Protokoll der Sitzung vom 30.03.2022

(Beifall CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Ministerin. – In der zweiten Runde gemeldet hat sich der Kollege Grumbach für die Fraktion der SPD.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ehrlich gesagt, finde ich die Debattenrunde fruchtbarer, als ich es erwartet habe. Deswegen mein herzlicher Dank dafür, Frau Ministerin.

Das Problem, mit dem wir uns herumschlagen, ist aber ein anderes. Es gibt den schönen Satz: An den Taten sollt ihr sie erkennen, nicht an den Absichten. – Den zweiten Teil habe ich jetzt dazu erfunden. Ich glaube, das ist ein Teil des Problems.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Ich will auch noch weiter gehen; denn ein Teil ist noch nicht einmal ein Landesproblem. Wenn wir über Düngung in der Landwirtschaft reden, dann reden wir darüber, dass das, was bundesweit als gute fachliche Praxis anerkannt ist, in der Regel bereits Überdüngung in den meisten Kulturen bedeutet. Das ist eine Debatte, die man in aller Ruhe führen muss. Ich glaube, hier haben wir ein paar gemeinsame Punkte.

Nächster Punkt. Ich bin vielleicht ein bisschen altersmilder als mein Kollege Schneider. An vielen Stellen sind wir nicht schnell genug. Die Frage des Ökolandbaus haben wir schon häufiger diskutiert. Meinen Standardsatz kennen Sie. Ökolandbau alleine wird nicht reichen. Wir werden auf der gesamten Fläche besser wirtschaften müssen. Das ist eine Anstrengung, bei der das Land Hessen mit seiner Fokussierung auf Inseln immer noch nicht stark genug ist. Da streiten wir uns weiter.

Der nächste Punkt. Der Kollege hat die Viehdichten angesprochen. Natürlich ist das im Durchschnitt so. Das ist doch überhaupt keine Frage. Deswegen reden wir über betriebsbezogene Werte, weil wir aus gutem Grund meinen,

dass wir dafür sorgen müssen, dass das insgesamt Betrieb für Betrieb so funktionieren muss, dass das ein ausgeglichenes Verhältnis ist. Das würde ich dem Kollegen auch nicht um die Ohren hauen. Wir reden manchmal aneinander vorbei, weil es polemisch halt besser ist. Wir brauchen eine Landwirtschaft, die in der Tat noch ein bisschen vernünftiger ist.

Nächster Punkt. Frau Ministerin, ich wäre etwas vorsichtiger bei dem Satz, die Bäche seien sauberer geworden. Das ist richtig und falsch. Die Bäche sind sauberer geworden hinsichtlich des Eintrags von Gülle und anderem. Sie sind sehr viel dreckiger geworden, was die Einträge künstlicher Substanzen angeht. Insofern ist auch das ein Punkt, bei dem wir in der Tat noch einmal fragen, ob die vierte Klärstufe ein gutes Instrument ist oder ob wir nicht darüber hinaus noch einmal in Schwerpunkten bei Einzelverursachern – große Krankenhäuser, Fabriken und Produktionsunternehmen – sehr präzise schauen müssen, damit die Sachen erst gar nicht entstehen.

Das ist mein Problem mit diesem Antrag. Der Antrag beschreibt viele Dinge auf abstrakter Ebene. Sie haben es – mit Verlaub – besser gemacht als der Antrag. Was ist aber mit dem konkreten Punkt, welche Vorausarbeiten geleistet werden müssen? Es ist ja nett, dass wir Projekte für Schwammstädte fördern. Wie schaffen wir aber auf die Schnelle eine Entsiegelung von Flächen?

