Corrado Di Benedetto

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Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Es freut mich, dass die hessische FDP bei einem so wichtigen Thema hartnäckig bleibt und immer wieder das für unsere Republik dringend benötigte Einwanderungsgesetz einfordert. Vielen Dank dafür, auch im Namen meiner Fraktion.
Mit Ihrem heute aufgerufenen Antrag rennen Sie bei uns offene Türen ein, meine Damen und Herren von der FDP; denn die SPD ist seit Jahren davon überzeugt, dass wir ein solches Gesetz in unserem Land brauchen. Vor gut einem Jahr haben wir im Rahmen einer Aktuellen Stunde letztmalig hier darüber diskutiert, und die Debatte hat einmal mehr gezeigt, dass sich, wie so oft, die schwarz-grüne Koalition in vielen wichtigen Fragen nicht einig ist und sich offensichtlich bis heute in diesem Punkt nicht einig ist.
Diese Uneinigkeit sollte damals in einem Gegenantrag der Koalition sogar manifestiert werden. In dem Antrag steht – ich zitiere –: „Der Landtag nimmt zur Kenntnis, dass es über Inhalt, Ziel und Zeitpunkt einer weiter gehenden Reform des Zuwanderungsrechts unterschiedliche Vorstellungen gibt.“ Gemeint ist: unterschiedliche Vorstellungen bei der schwarz-grünen Koalition. Das Ganze sollte vom Landtag auch noch beschlossen werden. Ich finde das absurd, meine Damen und Herren.
Jetzt hoffen wir, dass die schwarz-grüne Koalition in Hessen eher bereit ist, aus ihren Fehlern zu lernen, seit der Ministerpräsident Spargel gestochen hat. Der Titel einer dpaMeldung vom 12. April 2018 lautete: „Bouffier fordert in Zuwanderungsdebatte zu Nachdenken auf“. Weiter heißt es in dem Artikel: „Wir könnten keinen einzigen Spargel mehr stechen, wenn wir nicht die Saisonarbeiter aus der
Ukraine, aus Polen und aus anderen Ländern hätten.“ – Sie alle wissen sehr wohl, dass es hier nicht nur um die Spargelstecherinnen und -stecher geht. Deshalb fordern wir die Landesregierung auf, nicht nur ihre diesbezügliche Blockadehaltung aufzugeben, sondern auch effektiv und konstruktiv an einem zeitgemäßen Einwanderungsgesetz mitzuarbeiten.
Es ist an der Zeit, dass diese Koalition mit Sachverstand und aus Verantwortung für unser Land, wie Herr Rock es eben beschrieben hat, schnellstmöglich ihren Teil in Berlin dazu beiträgt, dass ein solches Gesetz auf den Weg gebracht wird.
Warum sage ich „mit Sachverstand und aus Verantwortung für unser Land“? – Sie alle wissen, dass im Koalitionsvertrag vereinbart worden ist, die Zuwanderung insgesamt effizienter und zeitgemäßer zu organisieren. Damit steht in einem Koalitionsvertrag endlich geschrieben, dass unser Land dringend eine neue rechtliche Grundlage braucht, um Migration und Integration zum Wohle aller sinnvoll und zukunftsweisend zu gestalten.
Allerdings habe ich hieran meine Zweifel, wenn ich mir den heute vorgelegten Dringlichen Antrag anschaue, auf den man gerne hätte verzichten können. Wenn ich mir die entsprechende Passage im Koalitionsvertrag anschaue, dann stelle ich fest, dass man sich schon beim Verfassen der besagten Stelle offensichtlich nicht auf den Begriff „Einwanderungsgesetz“ einigen konnte. Stattdessen steht da – ich zitiere aus dem Koalitionsvertrag –: „Deshalb werden wir ein Regelwerk zur Steuerung von Zuwanderung in den Arbeitsmarkt … erarbeiten, …“ Sie haben es gehört, meine Damen und Herren: Die Rede ist von einem „Regelwerk“, nicht von einem, wie ich finde, dringend notwendigen Einwanderungsgesetz.
Hier sind der Wahltermin in Bayern und die Eitelkeiten eines aus Bayern stammenden und verbannten Ministerpräsidenten deutlich erkennbar, der nun als Innenminister in Berlin neben den Heimatmuseen auch für dieses wichtige Politikfeld zuständig ist. Das ist mir nicht geheuer. Das will ich hier in aller Offenheit sagen.
Immer wieder sympathisiert Herr Seehofer mit dem Rechtspopulisten Viktor Orban, immer sehr bewusst medienwirksam inszeniert, seit Neuestem auch als Innenminister unserer Republik und damit sicherlich nicht nur zur Freude seiner Kabinettschefin und Bundeskanzlerin Angela Merkel. Ich finde das beschämend und unerträglich,
auch deshalb, weil es Herr Orban mit der Freiheit der Bürgerinnen und Bürger offensichtlich nicht so genau nimmt. Da gäbe es in Europa wahrlich andere Vorbilder für Herrn Seehofer.
Deshalb fordere ich die Landesregierung auf, dass sie in Berlin im Namen unseres Landes Hessen mit dafür sorgt, dass bei der Erarbeitung des dringend benötigten Einwanderungsgesetzes Vernunft und Sachverstand walten und nicht obskure und rückwärtsgewandte Haltungen, die nichts mit unserem demokratischen und freiheitlichen Errungenschaften zu tun haben.
Unser Land wird in den kommenden Jahrzehnten massiv vom demografischen Wandel betroffen sein, was die deutsche Wirtschaft sowie die Sozial-, Gesundheits- und Rentensysteme vor enorme Herausforderungen stellen wird.
Eine Einwanderung allein aus Ländern der Europäischen Union wird nicht ausreichen. In den nächsten Jahren verliert Deutschland über 6 Millionen Erwerbstätige. Selbst eine systematische Qualifizierung und Ausschöpfung des in Deutschland verfügbaren Potenzials an Erwerbspersonen wird nicht ausreichen, um die enormen Lücken zu füllen.
Deutschland ist daher auf die Einwanderung qualifizierter Fachkräfte auch aus Drittstaaten dringend angewiesen. Auch die Arbeitgeberverbände fordern das schon seit Jahren. Unser Land braucht klare und für alle Seiten transparente Regelungen, die für inländische Arbeitnehmer genauso wie für potenzielle Arbeitskräfte aus dem Ausland leicht verständlich und anwendbar sind und die Notwendigkeit von Zuwanderung innerhalb der Bevölkerung nachvollziehbar machen.
Lassen Sie mich auf einen Aspekt zu sprechen kommen, der meines Erachtens in diesem Zusammenhang auch zu erwähnen ist. Der sogenannte neue Aufstieg des Rechtspopulismus und der damit einhergehende Anstieg von rassistischer Gewalt in Deutschland erfordern ein klares Bekenntnis zu unserer Einwanderungsgesellschaft, die wir schon seit Jahrzehnten tagtäglich erleben. Wir stehen hinter den Menschen, die unser Land mit aufgebaut haben und unsere Gesellschaft seit Jahrzehnten bereichern. Wir stehen für ein offenes und tolerantes Deutschland – ein Deutschland, das sich nicht abschottet, sondern Einwanderung in kontrollierter und für alle nachvollziehbarer Weise erlaubt.
Nicht nur dafür brauchen wir ein modernes Einwanderungsgesetz, sondern auch um klar zwischen Arbeitsmigration, Asyl und Zuwanderung aus anderen, z. B. humanitären Gründen scharf zu trennen.
Die derzeit gültigen Regelungen für den legalen Zugang von Ausländern zum deutschen Arbeitsmarkt gleichen einem Chaos, und sie bringen eben nicht den gewünschten Erfolg. Sonst müssten wir uns nicht schon heute damit herumschlagen – das hat Herr Rock bereits gesagt –, dass letztendlich Hunderttausende von Fach- und Arbeitskräften in unserem Land fehlen.
Ein Einwanderungsgesetz im Sinne meiner Partei – das möchte ich hier in aller Deutlichkeit festhalten – berührt den gesamten Asylbereich in keiner Weise. Die Aufnahme von Geflüchteten bleibt weiterhin kategorisch eine humanitäre Verpflichtung. Das möchte ich hier noch einmal unterstrichen haben.
Meine Damen und Herren, last, but not least: Die SPDFraktion hat am 21. November 2017 einen – wie ich finde – hervorragenden Entwurf für ein Einwanderungsgesetz im Bundestag eingebracht. Der Entwurf liegt dem Innenausschuss seit November vor. Ich fordere die schwarz-grüne Landesregierung auf, in Berlin konstruktiv und ohne Scheuklappen mitzuarbeiten, damit unser Land schnellst
möglich ein modernes Einwanderungsgesetz bekommt, das diesen Namen tatsächlich verdient.
