Protokoll der Sitzung vom 26.01.2017

Zur Geschäftsordnung, zunächst Herr Kollege Rudolph, danach Herr Kollege Bellino.

Frau Präsidentin, ich wollte nur darauf hinweisen, dass wir im Ältestenrat festgelegt haben, dass für den Antrag der LINKEN der Rechtsausschuss zuständig ist und er dorthin überwiesen werden soll. Wenn Verabredungen und Absprachen noch etwas gelten, dann bitten wir darum, das auch so einzuhalten.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der LIN- KEN)

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist schon interessant, über was sich DIE LINKE hier echauffieren und aufregen kann. Es hat niemand aus dem parlamentarischen Bereich – –

(Hermann Schaus (DIE LINKE): Interessant, wie hier getrickst wird!)

Sagen Sie mal, können Sie bitte den Mund halten, wenn ich rede? Geht das?

Bitte zum Geschäftsordnungsantrag. – Ich bitte darum, dass das Parlament zuhört.

Niemand hat infrage gestellt, was mit dem Antrag der LINKEN passiert. Das ist mir auch wurscht, wir werden ihn ablehnen.

(Lachen bei der LINKEN)

Ich habe vorhin zu Protokoll gegeben und dem Präsidium mitgeteilt, dass der von uns eingereichte Antrag federführend in den Innenausschuss kommt und mitberatend in den Rechtsausschuss. Ich denke, es ist das Recht der antragstellenden Fraktion, zu entscheiden, wohin der eigene Antrag kommt.

(Hermann Schaus (DIE LINKE): Genau wie bei uns!)

Nichts anderes war hier Grundlage. Wenn Sie sich dann hier darüber aufregen, verstehe ich Ihre Aufregung nicht.

(Hermann Schaus (DIE LINKE): Sie verstehen mich schon ganz genau, Herr Bellino!)

Die Information, die mir vorlag, war die, dass beide Anträge federführend in den Innenausschuss kommen. Aber wenn es Einverständnis gibt, können wir wohl so verfahren, dass der Antrag der LINKEN, Drucks. 19/4409, federführend an den Rechtsausschuss geht und mitberatend an den Innenausschuss.

(Hermann Schaus (DIE LINKE): Nur an den Rechtsausschuss!)

Nur an den Rechtsausschuss. – Der Antrag von CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Drucks. 19/4454, geht federführend an den Innenausschuss und mitberatend an den Rechtsausschuss. Haben wir das damit geklärt?

(Zuruf: Wunderbar!)

Gut, dann ist das so.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 40 auf:

Beschlussempfehlung und Bericht des Unterausschusses Datenschutz zu dem 43. Tätigkeitsbericht des Hessischen Datenschutzbeauftragten (Drucks. 19/2334) ; hierzu: Stellungnahme der Landesregierung betreffend den 43. Tätigkeitsbericht des Hessischen Datenschutzbeauftragten (Drucks. 19/4272) – Drucks. 19/4428 zu Drucks. 19/2334 und zu Drucks. 19/4272 –

Ich begrüße sehr herzlich unseren Datenschutzbeauftragten, Herrn Ronellenfitsch.

(Allgemeiner Beifall)

Ich bitte Sie um Ihren Bericht, Herr Ronellenfitsch.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Der Jahresbericht zum Datenschutz ist so prickelnd wie abgestandene Cola, weil er einen Zeitraum betrifft, der im politischen Alltagsgeschäft längst Vergangenheit ist. Das heißt nicht, dass das Jahr 2014 datenschutzrechtlich wenig spannend gewesen wäre. Trotzdem laufe ich Gefahr, Sie zu langweilen. Um die Jahresberichte nicht zu Dokumenten der Erinnerungskultur werden zu lassen, rege ich an, die Diskussion der Jahresberichte 2015 und 2016 zu verbinden.

