Protokoll der Sitzung vom 21.02.2017

Wir kommen nun zu Tagesordnungspunkt 2:

Regierungserklärung des Hessischen Ministers des Innern und für Sport betreffend „Erfolgreiche Polizeiarbeit: Hessen leben sicher“

Die vereinbarte Redezeit beträgt 20 Minuten je Fraktion. Die Reihenfolge: Landesregierung, SPD, GRÜNE, LINKE, FDP, CDU, Frau Öztürk. Herr Minister, Sie haben das Wort.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Gewährleistung der Sicherheit ist für den Zusammenhalt einer Gesellschaft von großer Bedeutung. Das Grundbedürfnis nach Sicherheit zu erfüllen, ist daher auch die vorrangigste Aufgabe, die der Staat zu leisten hat. Dies wirkt dem Erstarken der gesellschaftlichen Ränder entgegen. Das Erstarken der Ränder ist das, was uns als Demokraten alle besorgt.

Die Strategie der Hessischen Landesregierung gegen ein solches Erstarken ist klar: Verlässlichkeit, Konsequenz und Kontinuität. Wir erfüllen dieses Grundbedürfnis der hessischen Bürgerinnen und Bürger. Die Hessen leben sicher. Die Hessen fühlen sich sicher.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich bedanke mich – auch im Namen der Hessischen Landesregierung – bei der hessischen Polizei, bei den vielen tüchtigen Kolleginnen und Kollegen für ihre erneut erfolgreiche Arbeit. – Herr Mohrherr und Herr Wittig vom Hauptpersonalrat der hessischen Polizei, richten Sie bitte unseren Dank, unsere Anerkennung und unsere Wertschätzung für die erfolgreiche Arbeit Ihren Kolleginnen und Kollegen aus.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Sie können sich dabei auf den Rückhalt der Bürger sowie auf die Hessische Landesregierung und die sie tragende Koalition verlassen.

In den nächsten drei Jahren werden mehr als 1.000 zusätzliche Polizeibeamte für mehr Sicherheit in Hessen sorgen. Sie werden die Dienststellen spürbar entlasten – und das flächendeckend. Gestern hat hierzu der stärkste Polizeianwärterjahrgang begonnen, den es jemals in der hessischen Polizei gegeben hat.

(Hermann Schaus (DIE LINKE): Endlich!)

Die hessische Polizei ist dabei offenbar so attraktiv, dass fast 30 % der Bewerber aus anderen Bundesländern hier angefangen haben, obwohl überall eingestellt wird.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Michael Bod- denberg (CDU): Komisch!)

Für die Kernaufgaben der Polizei – um die Debatte von vorhin kurz aufzunehmen – benötigen wir keine Pensionäre, wie Ihnen glauben gemacht werden soll. Pensionierte Polizeivollzugsbeamte werden nicht in Polizeidienststellen eingesetzt. Wir nutzen aber ihre Verwaltungskompetenz, um das Rückführungsmanagement zu optimieren und die Ausländerbehörden zu unterstützen. Ich glaube, das ist im Sinne des gesamten Landes und eine kluge Aufgabenwahrnehmung.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ausstattung und Ausrüstung der Polizei werden fortlaufend modernisiert und auf neuestem Stand gehalten. Mit unserer erfolgreichen politischen Initiative zum Schutz von Polizei und Einsatzkräften, die nun endlich auf Bundesebene umgesetzt wird, haben wir ein wichtiges Zeichen für den Rückhalt der Polizei und der Einsatzkräfte gesetzt.

Dieses Grundbedürfnis nach Sicherheit beschäftigt uns momentan wie kein anderes Thema, und zwar politisch, medial und im Dialog mit den Bürgern. Das Sicherheitsempfinden der Bevölkerung wird dabei auf eine harte Probe gestellt.