Allerletzter Punkt. Ich finde es immer wieder unverschämt, wenn während der eigentlichen Debatte die Dringlichen Entschließungsanträge der Koalitionsfraktionen eingehen. Man hat keine Zeit, um sie sich anzuschauen.
Wenn wir hier schon von Kollegialität sprechen: Das ist nicht gerade kollegial.
Ich muss nach dem Überfliegen dieses Antrags leider hinzufügen, dass er in der Sache überflüssig ist; denn Sie haben überhaupt nichts Neues hineingeschrieben und auch nicht deutlich gemacht, dass Sie, was das betrifft, als Koalition für unser Land Hessen in Berlin mit einer Stimme sprechen.
Das können wir so nicht stehen lassen. Deshalb fordern wir Sie auf, in Berlin konstruktiv für ein Einwanderungsgesetz einzutreten. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit und auch für Ihr Lächeln, gerade auf der Seite der Kollegen von den GRÜNEN. Vielen Dank.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es wird mir in Anbetracht des Inhalts des FDP-Antrags insbesondere vonseiten der Koalitionsfraktionen ein bisschen zu sehr um den heißen Brei herumgeredet. Herr Rock, wenn ich das einmal interpretieren darf, dann lautet der Kernsatz Ihres Antrags, das ist Punkt 4:
Der Landtag fordert die Landesregierung auf,
hier ist natürlich die schwarz-grüne Landesregierung gemeint –
sich auf Bundesebene für eine Zusammenarbeit des Bundes, der Länder und der Kommunen für ein Einwanderungsgesetz einzusetzen.
Ich erinnere daran, dass sich das Land Hessen in der letzten Integrationsministerkonferenz im März letzten Jahres gegen ein Einwanderungsgesetz ausgesprochen hat.
Es geht jetzt einfach darum, dass wir fordern, dass unser Bundesland in Berlin, wenn es um diese gesetzlichen Regelungen geht, eben mit einer Stimme spricht, und zwar Schwarz und Grün gemeinsam.
Wie wird sich die schwarz-grüne Landesregierung in Hessen diesbezüglich positionieren? Nur darum geht es. Es geht darum, was dies betrifft, die Interessen unseres Bundeslandes mit einer hessischen Stimme zu vertreten. Dazu haben wir bis heute keine Antwort bekommen.
Der Minister hat sogar gesagt, dass jetzt ein Integrationsgesetz in der Mache sei; ein Einwanderungsgesetz sei hingegen nicht nötig. Ich bin heute noch weniger klug als nach der Debatte, die wir vor einem Jahr an derselben Stelle geführt haben. Ich denke, so können wir nicht in die Zukunft blicken. Sie haben versucht, sich mit vielen hessischen Maßnahmen herauszureden. Es ist alles löblich, was im Rahmen der Integrationsarbeit und der Flüchtlinge passiert ist, aber wir reden nicht allein über die Situation der Flüchtlinge in Hessen, sondern wir reden über die absolute Notwendigkeit, auf Bundesebene ein neues Gesetzeswerk zu schaffen, das uns alle sinnvoll in die Zukunft führt. Dazu gibt es aus Hessen keine einheitliche Stimme, die sagt, wie sich Hessen in dieser Debatte positioniert. Das wollen wir von euch wissen. Ich glaube, das ist auch die Absicht der FDP-Fraktion. Bis heute haben wir hierzu – ich wiederhole es – noch keine Antwort bekommen.
Ich frage die Landesregierung:
Weshalb hat sie den Hessischen Integrationsplan ohne die notwendige Rückkopplung mit der von ihr eigens dafür eingesetzten Integrationskonferenz verabschiedet?
Ich frage die Landesregierung:
Wann wird sie den bereits mehrfach angekündigten Integrationsplan vorlegen?
Frau Präsidentin, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Der Titel des heutigen Antrags lautet:
Integration und Antidiskriminierungspolitik in Hessen erfolgreich weiterentwickeln
Ich denke, das ist auch bitter nötig.
Herr Bocklet, ich glaube, Sie haben recht, wenn Sie davon sprechen, dass eine in die Zukunft gerichtete Integrationspolitik „alternativlos“ ist. Das Problem ist, dass dies in den letzten Jahren in Hessen so nicht passiert ist.
Eigentlich hätte die schwarz-grüne Landesregierung gleich zu Beginn dieser Legislaturperiode mit der Umsetzung der Handlungsempfehlungen der Enquetekommission „Migration und Integration“ loslegen müssen, wie es auch schon der Kollege Rock gesagt hat. Immer wieder habe ich mich gefragt, ob die schwarz-grüne Koalition überhaupt daran
denkt, dass es in der letzten Legislaturperiode eine solche Kommission gegeben hat, übrigens auch auf Initiative meiner Fraktion.
Diese Kommission legte bereits im Sommer 2013 nach 31 aufschlussreichen Sitzungen eine umfassende Bestandsaufnahme von den Lebenssituationen von Menschen mit Migrationshintergrund vor und machte Vorschläge, wie sich die hessische Integrationspolitik künftig weiterentwickeln sollte. Lassen Sie mich nur einen Satz aus dem Abschlussbericht zitieren:
Die Enquetekommission blieb jedoch nicht bei der Analyse des Phänomens Migration und Integration stehen, sondern formulierte auch konkrete Handlungsanleitungen für Landes- und Kommunalpolitik und entwickelte Konzepte, wie Potenziale erfolgreicher erkannt, gefördert und nutzbar gemacht werden können.
Meine Damen und Herren, seit dem Bestehen unseres Bundeslandes hat es nie eine so gut durchdachte Handlungsvorlage für ein wichtiges Politikfeld gegeben wie die der besagten Kommission. Erwähnt sei auch, dass seit über vier Jahren ein Abschlussbericht vorliegt, der weitestgehend einvernehmlich beschlossen worden ist. Das ist bei einem komplexen und strittigen Thema wie der Integration nicht unerheblich.
Eine bessere Steilvorlage kann eine Landesregierung, gerade zu Beginn einer Legislaturperiode, gar nicht haben. Deshalb fragen wir uns, warum die schwarz-grüne Koalition nicht gleich die Ärmel hochgekrempelt hat. Wo bleibt die Umsetzung der Ergebnisse der Enquetekommission?
Anstatt umzusetzen, setzte die schwarz-grüne Landesregierung erst ein Jahr nach ihrem Amtsantritt eine Integrationskonferenz ein, die einen Integrationsplan erarbeiten sollte – Kollege Rock hat es gesagt –, auf den auch ich später zurückkommen muss. Was ist das für ein Vorgehen, wenn ein fertiger Plan vorliegt?
Wenn ich jetzt zum Entschließungsantrag komme, muss ich sagen, dass ich schon über den ersten Satz arg gestolpert bin und mich gefragt habe, ob er denn überhaupt ernst gemeint sein kann.
Sie schreiben:
Der Landtag stellt fest, dass in Hessen eine flächendeckende und verlässliche Infrastruktur für Integration geschaffen wurde,...
Meine Damen und Herren, hier kann weiß Gott weder von einer flächendeckenden noch von einer verlässlichen Infrastruktur für Integration gesprochen werden.
Es ist zwar richtig, dass Hessen trotz aller Unwägbarkeiten bei den ersten Schritten zur Aufnahme und Integration von Geflüchteten bundesweit eine gute Figur abgegeben hat; das lag aber auch daran, dass die SPD mit im Boot war und
es auf kommunaler Ebene viele Verantwortliche der SPD gegeben hat, die die Dinge ordentlich umgesetzt haben.
Erinnern möchte ich in diesem Zusammenhang daran, dass meine Fraktion bereits vor der sogenannten Flüchtlingswelle auf die Landesregierung zugegangen ist und mit Blick auf den gesellschaftlichen Frieden ihre konstruktive Zusammenarbeit angeboten hat. Dieses gemeinsame Anpacken von Oppositions- und Koalitionsfraktionen in Flüchtlingsfragen hat sich bewährt und bundesweite Beachtung erfahren. Deshalb haben wir nicht verstanden, warum wir beim Aktionsplan II stillschweigend außen vor gelassen worden sind. Meine Damen und Herren, ich versichere Ihnen, dass sich meine Fraktion nach wie vor ihrer Verantwortung bewusst ist und wir uns weiterhin leidenschaftlich dieser Herausforderung stellen.
