Sehr verehrte Frau Präsidentin, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ehrlich gesagt, hatte ich schon mit mir gewettet, dass ein Wort wie „aufwärmen“ zu hören sein würde. Danke, Yanki Pürsün, ich habe gewonnen. Ja, die Deutschland-Rente ist kein taufrisches Projekt der schwarz-grünen Landesregierung, sondern sie hat schon 2016 das Licht der Welt erblickt, damals entwickelt von den Ministern Grüttner, Al-Wazir und Thomas Schäfer, an den wir in dieser Woche besonders gedacht haben.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Deutschland-Rente ist aber immer noch ein sehr wichtiger Beitrag in einer sehr aktuellen Debatte.
Auf die Frage, was das Ziel kluger Rentenpolitik ist, würden wir sagen: Alle Menschen sollen im Alter ein gutes und selbstbestimmtes Leben führen können. – In Deutschland haben wir dafür ein Dreisäulenmodell der Rente entwickelt: gesetzlich, betrieblich und privat.
Die Herausforderungen an die gesetzliche Rentenversicherung haben wir heute schon angesprochen: Immer weniger Jüngere kommen für die aktuelle Rentnergeneration auf, und die Entwicklung verschärft sich nach aktuellen Zahlen leider immer mehr. Die Beiträge der Erwerbstätigen dürfen aber nicht ins Unermessliche steigen. Zugleich haben alle, die ihr Leben lang eingezahlt haben, einen Anspruch darauf, im Alter einen stabilen Betrag ausgezahlt zu bekommen. Eine kluge Rentenpolitik hat also immer auch die Generationengerechtigkeit im Blick.
Die Debatte über Generationengerechtigkeit und ein angemessenes Rentenniveau ist ein Dauerbrenner. Gerade erst letzte Woche, vor der Debatte über den Etat des Sozialministeriums im Bundestag, hat der Bundesrechnungshof vor der prekären Lage der gesetzlichen Rentenversicherung sehr deutlich gewarnt.
In die Debatte spielen selbstverständlich viele spannende Fragen hinein, z. B. wie man die Erwerbstätigenquote von Frauen erhöht, wie ein sinnvolles Einwanderungsgesetz aussieht und wie Selbstständige und Abgeordnete in dieses System eingebunden werden. Über alle diese Fragen kann man diskutieren. Das würde aber den Rahmen der heutigen Debatte sprengen.
Klar ist aber: Die Debatte darüber, wie wir ein gutes und selbstbestimmtes Leben für alle im Alter erreichen, läuft auf Hochtouren. Deswegen baut eine kluge Rentenpolitik auf den genannten drei Säulen auf und muss auch ein attraktives Angebot für die private Säule im Blick haben. Der Anspruch „attraktiv“ bedeutet in diesem Zusammenhang aus unserer Sicht: Es muss ein verständliches, einfaches und vertrauenswürdiges Produkt geben. – Wir alle kennen die Riester-Rente. Die war leider das Gegenteil davon; sie war zu kompliziert, zu teuer, und oft gab es auch
Die private Altersvorsorge ist aber nichts, was man vernachlässigen sollte. Die Hürde ist momentan noch, dass man sich selbst darum kümmern muss. Wir können es drehen und wenden, wie wir wollen: Altersvorsorge ist einfach nicht sexy. Insbesondere Wörter wie „fondsgebundene Riester-Rentenversicherung“ sind nicht sexy, wir können es drehen und wenden, wie wir wollen.
In dem Alter, in dem es klug wäre, sich damit zu beschäftigen, haben viele junge Menschen etwas anderes im Kopf. Sie wollen reisen, sie wollen die Welt sehen, sie wollen in ihrem ersten Job zurechtkommen, sie wollen die Partnerin oder den Partner fürs Leben finden. All das nimmt sehr viel Zeit in Anspruch, und daher hat man keine Lust, Verträge zu lesen, Gespräche mit Beraterinnen und Beratern zu führen, die man, wenn es gut läuft, nur zur Hälfte versteht.
