Protokoll der Sitzung vom 26.01.2017

Wenn Sie wollen, dass der jetzt schon bestehenden Mitwirkungspflicht intensiver nachgekommen wird, wenn Sie wollen, dass sich Hebammen tatsächlich registrieren lassen, dann müssen Sie eine Sanktionspflicht einbauen. Diese fehlt aber in Ihrem Antrag. Davor drücken Sie sich schlicht und einfach, weil Sie Angst haben, darauf hinzuweisen, dass es halt ein paar Hundert oder Tausend Euro kosten soll, wenn man dabei erwischt wird, dass man sich nicht registrieren lassen hat.

Das Nächste betrifft die Vorlage von Planzahlen für Hebammen. Wie wollen Sie in einem freiberuflichen Bereich, der nicht der Bedarfsplanung und auch nicht der Krankenhausplanung unterliegt, eine entsprechende Planung darstellen? Hebammen und Entbindungspfleger können immer noch frei darüber entscheiden, ob, wo und in welchem Umfang sie ihren Beruf selbstständig ausüben. Ich will diese Berufsfreiheit nicht einschränken, meine Damen und Herren.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und des BÜND- NISSES 90/DIE GRÜNEN)

Trotzdem muss man die Sorgen von Eltern ernst nehmen.

Die Frage der Verhandlungen mit den gesetzlichen Krankenversicherungen lösen wir im Übrigen nicht im Land Hessen, sondern das geht nur über den GKV-Spitzenverband und das Bundesgesundheitsministerium. Da uns diese Frage in den Ländern insgesamt bewegt, können Sie davon ausgehen, dass wir intensiv im Gespräch mit dem Bundesgesundheitsministerium sind, über den GKV-Spitzenverband zu einer Verbesserung der Situation zu kommen.

Was die Frage der Ausbildungssituation angeht, werden Sie in den nächsten Wochen und Monaten noch einiges dazu hören, was wir in Hessen auf den Weg bringen werden, insbesondere vor dem Hintergrund der Tatsache, dass die Geburtenrate in Hessen erfreulicherweise steigt. Letztendlich ist das ein Ergebnis davon, dass Hessen Familiensinn hat und an dieser Stelle auch entsprechende Vorgaben gemacht werden.

Darüber hinaus haben wir bei werdenden Müttern nachgefragt und ausgewertet, inwieweit sie bereit sind, beispielsweise in einer Klinik zu entbinden, und welche Entfernungen sie bereit sind in Kauf zu nehmen. An dieser Stelle zeigt sich sehr deutlich, dass die werdenden Eltern sehr genau danach entscheiden, was sie meinen, was für das ungeborene Leben am besten ist. Nach diesem Kriterium werden auch Entbindungsstationen ausgesucht.

Wenn es in einem Landstrich noch nicht einmal einen Gynäkologen gibt, der eine Belegung in einem Krankenhaus vornimmt, kann es dort auch keine Geburtsstation mehr geben. Ich muss an dieser Stelle sagen, dass ich sehr dankbar bin, dass werdende Eltern diese Frage sehr ernst diskutieren, weil es letztendlich um den Schutz des ungeborenen Lebens geht, wenn es um die Frage geht, ob ich in einer Entbindungsstation, die eine gewisse Erfahrung hat, oder in einer anderen Station entbinde. Das heißt, nicht die Entfernung, sondern die Sicherheit ist der entscheidende Punkt.

Zusammenfassend möchte ich sagen, dass wir uns um die Fragestellung kümmern müssen, wie wir die Situation, insbesondere die Einkommenssituation der freiberuflichen Hebammen, verbessern können im Hinblick auf die Fragestellung der Wochenbettbetreuung und geringerer Haftpflichtprämien. Das ist eine Angelegenheit, die wir auf Bundesebene auf den Weg bringen. Nur dort haben wir Einflussmöglichkeiten.

