Protokoll der Sitzung vom 24.11.2016

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Der gesellschaftliche Frieden in unserem Land ist teilweise bedroht. Dies gilt umso mehr, als das Internet nahezu alle Bereiche des gesellschaftlichen Lebens durchdringt. Diejenigen, die sich so unflätig im Netz bewegen, leben oft in einer Blase. Sie teilen und linken Inhalte, die verletzend und beleidigend sind. Sie hetzen gegen andere und bekommen über sogenannte Filterbubbles oder Echokammern genau die Meinungen und Kommentare zugeleitet, die zu ihrer eigenen Meinung passen.

Wer rechtsextreme oder rechtspopulistische Meinungen im Netz verbreitet, Kommentare liket oder teilt, bekommt die passenden Hinweise auf andere, die diese Meinung auch vertreten. Wenn eine Seite oft besucht wird oder mit vielen Likes beglückt wird, ist diese Seite interessant für die Werbung. Diese Werbung wird genau den Meinungen angepasst, die man selbst vertreten hat.

Stellen wir uns doch einmal vor, jeder bekommt seine eigene individuelle „Tagesschau“, in der man nur noch die Informationen vorgelesen bekommt, die dem eigenen Weltbild entsprechen. Die „Tagesschau“ als persönlicher „Ich habe es schon immer gesagt“-Wellnessbereich – unvorstellbar.

Sehr real ist, dass immer weniger Menschen die Nachrichten über die „Tagesschau“ empfangen. Dafür generieren immer mehr ihre Nachrichten über Facebook und Co. Diese Nachrichtenangebote richten sich aber nicht nach dem Weltgeschehen, sondern nach dem, was dem Nutzer gefällt. Je länger der Nutzer auf der Seite bleibt, desto höher sind die Werbeeinnahmen von Facebook. Facebook-Algorithmen bilden also nicht das Weltgeschehen ab, beeinflussen es aber maßgeblich, wie wir jüngst bei den Präsidentenwahlen in Amerika sehen mussten. 44 % der Amerikaner sagen, dass Facebook eine wichtige Nachrichtenquelle ist.

Die Anbieter lassen zu, dass auf diese Weise Hass, Gewalt, verfassungswidrige Symbole und verfassungswidrige Kommentare im Netz verbreitet werden. Sie werden nicht nur verbreitet, sondern reichern sich auch an und werden beworben. Liebe Kolleginnen und Kollegen, diesem Spuk müssen wir als Demokratinnen und Demokraten entschieden entgegentreten.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Schließlich heißt Demokratie vor allem die friedliche und zivilisierte Konfrontation mit der anderen Meinung. Darüber müssen wir mit den Anbietern reden. Das wird keine einfache Aufgabe. Wir bewegen uns hier in einem sehr schwierigen Bereich. Was gehört noch zur freien Meinungsäußerung, was ist Beleidigung, was ist Hetze, wie weit darf man im Internet gehen, wann muss ein Anbieter einschreiten, wann muss unter Umständen die Öffentlichkeit einschreiten?

Facebook und Co. müssen ihrer Verantwortung nachkommen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn sie das nicht

freiwillig machen, dann müssen wir rechtsverbindliche Regelungen schaffen. Diese Art von Hass und Hetze, die derzeit im Netz verbreitet wird, ist inakzeptabel. Gegen diese Art der Verbreitung müssen wir uns wenden und müssen uns gemeinsam wehren. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Vielen Dank. – Als Nächste spricht Kollegin Hofmann, SPD-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ja, ein respektvolles Miteinander ist auch im Internet unverzichtbar. Zu beobachten ist allerdings auch, was Herr Frömmrich ausgeführt hat, dass Hetze, Hass und Diskriminierung gerade im Internet immer weiter Verbreitung finden.

Hasskommentare sind aber kein reines Netzphänomen. Auch im realen Leben erleben wir es immer öfter, dass Minderheiten offen angegriffen, verleumdet oder diskriminiert werden. Im Internet ist das allerdings leichter. Mit wenigen Klicks, oft anonym, kann man seine Verlautbarungen auf der ganz großen Bühne verbreiten. Urheber solcher Kommentare sind häufig auch rechtsextreme Gruppen und Personen. Allgemein und insbesondere im Internet haben wir eine Verrohung der Sitten und der Sprache zu verzeichnen. Das muss uns alle in große Sorge versetzen.

Das fehlende direkte Gegenüber, die Möglichkeit, anonym zu bleiben, und das Wissen, oft überhaupt nicht zur Rechenschaft gezogen zu werden, tragen zur Enthemmung bei. Aber immer öfter tun das auch Leute mit Klarnamen.

