Ich erinnere auch an die bewegende Gedenkfeier für die Opfer der Mordserie am 23. Februar 2012 und an die Worte der Bundeskanzlerin aus ihrer damaligen Trauerrede – ich zitiere –:
Als Bundeskanzlerin der Bundesrepublik Deutschland verspreche ich Ihnen: Wir tun alles, um die Morde aufzuklären und die Helfershelfer und Hintermänner aufzudecken und alle Täter ihrer gerechten Strafe zuzuführen. Daran arbeiten alle zuständigen Behörden in Bund und Ländern mit Hochdruck.
Nun muss man für Hessen leider festhalten, dass wir bislang nur seitens der Behörden die relevanten Akten durchgesehen haben, und zwar im Zusammenhang mit der Auslieferung an den Generalbundesanwalt, der Ermittlungen vorgenommen hat. Ansonsten gab es bislang keinerlei Aufarbeitung.
Im Bund, in Bayern, in Thüringen und in Sachsen gab es Untersuchungsausschüsse. In Baden-Württemberg wird derzeit entschieden, ob eine Enquetekommission oder ein Sonderausschuss – wie von den GRÜNEN beantragt – die weitere Aufklärung vorantreibt. Außerdem gab es eine 19-köpfige Ermittlungsgruppe, die in Baden-Württemberg aufgearbeitet hat.
Somit ist Hessen eines der wenigen betroffenen Bundesländer, das bislang diese furchtbaren Ereignisse nicht aufgearbeitet hat. Ich würde heute gerne die Frage an den Mi
nisterpräsidenten selbst richten, aber leider ist er nicht da. Deshalb richte ich sie an die schwarz-grüne Landesregierung insgesamt: Wollen Sie wirklich, dass Hessen der Familie des Opfers erklärt: „Nein, wir in Hessen klären nicht auf“? Wollen Sie wirklich sagen, dass wir als Hessischer Landtag uns nicht dafür interessieren, welche genauen Fehler hier in Hessen passiert sind? Wollen Sie das wirklich?
Wir sind das der Familie Yozgat schuldig, die auch drei Jahre nach der Aufdeckung der NSU-Morde immer noch im Unklaren über Ermittlungsfehler und Hintergründe ist.
Herr Innenminister und Herr Frömmrich, an dieser Stelle gebe ich Ihnen recht: Dieses Thema eignet sich nicht für politische Scharmützel. Wir alle tragen eine Verantwortung dafür, wie wir in unserem Bundesland mit dem NSUMord umgehen, der in unserem Bundesland passiert ist.
Deswegen plädieren wir für eine gemeinsame allumfassende Aufarbeitung. Denn nur dann kann man auch die notwendigen Konsequenzen ziehen.
Meine Damen und Herren, bislang geht es um folgenden Unterschied: Wir wollen den Landtag beteiligen, SchwarzGrün leider nicht.
Wir wollen die Ermittlungsarbeit in Hessen aufarbeiten, Schwarz-Grün, den Presseverlautbarungen nach, offenbar leider nicht. Darum geht es, und nicht um einen Streit um irgendein Gremium.
Wir sind der Auffassung, dass man diese Vorgänge am besten in einem Sonderausschuss aufarbeiten kann, weil es dort um parteiübergreifendes Arbeiten geht. Wir hätten doch auch einen Untersuchungsausschuss beantragen können. Den hätten wir heute einsetzen können. Uns geht es bei diesem wichtigen Thema aber darum, nochmals alle Fraktionen aufzufordern, daran mitzuarbeiten. Der Hessische Landtag könnte einem solchen Ausschuss alle Kompetenzen zur Zeugenvernahme, zur Akteneinsicht und zur Berufung von Sachverständigen geben. Deswegen halten wir das für den richtigen Weg.
Wenn Sie uns aber heute anbieten, eine gemeinsame Enquetekommission einzurichten oder einen Untersuchungsausschuss, dann würden wir auch dem nicht im Wege stehen. Es geht uns nicht um die Form, sondern um das Miteinander, das Aufklären und um die Beteiligung des Hessischen Landtags bei der Herstellung von Transparenz und Offenheit.
Der Bundestags-Untersuchungsausschuss hat – historisch einmalig – in hervorragender Weise parteiübergreifend gearbeitet. Das sollte uns ein gutes Beispiel sein.
Dabei spielte auch der Fall in Hessen eine Rolle, allerdings nur durch wenige Zeugen vertreten. So wurden zwar der Leiter der Ermittlung der Polizei, Herr Hoffmann, ein Mitarbeiter des Verfassungsschutzes, der am Tatort war, sowie der Präsident des Verfassungsschutzes und Herr Bouffier
vernommen, aber die Vielzahl der anderen Beteiligten in Hessen – die Mitglieder der Ermittlungsgruppe bei der Polizei, die zuständige Staatsanwaltschaft, die zuständigen Mitarbeiter des Verfassungsschutzes, die diesen Fall bearbeitet haben, und auch das damalige LKA – ist noch nirgendwo gehört worden. All diese Beteiligten konnten noch nirgendwo aussagen, auch nicht im Bundestags-Untersuchungsausschuss. Deshalb ist es wichtig, das hier durchzuführen.
