Heike Hofmann
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Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir, das Parlament, beraten erneut über einen Gesetzentwurf für ein Gesetz zur Verlängerung der Geltungsdauer und Änderung befristeter Rechtsvorschriften. Es geht also um verschiedene Gesetze – acht an der Zahl, wie wir gehört haben –, die mit unterschiedlichen Befristungsdauern versehen sind. Das klingt zunächst einmal gut. Aber ich muss an dieser Stelle unsere grundsätzliche Kritik erneuern; denn an Ihrem Verfahren hat sich über die Jahre nichts geändert. Es fehlt nämlich bis zum heutigen Tag eine Evaluierung der Gesetze.
Dass wir nach zwei Jahrzehnten CDU-geführter Landesregierungen als Parlament wohl nur störende Begleitmusik für Sie sind, haben wir in diesen Tagen wieder mannigfaltig erlebt. Das zieht sich aber auch durch die Fachausschüsse. Wir fordern nämlich seit Langem, dass die Evaluierungsergebnisse den entsprechenden Gremien – dem Parlament, vor allem aber dem Fachausschuss – vorgelegt werden. Sonst können wir das nämlich überhaupt nicht beurteilen. Nur so kann man überprüfen, ob sich ein Gesetz bewährt hat oder ob es geändert werden muss. Ich sage Ihnen deutlich: Wir finden es gut, dass Sie die entsprechenden Unterlagen vorlegen wollen – das ist das Mindeste –, aber eine Evaluierung ist das noch lange nicht.
Ich möchte auf einige Punkte dieses Sammelgesetzes eingehen, die unserer Ansicht nach einer kritischen Nachfrage bedürfen bzw. zu denen wir ganz klar andere Positionen beziehen als Sie.
Wir finden es schade, dass Sie es bei dem Hessischen Ausführungsgesetz zum Therapieunterbringungsgesetz, bei dem es um Menschen geht, die psychische Auffälligkeiten aufweisen und einer Unterbringung bedürfen, trotz der Anregungen des Hessischen Städtetags und des Hessischen Landkreistags nicht geschafft haben, klarstellende Regelungen zu formulieren, etwa was die Entlassung der Untergebrachten betrifft; denn wenn der Betreffende entlassen wird, ist das Zusammenwirken gerade mit den Kommunen ganz wichtig. Daher ist sowohl vom Städtetag als auch vom Landkreistag vorgeschlagen worden, dass es im Gesetz klarstellende Regelungen geben soll. Das können wir nachvollziehen und sind gespannt auf die entsprechenden schriftlichen Stellungnahmen, die das bestimmt auch noch einmal erhärten werden.
Der zweite Punkt betrifft den Umweltbereich. Wir alle wissen, dass das Hessische Fischereigesetz, das die Fischerei und Fischhaltung in Gewässern etc. regelt, unterschiedlichen Interessenlagen ausgesetzt ist und dass dort verschiedene Belange geregelt werden müssen, die miteinander in Einklang zu bringen sind: zum einen die Interessen des Fischereiverbandes, der Fischerei selbst, zum anderen der Schutz von Natur und Umwelt. Sie haben es nicht ge
schafft, dieses Gesetz einer grundlegenden Reform zu unterziehen. Wir haben auch Kritik an der Befristung, an der Länge der Befristung, die Sie hier vorgesehen haben. Ich kann Ihnen an dieser Stelle daher ganz klar sagen: Sie verpassen es beim Fischereigesetz, eine grundlegende Reform vorzunehmen.
Ein weiterer Punkt, der uns sehr wichtig ist, sind das Hessische Schiedsamtsgesetz und die entsprechenden Regelungen zur außergerichtlichen Streitschlichtung. Für uns ist überhaupt nicht nachvollziehbar, dass Sie bei der Belastung, die die Gerichte und Staatsanwaltschaften haben, nicht die Chance nutzen, zu überlegen, wie man denn das Schiedsamtswesen in Hessen weiter stärken könnte. Sie wissen, dass die Schiedsmänner und -frauen in unseren Städten und Gemeinden eine hervorragende Arbeit machen.
Diese schlichten nämlich Rechtsstreitigkeiten von Bürgerinnen und Bürgern kostengünstig, im Ehrenamt, ziemlich schnell und vor allen Dingen mit einer hohen Erfolgsquote von mindestens 55 %. Daher ist es für uns unverständlich, nicht zu schauen, wie man dieses Schiedsamt, das es in Hessen glücklicherweise gibt, noch weiter ausbauen könnte, weil es nämlich auch zur Herstellung von Rechtsfrieden beiträgt. Es ist für unsere Gesellschaft bestimmt nicht schlecht, wenn in vielen Fällen Rechtsfrieden hergestellt wird, vor allen Dingen in Bezug auf die streitenden Parteien, die dauerhaft miteinander leben müssen oder leben dürfen, etwa bei Nachbarrechtsstreitigkeiten. Dass Sie zwar die Geltungsdauer dieser Gesetze verlängern wollen, immerhin, aber nicht die Chance ergreifen, zu prüfen, wie man das Schiedsamtswesen weiter ausbauen könnte, ist aus unserer Sicht ein großes Versäumnis.
Insofern haben wir einige Kritikpunkte. Wir werden aber das Gesetzgebungsverfahren selbstverständlich kritisch und konstruktiv begleiten. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wenn man bei diesem Doppelhaushalt in den Justizhaushalt schaut, denkt man erst einmal: so weit, so gut. Wenn man sich aber die Historie dieser Landesregierung und die Gesamtentwicklung bei der Justiz anschaut, muss man konstatieren: Die hessische Justiz ist seit 18 Jahren unter dieser Landesregierung einem permanenten Pingpongspiel ausgesetzt. – Was meine ich damit?
Anfang der Zweitausenderjahre wurde immens Personal abgebaut, auch an anderen Stellen des Landeshaushalts. Wir nennen es „Operation düstere Zukunft“. Im Justizbereich waren es über 800 Stellen. Dann sind 2014 f. noch einmal 350 bis 450 Stellen on top gekommen, weil der vorherige Stellenabbau nicht gereicht hat.
Dann haben Sie immer mal wieder, auch jetzt mit dem Doppelhaushalt, an der einen oder anderen Stelle nachjustieren müssen, weil Sie selbst erkennen mussten, dass es an der einen oder anderen Stelle so nicht weitergehen kann. Ich sage Ihnen aber deutlich: Das ist ein unsägliches Auf und Ab, das ist keine verlässliche Politik, und das muss dringend geändert werden.
Aber nicht nur das. Sie, Frau Kühne-Hörmann, haben sich erdreistet, so zu tun, als hätten Sie mit dem letzten Stellenabbauprogramm überhaupt nichts zu tun, und wollten sich dafür feiern lassen, dass es jetzt wieder etwas mehr Stellen gibt. Ich sage in aller Deutlichkeit, dass das eine Unverschämtheit ist und ein Spiel, das man leicht durchschauen kann.
Ich sage Ihnen deutlich: Wir brauchen einen gut funktionierenden, effektiven Rechtsstaat. Er ist ein zentraler Baustein unseres demokratischen Gemeinwesens, der auf verlässliche Politik vertrauen kann und kein Hin und Her und kein Pingpongspiel braucht.
Wenn man sich die Stellenmehrung anschaut – so weit, so gut –, stellt man ein Weiteres fest. Gerade in den Folgediensten, etwa bei den Justizfachangestellten, Wachmeistern usw., gibt es keinen personellen Aufwuchs.
Meine Damen und Herren, da sind Sie zu kurz gesprungen. Denn was nützt es, wenn ich zwar mehr Richterinnen und Richter habe, aber die Urteile dann nicht richtig ausgefertigt werden können, der Aktenabtrag nicht rechtzeitig erfolgen kann und die Folgeleistungen, die in der Justiz zu erbringen sind, nicht zeitnah bewältigt werden können? Insofern ist klar, dass Sie hier nur halbe Sachen machen.
Ein Weiteres. Der Hessische Ministerpräsident hat es gestern angeführt und sich dafür fast loben und feiern lassen wollen. Ja, wir wissen, dass es im Bereich der Asylverfahren immer noch zu Anstiegen bei der Verfahrensanzahl kommt. Im Haushalt sind 12 R-1-Stellen und 16 A-7-Stellen für die Verwaltungsgerichtsbarkeit eingeplant – so weit, so gut. Wenn man aber genauer hinschaut, was wir tun, merkt man, dass diese Stellen mit dem sogenannten kw-Vermerk versehen werden, es also von der Zustimmung des hessischen Finanzministeriums abhängt, ob sie überhaupt kommen. Wir haben schon Rückfragen aus der Verwaltungsgerichtsbarkeit erhalten. Auch da erzeugen Sie Unsicherheiten und Ungewissheit. Meine Damen und Herren, das ist gerade bei einem so sensiblen Thema unverantwortlich.