Heute geht es nur um Ereignisse von 2014, deren Tragweite vielfach erst deutlich wird, wenn man die weitere Entwicklung mit berücksichtigt. Dann droht immer noch Langeweile. Ich will daher der Übung treu bleiben, meine Jahresberichte mit unüblichen Assoziationen aufzulockern.

Man könnte mir vorwerfen, angesichts des Klimawandels, der Eurokrise, der Flüchtlingsströme und der Terrorangriffe mit lockeren Sprüchen dem Ernst der Lage nicht gerecht zu werden. Jammern verhindert aber die Krisenbewältigung. Mögen mir meine Plenarberichte zum Datenschutz den Ruf eines Komikers eintragen, ich kann damit leben. Ich nehme das in Kauf – und mehr noch, ich werde mich heute gleich an den Comics orientieren.

Comics sind nicht nur komisch gemeint, sondern verfolgen als grafische Literatur ernste Anliegen. Entsprechend

bezwecken meine Tätigkeitberichte, ernsthaft um Verständnis für die Belange des Datenschutzes zu werben.

Comics bezeichneten ursprünglich einzelne Witzzeichnungen. Zu Comicstrips wurden sie, als man mehrere Bilder zu einer Handlungsfolge verknüpfte. Das war bei der 1897 als Sonntagsbeilage des „New York Journal“ erschienenen, von Max und Moritz inspirierten Reihe „The Katzenjammer Kids“ – ich nehme an, Sie alle kennen sie – der Fall, mit der wir Deutsche lächerlich gemacht wurden und immer noch gemacht werden.

Als lächerlich betrachten die Amerikaner die rigiden deutschen Datenschutzvorstellungen. Mit der EU glaubte man leichteres Spiel zu haben, hatte doch die Kommission eine Erklärung abgegeben, wonach die USA als sicherer Hafen für personenbezogene Daten von Europäern galt. Auf eine nähere Prüfung glaubte man verzichten zu können. Der NSA-Skandal, dessen Dimensionen 2014 offenbar wurden, belehrte uns eines Besseren. Er war letztlich dafür verantwortlich, dass der Europäische Gerichtshof im Oktober 2015 das Safe-Harbor-Abkommen für ungültig erklärte.

Mit der Safe-Harbor-Story im Superman-Heft 222 hat das zwar nichts zu tun, die Nachfolgeregelung zu Safe Harbor, die Privacy-Shield-Erklärung, hat uns aber den Ombudsmann beschert, der in eine Reihe mit den Superhelden Superman, Batman und Spiderman gestellt werden könnte, gewissermaßen als „Ombudsman“.

(Heiterkeit)

Gegenwärtig regiert aber ein neuer Captain America, der mit einem Schild kämpft, der im Interesse der USA als Verteidigungs- und Angriffswaffe eingesetzt werden kann – nach dem Motto „America first“. Es ist kaum zu erwarten, dass in den USA ein einflussreicher Ombudsmann zugunsten des Datenschutzes von Europäern installiert und akzeptiert wird. Eher steht zu befürchten, dass der Ombudsmann wie Superman auf den Planeten Krypton zurückbeordert wird. Gegenwärtig tun sich in den USA selbst Superhelden mit Bleiberechten relativ schwer.

(Heiterkeit)

2014 und noch 2015 stand der Datenschutz im Zeichen Europas. Das alles beherrschende Thema war die Datenschutz-Grundverordnung. Nachdem 2014 die Verhandlungen ins Stocken geraten waren, gelang im Folgejahr der Durchbruch. Ende 2015 einigten sich Rat, Parlament und Kommission auf die Fassung, die am 25. Mai 2018 Gültigkeit erlangen wird.

