Das müssen wir wieder aufgreifen. Allerdings brauchen wir eine andere, neue Strategie, die nachhaltig wirken muss. Meine Fraktion hat deshalb versucht, im DezemberPlenum eine Diskussion über einen Hessenplan nach Zinns Vorbild anzustoßen, um die eigentliche Dimension der anstehenden Herausforderungen in unserem Bundesland aufzuzeigen.
Leider sind wir mit unserem Ansinnen gescheitert. Dennoch kann ich Ihnen sagen, dass wir in Hessen früher oder später darauf zurückkommen werden müssen, auf welche Weise auch immer. Da ist es mit der Ausweitung des WIRProgramms ganz gewiss nicht getan.
Meine Damen und Herren der Koalition, ich kann es auch nicht glauben, wenn Sie in Ihrem Antrag über die Ausweitung des WIR-Programms von einem „zentralen Bestandteil hessischer Integrationspolitik“ sprechen, aber dabei die Migrationsdienste völlig außen vor lassen. Diese Dienste werden darin nicht ein einziges Mal erwähnt, nicht einmal wenn es um die notwendige und koordinierte Zusammenarbeit der integrationspolitischen Akteure vor Ort geht. Das ist letztendlich schlicht das Ziel des Landesprogramms. Dies ist für mich einfach unfassbar.
Ich muss Sie leider auch daran erinnern, dass im Zuge der „Operation düstere Zukunft“ von heute auf morgen in einer Nacht-und-Nebel-Aktion und ohne Not die Migrationsdienste hessenweit auf brutalstmögliche Weise beschnitten worden sind. Sie mussten massiv abgebaut werden, weil das Land Hessen nicht mehr bereit war, die bescheidenen Komplementärmittel zur Verfügung zu stellen. Somit haben Sie bewusst auf die bis dahin jahrzehntelang garantierte Hauptfinanzierung des Bundes verzichtet.
Meine Damen und Herren, wenn wir uns ernsthaft den integrationspolitischen Herausforderungen der kommenden Jahrzehnte stellen wollen und dabei sowohl den Zusammenhalt und das Wohl aller in unserem Land lebenden Menschen als auch unsere Ökonomie berücksichtigen wollen, so muss in allererster Linie alles dafür getan werden, im weitesten Sinne die Regelangebote weiterzuentwickeln, zu stärken und zu verstetigen. Da ist es mit gut gemeinten Projektchen hier und dort nicht getan.
Unser Land ist künftig weiterhin auf inner- und außereuropäische Zuwanderung angewiesen – sowohl aus demografischer Sicht als auch aus Gründen der Fachkräftesicherung. Ich glaube, dass das in diesem Haus unbestritten ist. Da braucht es feste Strukturen, die auf Dauer angelegt und natürlich auch finanziert werden müssen, um Integration erfolgreich zu gestalten.
Ein bisschen musste ich schmunzeln, als ich diesen Entschließungsantrag zum ersten Mal bekommen habe. Ich musste daran denken, dass das Land Hessen schon 2015 die Integrationskonferenz eingerichtet hat – eine, wie ich finde, gute Einrichtung, um endlich zu Potte zu kommen. Der Auftrag dieser Integrationskonferenz war und ist, einen Integrationsplan zu erstellen. Die Integrationskonferenz hat im vergangenen Jahr – ich denke, es war Mitte vergangenen Jahres – einen Entwurf abgegeben. Er sollte Ende des letzten Jahres in den Ressorts überarbeitet und dann gegebenenfalls hier eingebracht werden. Mein Eindruck ist – das werde ich einfach nicht los –, dass dieser Setzpunkt auch ein bisschen davon ablenken will, dass wir hier mit dem notwendigen Integrationsplan, aus welchen Gründen auch immer, nicht zu Potte kommen.
Ich habe selbst in einigen Arbeitsgruppen mitgearbeitet. Ich weiß, dass es Knackpunkte gibt, die für bestimmte Fraktionen schon schmerzlich sind – Stichwort: kommunales Wahlrecht oder die Forderung nach einem Landes-Antidiskriminierungsgesetz.