Wir fordern in vielen Bereichen Nachjustierungen und besetzen Themen. Bei einem Punkt fragt man sich – ich will das Stichwort „Pingpong“ bewusst aufnehmen –, ob die eine Hand nicht weiß, was die andere tut, ob Sie – ich spreche die CDU- und die GRÜNEN-Fraktion an – gar die Justizministerin brüskieren wollen.
Ich nenne als Beispiel den Arbeitsgerichtstag in Bad Hersfeld. Wir haben seit Langem kritisiert, dass die Justiz aus der Fläche zurückgezogen worden ist, und haben gefordert, dass etwa bei der Arbeitsgerichtsbarkeit an einigen sensiblen Punkten durch die Einführung von Arbeitsgerichtstagen wie in Rheinland-Pfalz nachgebessert wird. Auf die Kleine Anfrage der Kollegen Warnecke und Franz haben Sie erst Ende August geantwortet, dass das in Bad Hersfeld gar nicht geht, weil die Räumlichkeiten nicht da sind. – Jetzt kommt ein Antrag von GRÜNEN und CDU und fordert genau das. Da scheint die eine Hand nicht zu wissen, was die andere tut.
Drei letzte Themen. Eine der größten Herausforderungen für die Justiz ist die Einführung der digitalen elektronischen Akte.
Sie haben sich vor Jahren – dieser Prozess läuft schon seit Anfang der Zweitausenderjahre – dafür gerühmt und gefeiert, dass Sie die Spitze der Bewegung seien. Wo steht Hessen jetzt bei der Einführung der elektronischen Akte? Bayern macht uns gerade vor – es hat schon die elektronische
Akte an einzelnen pilotierten Gerichten –, wie man den elektronischen Rechtsverkehr abwickelt.
Meine Damen und Herren, wir alle, zumindest die Fachpolitiker, wissen, dass das der größte Umbruch, mit die größte Herausforderung der Justiz in Zeiten der Digitalisierung ist. Bayern macht es uns vor. Und was macht Hessen? – Es guckt in die Röhre und läuft den ganzen Entwicklungen hinterher. Das ist sehr schlecht.
Zwei letzte Themen. Der Opferschutz ist für uns als Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten eine der größten Herausforderungen. Wir fordern Sie mit einem eigenen Antrag erneut auf, den Opferfonds, wie er schon erfolgreich in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg praktiziert wird, einzuführen.
Sie wissen ganz genau, dass es eine Schutzlücke gibt und es wichtig für Opfer ist, schnell und unbürokratisch Hilfe zu bekommen. Ich verstehe nicht, warum Sie eine so wichtige Einrichtung im Sinne der Opfer bis zum heutigen Tag ablehnen. Das ist im Sinne der Opfer absolut unverständlich. Geben Sie sich deshalb einen Ruck.
Ein letzter Punkt. Auch der Justizvollzug wird von Ihnen vernachlässigt. Im allgemeinen Vollzugsdienst fehlen über 100 Stellen, und da haben wir es doch mit der Sicherheit zu tun. Es ist eine Frage der Sicherheit der Bevölkerung. Ich kann Ihnen sagen: Auch der Sanierungsstau in den hessischen Justizvollzugsanstalten ist unerträglich. Etwa in der JVA Wiesbaden regnet es in die Sporthalle. Man musste schon Eimer aufstellen. Das ist unerträglich und auch ein Sicherheitsfaktor. Auch da muss man nachbessern.
Nein, wir brauchen eine andere Justizpolitik für Hessen, die einen effektiven Rechtsstaat gewährleistet, besseren Opferschutz und vor allem einen Strafvollzug, der Sicherheit und Resozialisierung sicherstellt. Meine Damen und Herren, in diesem Fall brauchen wir eine Wende in der Justizpolitik.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! C., 24 Jahre alt, wurde letztes Jahr von ihrem Ex-Freund zuerst sexuell belästigt, dann wurde ihr von ihrem Ex-Freund monatelang nachgestellt. Sie wurde, wie man heute so neumodisch oder auf Englisch sagt, gestalkt. P. wollte einfach mit Freunden einen trinken gehen. Als er mit seinen Freunden das Lokal verlässt, werden er und seine Kumpels von anderen Jugendlichen zunächst in ein Gespräch verwickelt, dann kommt es zu verbalen Auseinandersetzungen und zu
einer Schlägerei, in die P. nicht verwickelt ist. Aber P. hat am Ende dieses eigentlich so schön begonnenen Abends einen Nasenbeinbruch erlitten. Frau M., 87 Jahre alt, wurde beim Einkaufen von einem unbekannten Täter die Handtasche entrissen. Neben den psychischen Problemen, die sie nach diesem Vorfall hat, beträgt der Sachschaden 1.000 €.
Warum schildere ich Ihnen diese Einzelfälle, die sich auch tatsächlich zugetragen haben könnten? Weil jeder von uns Opfer einer Straftat werden kann, meine Damen und Herren.
Das ist der Grund, warum wir den Opferschutz zum Thema dieser Großen Anfrage gemacht haben. Meine Damen und Herren, wir sagen deutlich, dass Opferschutz eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist, der wir uns mit aller Kraft und allem Engagement stellen müssen.
Ich möchte mich an dieser Stelle recht herzlich für die umfängliche Beantwortung dieser Großen Anfrage bedanken. Leider ist es oft so, dass in der medialen Berichterstattung, aber auch in der öffentlichen Aufmerksamkeit, die Opfer gar nicht so im Mittelpunkt der Betrachtung stehen wie die Straftat an sich oder der oder die Täter, die diese Straftat begangen haben. Opfer einer Straftat leiden oft still. Sie leiden oft jahrelang oder lebenslang an den Folgen der an ihnen begangenen Straftat.
Es ist gut so und auch richtig, dass der Opferschutz bundesweit, aber auch hier in Hessen in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten verbessert wurde. Da ist zum einen, wenn man die Bundesebene betrachtet, das Opferentschädigungsgesetz des Bundes zu nennen, das unter bestimmten Voraussetzungen Opfern einer Straftat eine Entschädigung gewährt.
Mit verschiedenen Novellen und Ergänzungen des Opferrechtsreformgesetzes – das ist ein etwas sperriger Name – wurde die Stellung des Opfers im Strafverfahren erheblich verbessert, etwa wenn das Opfer als Nebenkläger auftritt oder wenn es um die Informationsrechte der Opfer geht. Das war zunächst eine Revolution; denn das Strafverfahren sah die eigenständige Rolle des Opfers ursprünglich gar nicht vor. Vielmehr stehen im Mittelpunkt des Strafverfahrens der Straftäter als Beschuldigter und die Frage, inwieweit er die Straftat tatsächlich begangen hat oder nicht.
Ein weiterer wichtiger Schritt zur Verbesserung des Opferschutzes ist die sogenannte psychosoziale Prozessbegleitung, die 2015 durch das Bundesgesetz eingeführt worden ist. Ich möchte an dieser Stelle daran erinnern, dass dieses Parlament einvernehmlich und einmütig die hessische Umsetzung gewährleistet hat.
Meine Damen und Herren, es ist aber auch der Blick auf das sogenannte materielle Recht zu richten. In den vergangenen Jahren sind wichtige Strafbarkeitslücken geschlossen worden. Ich möchte an ein Thema erinnern, das für uns als SPD sehr wichtig ist, nicht nur für die Rechtspolitikerinnen, sondern auch für die Frauenpolitikerinnen unter uns. Das ist die Lücke im Sexualstrafrecht, die geschlossen worden ist unter dem griffigen Motto: Ein Nein muss auch ein Nein sein.
Das Sexualstrafrecht hat in den vergangenen Jahren immer mal wieder an der einen oder anderen Stelle Novellierungen bzw. Anpassungen erfahren. Der entscheidende Schritt bei der letzten Reform war, dass der Bundesgesetzgeber
endlich gesagt hat: Wenn sich der Täter über den erkennbaren Willen des Opfers hinwegsetzt, wenn das Opfer Nein sagt, dieser erkennbare Wille dennoch übergangen wird und eine Tat bzw. Handlung geschieht, dann muss das auch entsprechend sanktioniert werden.
Meine Damen und Herren, das war ein Begehren, das viele Opferschutzverbände, Vereine, Organisationen, aber auch Frauenrechtlerinnen über viele Jahre hinweg geäußert haben. Ein Nein ist ein Nein. Das ist eine entscheidende Stärkung der Position der Opfer.
Wir sind sehr stolz darauf, dass Bundesjustizminister Maas dies mit durchgesetzt hat.
Meine Damen und Herren, ein recht herzlicher Dank gilt natürlich all denjenigen, die im Opferschutz tätig sind, den vielen Ehrenamtlichen, die in den Opferschutzverbänden, in den Vereinen und in den Initiativen den Opfern tagtäglich mit Rat und Tat zur Seite stehen oder die – einfach gesprochen, obwohl das oft gar nicht so einfach ist – den Opfern ihr Ohr und ihre Zeit schenken. Vielen herzlichen Dank dafür.
