ich einen Blick in die Geschichte geworfen. Mich hat interessiert, ob das, was wir gerade miteinander besprechen, etwas Neues ist, ob da etwas Umstürzlerisches passiert ist oder ob es etwas ist, was bei diesem Thema quasi automatisch mitschwingt.

Dazu kann man feststellen, dass es Sexualerziehung und entsprechende Richtlinien und Lehrpläne mittlerweile seit 1978 in Hessen gibt. Das beruhte übrigens auch damals auf einer Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, von 1977. Seit 1978 bzw. 1983 – da gab es eine Verordnung über Rahmenlehrpläne – sind natürlich, wie alle anderen Lehrpläne auch, diese Lehrpläne in regelmäßigen Abständen aktualisiert, angepasst und modifiziert worden, so im Bereich der Sexualerziehung das letzte Mal im Jahr 2007.

Deswegen habe ich an anderer Stelle schon einmal gesagt: Das ist eigentlich ein Routinevorgang. Wir haben einen Lehrplan, der nach knapp zehn Jahren auf den neuesten Stand gebracht wird.

Aber gut. Ich habe weiter nachgeschlagen und gefunden, dass das immer kontrovers diskutiert wurde. Ganz offensichtlich ist das bei diesem Thema nicht anders möglich. Insofern ist es eine logische Konsequenz, dass der neue Lehrplan seinen Weg in den Hessischen Landtag gefunden hat.

Ich habe gesagt: Ich bedanke mich für die Gelegenheit, noch einmal ein paar Dinge klarstellen zu können, die mir am Herzen liegen, was die Umsetzung anbetrifft, und auch, was die Balance anbetrifft, die in diesem Lehrplan steckt. Wir finden das auch im Dringlichen Entschließungsantrag der Regierungsfraktionen.

Ich möchte als Allererstes betonen, dass das Wichtigste in der Pädagogik überhaupt und bei jeder Form des Unterrichts – das gilt natürlich auch bei der Sexualerziehung – das Kindeswohl, das Persönlichkeitsrecht jedes einzelnen Kindes ist. In dem Dringlichen Antrag wird das so formuliert:

…, alle Kinder und Jugendlichen in ihrer Individualität anzunehmen und in ihrer Persönlichkeitsentwicklung zu unterstützen.

Das ist die Prämisse, unter der alles in diesem Lehrplan steht.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und des BÜND- NISSES 90/DIE GRÜNEN)

Wir sind der Überzeugung, dass das in allererster Linie mit respektvoller Zurückhaltung gegenüber dem natürlichen Recht der Eltern auf Pflege und Erziehung ihrer Kinder gewährleistet werden muss, so wie es in Art. 6 Grundgesetz formuliert ist. Der staatliche Bildungs- und Erziehungsauftrag kann nur in einer entsprechenden Wechselwirkung mit dem Erziehungsrecht der Eltern ausgeübt werden. Aber er muss auch im Interesse des Persönlichkeitsrechts und des Wohls des Kindes ausgeübt werden.

Weil wir gerade bei Art. 6 Grundgesetz sind, möchte ich sagen, dass wir natürlich auch weiterhin die grundlegende Bedeutung der Ehe und der Familie betonen, so wie es in der Verfassung steht. Aber nicht eheliche Partnerschaften, Patchworkfamilien, gleichgeschlechtliche Partnerschaften und eingetragene Lebenspartnerschaften gehören genauso zur gesellschaftlichen Realität in Deutschland. Das ist insofern eine echte Aktualisierung: Dazu gibt es viele neue Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2013. Diese Partnerschaften sind auch rechtlich anerkannt.

Mit dem Thema Anerkennung sind wir bei dem lateinischen Wort acceptare. Das ist einer der wesentlichen Punkte, der die Aktualisierung dieses Lehrplans getragen hat.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Abg. Greilich hat mich natürlich in Versuchung geführt, mich sozusagen vorlesungsmäßig auf den Unterschied zwischen Akzeptanz und Toleranz einzulassen. Ich fand es sehr schön, dass Sie das Dilemma, das darin steckt, anhand des Philosophen Michael Walzer, den Sie zitiert haben, perfekt zum Ausdruck gebracht haben. Er hat eine Spielart der Toleranz über das Wort Akzeptanz definiert.

Daran sieht man schon, dass diese scharfe Gegenüberstellung eigentlich gar nicht angebracht ist. Deswegen finden übrigens beide Worte in dem Lehrplan Verwendung. Sie haben es zitiert. Da ist an einer Stelle von Toleranz zu lesen, an anderer Stelle von Akzeptanz.