Ich sage eindeutig: Hasskommentare sind eine Form der digitalen Gewalt. Sie richten sich oft gegen Minderheiten, Menschen mit einer anderen Hautfarbe, einem anderen Geschlecht, einer bestimmten Religion oder einer anderen Gesinnung. Rassismus, Fremdenfeindlichkeit, Sexismus, Homo- und Transphobie wird im Internet leichter ein Boden bereitet.

So wundert nicht, dass auf eine Kleine Anfrage meiner Kollegen Gnadl und Eckert deutlich geworden ist, dass gerade im Rechtsextremismus die begangenen Delikte von 2011 bis heute deutlich gestiegen und auch die Verurteilungen deutlich angestiegen sind.

Dabei mag die Zahl der sogenannten Hater gar nicht so groß sein. Durch ihre permanente Sichtbarkeit und Präsenz wird der Anschein erweckt, dass sie eine breite Bewegung sind. Gerade das gibt doch rechtsextremen Gruppen und Personen Auftrieb und vielleicht auch Antrieb, im realen Leben aktiv zu werden. Meine Damen und Herren, das ist brandgefährlich.

(Beifall bei der SPD, der CDU, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Vergessen wir auch nicht, dass nach dem Antisemitismusbericht der Bundesregierung rund ein Fünftel der Bevölkerung antisemitische Einstellungen hat. Auch diese Zahl hat zugenommen. Das müssen wir mit großer Sorge zur Kenntnis nehmen.

Im Netz werden diese Stimmungen nicht nur aufgegriffen, sondern sie werden verstärkt. Ich gebe Herrn Frömmrich ausdrücklich recht, wir müssen diesen Entwicklungen gerade als Demokratinnen und Demokraten entschieden entgegentreten. Wir müssen dafür sorgen, dass der Frieden in unserer Gesellschaft und vor allen Dingen auch eine Streitkultur, die der Demokratie zuträglich ist, gewahrt werden. Deswegen müssen wir diese Entwicklungen nicht nur mit Sorge zur Kenntnis und ernst nehmen, sondern ihnen auch entschieden entgegentreten.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Die Meinungsfreiheit ist ein Kernbestandteil unserer demokratischen Grundordnung. Wenn allerdings Straftatbestände erfüllt und allgemeine Gesetze verletzt sind, etwa der Jugendschutz oder die persönliche Ehre, dann sind klare Grenzen überschritten.

Hier müssen wir klare Kante zeigen und dem gesamtgesellschaftlich etwas entgegenstellen. Auch der Einzelne ist gefordert, etwa selbst im Internet Flagge zu zeigen und solchen Äußerungen entgegenzutreten. Auch sollte jeder Einzelne auf die eigene Kommunikation, die eigene Sprache und auf ein respektvolles und gepflegtes Miteinander achten. Dazu muss jeder seinen eigenen Beitrag leisten.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Jürgen Frömm- rich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Demokratie bedeutet doch ein offenes Wort bei Respekt vor der Person. Hasskommentare verletzen diese Regel und unterlaufen damit die Grundfeste der Demokratie. Dem müssen wir begegnen.

Es gibt aber auch eine Pflicht der Netzbetreiber. Nachdem lange auf die Selbsterkenntnis und Selbstverpflichtung der Netzbetreiber gesetzt worden ist, hat sich aber eines gezeigt: Gerade bei den sogenannten normalen Usern werden viel zu wenige Hasskommentare gelöscht; bei Twitter gerade mal 1 %, bei Facebook gerade mal 46 %.

Wenn sie gelöscht werden, dann viel zu langsam. Zudem fehlt es an der nötigen Transparenz. Facebook hat für das Jahr 2016 die Zahl bekannt gegeben, demnach seien 100.000 Einträge gelöscht worden. Nicht bekannt gegeben wurde aber, wie viele Beanstandungen es gegeben hat und wie sich die Zahl insgesamt entwickelt hat. Meine Damen und Herren, das ist völlig unzureichend.

(Beifall bei der SPD)

Zudem zeigen aktuelle Tages- und Medienberichte, dass Facebook erwägt, totalitären Regimen wie China Zensursoftware zu verkaufen. Meine Damen und Herren, das zeigt uns doch, dass Netzwerke wie Facebook klare Ansagen und klare Spielregeln brauchen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich bin deshalb der Justizministerkonferenz und der Hamburger Initiative – Herr Frömmrich, es wundert mich, dass Sie das nicht erwähnt haben – sehr dankbar dafür, dass jetzt eine Initiative ergriffen worden ist und weitere Schritte gegangen werden. Es sollen Gesetze vorbereitet werden, die vorschreiben, dass soziale Netzwerke stärker in die Pflicht genommen werden sollen, rechtswidrige Kommentare zu löschen und diese Löschungsaktivitäten auch transparent zu machen. Zudem soll ein Ansprechpartner im Inland bereitgestellt werden – im Inland, das ist ganz wichtig, und nicht irgendwo auf der Welt. Wenn sie diese Re

geln verletzen, sollen gegebenenfalls Bußgelder verhängt werden.