Es hat in dieser immer noch experimentierenden Regierungskonstellation einige erste Schritte in die richtige Richtung gegeben, z. B. in der Antidiskriminierung und in der Erstellung eines Aktionsplans für Akzeptanz und Vielfalt. Das Grundproblem der hessischen Integrationspolitik seit der „Operation düstere Zukunft“ bleibt aber die über allen Integrationsmaßnahmen schwebende Projektitis. Ich weiß, der Begriff ist etwas schräg, er trifft aber den Nagel auf den Kopf. Glauben Sie mir, es bin nicht nur ich, der dieses Elend so benennt.
Sicher haben auch die Koalitionsfraktionen in dem einen oder anderen Gespräch mit Verbänden und Organisationen schon einmal etwas davon gehört. Hand aufs Herz, meine Damen und Herren der Koalition, ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass diese Organisationen permanent nur uns Sozialdemokraten über die Folgen dieses Elends berichten. Es ist unvorstellbar, dass Sie nichts davon wissen. Nachhaltigkeit kann allein durch befristete Modellprojekte und Mobilisierung und Stärkung des Ehrenamts nicht garantiert werden. Ich will das Ehrenamt nicht kleinreden, es wird gebraucht. Es braucht aber auch einen hauptamtlichen Rückhalt.
Wenn wir uns den integrationspolitischen Herausforderungen ernsthaft stellen wollen und dabei sowohl den Zusammenhalt und das Wohl aller in unserem Land lebenden Menschen als auch unsere Ökonomie berücksichtigen wollen, muss in allererster Linie alles dafür getan werden, um die Regelangebote weiterzuentwickeln, zu stärken und vor allem zu verstetigen. Wer in Sachen Integration mittel- und langfristig positive Veränderungen für die Gesamtgesellschaft bewirken will, muss ein für alle Mal weg von dieser unsäglichen Praxis der Projektitis.
Meine Damen und Herren, es ist bedauerlich, dass es in Hessen sehr wenige Integrationsangebote gibt, die tatsächlich auf Nachhaltigkeit ausgerichtet sind. Das Besondere daran ist, dass sie fast alle bundesfinanziert sind, wie z. B. die völlig überlastete Migrationsberatung und die Jugendmigrationsdienste, die das Land Hessen keinen einzigen Cent kosten. Das ist bezeichnend.
Wir sind in Hessen von einer Verstetigung der Integrationsangebote noch sehr weit entfernt, wie ich finde. Selbst die notwendige Erweiterung des WIR-Programms hilft uns nicht wirklich weiter. Vielleicht sollten wir auch den Mut aufbringen, die eine oder andere Kampagne oder das eine oder andere Angebot einzustampfen, die nicht wirklich gewinnbringend sind. Ich denke beispielsweise an den Integrationsbeirat der Hessischen Landesregierung, den bisher kein Mensch gebraucht hat. Es tut mir leid für Herrn Hahn, aber so ist das.
Außerdem habe ich bis heute noch nicht verstanden, was die Berufung als Bevollmächtigter für Integration und Antidiskriminierung bedeutet. Vielleicht kann mir das heute einmal jemand erklären, vielleicht auch heute Abend.
Meine Damen und Herren der Koalition, Ihr Entschließungsantrag hätte Sinn gemacht, wenn Sie darin wenigstens auf den offensichtlich geheim gehaltenen Integrationsplan eingegangen wären, auf den dieses Haus schon lange wartet, wie auch Herr Rock es schon gesagt hat. Für mich ist es unvorstellbar, dass dieser Plan in diesem Zusammenhang mit keiner Silbe erwähnt worden ist, egal in welchem Tresor oder in welcher Schublade er nun liegen möge.
Eigentlich ist es eine Schande, wenn man bedenkt, dass viele engagierte Menschen mit großer Ernsthaftigkeit und Hoffnung an dieser Vorlage gearbeitet haben, die der Landesregierung bereits seit zwei Jahren vorliegt. Wir sind sehr gespannt, ob die Anregungen derjenigen, die in der Integrationskonferenz mitgewirkt haben, tatsächlich angenommen werden oder ob Sie eine weichgespülte Fassung vorlegen werden.
Der von Ihnen vorzulegende Plan muss sich an den Ergebnissen der Enquetekommission der 18. Wahlperiode messen lassen. Ich habe große Zweifel, das will ich ganz offen aussprechen, ob Ihre Vorlage diese Erwartungen erfüllen wird. Jedenfalls haben Sie viel Zeit verschwendet. Sie hätten nur die Ergebnisse der Enquetekommission umsetzen müssen. Wir könnten heute schon viel weiter sein. Eine Legislaturperiode verschwendete Zeit – meine Damen und Herren, was soll das?
In Ihrem Antrag steht:
Der Landtag stellt fest, dass in Hessen eine flächendeckende und verlässliche Infrastruktur für Integration geschaffen wurde,...
Frau Präsidentin, ich komme gleich zum Schluss. – Meine Damen und Herren, ich vermag diese Infrastruktur nicht zu erkennen und meine Fraktion auch nicht. Ich hätte noch das eine oder andere zu sagen.
Ich möchte aber die Gelegenheit abschließend nicht versäumen, um Ihnen, sehr geehrter Herr Staatssekretär Dreiseitel, von ganzem Herzen in meinem Namen, aber auch im Namen meiner Fraktion für die sehr gute Zusammenar
beit zu danken. Wir wünschen Ihnen von Herzen viel Gesundheit und eine gute Zeit nach diesem Mandat. Wir würden uns freuen, wenn wir uns wieder über den Weg laufen. Ihnen alles Gute, Herr Dreiseitel.
Ich komme zum Schluss. – Herr Klose, ich biete Ihnen eine konstruktive Zusammenarbeit an, in der Hoffnung, dass Sie sich in Ihrem neuen Haus auch besser durchsetzen können. Ich biete Ihnen die Zusammenarbeit meiner Fraktion an. Sie können sicher sein, dass wir mit Ihnen ernsthaft über die Zukunft dieses Landes debattieren werden. – Vielen herzlichen Dank.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich wollte eigentlich nicht mehr nach vorne kommen, weil alles gesagt worden ist, was aus unserer Warte gesagt werden musste. Ich glaube, das ist auch angekommen. Das ist der Grund, warum sich Herr Bocklet wieder ans Redepult gestellt und mich im Grunde genommen genötigt hat, eines noch einmal klarzustellen.
Wir haben im Rahmen des Sozialbudgets unsere Forderungen natürlich niedergeschrieben. Wir haben sie nicht nur diskutiert, sondern eingebracht. Aber, Herr Bocklet, Sie wissen, dass nicht wir die Mehrheit in diesem Hause haben, sondern Sie. Darum konnten wir das Ganze nicht realisieren. – Danke schön.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Meine Fraktion begrüßt ausdrücklich den heutigen Antrag der GRÜNEN zu „Hessen zeigt Gesicht für eine offene Gesellschaft, Respekt, Akzeptanz und Vielfalt“. Wir schließen uns aus voller Überzeugung dem Aufruf an, am kommenden Samstag vor dem Kurhaus in Wiesbaden gegen das angeblich breite Bündnis DEMO FÜR ALLE zu demonstrieren, um unmissverständlich aufzuzeigen, dass wir jede Form von Diskriminierung und Ausgrenzung verabscheuen und bekämpfen wollen.
Das sogenannte Bündnis DEMO FÜR ALLE führt am kommenden Samstag hier in Wiesbaden – das ist ja schon gesagt worden – ein Symposium mit dem merkwürdigen Titel „Sexualpädagogik der Vielfalt – Kritik einer herrschenden Lehre“ durch. Dies geschieht sicherlich auch, um den neuen hessischen Lehrplan zur Sexualerziehung durch pseudowissenschaftliche Beiträge infrage zu stellen, und natürlich auch, um Stimmung dagegen zu machen. Es wirken Referenten mit, wie z. B. der Doktor der Medizin, Christian Spaemann, der öffentlich propagiert, Homosexualität sei heilbar. – Kollege Lenders ist schon darauf eingegangen.
Das Bündnis DEMO FÜR ALLE wird von dem CDU-Mitglied Frau Hedwig von Beverfoerde angeführt. Sie wird das sogenannte Symposium auch am Samstag eröffnen. Frau von Beverfoerde organisiert bundesweit diese homophoben Demos für alle. Sie sitzt im Redaktionsbeirat der rechtspopulistischen „Freien Welt“ und war lange Zeit Sprecherin der Initiative Familienschutz um die AfD-Politikerin Beatrix von Storch. – Mehr braucht man dazu wohl nicht zu sagen.