In der Antwort auf unsere Große Anfrage wird sehr ausführlich dargestellt, an welchen Stellen des Opferschutzes – der Opferschutz ist eine Querschnittsaufgabe – verschiedene Maßnahmen erfolgen. Beratungsstellen werden unterstützt. Ich will einen Punkt konkret ansprechen, der nach wie vor eine Schwachstelle ist. Aufgrund der Mehrfachbelastung bleibt für den Bereich der Prävention bei der Polizei oftmals viel zu wenig Zeit.
Fakt ist und bleibt, dass der Opferschutz in Hessen weiter ausgebaut werden muss. Es gibt noch vieles zu tun. Wir haben noch in vielen Bereichen dringenden Handlungsbedarf.
Nehmen Sie das Beispiel der freien Träger, die im Bereich des Opferschutzes tätig sind. Es ergibt sich aus vielen Einzelgesprächen, aber auch aus der Beantwortung, dass die Landesmittel, die die vielen freien Träger bekommen, nicht auskömmlich sind, damit diese ihrer Tätigkeit im Opferschutz so nachgehen können, dass sie nicht andauernd Geldauflagen oder Spenden hinterherrennen müssen. An anderer Stelle bleibt für die originäre Arbeit mit den Opfern nicht mehr genügend Zeit.
Ich sage Ihnen: Das ist falsch. Wir müssen diese freien Träger und diese Vereine weiter unterstützen. Sie brauchen Landesmittel in auskömmlicher Höhe, damit genügend Zeit für die Opfer bleibt.
Ich darf an dieser Stelle daran erinnern, dass Sie es waren, die die Förderung von Frauenhäusern, Frauennotrufen und Frauenberatungsstellen und Interventionsstellen kommunalisiert und damit die Steuerung aus der Hand gegeben haben. Damit haben Sie viele Frauenhäuser in finanzielle Notlagen gebracht. – Da brauchen Sie gar nicht den Kopf zu schütteln, weil das die Wahrheit ist. Daran muss an diesem Tag auch erinnert werden, meine Damen und Herren.
Ja, es war die konservative, schwarz geführte Landesregierung, und das ist unvergessen. Viele Frauenhäuser leiden heute noch unter dieser schlimmen Maßnahme.
Es ist gut, dass es in einzelnen Gerichten sogenannte Zeugenzimmer gibt. Das sind Zimmer, in die sich Zeugen, die oftmals Opfer geworden sind, zurückziehen können. Das kann aber nur der erste Schritt sein. Aus unserer Sicht brauchen wir bei allen Amts- und Landgerichten entsprechende Zeugenzimmer. Es reicht nicht aus, sich als Zeuge bzw. als Opfer in ein Zeugenzimmer zurückziehen zu können. Vielmehr brauchen wir auch die entsprechenden Betreuungsstrukturen, damit sich traumatisierte Opfer – zumeist in einem Strafverfahren – mit der Tat auseinandersetzen können. Diese begegnen dem Täter wieder und werden in dieser Situation womöglich erneut traumatisiert. Diese müssen auch professionell begleitet werden.
Deshalb fordern wir als SPD nicht nur den Ausbau von solchen Zeugenzimmern, sondern auch eine professionelle Betreuung durch geschulte Begleiter, die die psychosoziale Begleitung, die es schon gibt, in entsprechender Art und Weise ergänzt, meine Damen und Herren.
Ich will noch einen letzten Aspekt ansprechen, der uns sehr wichtig ist, den wir bereits mehrfach beantragt haben und den wir Ihnen heute erneut zur Entscheidung vorlegen. Wir brauchen auch hier in Hessen endlich einen Opferfonds, der in den Fällen greift, in denen das Opfer nicht auf eine andere Art und Weise schnell und unbürokratisch Hilfe erlangen kann.
Letzter Satz: Es gibt bereits sehr gute Erfahrungen in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg. Das ist echter Opferschutz. Bitte unterstützen Sie unsere Initiative. – Vielen Dank.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Sinti und Roma wurden während der Herrschaft des Nationalsozialismus als – ich setze das in Anführungszeichen – „Zigeuner“ erniedrigt, verfolgt und auch ermordet. Rund eine halbe Million Menschen dieser Minderheit sind während des dunkelsten Kapitels Deutschlands ermordet worden.
Auch heute noch werden sie in unserer Gesellschaft zum Teil diskriminiert. Angesichts dieses dunkelsten Kapitels unserer Geschichte und unserer besonderen historischen, aber auch politischen Verantwortung ist es mehr als richtig, dass wir gerade diese Minderheit der Sinti und Roma, die inmitten unserer Gesellschaft, inmitten von Hessen, unter uns und mit uns, leben, besonders schützen und anerkennen. Der Ministerpräsident hat zu Recht gesagt – da kann ich ihm ausnahmsweise einmal zustimmen –, dass diese Verantwortung, die wir alle haben und tragen, in diesen Zeiten des Rechtsextremismus und Erstarkens des Rechtspopulismus umso schwerer wiegt und dass wir uns dieser Verantwortung gerade in diesen Zeiten umso mehr stellen müssen.
Deshalb ist es richtig, dass diese Rahmenvereinbarung, die bestanden hat, jetzt weiterentwickelt wird zu einem Staatsvertrag, der mit dem vorgelegten Gesetzentwurf verankert werden soll, damit das Ganze mehr Verbindlichkeit und
Tragkraft erhält und die Minderheit der Sinti und Roma in unserem Bundesland zudem eine verlässlichere finanzielle Grundlage erhält, mit der der Verband, aber auch die Sinti und Roma in Gänze unterstützt werden. Es ist wichtig, diese Minderheit gerade bezüglich ihrer ethnischen, kulturellen, sprachlichen und religiösen Identität besonders zu schützen.
Dazu bedarf es – das ist angesprochen worden – im Detail einzelner Maßnahmen, etwa im Bereich der Schulen, wo es darum geht, die Sprache Romanes, also die Sprache der Sinti und Roma, besonders zu fördern und zu unterstützen, damit diese nicht untergeht, sondern Bestand hat, und diese gar gepflegt werden kann.
Es bedarf einer zielgruppenspezifischen Förderung der Sinti und Roma und detailgerechter Angebote – auch für junge und erwachsene Sinti und Roma, und zwar passgenau und spezifisch. Ich bin sehr froh darüber, dass mit dem Rahmenübereinkommen des Europarats zum Schutz nationaler Minderheiten und der Europäischen Charta der Regional- oder Minderheitensprachen auch die europäische Ebene erkannt hat, dass Sinti und Roma als Minderheit zu schützen sind. Das muss auch Einfluss finden in die hessische Praxis.
Ich selbst weiß aus Gesprächen mit dem Landesverband, aber auch einzelnen Sinti und Roma – das habe ich zu Beginn meiner Rede gesagt –, dass der Minderheitenschutz noch heute aktuell ist, weil Sinti und Roma, wie ich es bereits ausgeführt habe, in unserer Gesellschaft bedauerlicher- und schädlicherweise noch heute diskriminiert werden. Wir brauchen passgenaue Maßnahmen gegen Diskriminierung und Vorurteile.
Ich möchte zwei konkrete Punkte herausstellen, die auch in diesem Gesetzentwurf vorgesehen sind und die ich im Namen der SPD-Landtagsfraktion ausdrücklich unterstütze. Es ist vorgesehen, dass gerade im Bereich des Friedhofswesens eine Gedenkform der ewigen Ruhe für Sinti und Roma erfolgen soll – für Sinti und Roma, die im Rahmen der Nazidiktatur in schändlichster Art und Weise ermordet wurden und noch nicht einmal eine Grabstätte erhalten durften. Dass dem jetzt im Nachgang, nach vielen Jahrzehnten, mit solch einer Gedenkstätte Rechnung getragen wird, ist längst überfällig, meine Damen und Herren.
Ich bin auch sehr froh darüber, dass jetzt über die Landeszentrale für politische Bildung ein Ort für die Ausstellung zur Verfolgung von Sinti und Roma gefunden wurde, nämlich die Wissenschaftsstadt Darmstadt. Es sind geeignete und würdige Räume, um auf dieses Thema mit einer Ausstellung aufmerksam zu machen, weil wir nicht vergessen dürfen: Das Thema der Sinti und Roma steht nicht im Mittelpunkt des Bewusstseins der öffentlichen Wahrnehmung, sondern es ist oft leider nur ein Randthema. Wir müssen gerade die Geschichte der Sinti und Roma, ihre Bedeutung und ihren Stellenwert für unsere Gesellschaft, in Form solch einer Ausstellung für die Bürgerinnen und Bürger transparent machen und ihnen damit ein Gesicht geben sowie sie anerkennen. Deshalb bin ich sehr froh, dass solch
eine Ausstellung initiiert wird. Insofern kann ich für die SPD-Landtagsfraktion ganz klar sagen: Wir sind froh, dass es diesen Staatsvertrag geben wird, und wir werden das Gesetzgebungsverfahren konstruktiv begleiten.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Mit dem vorgelegten Sammelgesetz zur Änderung von über zehn Rechtsvorschriften dürfen wir uns nun in dritter Lesung noch einmal befassen. Ich möchte nur noch auf zwei inhaltliche Aspekte zu sprechen kommen. Die dritte Lesung ermöglicht es uns, trotz der Fülle von Vorschriften das eine oder andere noch einmal separat zu beleuchten.