Aber dann muss man doch sagen: Lassen Sie uns uns nicht auf die Worte konzentrieren – wie gesagt, das wäre Gegenstand einer eigenen Vorlesung –, sondern auf das, was dahinter steht. Bei dem, was dahinter steht, ist für uns der entscheidende Punkt: Wir wollen einen offenen, einen wertschätzenden und einen diskriminierungsfreien Umgang in den Schulgemeinden herbeiführen. Wir wollen unseren Kindern vermitteln, dass wir in dieser Gesellschaft keine Werturteile fällen, die auf der geschlechtlichen Identität oder der sexuellen Orientierung eines Menschen basieren. Denn das ist die Angelegenheit jedes einzelnen Menschen.

(Beifall bei der CDU, der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Ich sehe mit Vergnügen, so glaube ich, Beifall des gesamten Hauses. – Wenn wir uns darauf verständigen könnten, dass wir das gut finden, dann wäre ich froh. Ich glau

be, das wäre ein würdiger Abschluss dieser Plenarwoche. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Meine Damen und Herren, zur Geschäftsordnung hat sich Frau Kollegin Dorn zu Wort gemeldet.

Sehr geehrte Damen und Herren! Wir haben gerade von mehreren Rednern gehört, dass dieses Thema für den parteipolitischen Schlagabtausch und parteipolitische Spielchen ungeeignet ist. Ich finde, es ist ein sehr gutes Signal nach außen, dass wir gerade gezeigt haben, dass wir hinsichtlich des Ziels vollkommen einig sind. Deswegen schlage ich vor, dass wir die Dringlichen Entschließungsanträge im Ausschuss beraten.

Auch zur Geschäftsordnung, Herr Kollege Rudolph.

Herr Präsident, da die Demonstration am 30. Oktober 2016 sein wird und die Beratung in den Ausschüssen und im Parlament dann erst später wäre, ist das nicht sinnvoll. Was Sie mit Ihrem Dringlichen Entschließungsantrag machen, ist Ihre Sache. Nach § 29 der Geschäftsordnung kann gegen den Willen der Antragsteller eine Ausschussüberweisung nicht stattfinden. Wir beantragen entsprechend der Geschäftsordnung die Abstimmung über unseren Dringlichen Entschließungsantrag.

Sie brauchen das nicht zu beantragen. Es hat keiner beantragt, ihn abzusetzen.

(Unruhe)

Ich darf um Aufmerksamkeit bitten. – Ich warte, bis jetzt wirklich Ruhe ist. Das gilt auch für die Außenstehenden.

Es gibt eine klare Aussage der SPD-Fraktion, dass abzustimmen ist. Das ist ganz klar. – Jetzt hat sich Herr Bellino zu Wort gemeldet. – Doch nicht.

(Unruhe)

Meine Damen und Herren, ich habe Zeit. – Frau Kollegin Dorn, ich stelle fest, dass sich Ihr Petitum damit erledigt hat.

(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Dann stimmen wir beide ab!)

Da sie nicht zusammen in den Ausschuss überwiesen werden, stimmen wir beide getrennt ab.

Wir stimmen zunächst über die Initiative unter Tagesordnungspunkt 45 ab. Das ist der Dringliche Entschließungsantrag der Fraktion der SPD, Drucks. 19/3886. Wer dem zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Mitglieder der Fraktionen der Sozialdemokraten und der LINKEN. Gegenstimmen? – Das sind die Abgeordneten der Fraktionen der GRÜNEN und der CDU. Wer enthält sich der Stimme? – Das sind die Mitglieder der Fraktion der FDP. Damit ist der Dringliche Entschließungsantrag abgelehnt.

Ich rufe die Initiative unter Tagesordnungspunkt 46 zur Abstimmung auf. Das ist der Dringliche Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Drucks. 19/3888. Wer dem zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen.

(Günter Rudolph (SPD): Das macht den Unterschied aus!)

Das sind die Mitglieder der Fraktionen der CDU, der GRÜNEN und der SPD. Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Das sind die Abgeordneten der Fraktionen der FDP und der LINKEN. Damit wurde dieser Dringliche Entschließungsantrag angenommen.

Ich habe die Sitzung noch nicht geschlossen. Wir haben noch einige Initiativen zu überweisen, meine Herren parlamentarischen Geschäftsführer, oder wollen wir alle in die nächste Plenarsitzungsrunde schieben?

(Hermann Schaus (DIE LINKE): Alles ins nächste Plenum!)

Alles ins nächste Plenum, alles klar. – Das sind die Initiativen unter den Tagesordnungspunkten 17, 20, 21, 22 und 39. Das sind die Initiativen, die in die nächste Plenarsitzungsrunde kommen.

Ich wünsche eine schöne Ferienzeit und ein gutes Wiedersehen danach. Auf Wiedersehen.

(Schluss: 18:07 Uhr)