Meine Damen und Herren, ich empfehle Ihnen in diesem Zusammenhang, einmal in das neue AfD-Grundsatzpro
gramm hineinzuschauen und sich insbesondere die Punkte zum Thema Familie vor Augen zu führen. Ich bin mir sicher, dass es vielen von Ihnen eiskalt den Rücken herunterlaufen wird. Das Programm trägt eine im wahrsten Sinne des Wortes faschistoide Handschrift, die dort tatsächlich unverkennbar ist.
Frau von Beverfoerde und Co. – da gibt es auch noch einige andere – geht es um Abwertung und Ausgrenzung all jener, die nicht ultrakatholischen und rechtspopulistischen Familien- und Geschlechterbildern entsprechen. Sie schaffen damit den Nährboden für Ausgrenzung, Anfeindungen und natürlich auch Diskriminierungen.
Meine Damen und Herren, wir müssen am Samstag alle Gesicht zeigen, um den subtilen Formen der Diskriminierung, die von diesen evangelikalen und rechtspopulistischen Gruppierungen ausgehen, entschieden entgegenzutreten. Wir müssen ihnen immer wieder unmissverständlich zu verstehen geben, dass sie in unserer Landeshauptstadt, aber auch in unserem Land nicht willkommen sind.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich hier für meine Fraktion erneut feststellen – nachdem dies im vergangenen Jahr auch Kollege Degen mehrmals in aller Ausführlichkeit getan hat –, dass eine stärkere Berücksichtigung und eine angemessene Behandlung der Homo-, Bi-, Trans- und Intersexualität im Unterricht dazu beiträgt, gegenseitiges Verständnis zu fördern und damit Diskriminierung durch Ausgrenzung und Mobbing vorzubeugen.
Meine Fraktion begrüßt deshalb den neuen Lehrplan für die Sexualerziehung an allgemeinbildenden und beruflichen Schulen in Hessen. Sie unterstützt das darin enthaltene Ziel, Schülerinnen und Schülern ein offenes, diskriminierungsfreies und wertschätzendes Verständnis für die Verschiedenheit und Vielfalt der partnerschaftlichen Beziehungen, sexuellen Orientierungen und geschlechtlichen Identitäten in unserer Gesellschaft zu vermitteln.
So findet die Entscheidung unseres Kultusministers, die Akzeptanz unterschiedlicher Partnerschaftsformen und Verständnisse von Familie, sexuellen Orientierungen und geschlechtlichen Identitäten zum Gegenstand der Sexualerziehung zu erklären, die uneingeschränkte Zustimmung meiner Fraktion. Es liegt mir sehr daran, das hier einmal deutlich klarzustellen.
Meine Damen und Herren, in diesem Sinne bedanke ich mich für die Aufmerksamkeit und hoffe, dass sich am kommenden Samstag auch Vertreter der CDU-Fraktion vor dem Kurhaus einfinden.
Es ist ja so, dass Sie den Kultusminister stellen. Ich denke, es steht der CDU gut an, ihn nicht alleine im Regen und nur im Kreise der Oppositionsparteien stehen zu lassen; denn er braucht die breite Unterstützung des gesamten Hauses.
Wir würden es uns wünschen, wenn Sie sich anschließen könnten. – Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Unser Bundesland Hessen hat bei der Bewältigung der ersten Schritte zur Aufnahme und Integration der hohen Zahl der Geflüchteten in den vergangenen eineinhalb Jahren bundesweit eine gute Figur gemacht. Das kann man im Großen und Ganzen auch aus der Sicht der Opposition sagen.
Umso unverständlicher ist es, dass sich Hessen auf der Integrationsministerkonferenz wieder einmal gegen ein dringend benötigtes Einwanderungsgesetz ausgesprochen hat.
Es ist für mich unbegreiflich, warum sich die hessische Union immer noch mit Händen und Füßen gegen ein modernes Einwanderungsgesetz stemmt.
Ein Einwanderungsgesetz wird nicht mehr Menschen nach Deutschland holen, meine Damen und Herren der Union, sondern kontrolliert genau diejenigen, auf die unser Arbeitsmarkt so dringend angewiesen ist. Was haben Sie daran auszusetzen?
Die GRÜNEN fordern seit Jahren nicht nur in Berlin neue und zeitgemäße Einwanderungsregelungen. Was haben aber die GRÜNEN in Hessen in den letzten zweieinhalb Jahren gemacht, bzw. was machen die GRÜNEN in Hessen? Sie sind in erster Linie darum bemüht, den schwarzgrünen Koalitionsfrieden nicht zu gefährden. Ob wir mit dieser Haltung die anstehenden Herausforderungen im Bereich Migration und Integration bewältigen können, das wage ich zu bezweifeln. Ich bin Ihnen sehr dankbar, dass Sie noch so blitzschnell diesen Antrag eingebracht haben, der nichtssagend ist. Das ist der Beweis dafür, dass man Integration nicht so organisieren kann, meine Damen und Herren.
Meine Damen und Herren, unsere Republik wird im nächsten Jahrzehnt massiv vom demografischen Wandel betroffen sein. Sinkende Geburtenraten und eine alternde Bevölkerung stellen die Wirtschaft, die Sozial-, die Gesundheitsund die Rentensysteme vor enorme Herausforderungen. Eine Einwanderung allein aus der Europäischen Union wird in vielen Branchen und Mangelberufen definitiv nicht ausreichen.
Innerhalb der nächsten zehn Jahre verliert Deutschland über 6 Millionen Erwerbstätige. Selbst eine systematische Qualifizierung und Ausschöpfung des in Deutschland verfügbaren Potenzials an Erwerbspersonen werden nicht ausreichen, um diese enorme Lücke zu füllen. Deutschland ist daher dringend auf die Einwanderung qualifizierter Fachkräfte aus den Drittstaaten angewiesen. Dazu brauchen wir
ein klares und transparentes Einwanderungsgesetz, das für inländische Arbeitgeber genauso wie für potenzielle Arbeitskräfte aus dem Ausland leicht verständlich und anwendbar ist und die Akzeptanz von Einwanderung in der deutschen Bevölkerung erhöht.
Lassen Sie mich auf einen anderen Aspekt zu sprechen kommen, über den wir in den vergangenen Monaten leider immer wieder debattieren mussten und der für mich in Zusammenhang mit einem modernen Einwanderungsgesetz steht. Der neue Aufstieg des Rechtspopulismus und der damit einhergehende Anstieg rassistischer Gewalt in Deutschland erfordern ein klares Bekenntnis zu Deutschland als einem Einwanderungsland.
Wir stehen hinter den Menschen, die unser Land und unsere Gesellschaft seit Jahrzehnten bereichern. Wir stehen für ein offenes und tolerantes Deutschland, ein Deutschland, das sich nicht abschottet, sondern Einwanderung in kontrollierter und für alle nachvollziehbarer Weise erlaubt. Wir brauchen ein modernes Einwanderungsgesetz, um glasklar zwischen Arbeitsmigration und Zuwanderung aus anderen Motiven zu trennen.
Die gegenwärtig gültigen Regelungen im Bereich des legalen Zugangs von Ausländern zum deutschen Arbeitsmarkt gleichen eher einem Chaos, und sie bringen eben nicht den gewünschten Erfolg. Das sehen wir tagtäglich. Es gibt übrigens annähernd 50 Einwanderungsregelungen; da blicken oft auch die Profis nicht richtig durch. So kann es nicht bleiben.
Ein Einwanderungsgesetz im Sinne meiner Partei – ich muss meine Rede leider kürzen, aber das möchte ich abschließend in aller Deutlichkeit sagen – berührt den gesamten Asylbereich in keiner Weise. Die Aufnahme von Geflüchteten ist weiterhin eine humanitäre Verpflichtung und kann daher auch nicht durch ein Einwanderungsgesetz geregelt werden.
Ich fordere die schwarz-grüne Koalition abschließend auf, endlich ihre Blockadehaltung aufzugeben, damit das dringend benötigte Einwanderungsgesetz auf den Weg gebracht werden kann.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich kann es Ihnen nicht ersparen, aber ich muss jetzt doch eine andere Platte auflegen.