Erstens. Das Vergabegesetz soll geändert werden. Ich will für die SPD-Landtagsfraktion noch einmal deutlich machen, dass wir im Gegensatz zu dieser Landesregierung für ein Tariftreue- und Vergabegesetz stehen, das insbesondere eine wirkungsvolle Prüfung der Vergabe beinhaltet.
Wir wollen im Gegensatz zu Ihnen, dass öffentliche Aufträge nur an Unternehmen vergeben werden, die nach Tarif
entlohnen, und zwar unabhängig von der Höhe des Auftragswertes. Wir wollen effektiv Lohndumping beenden, und dafür brauchen wir eine echte Kontrolle. Dafür steht die hessische SPD.
Ich will noch einen zweiten Aspekt ansprechen, der hier auch noch nicht zum Tragen gekommen ist, der aber im Hauptausschuss beraten worden ist. Sie wissen, dass das Privatrundfunkgesetz in seiner Geltungsdauer verlängert werden soll. Die Kolleginnen und Kollegen wissen, dass in Gänze auch mit dem Rundfunkstaatsvertrag eine größere Änderung ansteht. Dazu will ich für uns schon einmal ankündigen, dass wir in diese Debatte die paritätische Gremienbesetzung einbringen werden. Ich denke, dazu gibt es im Plenum, aber auch in dem zuständigen Fachausschuss noch das eine oder andere zu diskutieren.
Lassen Sie mich damit schließen, dass ich es bedauere, dass gerade bei diesem Sammelgesetz das grundsätzliche Problem der Evaluierung und dessen, was das Parlament nicht erfährt, leider nicht gelöst wurde. Ich bedauere auch, dass dieses Gesetzgebungsverfahren sehr holprig war, dass Sie erst sehr spät nachjustiert haben und entsprechend nicht sauber gearbeitet haben. Deshalb können und werden wir diesem Gesetzentwurf in Gänze nicht zustimmen.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Erneut beraten wir das Elfte Gesetz zur Verlängerung der Geltungsdauer und Änderung von Rechtsvorschriften. Wir beraten erneut das sogenannte Sammelgesetz, in dem zahlreiche Vorschriften – ich will es einmal so formulieren – versteckt sind. Das Wort „versteckt“ passt bei diesem Gesetzgebungsverfahren sehr gut. Denn wir haben schon gehört, dass in diesem Gesetzgebungsverfahren doch einige Unstimmigkeiten aufgetaucht sind, die dem Justizministerium vorher leider entgangen sind.
„Sammelgesetz“ bedeutet in der Tat, dass wir damit über zehn Gesetze verändern werden. Zum Teil sind es redaktionelle Anpassungen und unproblematische Veränderungen. Es geht daneben aber auch ganz schön um inhaltliche Schwerpunkte, die auch politisch zu bewerten sind. Ich
möchte hier in der zweiten Lesung noch einmal klar drei Akzente benennen.
Es geht um die Schuldnerberatung. Dort hat es während des Gesetzgebungsverfahrens Anregungen gegeben, zu denen die Ministerin leider keine Stellung genommen hat. Ich kann Ihnen für die SPD-Landtagsfraktion ganz deutlich sagen, dass wir solche Anregungen ernst nehmen. Denn wir wollen in Hessen eine gute und ausreichende Schuldnerberatung haben. Das ist für uns von zentraler Bedeutung. Deshalb muss man da genauer hinschauen.
Ich möchte noch einmal ausdrücklich das Kommunalisierungsgesetz erwähnen, das Sie – so ist es beabsichtigt – einfach ins seiner Geltungsdauer verlängern werden.
Wir wissen alle, dass damit den Landräten und Oberbürgermeistern neue Aufgaben übertragen worden sind, aber – so wie wir es von dieser Landesregierung gewohnt sind – ohne die erforderlichen zusätzlichen Mittel. Sie wissen ja, dass diese Landesregierung kommunalfeindlich ist.
Das lassen wir Ihnen an der Stelle nicht durchgehen. Wenn die Kommunen neue Aufgaben bekommen – das ist eine Frage der Konnexität –, dann müssen sie auch die erforderlichen Mittel dafür bekommen. – Meine Damen und Herren, auch hier Fehlanzeige.
Der dritte Punkt, den ich hier ausdrücklich erwähnen will, weil er ganz wichtig ist, ist, dass Sie das Gesetz zum freiwilligen Polizeidienst hier im Wesentlichen in seiner Geltungsdauer verlängern wollen und damit Flickschusterei betreiben. Wir brauchen in unserem Land zur Gewährleistung der inneren Sicherheit ausreichend Personal bei der Polizei. Sie haben da viel zu spät nachjustiert. Das kann mitnichten durch den freiwilligen Polizeidienst ausgeglichen werden. Nein, wir brauchen endlich ausreichend Personal zur Gewährleistung der inneren Sicherheit und zur Schließung der Sicherheitslücken – Sie haben viel zu spät eingelenkt. Das fällt jetzt nicht vom Himmel. Es müssen Polizeianwärterstellen geschaffen werden; dann muss erst ausgebildet werden. – Meine Damen und Herren, auch das ist an dieser Stelle der völlig falsche Weg.
Viertens. Man kann jetzt sagen – dazu haben wir das Gesetzgebungsverfahren –, dass man an der einen oder anderen Stelle nachjustiert. Die Kollegen sind schon im Bereich der Sicherungsunterbringungen darauf eingegangen. Es ist den Oppositionsfraktionen aufgefallen, und es ist ihnen dafür zu danken, dass hier mit einem Änderungsantrag von CDU und GRÜNEN noch einmal nachjustiert wird. In der Sache sind wir einer Meinung, weil es den praktischen Realitäten entspricht, was hier jetzt vorgeschlagen wird. Frau Justizministerin, das hätte aus Ihrem Hause aber gleich richtig kommen müssen. Meine Damen und Herren, ich kann nur sagen: Dieses Gesetzgebungsverfahren ist holprig und unprofessionell.
Ich bin dem Kollegen Honka dankbar, dass er von sich aus schon die dritte Lesung beantragt hat. Ich will mich auch
der Kritik meines Kollegen Dr. Wilken und den grundsätzlichen Bedenken, die hier vorgetragen wurden, anschließen. Es wird hier von Ihnen zwar ein Stufenmodell praktiziert – so weit, so gut –, aber es werden dem Parlament keine Evaluierungsergebnisse vorlegt, weil gar keine richtige Evaluierung betrieben wird. Also sagen wir ganz klar – ich erneuere an der Stelle auch unsere Kritik –: Machen Sie es doch richtig, legen Sie es dem Parlament vor. Das wäre ein sauberes Gesetzgebungsverfahren. Meine Damen und Herren, ich fordere das an dieser Stelle ausdrücklich ein.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich möchte nach der etwas technokratisch anmutenden Einführung in die Debatte durch die Justizministerin zu diesem Sammelgesetz einige politische Aspekte dieses Sammelgesetzes beleuchten, und das auch kritisch aus Sicht der SPD-Landtagsfraktion.
Es soll etwa das Ausführungsgesetz zur Insolvenzordnung geändert werden, und es gab in den schriftlichen Anhörungen, die stattgefunden haben, doch einige kritische Anmerkungen zu den geplanten Änderungen im Bereich der Schuldnerberatung. Ich sage für die SPD-Landtagsfraktion deutlich: Auch angesichts der Tatsache, dass wir zum dritten Mal einen Anstieg der Zahl von Privathaushalten in Deutschland haben – auch hier in Hessen, Hessen ist im Mittelfeld, was die Verschuldung anbelangt –, ist uns eine gute, dezentrale und auskömmliche Schuldnerberatung sehr wichtig. Da ist auch wichtig, dass ein gutes Gesetz für die Schuldnerberatung vom Landtag verabschiedet wird. Deshalb werden wir diesen Aspekt im Gesetzgebungsverfahren kritisch beleuchten.
Ein zweites Gesetz ist das sogenannte Kommunalisierungsgesetz, das auch schon mehrfach Gegenstand der kritischen Auseinandersetzung hier im Haus war. Es beschäftigt sich mit der Frage, inwieweit Landräten und Oberbürgermeistern neue Aufgaben durch das Land übertragen wurden. Das hat stattgefunden. Das soll einfach bis zum Jahr 2025 weiter verlängert werden. Wir als SPD-Landtagsfraktion erneuern unsere Kritik, dass, wenn man Oberbürgermeistern und Landräten Aufgaben vom Land überweist, man ihnen auch entsprechend auskömmliche Mittel, die sogenannten Erstattungsbeiträge, zur Verfügung stellen muss. Das macht das Land gerade nicht – etwa im Bereich des Veterinärwesens, der Lebensmittelüberwachung, aber auch des Verbraucherschutzes.