Ich kann Ihnen eines sagen: Jeder Tag, an dem solche Hasskommentare nicht gelöscht werden, ist eine schwere Belastung und empfindliche Kränkung und Verletzung der Opfer.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und der LINKEN)

Deshalb müssen wir da endlich auch entsprechende gesetzgeberische Aktivitäten entwickeln.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, das Internet ist in der Tat kein rechtsfreier Raum. Die Zeit der Lippenbekenntnisse ist vorbei. Wir müssen endlich entschiedener und konsequenter Hasskommentaren im Netz entgegentreten. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN sowie bei Ab- geordneten der CDU und des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN)

Vielen Dank. – Nächste Rednerin ist Frau Kollegin Wolff für die CDU-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Flüchtlingshelfer sind betroffen, Polizisten, Minderheiten, Lehrer wie Schüler, Bischöfe, wie wir es etwa bei Bischof Schick erfahren haben, politische Mandatsträger aller Ebenen, Journalisten wie beispielsweise Golineh Atai im Ukrainekonflikt, Dunja Hayali, Anja Reschke und viele andere sind betroffen.

Alle sind Opfer von Hasskommentaren voller Menschenverachtung geworden – bis hin zu einer unverblümten Aufforderung zu verbaler, aber auch realer Gewalt und bis hin zu Mord.

Das ist – und das muss schon auch nachdenklich machen – absolut kein Schichtenproblem. Sie können heute einen Hetzer mit Krawatte sogar in den sozialen Medien abgebildet sehen. Das ist kein Seltenheitsphänomen mehr. Manchmal sehen Sie ihn sogar mit Namen, manchmal allerdings auch mit Fake-Account. Auch darüber müssen wir uns unterhalten.

Die Diskussion früherer Jahre, ob sprachliche oder spielerische Gewalt in reale Gewalt mutiert, wurde über Jahre und Jahrzehnte meines Erachtens falsch geführt. Natürlich ist schon in den vergangenen Jahrzehnten aus verbaler Gewalt auch reale Gewalt geworden – gegen Sachen und gegen Personen. Ich glaube, mancher hier im Raum weiß davon zu erzählen, was ihm selbst passiert ist. Allerdings ist die Gefahr, dass dies im Netz quantitativ und qualitativ erheblich zunimmt.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und des BÜND- NISSES 90/DIE GRÜNEN)

Darüber müssen wir reden. Denn die Reichweite im Netz ist natürlich riesig groß. Früher wusste man in einem Ort, wen man möglicherweise nicht ganz wörtlich zu nehmen hatte. Er hatte aber auch keinen Einfluss. Mittlerweile hat er das World Wide Web zur Verfügung.

Selbst Menschen mit ganz kleinem Freundeskreis, auch in den sozialen Medien, haben über die Plattformen mittlerweile Zuhörer und Zuschauer. Echoräume – davon ist eben schon die Rede gewesen – sind entstanden, in denen man nur die eigene Meinung widergespiegelt bekommt und sich auch nicht mit anderen auseinandersetzen muss, wenn man nicht will.

Die Reichweite des Netzes und insbesondere auch der sozialen Netzwerke ist riesengroß. Das trifft im Übrigen auch im Guten zu. Wenn wir uns anschauen, welche Kommunikation, welche gegenseitige Unterstützung und welche Beschleunigung von Hilfeleistungen z. B. in der Flüchtlingshilfe möglich geworden sind, auch in Nachbarschaftsinitiativen, dann sehen wir, im Netz ist auch viel Gutes unterwegs. Das sind nur wenige Beispiele.

Aber Hass-Posts und Gewalt-Posts, die im Netz grassieren, und auch die Fake-News, die im Netz grassieren – das Beispiel US-Wahlkampf ist nur eines von ganz vielen –, potenzieren sich mittlerweile algorithmisch über die Häufigkeit. Sie erscheinen dann ganz oben im Netz und werden sofort angeboten.

Es gibt mittlerweile ein Hashtag-Syndrom. Das besteht nicht nur darin, dass es eine Häufigkeit skizziert, sondern diese Häufigkeit bedeutet, dass etwas, was im Netz durch Häufigkeit auffällt, mittlerweile zur realen Nachricht in anderen Medien und damit oft auch in der Realität wird. Da beginnt die Geschichte, richtig kriminell zu werden.

Deswegen glaube ich, dass wir mit der Gegenwehr ernsthafter und schneller werden und dass wir mehr zugreifen müssen.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)