Dass es vonseiten der Regierungskoalition zu einer deutlichen Ausweitung des integrationspolitischen Landesprogramms WIR kommen musste, haben wir Sozialdemokraten schon geahnt. Mit Blick auf die Handlungsempfehlungen und Ergebnisse der Enquetekommission „Migration und Integration“, die bereits in der letzten Legislaturperiode eine sehr gute Arbeit geleistet hat, ist es in der Tat an der Zeit, insgesamt die Integrationspolitik unseres Bundeslandes bei allen bisher erzielten Fortschritten den reellen Gegebenheiten anzupassen.
Es ist sogar höchste Zeit, gerade wenn man die vergangenen eineinhalb Jahre Revue passieren lässt, die für uns wahrlich nicht einfach waren, auch in diesem Hause nicht. Wir haben in diesem Landtag parteiübergreifend, gerade vor dem Hintergrund dieser schwierigen Zeit, immer wieder und, wie ich finde, auch zu Recht hervorgehoben, dass
wir die integrationspolitischen Fehler der vergangenen Jahrzehnte nicht wiederholen wollen. Wie soll es das Land Hessen allein durch die schwarz-grün angelegte Projektitis verhindern, nicht schon wieder in dieses Fahrwasser zu geraten?
Wer in Sachen Migration und Integration mittel- und langfristig positive Veränderungen für die Gesamtgesellschaft erwirken will, muss zuallererst und ein für alle Mal weg von dieser unsäglichen Projektitispraxis. Integrationsarbeit muss auf Dauer angelegt werden. Es dürfen nicht immer wieder scheinbar neue Modellprojekte aus dem Hut gezaubert werden, die als „passende Instrumente mit innovativen Ansätzen“ – was auch immer damit gemeint ist – verkauft werden, die am Ende gar nicht nachhaltig sein können.
Natürlich begrüßt meine Fraktion die notwendige Aufstockung der Mittel für das Programm WIR. Ich will hinzufügen, dass es in Ihrem Entschließungsantrag im Grunde fast nichts gibt, was wir nicht mittragen könnten. Das haben wir aber auf unterschiedlichste Weise in den verschiedensten Gremien, Beiräten, Gipfeln und Kommissionen alles schon durchgekaut. Wir können in Ihrem Antrag beim besten Willen nichts Neues finden. Vor allem können wir keine Strategie erkennen, die den anstehenden Herausforderungen als Ganzes gerecht werden soll.
In Ihrem Antrag steht:
Die gelingende Gestaltung von Migration und Integration ist mitentscheidend für den Zusammenhalt und die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Perspektiven unserer Gesellschaft.
Mit anderen Worten: Sie drücken mit dieser Passage aus, dass es um nichts Geringeres geht als um die Zukunft unseres Landes und dass sie im Wesentlichen davon abhängig ist, wie wir, gerade vor dem Hintergrund der Entwicklung der vergangenen Monate, Migration und Integration gestalten und organisieren. – Meine Damen und Herren der Koalition, so verstehe ich Sie. Diese Sichtweise teilen meine Fraktion und ich uneingeschränkt.
Es stellt sich uns nur die Frage, ob wir zur Bewältigung dieser epochalen Aufgabe, wie sie auch so oft in diesem Hohen Haus beschrieben worden ist, adäquat gerüstet und aufgestellt sind. Dazu sagen wir Sozialdemokraten: Nein, das sind wir nicht, trotz aller erfreulichen Fortschritte, die ich keineswegs kleinreden will. – Herr Sozialminister, das sage ich ganz bewusst.
Meine Damen und Herren der Koalition, es ist gerade Ihr heutiger Antrag, der offenbart, dass unser Bundesland integrationspolitisch im Grunde genommen hinterherhängt. Dass es nahezu zu einer Verdreifachung der Mittel für das Programm WIR innerhalb einer relativ kurzen Zeit gekommen ist, bedeutet doch nichts anderes, als dass die bisher bereitgestellten Ressourcen und vor allem die Strategien nicht ausreichend bzw. nicht richtig waren und es immer noch nicht sind.
Meine Damen und Herren, sie hätten auch dann nicht ausgereicht, wenn wir nicht die hohe Zahl der Zuzüge der vergangenen eineinhalb Jahre nicht gehabt hätten. Der letzte
Landtag hätte ganz bestimmt keine Enquetekommission „Migration und Integration“, erst recht nicht mit den Stimmen aller Fraktionen in diesem Hause, beschlossen und eingesetzt, wenn es nicht schon lange vor den Neuzuzügen in unserem Bundesland große Integrationsdefizite gegeben hätte.
Wir haben uns nachvollziehbarerweise in den vergangenen eineinhalb Jahren auf die Flüchtlinge konzentriert. Dabei haben wir die sogenannten Bestandsausländer mehr oder weniger aus dem Blick verloren. Das will ich auch selbstkritisch anmerken.
Das müssen wir wieder aufgreifen. Allerdings brauchen wir eine andere, neue Strategie, die nachhaltig wirken muss. Meine Fraktion hat deshalb versucht, im DezemberPlenum eine Diskussion über einen Hessenplan nach Zinns Vorbild anzustoßen, um die eigentliche Dimension der anstehenden Herausforderungen in unserem Bundesland aufzuzeigen.
Leider sind wir mit unserem Ansinnen gescheitert. Dennoch kann ich Ihnen sagen, dass wir in Hessen früher oder später darauf zurückkommen werden müssen, auf welche Weise auch immer. Da ist es mit der Ausweitung des WIRProgramms ganz gewiss nicht getan.
Meine Damen und Herren der Koalition, ich kann es auch nicht glauben, wenn Sie in Ihrem Antrag über die Ausweitung des WIR-Programms von einem „zentralen Bestandteil hessischer Integrationspolitik“ sprechen, aber dabei die Migrationsdienste völlig außen vor lassen. Diese Dienste werden darin nicht ein einziges Mal erwähnt, nicht einmal wenn es um die notwendige und koordinierte Zusammenarbeit der integrationspolitischen Akteure vor Ort geht. Das ist letztendlich schlicht das Ziel des Landesprogramms. Dies ist für mich einfach unfassbar.
Ich muss Sie leider auch daran erinnern, dass im Zuge der „Operation düstere Zukunft“ von heute auf morgen in einer Nacht-und-Nebel-Aktion und ohne Not die Migrationsdienste hessenweit auf brutalstmögliche Weise beschnitten worden sind. Sie mussten massiv abgebaut werden, weil das Land Hessen nicht mehr bereit war, die bescheidenen Komplementärmittel zur Verfügung zu stellen. Somit haben Sie bewusst auf die bis dahin jahrzehntelang garantierte Hauptfinanzierung des Bundes verzichtet.
Meine Damen und Herren, wenn wir uns ernsthaft den integrationspolitischen Herausforderungen der kommenden Jahrzehnte stellen wollen und dabei sowohl den Zusammenhalt und das Wohl aller in unserem Land lebenden Menschen als auch unsere Ökonomie berücksichtigen wollen, so muss in allererster Linie alles dafür getan werden, im weitesten Sinne die Regelangebote weiterzuentwickeln, zu stärken und zu verstetigen. Da ist es mit gut gemeinten Projektchen hier und dort nicht getan.
Unser Land ist künftig weiterhin auf inner- und außereuropäische Zuwanderung angewiesen – sowohl aus demografischer Sicht als auch aus Gründen der Fachkräftesicherung. Ich glaube, dass das in diesem Haus unbestritten ist. Da braucht es feste Strukturen, die auf Dauer angelegt und natürlich auch finanziert werden müssen, um Integration erfolgreich zu gestalten.
Ein bisschen musste ich schmunzeln, als ich diesen Entschließungsantrag zum ersten Mal bekommen habe. Ich musste daran denken, dass das Land Hessen schon 2015 die Integrationskonferenz eingerichtet hat – eine, wie ich finde, gute Einrichtung, um endlich zu Potte zu kommen. Der Auftrag dieser Integrationskonferenz war und ist, einen Integrationsplan zu erstellen. Die Integrationskonferenz hat im vergangenen Jahr – ich denke, es war Mitte vergangenen Jahres – einen Entwurf abgegeben. Er sollte Ende des letzten Jahres in den Ressorts überarbeitet und dann gegebenenfalls hier eingebracht werden. Mein Eindruck ist – das werde ich einfach nicht los –, dass dieser Setzpunkt auch ein bisschen davon ablenken will, dass wir hier mit dem notwendigen Integrationsplan, aus welchen Gründen auch immer, nicht zu Potte kommen.