Hier muss ganz klar nachgebessert werden.
Dritter Punkt. Das Gesetz zum freiwilligen Polizeidienst soll im Wesentlichen einfach in seiner Geltungsdauer verlängert werden. Hier darf ich für die SPD Ihnen erneut zurufen: Der freiwillige Polizeidienst ist kein Ersatz und kann kein Ersatz für hoch qualifizierte Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte in unserem Land sein.
Wir brauchen nicht erst seit den Zeiten des internationalen Terrorismus mehr Polizei auf der Straße, mehr Polizei für die Sicherheit unseres Landes. Sie haben davor lange die Augen verschlossen, bis Sie jetzt etwas nachgelegt haben.
Sie haben da lange geschludert.
Auch das Hessische Energiegesetz soll im Wesentlichen in seiner Geltungsdauer verlängert werden. Da lohnt sich in der Tat einmal ein Blick in die Gesetzesbegründung, wo Sie doch selbst als Landesregierung beim Energieverbrauch Selbstkritik üben müssen.
Doch, an einer winzigen Stelle kann man das wirklich einmal lesen.
Ja, das hat uns auch gefreut. Es wurde nämlich beim Energieverbrauch angemerkt: Da könne man mehr erreichen, mehr Anstrengungen unternehmen, und da habe man noch eine Wegstrecke vor sich.
Aber für uns gilt – das haben wir hier schon mehrfach angesprochen –: Bei Ihrer Anstrengung im Bereich der regenerativen Energien brauchen wir mehr Engagement, auch gerade im Bereich der Windenergie. Da machen Sie hier dicke Backen, insbesondere die GRÜNEN; und die CDU vor Ort torpediert diese Pläne, die torpediert den Ausbau der Windenergie vor Ort. Da sind Sie doppelzüngig unterwegs.
Das von Ihnen selbst gesteckte Ziel erreichen zu können, den Anteil erneuerbarer Energien von 12,5% auf 25 % im Jahr 2019 zu erhöhen, glauben Sie selbst nicht mehr.
Wir brauchen hier viel mehr Anstrengungen. Die vermissen wir vonseiten dieser Landesregierung.
Ich möchte einen letzten Aspekt benennen, den wir bei diesen Sammelgesetzen immer wieder erneuern und der nach wie vor richtig ist. Es ist dem Grunde nach richtig, sich in einem geordneten Verfahren zu überlegen, welche Rechtsvorschriften wir noch brauchen, welche unverändert weitergeführt werden können und wie wir damit geordnet um
gehen. Aber dazu gehört auch, dem Parlament, uns, der gesetzgebenden Gewalt, die nötigen Unterlagen diesbezüglich zur Verfügung zu stellen, nämlich die Evaluierungsergebnisse. Bis zum heutigen Tage legen Sie uns diese nicht vor.
Wie sollen wir als zuständiger Gesetzgeber dann darüber entscheiden, ob die Vorschrift obsolet ist, ob sie verändert werden muss oder ob sie einfach weiter laufen kann? Meine Damen und Herren, wir fordern Sie erneut auf, uns die Evaluierungsergebnisse vorzulegen, falls die Evaluation überhaupt vorgenommen worden ist, was Sie immer behaupten.
Oder haben Sie etwas zu verheimlichen?
Das fordern wir von Ihnen. Das ist längst überfällig. Nur so kann es ein ordentliches Gesetzgebungsverfahren geben, das wir auch fordern. Meine Damen und Herren, das einfach hier durchzuwinken wäre etwas wenig.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir haben gerade im Hause gehört, dass die FDP, also die Partei, die für sich reklamiert, die Rechtsstaatspartei zu sein, für „freie Fahrt im Netz“ ist. Damit missachtet sie, dass auch die sozialen Netzwerke eben kein rechtsfreier Raum sind, sondern im Gegenteil.
Frau Beer, wenn Sie hier auf übelste Art und Weise versuchen, zu verharmlosen, was tagtäglich im Netz passiert – hier stimmt der Ansatz von der Sekunde; denn in jeder Sekunde passieren im Netz millionen- oder gar milliardenfach Hasstiraden, Mordaufrufe, hasserfüllte Postings oder Drohungen –, dann stelle ich fest: Das sind unerträgliche Zustände, und diesen müssen wir endlich entschieden begegnen.
Sie müssten eigentlich viel besser wissen, dass solche Hasskommentare, Drohungen und hasserfüllte Postings gerade nicht mehr von der Meinungsfreiheit gedeckt sind, sondern Straftatbestände erfüllen.
Ich kann Ihnen nur eines sagen: Hass und Hetze im Netz sind die wahren Feinde der Meinungsfreiheit. Deshalb ist es auch längst überfällig, dass der Rechtsstaat endlich nachbessert und dafür Sorge trägt, dass bestehende gesetzliche Vorschriften besser durchgesetzt werden können.
Genau um diesen Punkt geht es, nicht um mehr. Es geht darum, dass die bestehenden gesetzlichen Vorschriften auch endlich durchgesetzt werden können.
Meine Damen und Herren, deshalb will ich auch auf ein paar Punkte eingehen, die in diesem Gesetzentwurf vorgesehen sind. Ich bin auch sehr froh, dass die Bundesebene endlich den Mut hatte, einen Gesetzentwurf vorzulegen, nachdem die Zeit der Selbsterklärungen und der Selbstverpflichtungen der Netzwerkbetreiber, die im Jahr 2015 begonnen hat – denn es hat eine Taskforce gegeben, die auf die Selbstverpflichtungen und Selbsterklärungen der Netzwerkbetreiber gesetzt hat –, nicht zu dem gewünschten Ergebnis geführt hat.
Jetzt hat die Bundesebene endlich die Kraft, zu sagen: Ja, wir reagieren mit einem Gesetz. – Denn die Fakten sind, dass Facebook trotz dieser Selbsterklärungen gerade einmal 39 % der Meldungen löscht; und bei Twitter sind es gerade mal 1 %. Das ist viel zu wenig.
Ich komme noch einmal zu dem Punkt, den ich angesprochen habe, dass es hier nur um eine Konkretisierung bereits bestehender Regelungen geht. Bereits heute sind die Netzwerkbetreiber nach der E-Commerce-Richtlinie und dem Telemediengesetz verpflichtet und für die Dinge mit verantwortlich, die auf ihren Netzwerken passieren, sowie für die Meldungen, die bei ihnen eingehen.
Das Gesetz ermöglicht durch ein Beschwerdemanagement, dass diese Rechte auch durchgesetzt werden können. Frau Beer, übrigens muss die Bußgeldbehörde vorher eine gerichtliche Entscheidung einholen, bevor das Bußgeld verhängt wird und die Entscheidung überhaupt erfolgt ist, ob ein rechtswidriger Inhalt vorliegt oder nicht.
Entsprechende Vorgaben haben wir hier schon gemacht.
Ein zweiter Punkt, der ganz wichtig ist. Sie sagen, bezüglich Facebook würden Aufgaben privatisiert. Im Gegenteil, mit diesem Gesetz implementiert der Gesetzgeber ein System, mit dem er Entscheidungen der Plattform überprüfen lässt. Vielleicht sieht es die FDP ja anders, aber einem Unternehmen wie Facebook, das im letzten Jahr 3,05 Milliarden $ Gewinn gemacht hat, kann zugemutet werden, mehr
Personal für diese Dingen einzusetzen. Ist das nicht zumutbar?
Zur Gesetzgebungskompetenz. Das ist geprüft worden. Dieser Gesetzentwurf ist Gegenstand der konkurrierenden Gesetzgebung, und die Gesetzgebungskompetenz liegt beim Bund. Alles andere wäre naiv.
Frau Beer, Sie müssten es eigentlich besser wissen, Sie sind Juristin, es steht ganz klar im Gesetz. Sie haben gesagt, der Betreiber hätte nur acht Sekunden Zeit, offensichtlich rechtswidrige, Inhalte zu löschen.
Bitte sehen Sie sich § 3 des Gesetzentwurfs an. Darin steht, dass die sozialen Netzwerke verpflichtet werden, einen offensichtlich rechtswidrigen Inhalt nach dem Eingang der Beschwerde – bitte hören Sie genau zu – innerhalb von 24 Stunden zu entfernen oder den Zugang zu sperren.
Meine Damen und Herren, reicht diese Zeit nicht aus?
Ein letzter Punkt, den ich ansprechen muss. Ich frage die Abgeordneten der CDU, ob sie noch bei Sinnen sind.
Sie sagen, es handele sich um einen Schnellschuss des Bundesjustizministers. Schämen Sie sich nicht? – Dieser Gesetzentwurf ist von CDU und SPD in den Deutschen Bundestag eingebracht worden.