Wir als Fraktion werden – das kann ich Ihnen garantieren – weiterhin auf die Zusammenarbeit mit Ihnen setzen, vertrauensvoll und auch konstruktiv und verantwortungsvoll, und sind deshalb auch ein bisschen irritiert, dass wir bei dem Aktionsprogramm II gar nicht gefragt worden sind, obwohl alle gelobt haben, dass wir das erste Programm gemeinsam auf den Weg gebracht haben. Ich glaube, das hätte nicht sein müssen. Wie gesagt, wir haben bis heute noch keine Antwort, warum das so kommen musste. – Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.
Danke, Herr Kollege Di Benedetto. – Als nächste Rednerin spricht nun Frau Kollegin Faulhaber von der Fraktion DIE LINKE. Bitte schön, Frau Kollegin, Sie haben das Wort.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Von den knapp 6 Millionen Hessen sind ein Viertel Menschen mit einem sogenannten Migrationshintergrund. In den jüngsten Altersgruppen gibt es sogar deutlich mehr Migrantinnen und Migranten. Diese Zahlen zur Bevölkerungsstatistik
Diese Politik muss Diskriminierungen beseitigen. Sie muss inklusiv angelegt sein, um die volle gesellschaftliche Teilhabe von Migrantinnen und Migranten zu ermöglichen. Das ist nicht nur ein Gebot der Menschlichkeit. Es ist auch eine Frage der Demokratie. Denn Gleichheit und Bürgerrechte sind Grundlagen einer demokratischen Gesellschaft.
Ja, da kann man klatschen. – Angesichts der demografischen Situation und der weiteren demografischen Entwicklung in Hessen sind Integration und Teilhabe auch unverzichtbar für den gesellschaftlichen Frieden im Land.
Viele Helferinnen und Helfer leisten auf kommunaler Ebene einen unentbehrlichen Beitrag, um die gesellschaftliche Teilhabe von Migrantinnen und Migranten zu fördern. Sie unterstützen beim Spracherwerb, beim Gang zum Arzt, in der Schule, bei Behörden oder bei der Qualifizierung für den Arbeitsmarkt. Sie tun es vielfach ehrenamtlich und opfern einen großen Teil ihrer Freizeit für die Integration dieser Neuhessinnen und Neuhessen.
Wenn in Hessen überhaupt von Willkommenskultur die Rede sein kann, dann leistet das dieses bürgerschaftliche Engagement vor Ort, das nach wie vor ungebrochen ist. Bei diesen engagierten Menschen möchte ich mich bei dieser Gelegenheit herzlich bedanken.
Das Landesprogramm WIR kann auf der kommunalen Ebene eine Unterstützung sein. Das wollen wir gar nicht bestreiten. Mit den bereitgestellten Fördermitteln können ehrenamtliche Netzwerke gestärkt und institutionalisiert werden.
Das zentrale Problem des Landesprogramms ist aber die fehlende politisch-konzeptionelle Einbettung der bereitgestellten Fördermittel. Das hat die LINKE schon vor zwei Jahren moniert, als der fast gleiche Antrag hier diskutiert wurde.
Nach wie vor ist das Programm auf der Suche nach Modellprojekten oder nach Projekten mit neuen innovativen Ansätzen. Dabei muss man eigentlich gar nicht viel tun, um die strukturellen Defizite zu erkennen, die einer sozialen und gesellschaftlichen Teilhabe von Migrantinnen und Migranten entgegenstehen. Im Bildungsbereich und auf dem Arbeitsmarkt sind Migrantinnen und Migranten erheblich benachteiligt. Auch das Armutsrisiko ist wesentlich höher als bei Menschen ohne Migrationshintergrund.
Leider ist Hessens Bildungssystem nicht wirklich in der Lage, so etwas wie Chancengerechtigkeit herzustellen. Nach wie vor hängt der Bildungserfolg stark von der sozialen Herkunft ab.
Wie erreichen wir aber ein inklusives Schulsystem, das die diskriminierend wirkende Mehrgliedrigkeit überwindet? Wie können wir eine bessere Sprachförderung anbieten, insbesondere auch in der Muttersprache? Wie kriegen wir eine Betreuung von unter Dreijährigen hin, die auch Kindern aus sozial benachteiligten Familien den Besuch von Kindertagesstätten ermöglicht? – Hier liegen – um nur ein paar Beispiele zu nennen – Reformansätze für mehr Bildungs- und Chancengleichheit in Hessen.