Ich habe selbst in einigen Arbeitsgruppen mitgearbeitet. Ich weiß, dass es Knackpunkte gibt, die für bestimmte Fraktionen schon schmerzlich sind – Stichwort: kommunales Wahlrecht oder die Forderung nach einem Landes-Antidiskriminierungsgesetz.
Vielen Dank, Frau Präsidentin, ich komme gleich zum Schluss.
Wir als Fraktion werden – das kann ich Ihnen garantieren – weiterhin auf die Zusammenarbeit mit Ihnen setzen, vertrauensvoll und auch konstruktiv und verantwortungsvoll, und sind deshalb auch ein bisschen irritiert, dass wir bei dem Aktionsprogramm II gar nicht gefragt worden sind, obwohl alle gelobt haben, dass wir das erste Programm gemeinsam auf den Weg gebracht haben. Ich glaube, das hätte nicht sein müssen. Wie gesagt, wir haben bis heute noch keine Antwort, warum das so kommen musste. – Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es ist mehr als notwendig – das hat der Kollege Utter sehr deutlich gemacht –, dass wir in Deutschland immer wieder an die Opfer und an die Verbrechen der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft erinnern. Gerade die aktuelle Zunahme rassistischer Gewalt gegenüber Flüchtlingen macht deutlich, wie elementar es ist, dass wir Tag für Tag daran arbeiten, unsere Grundwerte zu verteidigen.
Das neue Ausmaß rechtsradikaler Hetze und Gewalt muss für alle Demokraten ein Ansporn sein, entschiedener für unsere offene und solidarische Gesellschaft einzutreten. Es vergeht kaum ein Tag, an dem nicht über einen neuen Übergriff auf Geflüchtete berichtet wird. Morgen werden es Homosexuelle sein, übermorgen Menschen mit Handicap usw. Meine Damen und Herren, wehret den Anfängen.
Deshalb ist es unabdingbar, dass wir der Erinnerungskultur einen sehr hohen Stellenwert beimessen. Genau so steht es auch in dem heute vorgelegten Antrag von Schwarz-Grün, aus dem ich gern zitiere, weil das, was dort steht, sehr zutreffend ist:
Der Landtag bekräftigt seine politische und moralische Verantwortung gegenüber den Opfern des NSUnrechtsregimes. Ihrer zu gedenken und die Erinnerung an sie lebendig zu halten, ist und bleibt notwendiger Beitrag eines verantwortungsvollen Umgangs mit der deutschen Geschichte. Die Gräber von Opfern nationalsozialistischer Gewalt sind historische Stätten dieser Erinnerungskultur, die mahnend bis in unsere Gegenwart wirken und diese Aufgabe auch in der Zukunft haben sollen.
Weiter heißt es:
Dazu gehört auch der dauerhafte Erhalt der Gräber der Opfer nationalsozialistischer Gewalt.
Ja, all das ist richtig. Darum erschüttert es mich, dass unzählige Gräber von Verfolgten des NS-Regimes Tag für Tag entsorgt werden. Davon betroffen sind nicht nur die Gräber von Sinti und Roma, sondern auch die von Euthanasieverfolgten, Homosexuellen, Zeugen Jehovas und zum Teil auch die von Juden. Ebenso erschütternd ist die Tatsache, dass viele Gräber von Sinti und Roma nicht unter den Schutz des Gräbergesetzes fallen, weil dieser einen kausalen Zusammenhang zwischen Verfolgung und Tod bis zum Stichtag 31. März 1952 voraussetzt.
Während nach dem Zweiten Weltkrieg die Juden völlig zu Recht als Opfer des rassistischen Völkermords anerkannt wurden, mussten die aus der Tötungsmaschinerie der Nazis zurückgekehrten Sinti und Roma Folgendes erleben: Der Bundesgerichtshof urteilte 1956, dass staatliche Verfolgungsmaßnahmen vor 1943 gegenüber den als „Zigeuner“ gebrandmarkten Menschen gerechtfertigt gewesen seien. Ich zitiere aus dem Urteil:
Sie neigen, wie die Erfahrung zeigt, zur Kriminalität, besonders zu Diebstählen und Betrügereien, es fehlen ihnen vielfach die sittlichen Antriebe zur Achtung von fremdem Eigentum, weil ihnen wie primitiven Urmenschen ein ungehemmter Okkupationstrieb zu eigen ist.
Meine Damen und Herren, für diesen Urteilsspruch entschuldigte sich die Präsidentin des Bundesgerichtshofs erst im vergangenen Jahr.
Nur etwa die Hälfte der deutschen Sinti und Roma überlebte den rassistischen Völkermord, der erst 1982 von Helmut Schmidt als solcher anerkannt wurde. Er wurde, so der damalige Kanzler, aus dem gleichen Motiv des Rassenwahns, mit dem gleichen Vorsatz und mit dem gleichen Willen zur planmäßigen und endgültigen Vernichtung durchgeführt wie der an den Juden.
Nun zu dem Antrag der LINKEN. In dem Antrag steht:
So ergibt sich die paradoxe Situation, dass Gräber von Tätergruppen … dauerhaft gepflegt werden, während Gräber von Opfern des Naziregimes aber, die nach dem 31. März 1952 verstorben sind, geräumt werden.
Das empfinde ich als unerträglich, und es kann so nicht bleiben.
Es muss einen beschämen, dass noch immer keine bundeseinheitliche Regelung für den dauerhaften Erhalt der Grabstätten der Überlebenden getroffen wurde. Umso wichtiger ist es daher, in unserem Lande Hessen die betreffenden Gräber jetzt zu schützen und mit gutem Beispiel voranzugehen. Deshalb werden wir dem Antrag der LINKEN zustimmen und uns bei dem der Koalition enthalten; denn er geht zwar in die richtige Richtung, reicht uns aber nicht weit genug. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Ich frage die Landesregierung:
Welche konkreten Maßnahmen einer Einbürgerungskampagne erarbeitet sie derzeit?
Ab wann können wir damit rechnen, dass diese Kampagne umgesetzt wird?
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich gebe zu, dass mich der heute vorliegende Antrag zur Einrichtung einer Antidiskriminierungsstelle etwas überrascht hat, weil gerade vor zwei Wochen das Ganze schon einmal in einer breit angelegten Pressekonferenz Thema war. Die Stelle ist noch nicht eingerichtet, aber man kann im Vorfeld noch ein wenig Fett auftragen nach dem Motto: Der schwarzgrünen Koalition kann das nicht schaden. – Da hat sie auch recht, gerade vor dem Hintergrund der Diskriminierungsdebatte, die wir im letzten Plenum führen mussten.
Meine Damen und Herren, damit ich hier nicht missverstanden werde: Natürlich begrüßen wir alle Anstrengungen, die darauf ausgerichtet sind, Diskriminierung zu bekämpfen. Deshalb betrachten wir die geplante Einrichtung einer Antidiskriminierungsstelle, die ohnehin schon längst überfällig war, als einen Schritt in die richtige Richtung, dem aber zwingend andere folgen müssen.
Wir befürchten allerdings, dass diese Stelle in ihrer jetzigen Konzeption und insbesondere in ihrer jetzigen personellen Ausstattung ein Tropfen auf den heißen Stein zu bleiben droht. Dabei bleiben wir, Herr Klose.
Wichtig und richtig ist, dass die schwarz-grüne Koalition durch ihren heutigen Antrag unverblümt darlegt, dass es mit der Antidiskriminierung in unserem Bundesland insgesamt nicht gut bestellt ist. So lese ich darin z. B., dass es Diskriminierungsopfer in Hessen gibt, die sich hilflos und auch alleine gelassen fühlen.
Im vorliegenden Antrag steht auch, dass eine Anlaufstelle schnelle und unbürokratische Hilfe gewährleisten will. Die Betonung liegt auf „eine Stelle“. Da frage ich die Damen und Herren der Koalition, ob sie in Anbetracht der gesellschaftlichen Dimension von Diskriminierung allen Ernstes selbst daran glauben, dass eine einzige Stelle für unser
Bundesland in der Lage sein wird, flächendeckend Menschen, Organisationen und Institutionen zu beraten, zu begleiten, zu vernetzen usw.
Im aktuellen Bericht des Netzwerks gegen Diskriminierung, das Sie zitiert haben, Herr Klose, steht, dass landesweit ein großer Beratungsbedarf besteht und dass „zentral bleibt, ob Menschen vor Ort einen Zugang zu Beratungsund Hilfeleistungen haben“. Weiter heißt es, dass die Einrichtung einer zentralen Stelle die Beratung vor Ort nicht ersetzt.