Das ist heuchlerisch, was Sie betreiben. Machen Sie sich nicht in die Büsche, sondern übernehmen Sie Verantwortung, meine Damen und Herren.
Ich frage die Landesregierung:
Wann wird nach ihrer Einschätzung das Regierungspräsidium Darmstadt über den Kooperationsvertrag der Hebammenschule in Frankfurt entscheiden?
Sie rechnen aber gewiss mit einer Antragseinreichung beim Regierungspräsidium?
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Der sogenannte Radikalenerlass und dessen Umsetzung und Folgen gehören zu den dunkelsten Kapiteln der hessischen Geschichte. Deshalb muss ich offen sagen, Herr Heinz: Der Duktus Ihrer Rede hat mir überhaupt nicht gefallen.
Er war der Sache auch unangemessen.
Zu den Fakten des Entstehens des Radikalenerlasses ist von den Vorrednern schon einiges gesagt worden: dass 1972 im Zuge der Ministerpräsidentenkonferenz unter Willy Brandt der Radikalenerlass zur Abwehr angeblicher Verfassungsfeinde entstand, die sich vermeintlich gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtet haben, dass gegen diese Personen vorgegangen worden ist und dass sie im Zweifel oder im Einzelfall aus dem öffentlichen Dienst entfernt bzw. entlassen worden sind.
Es steht überhaupt nicht infrage, und daran übt hier auch niemand Zweifel, dass sich Beamte selbstverständlich auf dem Boden des Grundgesetzes, auf dem Boden der freiheitlich-demokratischen Grundordnung nicht nur bewegen müssen, sondern dass sie diese auch verinnerlichen und akzeptieren müssen. Das ist in diesem Hause aus meiner Sicht völlig unstrittig, und das ist auch gut so.
Das wird bestritten? Bedauerlich.
Die Dimension dieses Erlasses und dessen Auswirkungen sind schon anhand einiger Zahlen dokumentiert worden. Ich will noch zwei nennen, damit man den Umfang der Auswirkungen des Erlasses verinnerlicht. Mit dieser Regelanfrage, die es damals gab, sind 3,5 Millionen Bewerberinnen und Bewerber systematisch, eben regelhaft, vom Verfassungsschutz auf ihre politische Zuverlässigkeit hin überprüft worden. Das hat einen riesigen bürokratischen Rattenschwanz nach sich gezogen. Es kam zu 11.000 offiziellen Berufsverbotsverfahren, 2.200 Disziplinarverfahren, entsprechend 1.250 Ablehnungen von Bewerbungen und 265 Entlassungen.
Mit dem Begriff der Verfassungsfeindlichkeit ist man entsprechenden Organisationen und Einzelpersonen richtig auf den Leib gerückt. Ich kann Ihnen sagen: Wenn man sich historisch vertieft, Einzelschicksale nachliest, wenn man auch noch mit Zeitzeugen redet, dann schaudert es einen wirklich. Es geht um Einzelschicksale, deren Existenz dadurch zum Teil vernichtet worden ist, nicht nur die berufliche Existenz. Da kann ich Ihnen nur sagen, meine Damen und Herren: Das lässt einen nicht kalt.
Eines gehört auch zur Wahrheit – dazu komme ich noch, Herr Kollege –: dass dieser Radikalenerlass faktisch überwiegend Aktive des linken Spektrums betroffen hat. Der Radikalenerlass hat bezeichnenderweise, in Anführungsstrichen, nicht etwa, wie man vermuten könnte, zu einer einheitlichen Vollzugspraxis geführt. Im Gegenteil, es gab eine unterschiedliche Vollzugspraxis in den Ländern. Es kam wirklich darauf an, in welchem Bundesland man sich beworben hatte, um Beamter zu werden. Je nachdem, in welchem Bundesland man war, konnte man durchrutschen, oder man hat eben zu den falschen Freunden gehört, man hat zu einer antifaschistischen Bewegung gehört oder bei einer Demonstration eine rote Flagge geschwenkt. Das hat manchmal schon gereicht, um ins Visier der Beobachter zu kommen und entsprechenden peinlichen Nachfragen ausgesetzt zu sein.
Meine Damen und Herren, es folgten für die Betroffenen Diskriminierungen, oft haltlose Verdächtigungen, im schlimmsten Fall das Berufsverbot.
Herr Heinz, weil Sie nonchalant als Jurist angesprochen haben, jedem habe der Rechtsweg offengestanden,
sage ich Ihnen, für viele hat es langwierige Gerichtsverfahren nach sich gezogen. Ich darf das Beispiel des Lehrers Klaus Lipps erwähnen, der sich durch die Instanzen klagen durfte. Sie als Jurist müssten am genauesten wissen, was es für den Einzelnen bedeuten kann, wenn er sich durch die Instanzen klagen muss. Das kann ganz schön verheerend sein.
Auch in Hessen waren 130 Personen von dem sogenannten Radikalenerlass unmittelbar betroffen.
Das wurde angesprochen. Da können wir sehr dankbar sein. Das war in der damaligen Zeit noch gar nicht üblich. Der Europäische Gerichtshof hat 1995 der Praxis der Berufsverbote in der Bundesrepublik Deutschland einen Riegel vorgeschoben. Es ist sehr wohltuend, dass der Europäische Gerichtshof schon zum damaligen Zeitpunkt eine entsprechend weitreichende und zukunftsweisende Rechtsprechung getätigt hat.
Ich möchte auch ganz klar zu dem Dringlichen Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Stellung nehmen. Ich muss Ihnen da ganz klar sagen: Dieser Dringliche Entschließungsantrag ist dünn. Er ist wachsweich. In diesem Dringlichen Entschließungsantrag wird nur ein Bedauern kundgetan. Es kommt nicht die Forderung auf, das Ganze aufzuarbeiten.
Das ist eben genau der Punkt. Man darf hier nicht pauschalieren. Herr Heinz, das haben auch Sie gesagt. Man muss sich einmal die Praxis anschauen. Dazu gehören aber in der Tat die Aufklärung und die Aufarbeitung.
In Ihrem Dringlichen Entschließungsantrag fehlen auch völlig die Konsequenzen, die wir daraus zu ziehen haben. Ich kann Ihnen für die SPD-Mitglieder der Landtagsfraktion nur sagen, dass Ihr Dringlicher Entschließungsantrag, also der des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der CDU, enttäuschend und dünn ist. Wir haben da von Ihnen mehr erwartet.
Ich wollte gerade darauf zu sprechen kommen. Wir werden dem Antrag der Fraktion DIE LINKE zustimmen.
Ich darf daran erinnern, dass in Niedersachsen erst im letzten Jahr ein gemeinsamer Antrag von Rot und Grün verabschiedet wurde, der die Ziele des Antrags der LINKEN zum Inhalt hatte.
Da hatten die GRÜNEN die Stärke, die Aufarbeitung zu fordern.
Diese Stärke und Größe zeigen Sie hier in Hessen nicht. Das ist eine große Enttäuschung. In Niedersachsen sind Sie bereit, gemeinsam mit uns weiterzugehen. Hier verabschieden Sie gerade einmal einen schmallippigen Dringlichen Entschließungsantrag mit der CDU. Das ist wirklich enttäuschend.
Ich möchte einen weiteren, für uns wichtigen Punkt benennen. Man kann sich trefflich darüber streiten, ob man, wie in Niedersachsen von den Kollegen der SPD gefordert, einen Beauftragten einsetzt oder ob man, wie es in diesem Antrag vorgesehen ist, eine Kommission einsetzt, die dann natürlich von vielen Schultern getragen werden muss. Man kann mit zivilgesellschaftlichen Gruppen das Geschehen in einer Kommission aufbereiten.
Dazu sagen wir: Das ist ein guter Weg. Vor allen Dingen ist auch der Ansatz gut, dass die Ergebnisse öffentlich dargestellt und in die weitere politische Arbeit einbezogen werden sollen. Wir finden, das ist ein zentraler Punkt.
Herr Bellino, Sie haben eben auf Altbundeskanzler Willy Brandt angespielt. Willy Brandt hat in der Tat später eingeräumt, dass er einen Fehler gemacht hat.
Willy Brandt hatte die Größe, den Fehler nicht nur zuzugeben, sondern sich auch zu entschuldigen. Er ist ein gutes Beispiel für eine souveräne Politik, die ich aus diesen Reihen dieses Hauses oft vermisse.
Es ist wichtig, dass endlich eine umfassende Aufarbeitung erfolgt. Ich will aber noch einmal ganz klar unterstreichen, dass sich der Hessische Landtag bereits im Jahr 2012 mit diesem unrühmlichen Kapitel in der Geschichte Hessens auseinandergesetzt hat. Dafür bin ich sehr dankbar. Aber die Aufarbeitung des Geschehenen steht noch aus.