Trotz der erkennbar großen Herausforderungen hat der Hessische Rundfunk im Januar in einer Umfrage ermittelt, dass sich rund vier von fünf Bürgern in unserem Land sicher fühlen. Im Januar 2016 lag dieser Wert noch um 7 Prozentpunkte niedriger. Meine Damen und Herren, das ist ein großer Vertrauensbeweis für und zeugt von einem großen Zutrauen in die Sicherheitsbehörden und insbesondere in die Arbeit der Polizei. Ich sage Ihnen, dieses Vertrauen besteht zu Recht.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Zahlen der Polizeilichen Kriminalstatistik rechtfertigen dieses Vertrauen. Die hessische Polizei arbeitet verlässlich für die Sicherheit der Bürger. Noch nie wurden so viele Straftaten aufgeklärt wie im letzten Jahr. 62,7 % ist die Höchstmarke seit der Einführung der Polizeilichen Kriminalstatistik im Jahr 1971, also seit über 45 Jahren, meine Damen und Herren. Die Wahrscheinlichkeit, auf der Straße Opfer einer Straftat zu werden, war nie geringer. Die Straßenkriminalität wurde in den letzten 20 Jahren mehr als halbiert.

Wir haben einen signifikanten Rückgang bei den Wohnungseinbruchdiebstählen zu verzeichnen, und zwar um mehr als 10 Prozentpunkte. Die Zahl der vollendeten Wohnungseinbruchdiebstähle hat sich in den letzten 20 Jahren ebenfalls halbiert. Meine Damen und Herren, die Hessen leben sicher, und die Hessen fühlen sich sicher.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Sicherheitsbehörden arbeiten hart und konsequent für diese Erfolge. Kriminalität im öffentlichen Raum, wie z. B. am Frankfurter Hauptbahnhof, bekämpfen wir beharrlich. Wir haben durch gezielte operative Maßnahmen, kontinu

ierliche Brennpunktkontrollen und offene Polizeipräsenz den Fahndungsdruck in der dortigen Drogen- und Straßenkriminalität massiv erhöht. Fast 10.000 Einsatzkräfte waren seit Wochen eingesetzt, um durch knapp 20.000 Personenkontrollen Straftäter zu fassen und Kriminalität zu unterbinden. Dies lässt sich auch anhand der erhöhten Betäubungsmittelgesetz-Fallzahlen ablesen, die in der landesweiten Statistik ausgewiesen sind.

Durch gezielte Razzien gehen wir konsequent gegen Islamisten vor. Am 1. Februar ist den Sicherheitsbehörden ein harter Schlag gegen den islamistischen Extremismus gelungen. Mit einer groß angelegten Maßnahme, an der mehr als 1.100 Beamte beteiligt waren, hat die hessische Polizei ein weit verzweigtes salafistisches Netzwerk zerschlagen. Wir haben ein bundesweites Vereinsverbot für „Die wahre Religion“ angeregt und durchgesetzt. Ein Verbotsverfahren zur Medina-Moschee in Kassel läuft zurzeit.

Die hessischen Sicherheitsbehörden werden auch weiterhin jenen, die uns und unsere Art, zu leben, und unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung bedrohen, mit aller Härte des Rechtsstaats begegnen.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Durch frühzeitiges Eingreifen der hessischen Polizei treten wir Gewalttätern, wie beispielsweise Dortmunder Hooligans vor einigen Tagen, konsequent entgegen. Im Rahmen einer gezielten Fahrzeugkontrolle wurde eine Gruppe sogenannter Fans heimgeschickt, die konspirativ und strukturiert mit dem Ziel, Straftaten zu begehen, auf dem Weg zu einem Fußballspiel nach Darmstadt unterwegs war. Das hat die hessische Polizei unterbunden. Das hat entsprechende Konsequenzen für die Täter ermöglicht.

Die Gewährleistung des Grundbedürfnisses Sicherheit hat seit nunmehr 18 Jahren höchste Priorität. Ich bin froh über die Rahmenbedingungen rechtlicher, personeller und sachlicher Art, die wir seit 1999 kontinuierlich geschaffen haben und von denen die hessischen Sicherheitsbehörden auch heute ganz unmittelbar profitieren.