Auch in der Absichtserklärung der Länder heißt es dazu ausdrücklich, dass jeder Weg genutzt werden soll, um Menschen vor Ort Hilfe zukommen zu lassen. Ich möchte ebenso an die Position der GRÜNEN erinnern, die, wie ich finde, zu Recht darauf bestanden haben, folgende Zusatzerklärung in den Bericht der Enquetekommission aufzunehmen. Ich zitiere:
Erfolgreiche Integration kann nur in einer diskriminierungsfreien Gesellschaft gelingen. Daher sind Antidiskriminierungsstellen in ausreichender Zahl in Hessen einzurichten, um schnell und unbürokratisch an Rat und Hilfe zu gelangen.
So die hessischen GRÜNEN vor nicht allzu langer Zeit. – Meine Damen und Herren, ausreichend kann mathematisch nur heißen, dass es auf alle Fälle mehr als nur eine Stelle sein muss.
Auch deshalb drängt sich uns der Verdacht auf, dass es sich bei dem vorliegenden Antrag in erster Linie um Symbolpolitik handelt,
als dass die schwarz-grüne Koalition das Übel an der Wurzel anpacken will.
Weitere Belege für die Symbolpolitik sind natürlich auch die immer wiederkehrenden diskriminierenden Äußerungen des führenden CDU-Funktionärs Herrn Irmer und die Tatsache, dass die schwarz-grüne Koalition bisher nicht in der Lage war, diese wiederholten verachtenden Äußerungen unmissverständlich zurückzuweisen und die nötigen Konsequenz daraus zu ziehen. Herr Abg. Irmer hat sich für sein diskriminierendes Verhalten gegenüber Homosexuellen im letzten Plenum nicht entschuldigt, sondern nur um das Problem herumgeredet.
CDU und GRÜNE haben das, wenn zum Teil auch mit tiefer Beschämung, durchgehen lassen und damit der Sache einen schweren Schaden zugefügt.
Ganz irritiert haben uns die Äußerungen des Ministerpräsidenten, der erst nach dem Plenum in den Medien zu Herrn Irmer Stellung genommen hat, obwohl er schon während
der Sitzung mehrmals aufgefordert wurde, sich dazu zu äußern.
Hören Sie jetzt zu.
Dass Ministerpräsident Bouffier gesagt haben soll, dass diese ganzen Debatten Herrn Irmer selbst und die Koalition am meisten stressen würden,
hat uns insbesondere mit Blick auf Diskriminierungsopfer eigentlich sprachlos gemacht.
Ich lasse Sie auch ausreden, wenn Sie hier vorne stehen. – Im vierten Absatz Ihres Antrages steht, dass Sie, meine Damen und Herren der Koalition, „in diesem sensiblen Bereich … die bestehenden Vorurteile und tradierten Denkmuster abbauen und überwinden“ wollen. Spätestens an dieser Textpassage hat mich die Homosexualitätsdebatte wieder eingeholt. Ich will und kann Ihnen nicht ersparen, Ihnen vor Augen zu halten, dass in Sachen Antidiskriminierung die Glaubwürdigkeit dieser schwarz-grünen Koalition seit dem letzten Plenum noch beschädigter ist, als sie es ohnehin schon war.
Ich komme zu Ihrem Antrag zurück, den ich auch deshalb mehrmals gelesen habe, um bewusst danach zu suchen, ihn im besten Fall so interpretieren zu können, dass eine neue Qualität der Auseinandersetzung mit dem so wichtigen Thema der Antidiskriminierung erkennbar würde. Dies ist mir nicht gelungen.
Ebenso ist an keiner Stelle erkennbar, dass Antidiskriminierung auf Landesebene auch bedeutet, die rechtlichen Lücken zu schließen. Es ist auch nicht erkennbar, auf welcher rechtlichen Grundlage diese Stelle überhaupt arbeiten soll.
So sind es neben der Symbolpolitik letztendlich auch die Ergebnisse und die damit einhergehenden Einsichten der Enquetekommission, die die schwarz-grüne Koalition drängen, hier tätig zu werden. Diese Einsichten hätte es in Hessen ohne die SPD-Fraktion nicht gegeben, meine Damen und Herren.
Wir bleiben weiterhin unbeirrt.
Das bedeutet, dass derjenige, der es mit der entschiedenen Bekämpfung von Diskriminierung wirklich ernst meint, nicht umhinkommt, ein entsprechendes Landesgesetz zumindest auf den Weg zu bringen. Alles andere bleibt Flickwerk.
Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz hat Wege eröffnet, Diskriminierung zu sanktionieren. Es greift allerdings nur in ganz wenigen Bereichen.
Lassen Sie mich hierzu abschließend den renommierten Juristen Alexander Klose zitieren:
Der Schutz vor Diskriminierung kann immer nur so stark sein wie die Instrumentarien seiner Durchsetzung. Deshalb ist es wichtig, dass die Last, sich gegen Diskriminierung zu wehren, nicht nur auf den Schultern der Diskriminierungsopfer ruht. Es ist genauso wichtig, dass niemand Konsequenzen und Schikanen fürchten muss, wenn er oder sie sich gegen Diskriminierung wehrt.
Ein zukunftsorientierter rechtlicher Rahmen würde nicht nur den Diskriminierungsopfern helfen, sondern auch all denen, die sich dieser wichtigen Antidiskriminierungsarbeit widmen. Uns ist bewusst, dass wirksame Antidiskriminierungspolitik viel mehr ist als das Schaffen und Weiterentwickeln rechtlicher Rahmenbedingungen.
Meine Damen und Herren, dennoch ist der rechtliche Rahmen von fundamentaler Bedeutung. Denn erst mit ihm haben die politischen Forderungen eine starke Grundlage.
Meine Fraktion ist gern bereit, mit Ihnen gemeinsam diesen Weg zu gehen. Darum werden wir uns zu dem vorliegenden Antrag auch enthalten. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, verehrte Gäste! Ich habe mir gedacht, dass wir Sozialdemokraten nicht die Einzigen in Hessen sind, die auch nach der heutigen 18. Plenarsitzung nicht wirklich wissen, wie diese schwarz-grüne Koalition die Integration in Hessen künftig gestalten und organisieren will.
Heute legt sie uns dazu einen Antrag vor, in dem nur alte Weisheiten stehen, um nicht zu sagen: alte Kamellen. Darin ist nichts, aber auch gar nichts formuliert, was wir nicht schon vorher gewusst hätten.
Schon der Titel dieses Antrags ist, zumindest für uns, bezeichnend: Das „Landesprogramm WIR ist ein weiterer wichtiger Impuls einer erfolgreichen Integrationspolitik.“ Ein weiterer wichtiger Impuls: Jetzt ist auch noch von Impulsen die Rede, nicht nur von Gipfeln, Gipfelchen und runden Tischen. Ich meine, wir sollten in Anbetracht der großen Herausforderung einer in der Tat zeitgemäßen Ausgestaltung unserer pluralen Gesellschaft eher von einem Impülschen sprechen.
Zu Recht spricht die schwarz-grüne Koalition in ihrer Vereinbarung selbst von „vielfältigen Herausforderungen für eine gelingende Integrationspolitik“, und zu Recht spricht sie auch davon, dass „die Integration der Menschen, die aus den unterschiedlichen Regionen und Kulturen der Welt zu uns kommen, … ein wichtiger Baustein für die Zukunftsfähigkeit unseres Landes“ ist. Die Koalition erkennt also durchaus an, dass es sich hier in der Tat um eine nicht zu unterschätzende Herausforderung handelt, die sich nur mit einem hohen Maß an Regierungsverantwortung stemmen lässt.
Nur: Wie will sie das Ganze in den kommenden Jahren steuern und organisieren? Dies bleibt für uns nach wie vor ein Geheimnis. Viele Menschen in Hessen haben darauf gesetzt, dass sich nach der schwarz-grünen Regierungsbildung bald die grüne Handschrift in der Integrationspolitik des Landes Hessen erkennen ließe. Pustekuchen.
Die lauten Töne der GRÜNEN in der letzten Wahlperiode bleiben aus. Ich meine z. B. die lauten Töne bezüglich der nach wie vor überaus berechtigten Forderung nach einer menschenwürdigeren Behandlung von Flüchtlingen und Asylbewerbern. Davon war in Ihren Ansprachen nicht die Rede. Das gehört auch zur Integration.
Sie verlieren in Ihrem Antrag fast kein Wort über diese Thematik. Lediglich im letzten Absatz – dort auch nur am Rande – wollen Sie die Hessische Landesregierung bitten, dass sie sich in Berlin für die Asylberechtigten und Flüchtlinge stark macht – in Berlin, wohlgemerkt, und nicht hier, wo Sie mitregieren.