Ich darf mit einem Zitat des Autors Renzie schließen. Er hat einmal gesagt:
Wer die Fehler der Vergangenheit in der Gegenwart nicht analysiert und korrigiert, muss sich nicht wundern, wenn ihn die Vergangenheit in Zukunft einholt.
Meine Damen und Herren, vielen Dank.
Herr Präsident, so viel Zeit muss sein: SPD, bitte.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Nicht zuletzt seit dem brutalen und kaltblütigen Anschlag vom 19. Dezember in Berlin wissen wir: Die öffentliche Sicherheit ist ein hohes Rechtsgut. Die Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit gehört zu den wichtigsten Aufgaben unseres Staates. Alle Menschen in unserem Land und darüber hinaus haben ein Recht auf Sicherheit. Für uns Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten gibt es ein Menschenrecht auf Sicherheit.
Eine Politik der öffentlichen Sicherheit muss zum einen Gefahren erkennen, diese verhindern und wirksam bekämpfen, aber auch rechtsstaatliche Grundsätze und vor allem die Freiheitsrechte wahren. Für uns als Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten ist Sicherheit keine Privatsache. Im Gegenteil, sie ist Kernbestandteil staatlichen Handelns, und das muss sie auch bleiben. Deshalb wollen und brauchen wir auch hier in Hessen keine Bürgerwehren, meine Damen und Herren.
Wir nehmen mit großer Sorge zur Kenntnis, dass sich, auch durch die Vorfälle der vorletzten Silvesternacht in Köln, immer mehr Menschen in Hessen den sogenannten kleinen Waffenschein besorgen und seit 2005 dessen Anzahl um 60 % gestiegen ist. Das ist nicht nur deshalb besorgniserregend, weil die Gewährleistung von Sicherheit aus unserer Sicht Aufgabe hoheitlichen Handelns und nicht
Privatsache und nicht Sache des Einzelnen ist, sondern auch deshalb, weil im Einzelfall das Tragen solch einer Waffe sogar Gefahren und Risiken für den Einzelnen mit sich bringen kann.
Für uns als Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten ist die Sicherheit auch eine Frage der Verteilungsgerechtigkeit. Denn nur Starke können sich einen schwachen Staat leisten, meine Damen und Herren.
Angesichts einer sich durch internationalen Terrorismus verändernden Welt fragen wir uns: Mit welcher Sicherheitsarchitektur wollen wir dem begegnen? Ich kann Ihnen sagen, wie für uns als Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten diese Sicherheitsarchitektur aussehen muss. Wir wollen und werden nicht zulassen, dass feige Attentate unsere Demokratie und unsere gemeinsamen Werte zerstören.
Wir wollen und werden auch weiterhin in einer offenen, toleranten Gesellschaft leben. Wir wollen, dass die Bürgerinnen und Bürger sich frei und selbstbestimmt in unserem Land bewegen können, unabhängig von ihrer Herkunft und unabhängig von ihrem Einkommen. Wir wollen so viel Sicherheit wie nötig und so viel Freiheit wie möglich für den Einzelnen. Diese Balance zwischen Freiheit und Sicherheit ist zu wahren. Das ist keine leichte Aufgabe. Aber zur Wahrung gerade der Bürgerrechte muss uns diese schwierige Aufgabe immer wieder neu gelingen.
Die beste Antwort auf die Taten und den Hass der Terroristen ist der wehrhafte Rechtsstaat. Dabei darf der Rechtsstaat nie seine Prinzipien preisgeben. Aber zum Rechtsstaat gehört auch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Dieser besagt: Je größer eine Gefahr ist, desto entschlossener, ja, entschiedener muss der Staat seine Bürgerinnen und Bürger vor diesen Gefahren schützen, meine Damen und Herren.
Für Konservative wie Sie, Frau Kühne-Hörmann, gibt es in solchen Situationen immer nur eine reflexhafte Antwort, und die heißt: schärfere Gesetze. Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten stehen entgegen dieser Politik des Aktionismus und der Effekthascherei für eine Politik des Augenmaßes und der Verantwortung.
Für uns gibt es nicht – wie bei den Konservativen – einen Automatismus, dass wir dann immer schärfere Gesetze brauchen. Nein, wir schauen uns erst den Einzelfall an, analysieren die Situation, fragen uns, wie es im Vollzug war, und klären erst dann, ob etwas nachzujustieren ist, ob weitere Schritte zu unternehmen sind oder nicht.
Für uns Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten ist außerdem eines klar: Die beste Sicherheit wird durch die Sicherheitsbehörden Polizei und Justiz sichergestellt, die mit ausreichend Personal ausgestattet sind, das hoch qualifiziert und hoch motiviert ist. Das ist der beste Schutz für die Sicherheit unserer Bevölkerung, meine Damen und Herren.
Wer hat denn den Aderlass bei der Polizei und insbesondere bei der Justiz in den letzten Jahren zu verantworten? Das sind doch Sie, Frau Justizministerin Kühne-Hörmann.
Die Justiz war jahrelang ein Steinbruch dieser Landesregierung. Ich darf die Zahlen hier noch einmal in Erinnerung rufen.
Mit der „Operation düstere Zukunft“ im Jahr 2003 wurden im ersten Schritt 800 Stellen bei der Justiz abgebaut.
Ich weiß, dass Sie das nicht hören wollen. Das tut weh. Das ist aber die Wahrheit.
Im Folgeschritt wurden später, in jüngerer Vergangenheit, weitere 400 Stellen abgebaut. Das ist der Aderlass, der in der Justiz stattgefunden hat, meine Damen und Herren.
Das hat auch konkrete Folgen. Wir haben mit unserem Berichtsantrag herausgearbeitet – bzw. Sie mussten darauf antworten –, dass die Verfahren in Hessen im Durchschnitt länger dauern als im Bundesdurchschnitt. Das heißt, in Hessen wartet man durchschnittlich länger auf ein Strafurteil, man wartet in Hessen länger darauf, dass ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren abgeschlossen ist, als in anderen Bundesländern.
Außerdem ist die Belastungssituation bei Richtern, Staatsanwälten, Rechtspflegern, aber auch bei der Amtsanwaltschaft besonders hoch. Bei den Staats- und Amtsanwaltschaften liegt sie bei über 140 % nach dem Personalberechnungssystem PEBB§Y.
Auch die Ausbildung von Justizfachangestellten haben Sie sträflich vernachlässigt. Sie haben nicht nur die Ausbildungsgerichte zusammengelegt, sondern auch die Zahl der Ausbildungsstellen reduziert. Sie haben die Zahl der Anwärterstellen bei den Rechtspflegern reduziert. Außerdem haben Sie die Zahl der Ausbildungsstellen im Strafvollzug reduziert. Das rächt sich nun, auch wenn jetzt mehr Personal kommt, was längst überfällig ist. Die entsprechenden Personen fallen aber nicht vom Himmel, sondern müssen ausgebildet werden.
Es ist nur dem großen Engagement von Polizei und Justiz zu verdanken, dass unter schwierigsten Rahmenbedingungen solch eine hervorragende Arbeit bei Polizei und Justiz geleistet wird, meine Damen und Herren.
Wer über Sicherheit redet, darf über die Versäumnisse der Landesregierung bei der Polizei nicht schweigen.
Trotz eines immensen Aufgabenzuwachses, der vorhersehbar war, hat damals unter CDU-Innenminister Volker Bouffier der Stellenabbau bei der Polizei begonnen. Vom Jahr 2001 bis zum Jahr 2009 wurden 720 Vollzugsstellen
und weitere 600 Stellen im Tarifbereich abgebaut. Der Abbau im Tarifbereich ging bis zum vergangenen Jahr weiter, meine Damen und Herren.
Die Polizei ist sehr belastet. Insofern empfehle ich Ihnen, regelmäßig den Dialog mit unseren Polizeibeamtinnen und -beamten bei den Stationen zu suchen, wie es die Kolleginnen und Kollegen der SPD machen. Dann wüssten Sie das nämlich.
Die Motivation bei der Polizei ist nicht gerade hoch angesichts der Kürzungen bei der Beihilfe, beim Weihnachtsgeld und beim Urlaubsgeld, angesichts der Nullrunde bei der Besoldung, angesichts fehlender Aufstiegsperspektiven usw. Eines kommt noch obendrauf: Die Belastungssituation wird auch durch einen Aufbau von drei Millionen Überstunden, die die Polizei vor sich herschiebt, skizziert.
Meine Damen und Herren, da muss man Abhilfe schaffen. Es ist doch wichtig, dass wir an dieser Stelle unsere Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten stärken und in innere Sicherheit investieren.
Frau Kühne-Hörmann, da sagen Sie noch der Presse, dass der Staat die Bürger schützen könne, wenn er gut vorbereitet sei. Ist dieser Aderlass eine gute Vorbereitung, ein guter Schutz der Bürgerinnen und Bürger im Rahmen der Sicherheit? – Mitnichten, meine Damen und Herren.