Ich bin momentan noch nicht zur Gewährung eines steuerfinanzierten Zuschusses zu den Besuchen von Hebammen bereit. Dazu ist im Übrigen auch kein anderes Bundesland bereit. Wir müssen uns aber natürlich überlegen, wenn wir auf Bundesebene keinen Erfolg mit unseren Bemühungen haben, welche Chancen wir möglicherweise auch über das Heranziehen von anderen Geldgebern haben, um an dieser Stelle etwas zu bewegen, aber nicht nur Haftpflichtprämien zu verringern. Vielmehr muss die Hebamme in die Lage versetzt werden, die Haftpflichtprämie bezahlen zu können. Das ist nur über die Frage des Entgeltes für Besuche und für die Betreuung im Wochenbett möglich. Andere Wege gibt es an dieser Stelle halt nicht.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor.

(Zurufe von der SPD: Doch!)

Doch, für die zweite Runde. – Frau Dr. Sommer, Sie haben das Wort.

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Herr Minister Grüttner, ich finde es schade, dass ich Sie enttäuscht habe. Sie haben mir vorgeworfen, nicht sachlich argumentiert zu haben. Ich habe alles sachlich vorgetragen.

(Zuruf des Ministers Stefan Grüttner)

Ich bin meinerseits enttäuscht, dass Sie im Hessischen Landtag zwar schon ein Stück weit die Augen öffnen, aber noch immer nicht sehen, welche Problematiken tatsächlich vor Ort vorhanden sind.

(Beifall bei der SPD – Zurufe von der CDU)

Ganz ehrlich: Es ist so, dass Sie mit betroffenen Frauen und Hebammen sprechen könnten. Auch die Berichterstattung, ob im Fernsehen oder in Fachzeitschriften, spricht von einem Fachkräftemangel. Da gibt es einen Mangel an Hebammen. Viele Frauen kommen einfach nicht mehr klar. Frau Erfurth, es ist ja schön, dass Ihre Bekannte nach

zwei Anrufen eine Hebamme hatte, aber selbst im ländlichen Raum sind nach zwei Anrufen keine Hebammen mehr vorhanden. Im Gegenteil: Man sagt mittlerweile – und das ist nicht witzig, sondern wirklich traurig –, dass man zwei Jahre, bevor man sich entscheidet, ein Kind zu bekommen, bei der Hebamme anrufen muss.

(Heike Hofmann (SPD): Hört, hört! – Zuruf von der CDU)

Da können Sie mir nun vielleicht Unsachlichkeit vorwerfen, weil es nicht wissenschaftlich belegt ist, aber das sind die Befürchtungen der Eltern. Ich möchte Sie nur bitten, mit den Hebammen und mit den Eltern zu sprechen sowie die Berichte wahrzunehmen.

Bezüglich des Registers sagen Sie, das würde nicht funktionieren, und das ginge nicht. Das mag sein. Dann frage ich Sie aber, warum es in anderen Bundesländern umgesetzt wird. Sie sagen immer „Hessen vorn“. Das ist aber wieder ein Beweis, dass andere Bundesländer es umsetzen, wir aber nicht, und Hessen somit eben nicht vorn ist. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der LIN- KEN)

Keine weiteren Wortmeldungen. Dann kommen wir zur Abstimmung.

(Zuruf: Es geht in den Ausschuss!)

Das muss doch auch abgestimmt werden, wenn auch nicht mittels Handheben, lieber Herr Kollege.

Wir haben zwei Anträge. Es widerspricht niemand, wenn wir sie an den Sozial- und Integrationspolitischen Ausschuss überweisen. – Das ist so. Damit sind sie überwiesen.