Genau hier setzt unsere Idee der Deutschland-Rente an. Es geht eben darum, dass man sich gar nicht selbst darum kümmern und sich nicht durch intransparente und komplizierte Verträge kämpfen muss. Es gibt vielmehr ein Standardprodukt, für das der Arbeitgeber einen gewissen Beitrag vom Lohn direkt einbehält und an einen staatlich verwalteten Fonds überweist, eine private Altersversorgung mit Opt-out statt Opt-in. Ich muss mich also aktiv dagegen wehren, wenn ich das nicht haben will. In dem Fonds wird das Geld angelegt, vermehrt sich idealerweise, und man profitiert davon, wenn man im Rentenalter ist. Das ist doch eigentlich eine sehr kluge Idee, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Menschen sind oft gemütlich, und deswegen steigt mit Opt-out die Quote derer, die für das Alter vorsorgen, sehr stark an. Das zeigen auch die Erfahrungen in anderen Ländern. Das wäre der richtige Weg. Damit sind Versorgungsquoten von um die 90 % möglich – im Vergleich zu den knapp 50 %, die wir in Deutschland aktuell haben. So würden mit der Deutschland-Rente eben auch viele Jüngere, die von der schwierigen Situation der gesetzlichen Rente perspektivisch am stärksten betroffen sind, für das Alter extra vorsorgen.
Es gibt aber weitere große Vorteile der Deutschland-Rente, wie Schwarz-Grün sie vorschlägt. Der Staat würde nämlich einen solchen Fonds auf Selbstkostenbasis verwalten; es gäbe keine Provisionen, und die Overheadkosten wären, im Gegensatz zu anderen, privaten Verträgen, auch eher gering. Das führt zu einer hohen Glaubwürdigkeit und gleichzeitig zu niedrigen Kosten für die Verbraucherinnen und Verbraucher. Ein staatlicher Fonds würde außerdem davon profitieren – das haben wir eben auch gehört –, dass das Geld sehr langfristig angelegt werden kann. Das erhöht die Rendite. Alle historischen Entwicklungen zeigen, dass das sehr wahrscheinlich wäre.
Ganz nebenbei – der Punkt ist neu – könnte der Staat so auch die Nachhaltigkeitsziele verfolgen. Das macht z. B. das Land Hessen mit seiner Versorgungsrücklage für die Pensionsverpflichtungen. Hessen berücksichtigt beim Kauf von Aktien hier auch Grundsätze der Nachhaltigkeit. Dazu
haben wir uns als erstes Bundesland verpflichtet. Wir sind auch diesen UN Principles for Responsible Investment beigetreten.
Jetzt nicht falsch verstehen: Das ist natürlich nicht das Gleiche wie ein möglicher Fonds für die Deutschland-Rente. Aber mir geht es darum, zu zeigen: Die langfristige Kapitalanlage kann auch ein Hebel für die Transformation hin zu einer nachhaltigen Wirtschaft sein, und sie sollte es auch sein.
Es wäre also möglich, die kapitalgedeckte Altersvorsorge billiger, einfacher, verständlicher und mit mehr Rendite zu organisieren, als es heute der Fall ist. Man müsste es nur machen.
Wie aktuell die Deutschland-Rente ist, sieht man auch daran, dass die Ampelparteien ein gar nicht so unterschiedliches Modell im Koalitionsvertrag vereinbart haben. Im Koalitionsvertrag steht – ich zitiere –:
Wir werden das bisherige System der privaten Altersvorsorge grundlegend reformieren. Wir werden dazu das Angebot eines öffentlich verantworteten Fonds mit einem effektiven und kostengünstigen Angebot mit Abwahlmöglichkeit prüfen.
Genau das ist die Idee der Deutschland-Rente. Es zeigt sich wieder einmal: Bei dem, was die Ampel vorhat, sind wir in Hessen schon lange mit dabei. – Vielen Dank.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Frau Dahlke, wenn Sie damit gerechnet haben, dass man Ihnen das Aufwärmen vorwirft, warum haben Sie sich dann nicht ein witziges Bonmot überlegt, statt darüber zu klagen? Sie bekommen es von mir auch noch einmal zu hören. Nach landläufiger Meinung schmeckt Aufgewärmtes gut, aber das Aufgewärmte, das Sie uns hier bringen, können wir wirklich nicht gebrauchen.
Sie referieren über den demografischen Wandel, den Sie offenbar monokausal dafür verantwortlich machen, dass die Rentenkasse leerer wird, Sie verweisen darauf, dass sich die Ampelkoalition vorgenommen hat, private Vorsorgemodelle zu prüfen, und Sie sehen die Deutschland-Rente als wichtiges Diskussionsmodell. Okay, das haben die Kollegen heute gemacht, und das mache ich jetzt auch: Wir diskutieren darüber.