Herr Boddenberg, Ihr vorliegender Antrag ist offensichtlich vom obersten Gebot einer bescheidenen Zurückhaltung oder einer zurückhaltenden Bescheidenheit geleitet: Alles darf bloß nicht viel kosten, am besten gar nichts. Die anderen – die Kommunen, das Ehrenamt, der Bund – sollen es bis auf wenige Kleinigkeiten richten; es sollen bloß keine Verbindlichkeiten festgeschrieben werden. Auf keinen Fall darf es den in Hessen viel gepriesenen Koalitionsfrieden in Gefahr bringen. – Wenn das die Messlatte ist, dann gute Nacht.
Herr Boddenberg und meine Damen und Herren von der Koalition, so lässt sich keine in die Zukunft gerichtete Integrationspolitik betreiben, die unser ganzes Land voranbringt, geschweige denn eine Integrationspolitik, die es sich tatsächlich zum Ziel macht, endlich von dem „Wir“ und „Ihr“ wegzukommen.
Die neun Absätze Ihres Antrags beginnen mit „Der Landtag begrüßt“, „Der Landtag stellt fest“, „Der Landtag wertschätzt“, „Der Landtag bekennt sich“, „Der Landtag befürwortet“, „Der Landtag spricht … aus“, „Der Landtag bittet“.
Natürlich ist es gut, dass der Landtag begrüßt, dass wir eine neue Willkommens- und Anerkennungskultur haben wollen. Das ist nach 60 Jahren Einwanderung deutlich an der Zeit. Natürlich ist es zu begrüßen, dass das Land Hessen endlich Mittel bereitstellt, um die Modellregionen weiterzuentwickeln, wenn auch die 3,08 Millionen € – Frau Kollegin Öztürk, nicht 3,8 Millionen € – auf unser Flächenland bezogen ein bisschen mehr sind als ein Tropfen Wasser auf den heißen Stein. Natürlich ist es richtig, dass das Land Hessen all denen dankt, die sich ehrenamtlich engagieren. Das ist wohl das Mindeste, was wir hier machen können.
Natürlich ist es gut, dass die Landesregierung eine moderne und zukunftsorientierte Integrationspolitik verwirklichen will – nach 60 Jahren Einwanderung in unsere Repu
blik. Nur, wie soll denn das Ganze umgesetzt werden? Ich denke, das ist hier die Frage.
Verehrte Kollegin Öztürk, was dies betrifft, sagten Sie in der letzten Wahlperiode – ich zitiere –: „Wir haben kein Erkenntnisdefizit, sondern nur ein Umsetzungsdefizit.“
Liebe Kollegin, Sie hatten nicht nur in der letzten Wahlperiode recht, sondern Sie haben leider auch in dieser Wahlperiode recht, mit dem Unterschied, dass Sie jetzt die Regierung bilden.
Was hätte denn z. B. dagegen gesprochen, gleich mit der Umsetzung der Handlungsempfehlungen der Enquetekommission zu beginnen, die in der letzten Wahlperiode weitestgehend einstimmig beschlossen hat, was in unserem Bundesland in der Tat notwendig ist? Es wäre ein Leichtes gewesen, all das, was schon schwarz auf weiß dasteht, umzusetzen. Es gab in Hessen bisher keine Landesregierung, die zu Beginn der Wahlperiode eine solch gute und wirklich durchdachte Arbeitsgrundlage vorliegen hatte. Es ist bedauerlich, dass Sie sich noch nicht darangemacht haben.
Gern würde ich auch auf die einzelnen Abschnitte des vorliegenden Antrags eingehen. Da aber die Zeit knapp ist, will ich mich auf ganz wenige Punkte beschränken, um Ihnen zu zeigen, dass eine nachhaltige Integration so jedenfalls nicht vernünftig zu organisieren ist.
In Ihrem Antrag steht:
Der Landtag wertschätzt die hohen Integrationsleistungen, die in den Kommunen seit Jahren stattfinden.
Davon war hier Gott sei Dank auch die Rede. Es wäre ein Unding, wenn der Landtag dies nicht täte; denn wenn nicht die Kommunen selbst mit ihren sehr bescheidenen Finanzmitteln das Ganze in die Hand genommen hätten – weil die Menschen eben nicht im Landtag, sondern in unseren Städten und Gemeinden leben –, stünden sie und damit auch das Land Hessen insgesamt heute noch schlechter da. Vor Ort entsteht nämlich der Druck, der – das ist deutlich geworden – nahezu physisch ist und durch den die Kommunen ohne Wenn und Aber zum Handeln aufgefordert werden, um den sozialen Frieden zu erhalten.
Es tut mir leid, aber die Zeit reicht mir nicht. – In diesem Zusammenhang erinnere ich an die „Operation düstere Zukunft“, die unter anderem eine eklatante Reduzierung der Migrationsdienste zur Folge hatte. Ja, die „Operation düstere Zukunft“ liegt schon einige Jahre zurück. Aber ihre negativen Auswirkungen auf unsere Kommunen sind heute genauso hautnah zu spüren wie zu Beginn dieser Operation, besser gesagt: dieser Streichorgie. Die meisten Kommunen, die versucht haben, die Löcher über die sogenann
ten freiwilligen Leistungen zu stopfen, sind trotz des vorbildlichen und unschätzbaren Wirkens der ehrenamtlich Tätigen jetzt mit ihrem Latein am Ende.
Wenn ich an unsere letzte Plenarwoche zurückdenke und mir die Regierungserklärung des Innenministers vergegenwärtige, frage ich mich, wie der Satz, in dem es um die Wertschätzung der Kommunen geht, eigentlich zu verstehen ist. In diesem Hohen Hause scheint der eine oder andere die Finanznot unserer Kommunen schönzureden bzw. schönzurechnen.
Wie soll denn eine Kommune handeln, insbesondere eine, die unter dem sogenannten Schutzschirm steht, die Kommunalaufsicht fest im Nacken sitzen hat und darum z. B. den Sport nicht mehr im notwendigen Maß fördern darf? Alle Fraktionen in diesem Haus betonen, welch unschätzbare Dienste der Sport für die Integration leistet. Dennoch sind wir in der letzten Plenarwoche darüber belehrt worden, dass der Sport zwar eine staatliche Aufgabe sei; dennoch falle er unter die sogenannten freiwilligen Leistungen. Das soll einer verstehen.
Ein weiterer Punkt, was die Wertschätzung der Kommunen betrifft, der auch heute hier zur Beschlussfassung ansteht: Alle in diesem Hohen Hause wissen, dass die Flüchtlingsund Asylbewerberzahlen in den vergangenen Jahren gestiegen sind, dass es künftig so bleiben wird und dass schon allein dadurch die Kommunen vor weiteren unlösbaren Integrationsproblemen stehen, wenn ihnen das Land nicht endlich die tatsächlichen Kosten erstattet. Meine Damen und Herren, wie soll unter diesen Bedingungen neben den vielen anderen kommunalen Aufgaben eine vernünftige Integrationspolitik vor Ort betrieben werden?
Frau Präsidentin, ich komme zum Schluss. – Alles in allem offenbart der vorliegende Antrag, dass das Land Hessen kein schlüssiges Gesamtkonzept hat. Es gilt: hier ein Modellprojekt, da eine schöne Deklaration, hier ein bisschen Geld, da ein runder Tisch und dort ein Impuls. So kann Integration nicht funktionieren.
Deshalb fordern wir Sozialdemokraten die schwarz-grüne Koalition auf, sich von ihrer integrationspolitischen Flickschusterei zu verabschieden und ein in sich schlüssiges Gesamtkonzept vorzulegen, das seinen Namen auch verdient. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Ich habe ein bisschen den Eindruck, dass es so ist wie bei dem weisen Spruch: Getroffene Hunde bellen.
Wir wollen uns hier natürlich in die Diskussion mit einbringen; und, verehrte Frau Kollegin Öztürk, es ist mir natürlich klar, dass Sie innerhalb von zehn Minuten kein komplettes Programm vorstellen können. Das ist überhaupt keine Frage. Frau Kollegin Öztürk, das Schlimme ist, dass Sie überhaupt kein Programm haben. Sie haben überhaupt nichts Neues. Sie haben substanziell einfach nichts Neues. Sie haben einfach das weiterlaufen lassen, was die letzte Landesregierung begonnen hatte.