Auch wenn es für den einen oder anderen mittlerweile selbstverständlich erscheinen mag, dass Hessen eines der sichersten Länder der Bundesrepublik ist, lassen Sie mich die Entwicklung noch einmal verdeutlichen. Wenn wir heute statistisch messen, dass 62,7 % aller bekannt gewordenen Straftaten aufgeklärt werden, reden wir von einer Aufklärungsquote, die um mehr als 18 Prozentpunkte höher liegt als im Jahr 1997.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Zuruf von der CDU: Wer war denn da Innenminister?)

Während es vor 20 Jahren in Hessen überwiegend unwahrscheinlich war, dass ein Straftäter erwischt wurde, weil die Aufklärungsquote weit unter 50 % lag, ist es bei einer Aufklärungsquote von fast 63 % nunmehr überwiegend wahrscheinlich. Das gute Ergebnis trägt zu Recht zum Vertrauen in unsere Sicherheitsbehörden bei.

Der damalige Innenminister Volker Bouffier machte in einer seiner ersten Regierungsklärungen vor fast genau 16 Jahren deutlich, auf welche Säulen die seinerzeit neue Sicherheitsarchitektur des Landes gestützt wurde: auf eine effektive Bekämpfung von Straftaten durch das Erweitern von Befugnissen und rechtlichen Instrumentarien der Polizei, auf eine verbesserte Ausstattung und Organisation der

Sicherheitsbehörden und auf eine stärkere Gewichtung der Prävention unter Einbeziehung des kommunalen und ehrenamtlichen Engagements. – Daran hat sich bis heute nichts geändert. Es wird in Hessen verlässlich, konsequent, kontinuierlich und erfolgreich daran weitergearbeitet.

Die Hessen leisten einen wichtigen Beitrag zur Sicherheit in Deutschland. Der Erfolg der deutschen Sicherheitsbehörden liegt nämlich auch in der föderalen Struktur unseres Landes. Zentralistische Strukturen, wie in Frankreich oder der Türkei, versprechen – wie wir leidvoll sehen konnten – keinen Sicherheitsgewinn. Zwar muss die Zusammenarbeit zwischen den Sicherheitsbehörden der Länder und des Bundes verbessert und gestärkt werden – darüber sind sich die Sicherheitspolitiker und die für die Sicherheit Verantwortlichen im Bund und in den Ländern bewusst –, die föderale Struktur ist aber seit fast 70 Jahren Garant dafür, dass Deutschland zu einem der sichersten Länder in Europa und der Welt gehört. Das soll auch in Zukunft so sein. Hessen wird weiterhin einen hervorragenden Anteil an dieser Sicherheit leisten.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir reden davon, dass in den vergangenen Jahren die rechtlichen Möglichkeiten für die Arbeit der hessischen Polizei kontinuierlich verbessert wurden. Die Videoüberwachung und die verdachtsunabhängigen Kontrollen stehen beispielhaft für viele Anpassungen, die den Erfolg der Polizei unterstützt haben. Die Tatsache, dass wohl jeder in diesem Haus ganz aktuell etwas mit diesen Schlagworten verbinden kann, zeigt, wie richtig die damaligen Entscheidungen auch heute noch sind.

Gleiches gilt für die Ausstattung, die Ausrüstung und die Organisation der Polizei. Die hessische Polizei ist technisch und personell auf einem hervorragenden Stand, der bundesweit einen Spitzenplatz einnimmt. So kann sie nicht nur auf die neueste Technik zurückgreifen; sie verfügt auch über mehr und besser ausgebildetes Personal als jemals zuvor.

Lassen Sie mich das Thema Prävention ein wenig ausführlicher behandeln, weil hier ebenfalls ein Schlüssel zu einer erfolgreichen Polizeiarbeit liegt. Eine Straftat, die erst gar nicht geschieht, muss nicht in polizeilicher oder kriminalistischer Arbeit aufgeklärt werden und hat vor allem keine Opfer.