In zähen Verhandlungen ist es gelungen, die vor allem von Hessen betonten mitgliedstaatlichen Vorbehalte zur Geltung zu bringen und eine Reihe von Öffnungsklauseln durchzusetzen. Der Preis, den wir dafür zu zahlen haben, ist eine immense Mehrarbeit der Aufsichtsbehörden, und auch Sie, meine Damen und Herren, werden noch in dieser Legislaturperiode gesetzgeberisch intensiv gefordert. Die nationalen Regelungen müssen unsere föderalistische Ordnung widerspiegeln. Wir können und dürfen nicht alles dem Bund überlassen, dessen Kompetenzhunger in pathologische Fresssucht umzuschlagen droht.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD, der LINKEN und der FDP)

Die Europäer haben uns selbst entscheiden lassen, wer uns in Brüssel vertritt. Das wohl nicht ohne Hintergedanken: Offenbar vertraut man auf das in „Asterix und die Goten“

beschriebene Verhaltensmuster der deutschen Selbstblockade. Die Vertretung Deutschlands im Europäischen Datenschutzausschuss durch zwei Vertreter mit zusammen einer Stimme kann sich bei Uneinigkeit des Bundes- und des Ländervertreters dahin gehend auswirken, dass Deutschland überhaupt nicht vertreten ist. Das begründet nicht automatisch die Zuständigkeit des Bundes. Vielmehr muss der Schwerpunkt der innerstaatlichen Zuständigkeiten den Ausschlag geben. Dieser liegt auch beim Vollzug von Unionsrecht bei den Ländern.

Auf nationaler Ebene unterscheidet der Tätigkeitsbericht den öffentlichen und privaten Bereich, die sich – wie im Gesundheitswesen – oft nicht trennen lassen. Hier war ein sorgloser Umgang mit und ein Verlust von Patientenakten in staatlichen Kliniken oder privaten Praxen häufiger, als dies die Landesregierung bewusst zur Kenntnis genommen hat.

In Comics wird der Datenschutz im Gesundheitswesen selten aufgegriffen. Verbreiteter sind hier Cartoons und Karikaturen.

Der Datenschutz im öffentlichen Bereich betraf schon 2013 den Einsatz von Bodycams bei der Polizei. Auch er ist eher Gegenstand von Karikaturen, vorwiegend in den USA. Daraus wird deutlich, dass dort die Bodycams aus Misstrauen gegenüber der Polizei – deren Verhalten dokumentiert werden sollte – entwickelt wurden, während bei uns der Missbrauch der durch die Bodycams gewonnenen Daten durch die Polizei befürchtet wurde. Das Risiko des Missbrauchs tendiert unter den hessischen Rahmenbedingungen gegen null.

(Beifall bei der CDU, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und der FDP)

Solche Rahmenbedingungen mussten vom Gesetzgeber für das Pre-Recording erst noch geschaffen werden. Das ist unter meiner Einbeziehung geschehen, sodass wir solidarisch gespannt sein dürfen, ob die Regelungen vor den Gerichten Bestand haben werden.

Für die polizeiliche Aufgabenwahrnehmung sind Comics bisweilen hilfreich. Die Prinz-Eisenherz-Comics begründeten eine Frisur, die nicht nur zeitweise unsere Bundeskanzlerin zierte,

(Große Heiterkeit)

sondern die auch zur Tätererkennung bei Fahndungsmaßnahmen verwendet wurden. Ob für „Preifrit“ – Prinz-Eisenherz-Frisur-Träger – datenschutzrechtlich eine besondere Datenkategorie geschaffen wird, bedarf noch der Klärung.

(Heiterkeit)

Damit ist zugleich der kontroverse Komplex der Videoüberwachung angesprochen. Die Videoüberwachung ist in US-Comics eine Selbstverständlichkeit. Ob dort wie bei uns wenigstens die Überwachung eines Kirrplatzes oder die Verwendung von Wildkameras problematisch wäre, ist fraglich. Comics, die im Wald spielen, sind wenig aufschlussreich. Tarzan erschien schon 1929. Da gab es noch keine Videokameras. Noch heute dürften im afrikanischen Dschungel Videokameras selten sein.

(Heiterkeit)

Tarzan, alias Lord Greystoke, der nach einem kurzen Intermezzo in Großbritannien seine Form des Brexit vollzog