Ich will es deutlich sagen: Es geht auch nicht um die Aussagen im Strafverfahren von Frau Zschäpe in München. Es geht um die spezifische Aufarbeitung von Ermittlungsfehlern hier in Hessen. Das eben ist noch nicht erfolgt. Meine Damen und Herren, hier sind noch sehr viele Fragen offen.
Einige dieser Fragen will ich beispielhaft nennen: In welcher Weise wurde die Ermittlungsarbeit der hessischen Polizei durch den Verfassungsschutz behindert? So wurde es im Untersuchungsausschuss des Bundestages ausgesagt. Warum wurde fünf Jahre lang in Richtung Rechtsextremismus nicht ermittelt – obwohl der Vater des Opfers in Hessen darauf hingewiesen hatte?
14 Tage nach dem Mord in Kassel im Jahr 2006 hat das BKA vorgeschlagen, eine Lage- und Informationsstelle in Nürnberg einzurichten, um Hinweise zentral zu sammeln und auszuwerten. Die Umsetzung scheiterte, weil Hessen interveniert hat. Wer war das damals? Welche Person hat dort interveniert?
Wieso hat Hessen auch eine zentrale Ermittlung durch das BKA abgelehnt? Wer war das? Wer hat sich dafür eingesetzt? Welche Rolle spielte damals die Staatsanwaltschaft in Hessen in diesem Zusammenhang? Wurden alle Informationen seitens des Verfassungsschutzes an die Polizei geliefert? Um welche Informationen handelte es sich dabei? Und welche Rolle spielte der damalige Mitarbeiter des Verfassungsschutzes, Andreas T.? Das ist bis heute leider nicht geklärt.
Meine Damen und Herren, all diese Fragen spielen nach wie vor eine Rolle und wurden noch nicht aufgeklärt.
Ich finde es sehr befremdlich, dass bislang vom damaligen Innenminister und heutigen Ministerpräsidenten keinerlei Fehler eingeräumt wurden. Damit ist er bundesweit der einzige Behördenleiter, der in der fraglichen Zeit Verantwortung trug und bis heute keinerlei Fehler eingeräumt hat.
Nur in Hessen, bei diesem Innenminister und diesem Ministerpräsidenten, hat es keine Fehler gegeben? Meine sehr verehrten Damen und Herren, es ist geradezu erbärmlich, dass Sie noch nicht einmal dazu stehen können und sagen können: Ja, auch in Hessen hat es Fehler gegeben.
Meine Damen und Herren, das ist gegenüber dem Opfer und der Familie des Opfers kein anständiges Verhalten. Es geht hier darum – ich bitte Sie nochmals –, gemeinschaftlich einen Sonderausschuss einzusetzen, um parteiübergreifend eine Aufklärung durchzuführen. Eine Regierungskommission allein wird dem nicht gerecht. Nur so kann man gemeinsam aufarbeiten und die notwendigen Schlüsse ziehen. Es ist der Bevölkerung, dem Opfer und der Familie des Opfers nicht würdig, in Hessen keine Aufklärung zu betreiben.
Deshalb fordern wir Sie nochmals auf: Stimmen Sie der Einsetzung dieses Ausschusses zu. Stimmen Sie der Beteiligung von uns Parlamentariern zu. – Herzlich Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Frau Vorsitzende, meine sehr geehrten Damen und Herren! Bezüglich der zehn beklagenswerten Morde aus dem Umfeld der NSU-Verbrecher hatte ich bereits 2011 mehrfach in diesem Hause für die CDU-Fraktion festgestellt, dass wir über diese Taten erschüttert und entsetzt sind, dass der Rechtsextremismus eine Schande für unser Land ist und dass diese Taten nur eine einzige Reaktion zulassen: Wir müssen uns mit Abscheu von diesen Verbrechen abwenden. Wir müssen alles tun, um aufzuklären. Und wir müssen dafür sorgen, dass so etwas nie wieder passiert.
Deshalb müssen wir auch darüber nachdenken, welche Optimierungen unserer Sicherheitsarchitektur auch hier in Hessen notwendig sind. Denn in Deutschland und in Hessen haben viele eine Heimat, einer aber nicht: der Extremismus, egal, ob er von rechts oder von links kommt oder ob er sich vom islamistischen Extremismus herleitet.
Dies sollte in diesem Hause zur Kenntnis genommen und nicht kritisiert werden. Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir wollen ein Klima, in dem Gewalt gegen Andersdenkende, Andersgläubige oder Andersabstammende keinen Platz hat.
Deshalb setzen wir mit deutlichen Worten Zeichen gegen Extremismus und sorgen mit unseren Taten – Programme
und konkrete Maßnahmen – für ein möglichst hohes Maß an Sicherheit durch Information, Prävention und, wenn es sein muss, Sanktion. Auch das sind wir den Opfern und deren Angehörigen schuldig.