Die Projekte und Initiativen sind unzählig: vom „Wachsamen Nachbarn“ über das Netzwerk gegen Gewalt bis hin zu unserer Extremismusprävention sind alle wesentlichen Phänomene abgedeckt. So hat die Landesregierung, was bundesweit wohl einmalig sein dürfte, auch in diesem Jahr rund 4 Millionen € allein für Programme zur Prävention und Intervention in den Bereichen Rechtsextremismus und Islamismus bereitgestellt.

Mit dem Hessischen Kompetenzzentrum gegen Extremismus, angesiedelt im Innenministerium, hat Hessen als erstes Bundesland eine umfassende Strategie zur Radikalisierungsprävention und Deradikalisierung im Bereich Salafismus eingeführt. Das Präventionsnetzwerk gegen Salafismus wurde ausgezeichnet und von der Innenministerkonferenz als Blaupause für andere Bundesländer übernommen.

Prävention ist aber auch eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Wir alle – damit meine ich auch die Moscheegemeinden, die Sportvereine, die Kommunen und die Arbeit

geber – sind aufgefordert, Scharfmacher auszugrenzen, gegen Hass und Extremismus zu argumentieren und vor allem keine Gewalt zu dulden.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Bei der Bekämpfung des Rechtsextremismus haben wir sehr früh z. B. das Erfordernis der Beratung und der konkreten Arbeit in den Kommunen erkannt. Bei der Aufnahme von Flüchtlingen in den Städten und Gemeinden galt es, frühzeitig zu informieren und zu sensibilisieren und den kommunalen Funktionsträgern praktische Hilfe gegen rechte Hetze an die Hand zu geben. Das haben wir mit dem Beratungsnetzwerk Hessen in den Kommunen – also direkt vor Ort – mit professioneller Beratung unterstützt und umgesetzt.

Mit unseren unmittelbaren Gefährderansprachen im Bereich des Rechtsextremismus haben wir auch den Delinquenten deutlich gemacht, dass wir konsequent gegen Extremismus vorgehen und keine Hetze und Gewalt gegen Flüchtlinge dulden werden.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Im Jahr 2015 und zu Beginn des Jahres 2016 haben wir überwiegend in unseren zentralen Erstaufnahmeeinrichtungen die Flüchtlinge selbst, aber auch Betreiber, Dienstleister und Helfer beraten und in Sicherheitsfragen unterwiesen. Flüchtlinge davor zu bewahren, von islamistischen Radikalen angesprochen oder angeworben zu werden, war ebenso wichtig, wie auf die Gefahren des Rechtsextremismus aufmerksam zu machen. In Zusammenarbeit zwischen Polizei vor Ort, Kommunen und Flüchtlingshelfern müssen wir nunmehr Flüchtlinge dezentral vor entsprechender Ansprache schützen oder extremistische Tendenzen erkennen und ihnen sofort begegnen.

Zu einem erfolgreichen Kampf gegen das Phänomen Wohnungseinbruchdiebstahl gehört die Prävention – genau wie in den zuletzt geschilderten Bereichen. Die erneut gestiegene Versuchsquote beim Wohnungseinbruchdiebstahl auf knapp unter 50 % ist ein Hinweis darauf, dass unsere dezentralen Initiativen zur Beratung der Bürger gefruchtet haben. Die finanzielle Förderung der Sicherungsmaßnahmen der Bürger über die KfW, die nach meinen Erkenntnissen durch die Koalition in Berlin jetzt erweitert werden soll, wird unsere diesbezüglichen Bemühungen weiter unterstützen. Je länger ein potenzieller Einbrecher benötigt, um sich zu einer Wohnung Zugang zu verschaffen, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass er von seinem Vorhaben ablässt. Gute Präventionsarbeit leistet hier einen wichtigen Beitrag zur Vermeidung von Straftaten in einem für die Opfer dramatisch oder sogar traumatisch belastenden Bereich.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir lassen in unseren Anstrengungen nicht nach, auch neue Ideen umzusetzen, wie wir zuletzt mit dem hessischen „Verkaufsschlager“, der Bodycam, gezeigt haben. Wir setzen auf eine kontinuierliche Weiterentwicklung unserer sicherheitspolitischen Werkzeuge.