Sie haben zu Recht angesprochen, dass der Respekt in unserer Gesellschaft auch gegenüber Sicherheitskräften und gegenüber der Polizei abnimmt. Das ist eine besorgniserregende Entwicklung, der wir uns entgegenstellen müssen, meine Damen und Herren.
Das können wir aber nicht nur durch strafrechtlichen Schutz, sondern auch durch die Vermittlung von Werten wie Respekt, Achtung des Nächsten und Anstand. Das ist ein gesamtgesellschaftlicher Auftrag, meine Damen und Herren.
Sie haben zu Recht die besondere Belastungssituation der Gerichtsvollzieher angesprochen, nicht nur angesichts der sogenannten Reichsbürger. Frau Justizministerin, wie aber unterstützen Sie die Gerichtsvollzieher in unserem Lande bei dieser wichtigen Aufgabe? – Fehlanzeige.
Kommen wir nun zur elektronischen Fußfessel. Hierzu hat Bundesjustizminister Heiko Maas einen Vorschlag auf den Tisch gelegt.
Wenn Sie Kritik an Heiko Maas üben, bin ich schon etwas irritiert; denn dieser Vorschlag wird gerade von Ihrem Parteikollegen, Bundesinnenminister Thomas de Maizière, unterstützt.
So einfach ist das eben nicht, zumal wir uns beim Einsatz der elektronischen Fußfessel im präventiven Bereich bewegen. Sie wissen aber ganz genau, dass es schwierig ist, dies verfassungsrechtlich umzusetzen.
Ich finde es gut, dass der Bund – wie auch beim BKA-Gesetz – ganz klar gesagt hat: Liebe Länder, ihr seid gefordert. Schaut euch an, ob ihr entsprechende Regelungen treffen könnt. – Der Ball liegt also nun bei Ihnen und bei niemand anderem.
Ich finde es auch hier wichtig, bei der Wahrheit zu bleiben. Die elektronische Fußfessel ist kein Allheilmittel. Sie darf gerade bei einem solch wichtigen Thema nicht zur PRNummer verkommen. Die bisherigen langjährigen Erfahrungen, die wir mit der elektronischen Fußfessel gemacht haben, zeigen doch gerade, dass sie nur für einen eingegrenzten Personenkreis wirklich geeignet ist, nämlich insbesondere für solch eine Tätergruppe bzw. Personengruppe, die ihren Tagesablauf gut strukturieren kann. Aber auch mit der elektronischen Fußfessel wird es keine hundertprozentige Sicherheit geben, meine Damen und Herren. Gerade der Attentäter in Frankreich, der auf eine schreckliche Art und Weise einen Priester in den Tod gerissen hat, hat eine Fußfessel getragen.
Eine andere Bedrohung, die Sie auch zu Recht angesprochen haben, ist die der zunehmenden Cyberkriminalität, die nicht nur den Staat, sondern auch den Bürger und jedes zweite Unternehmen in unserem Land betrifft. Hier haben wir auf gesetzlicher Ebene in den letzten Jahren sehr viel erreicht. Insofern bitte ich darum, seriös zu bleiben.
Durch das IT-Sicherheitsgesetz wird beispielsweise die sogenannte Botnetzkriminalität besser bekämpft als je zuvor. Mit dem Gesetz zur Erhöhung der Sicherheit informationstechnischer Systeme werden Teledienstleister wie die Telekom verpflichtet, ihre Angebote vor dem Zugriff Dritter zu sichern. Das trägt diesem Umstand Rechnung. Auch internationale Standards, wie sie der Europarat gefordert hat, sind in unserer Strafprozessordnung verankert.
Meine Damen und Herren, hier ist also bereits vieles geschehen, und das muss man auch einmal anerkennen.
Wir erkennen aber eher ein Vollzugsproblem, insbesondere im Bereich der Cyberkriminalität und im Bereich der Internetkriminalität. Haben wir wirklich genügend Fachpersonal mit der entsprechenden IT-Kenntnis bei den Staatsanwaltschaften, in der Richterschaft und bei der Polizei, um des Anstiegs der Internetkriminalität Herr zu werden?
Wenn wir Staatsanwaltschaften besuchen, hören wir oft, dass sich diese trotz größter Anstrengungen und trotz größtem Engagement wie Sisyphus fühlen. Dabei sollte man sich insbesondere den Zuwachs der Internetkriminalität anschauen.
Frau Kühne-Hörmann, Sie gehören seit 2009 dem Kabinett an. Deshalb haben an erster Stelle Sie es zu verantworten, dass das hierfür erforderliche Personal in den letzten Jahren abgebaut worden ist. Das ist sträflich, meine Damen und Herren.
Nicht jede Initiative, die Sie angesprochen haben, kommt von Ihnen. Nicht jede Initiative führt zum Ziel. Zudem kann keine der Initiativen, die Sie hier angesprochen haben, von den Fehlern Ihrer Personalpolitik ablenken – und das ist auch gut so.
Welche realen Konsequenzen müssen jetzt gezogen werden? Richtig ist, dass die Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden der Länder und des Bundes weiter verbessert
werden muss. Wie war es aber möglich, dass ein Attentäter wie Amri, der schon zwei Tage in Haft gesessen hat, trotzdem eine solche Tat verüben konnte? Das müssen wir uns in der Tat fragen. Deshalb ist es wichtig, hier eine vollumfängliche Aufklärung zu betreiben – was auch geschieht –, und es muss konstatiert werden, dass das Recht weiter flexibilisiert werden muss, was die Anordnung der Abschiebehaft betrifft, die zurzeit für einen Zeitraum von bis zu 18 Wochen möglich ist. Wir brauchen hier eine Erweiterung der gesetzlichen Möglichkeiten; denn die Abschiebung muss innerhalb von drei Monaten durchgeführt werden können. Das war im Fall Amri nicht möglich, und deshalb ist die Abschiebehaft auch nicht angeordnet worden. Wir sehen, hier gibt es einen gesetzgeberischen Handlungsbedarf.
Es ist nämlich wichtig, dass die Bevölkerung weiß und sich darauf verlassen kann, dass kriminelle, gefährliche Extremisten, die sich als Flüchtlinge getarnt haben und zu uns kommen, wirklich bestraft und konsequent abgeschoben werden.
Darauf muss sich die Bevölkerung verlassen können; denn nur so können wir die große Hilfsbereitschaft der Bevölkerung in unserem Land und ihre Warmherzigkeit, die sie Gott sei Dank an den Tag legt, aufrechterhalten. Da bin ich mir ganz sicher.
Frau Justizministerin, wir waren beim Lesen Ihrer Regierungserklärung bass erstaunt, dass kein einziges Mal das Wort Prävention gefallen ist. Sie sind wahrscheinlich die Einzige, die der Meinung ist, dass wir keine präventiven Maßnahmen brauchen, dass Repressionen alleine auskömmlich sind, um hier tätig zu werden. Das ist aber der falsche Ansatz; wir brauchen beides.
Für uns Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten ist die Prävention der zentrale Ansatz. Hier müssten viel, viel mehr Anstrengungen unternommen werden, unter anderem bei denjenigen, die in unserem Lande radikalisiert werden. Viele von ihnen können wir übrigens überhaupt nicht in ein anderes Land abschieben, weil sie den deutschen Pass besitzen. Weitere wichtige Präventionsansätze sind eine gute Bildungspolitik, ein gutes Angebot an Betreuungsplätzen für Kinder und Jugendliche und der Ausbau der Jugendbildungs- und der Jugendarbeit. Das sind wichtige Ansätze im Bereich Prävention, die auch hier in Hessen gestärkt werden müssen.
Altbundeskanzler Helmut Schmidt hat zum Thema Terror gesagt – ich darf ihn mit Ihrem Einverständnis zum Schluss zitieren –:
Die Mörder wollen ein Gefühl der Ohnmacht erzeugen. Sie wollen die Organe des Grundgesetzes verleiten, sich von freiheitlichen und rechtsstaatlichen Grundsätzen abzukehren. Sie hoffen, dass ihre Gewalt eine bloß emotional gesteuerte, undifferenzier
te, unkontrollierte Gegengewalt hervorbringe … Diese Erwartungen werden sich nicht erfüllen. Der Rechtsstaat bleibt unverwundbar, solange er in uns lebt.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Kollege Klein hat bereits erörtert, um was es geht, nämlich dass hier eine Erhöhung der sogenannten Stellenzulage für Justizvollzugsbedienstete, aber auch für Beamte in psychiatrischen Krankenanstalten erfolgen soll – auch das muss hier noch genannt werden. Ich kann Ihnen für die SPD-Landtagsfraktion sagen, dass dies längst überfällig ist und dass wir die sogenannte Gitterzulage, wie sie in Fachkreisen für Justizvollzugsbedienstete heißt, schon lange gefordert haben – übrigens gemeinsam mit den Gewerkschaften. Meine Damen und Herren, es ist längst überfällig, dass diese auch beschlossen wird.