Ich möchte davon ausgehen: Wer sind eigentlich die Menschen, die heute im Alter arm sind? Wer sind die Menschen, die Flaschen sammeln; die frieren, weil sie sich keine Heizung leisten können; die zur Tafel gehen; die sich an Bushaltestellen bücken, um zu schauen, ob irgendwo ein Geldstück heruntergefallen ist; die man im Kaffee, in der Kneipe, im Theater, im Kino oder gar bei einer Weinprobe nie sieht? Was sind das für Menschen? Sind
das die Menschen – Moment, ich habe mir das Zitat aufgeschrieben –, die früher gedacht haben, Altersvorsorge sei „nicht sexy“? Sind das die Menschen, die ein bisschen faul und zu bequem waren, sich darum zu kümmern, was im Alter aus ihnen wird? Oder was sind das für Menschen? Sind das nicht vor allem Frauen, die Kinder geboren und erzogen haben und die keine ausreichende Betreuung für diese Kinder hatten? Sind das nicht Menschen – häufig auch Frauen –, die Angehörige gepflegt haben?
Sind das nicht Menschen – auch Frauen –, die Geringverdiener waren, Minijobs hatten oder halbtags gearbeitet haben? Sind das nicht eher Menschen, die im Niedriglohnsektor tätig waren, sich dort ihre Knochen kaputt gemacht haben und gar nicht die ganze Zeit arbeiten konnten, die vorgesehen ist, bis man in den Ruhestand gehen kann? Oder sind das Menschen, die erwerbsunfähig wurden und lange krank waren? Sind das nicht eher die und nicht die, die gesagt haben: „Altersvorsorge ist mir nicht sexy genug“?
Es sind doch die, bei denen am Ende des Geldes immer noch viel Monat übrig war, und es sind die, die es sich einfach nicht leisten konnten, noch etwas zurückzulegen, weil sie es schon nicht geschafft haben, ihren persönlichen Alltag mit den Mitteln, die ihnen zur Verfügung standen, zu meistern. Denen zu unterstellen, sie seien zu faul geworden, um sich darum zu kümmern, finde ich, ehrlich gesagt, ein bisschen schwierig.
Aber stellen wir uns einmal vor, wir hätten diese Deutschland-Rente schon vor 30 oder 40 Jahren gehabt. Würde es den Leuten heute besser gehen?
Die Vermutung, die Sie da äußern, ist kühn. Das sage ich Ihnen ehrlich. Das Geld für Extras ist eben nicht da, und ich finde, die Menschen in Deutschland haben ein Recht darauf, sich auf eine gute gesetzliche Rente zu verlassen.
Sie sehen aber die Chancen überhaupt nicht, die darin liegen, eine gute gesetzliche Rente zu stützen, weil Sie immer mit dem demografischen Wandel kommen. Der Kollege von der LINKEN hat das deutlich gesagt. Er hat übrigens ziemlich viele Sachen gesagt, die ich gut finde – außer denen, die gegen die SPD gerichtet waren.
(Allgemeine Heiterkeit – Minister Michael Bodden- berg: Den Teil fand ich wieder gut! – Weitere Zuru- fe)
Aber er hat zumindest ein paar gute Sachen gesagt. Ich sage hier frei und offen: Riester ist ein Flop. Ich gehe so weit, zu sagen, dass Sie das jetzt in einem etwas anderen Modus wieder auflegen. Richtig, da haben Sie völlig recht.
Was kann man denn tun, um die gesetzliche Rente zu schützen? Erst einmal wäre es mir sehr wichtig, dass die Arbeitgeber nicht aus der Verantwortung entlassen werden.
Genau das machen Sie nämlich. Die Leute sollen sich selbst kümmern. Das, was früher selbstverständlich war –
der Arbeitgeber zahlt seinen Teil, der Arbeitnehmer zahlt seinen Teil –, soll dadurch wegfallen. Das ist schlecht.
Was kann man tun? Den demografischen Wandel können wir offenbar nur teilweise bekämpfen. Aber wir sollten dafür sorgen, dass die Leute ordentlich verdienen, dass sich der Mindestlohn weiterentwickelt, dass die Leute gute Arbeitsbedingungen haben, die es ihnen erlauben, auch noch in einem höheren Alter zu arbeiten und nicht mit 45 am Ende zu sein.
Wir sollten in unseren Kindertagesstätten gute Betreuungsbedingungen haben, damit Frauen berufstätig sein können, und wir sollten eine gute Pflege haben, damit die Menschen arbeiten gehen können und nicht 24 Stunden am Tag ihre Angehörigen versorgen müssen. Wir brauchen eine starke gesetzliche Rente.