Eingegangen und an Ihren Plätzen verteilt ist noch ein Dringlicher Antrag der Fraktion DIE LINKE betreffend Erhebung von Unterbringungen nach dem HFEG, Drucks. 19/4461. Wird die Dringlichkeit bejaht? – Das ist der Fall. Dann wird das Tagesordnungspunkt 61. Die Redezeit beträgt fünf Minuten je Fraktion. – Das ist so beschlossen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 18 auf:

Dringlicher Antrag der Fraktion der SPD betreffend Abschiebungen nach Afghanistan – Drucks. 19/4336 –

zusammen mit Tagesordnungspunkt 25:

Antrag der Fraktion DIE LINKE betreffend Initiative Schleswig-Holsteins für Afghanistan-Abschiebestopp unterstützen – Drucks. 19/4408 –

sowie mit Tagesordnungspunkt 59:

Dringlicher Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend ausreisepflichtige Asylbewerber aus Afghanistan – Drucks. 19/4459 –

Die vereinbarte Redezeit beträgt fünf Minuten. Wir beginnen mit Herrn Kollegen Roth für die SPD-Fraktion.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Am 14. Dezember 2016 haben wir im Hessischen Landtag einen Dringlichen Antrag eingebracht, der noch am späten Nachmittag desselben Tages beraten wurde und der sich mit einem Aussetzen der Abschiebungen nach Afghanistan beschäftigt hat, so lange, bis in Absprache mit dem UNHCR und der IOM die aktuelle Sicherheitslage in Afghanistan belegt wäre.

Die Mehrheit des Hauses hat diesen Antrag abgelehnt. Damit können oder konnten wir leben, wenn auch schwer. Am selben Abend allerdings hat ein Teil derer, die abgelehnt haben, im Landesvorstand von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eigentlich das gefordert, was wir in unserem Antrag stehen hatten.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Zuruf von der SPD: Nicht nur „eigentlich“!)

Sie haben es nur etwas anders beschrieben. – Daraufhin haben wir am Tag danach, am 15. Dezember 2016, jenen Antrag, der eben aufgerufen worden ist, als Dringlichen Antrag eingebracht. Dieser wurde abgesetzt, die Dringlichkeit wurde für dieses Plenum nicht gesehen – also ist er heute dran.

Seitdem hat sich ein bisschen was getan: Nicht nur, dass jemand, der bei dem Thema am späten Nachmittag rechts abgebogen ist, das am Abend gegenüber der Öffentlichkeit korrigieren wollte, indem er nochmal kurz links aufgeblinkt hat.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD)

Das geht angesichts einer so schwerwiegenden Materie wie der Abschiebung nach Afghanistan überhaupt nicht.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der LIN- KEN)

Es hat sich noch etwas getan; denn unmittelbar nach unserer letzten Plenarsitzung kam die Bewertung des UNHCR, die vertieft anzuschauen sich lohnt. Da ist zur Sicherheitslage in Afghanistan ein einziges Wort genannt, und das klingt so: Vol. „Volatil“ heißt es dort. Ich kannte bisher nur eine Übersetzung, die hieß „flüchtig“. Aber es gibt offensichtlich ein paar mehr, die ich dazu gefunden habe. Die Sicherheitslage in Afghanistan ist veränderlich, beweglich, flüchtig, dampfförmig, unbeständig, sprunghaft. In dieses Land können wir nicht einfach Menschen abschieben. Das geht nicht.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Konkret sagt der UNHCR, dass sich nach dem letzten Bericht von April 2016 die Situation und die Sicherheitslage noch einmal deutlich verschärft haben. Es werden bewaffnete Konflikte angeführt, die sich 2016 ausgebreitet hätten. Es gibt in der ersten Jahreshälfte 1.600 zivile Tote und 3.500 verletzte Zivilpersonen. In Afghanistan selbst sind derzeit mehr als 530.000 Menschen auf der Flucht – nicht, weil sie es irgendwo nicht mehr ausgehalten haben, sondern weil sie vertrieben worden sind.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der LIN- KEN)

Aus diesem Grund hat der Innenminister des Landes Schleswig-Holstein – und zwar aufgrund des UNHCR-Berichts – von seiner Möglichkeit Gebrauch gemacht, mindestens für drei Monate Abschiebungen nach Afghanistan

auszusetzen. Damit beschäftigt sich der Antrag der LINKEN, die eigentlich das, was Schleswig-Holstein praktiziert, auch in Hessen einrichten wollen. Um es vorweg zu sagen: Deshalb haben wir diesem Antrag keinen mehr nachgeschoben, sondern werden ihm unsererseits zustimmen.

(Beifall bei der LINKEN)