Das Förderprogram WIR wird diesen Herausforderungen nicht gerecht. Es ist ein großes Problem in Hessen, dass die Landesregierung hier ihrer Pflicht nicht wirklich nachkommt, sondern Lösungen aktueller Probleme der Einwanderungsgesellschaft an kommunale Akteure delegiert. Die Integrationspolitik des Landes darf sich aber keinesfalls auf die Förderung kommunaler Projekte beschränkten, mögen sie auch noch so innovativ sein.
Die Integrationspolitik des Landes muss ein Gesamtkonzept haben, das auf Chancengleichheit abzielt. Sie muss als Querschnittsaufgabe in die Sozial-, Bildungs- und Innenpolitik eingebettet sein. Sonst kann Integration nicht funktionieren.
Das Landesprogramm WIR ist ganz offensichtlich das Flaggschiff schwarz-grüner Integrationspolitik. Hier ist ganz sicher auch so etwas wie eine grüne Handschrift zu erkennen. Es verwundert daher nicht, dass wir heute auf Antrag der Regierungsfraktionen zum zweiten Mal über das Programm sprechen.
In Zeiten, in denen das grüne Selbstverständnis als Menschenrechtspartei leidet, weil auch diese grüne Landtagsfraktion Menschen in Kriegsgebiete abschiebt, verstehe ich sehr gut, dass die GRÜNEN nun dieses Förderprogramm hochhalten wollen. Offensichtlich soll auf diese Weise nach außen suggeriert werden: Auch wenn wir Menschen in Lebensgefahr und existenzielle Not schicken, tun wir dennoch etwas für Migrantinnen und Migranten.
Aber die Aufstockung des Landesprogramms WIR kann nicht über die inhumanen Auswüchse der hessischen Asylpolitik hinwegtäuschen.
Viele Menschen in Hessen sind verunsichert, weil sie Angst haben, die nächsten Opfer einer Massenabschiebung zu sein. Schulkinder haben Angst, weil Hessen keine Skrupel hat, aus der Schule heraus abzuschieben. In einem solchen Klima der Angst kann keine Integrationspolitik funktionieren.
Wir fordern daher die Landesregierung auf: Stoppen Sie Ihre Politik der Massenabschiebungen, und schaffen Sie ein Klima des Vertrauens, damit sich Zugewanderte bei uns willkommen und sicher fühlen können.
Zuletzt möchte ich hier noch ein Problem ansprechen, das ebenfalls der Integration wesentlich im Wege steht. Mit dem im August 2016 in Kraft getretenen Integrationsgesetz wurde die Freizügigkeit anerkannter Flüchtlinge massiv eingeschränkt. Anerkannte Flüchtlinge sind nun verpflichtet, drei Jahre lang in dem Bundesland zu wohnen, in das sie zugewiesen worden sind. Die Landesregierung kann hier noch weitere landesrechtliche Regelungen treffen. Flüchtlinge können z. B. verpflichtet werden, an einem ganz bestimmten Ort zu wohnen oder an einem Ort eben nicht zu wohnen.
Wir fordern die Landesregierung deshalb auf, keine landesrechtliche Regelung zu erlassen, die die Freizügigkeit von Flüchtlingen weiter einschränkt.
Schaffen Sie keine unsichtbaren Mauern um die Ballungsräume. Zuzugsverbote und Wohnsitzauflagen sind diskriminierend und behindern die Integration. Es ist richtig, dass bezahlbarer Wohnraum knapp ist. Aber die Folgen der verfehlten Wohnungspolitik der vergangenen Jahrzehnte dürfen nicht auf dem Rücken von Migranten ausgetragen werden.
Daher meine Bitte und Aufforderung an die Landesregierung: Wenn Sie es ernst meinen mit der Integration, dann verhindern Sie die diskriminierenden Wohnsitzauflagen. Machen Sie sich Gedanken, wie strukturelle Benachteiligungen von Migrantinnen und Migranten angegangen werden können, und stecken Sie mehr Zeit und Geld in humanitäre Aufnahmestrukturen statt in rücksichtslose Abschiebepolitik. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.