(Vereinzelter Beifall SPD)

Das haben wir im Ausschuss schon einmal diskutiert. Wir haben vorgeschlagen, eigene Programme mit bedeutsameren Maßnahmen für die Entsiegelung aufzulegen. Wir wissen doch, wenn wir in bestimmten Bereichen mehr Wohnungen haben wollen, wird das Versiegelung bedeuten, weil wir nicht ausweichen können. Wenn das aber so ist, dann muss man gleichzeitig auch sagen, dass wir an anderen Stellen ganz eindeutig Geld einsetzen müssen, damit die Wasserwirtschaft anders funktioniert.

Genau das ist der Punkt, an dem wir sagen, dass die Absicht nicht reicht. Ihr wisst ja, dass ich niemandem von euch gute Absichten unterstellen würde.

(Vereinzelte Heiterkeit)

Schlechte Absichten. Alles gut. Das war nicht freudsch, aber doof.

(Heiterkeit)

Aber im Kern ist der Punkt: Ihr beschreibt einzelne Projekte. Einzelne Projekte sind zwar in Ordnung, aber sie sind immer nur der Start, und wir sagen, wir sind aus der Startphase heraus. Wir brauchen konkrete Programme, mit denen wir die Entsiegelung fördern, keine Einzelbeispiele oder Konzepte. Wir brauchen Programme, mit denen wir Schritt für Schritt sagen: Wenn ihr Flächen entsiegelt, unterstützen wir euch dabei.

Die Frage der Zuständigkeit können wir hin und her wälzen. Wir wissen doch, dass der Großteil der Kommunen – auch solche, die in einer besseren ökonomischen Situation sind – die Kosten, die da bei der Wasserreinigung, bei der Entsiegelung, bei einem anderen Umgang mit dem Boden auf sie zukommen, nicht tragen kann.

Lasst uns deshalb nicht über die Frage der Zuständigkeit reden, sondern darüber, dass wir gemeinsam die Verantwortung für eine bessere Wasserwirtschaft übernehmen.

(Beifall SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Grumbach. – Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Insoweit sind wir am Ende der Beratungen zu den Tagesordnungspunkten 60 und 92 angelangt.

Ich rufe jetzt die Tagesordnungspunkte 58 und 94 auf:

Antrag Christoph Degen (SPD), Lisa Gnadl (SPD), Ulrike Alex (SPD) , Kerstin Geis (SPD), Nadine Gersberg (SPD), Karin Hartmann (SPD), Nina Heidt-Sommer (SPD), Dr. Daniela Sommer (SPD), Turgut Yüksel (SPD), Fraktion der SPD Mit dem Rechtsanspruch Ganztag zu mehr Chancengleichheit: Was am Vormittag gilt, muss auch am Nachmittag gelten – Drucks. 20/8123 –

Dringlicher Entschließungsantrag Fraktion der CDU, Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Umsetzung des Rechtsanspruchs Ganztag erfordert gemeinsame Kraftanstrengung von Bund, Ländern und Kommunen – Drucks. 20/8195 –

Das ist der Setzpunkt der Fraktion der SPD. Daher darf ich als Erstem dem Kollegen Degen für die Fraktion der Sozialdemokraten das Wort erteilen.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Anderes Thema, gleicher Sachverhalt: Die Landesregierung hat abstrakte Absichten, Statusbeschreibungen, aber es fehlt an konkreten Taten – so, wie es Kollege Grumbach eben beschrieben hat.

(Beifall SPD und Freie Demokraten)

Der Rechtsanspruch auf ganztägige Bildung und Betreuung für Grundschülerinnen und Grundschüler ist richtig. Er ist ein Meilenstein: ein Beitrag für mehr Chancengleichheit und vor allem wesentlich für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf.

Der Rechtsanspruch wird ab dem Jahre 2026 gelten, aber er ist eben kein Selbstläufer. Bisher steht er nur auf dem Papier. Wie so oft bei Schwarz-Grün in Hessen steht da zwar etwas auf dem Papier – beispielswiese Inklusion, Berufsorientierung und vieles andere –, aber so richtig kommt man flächendeckend nicht voran. Deswegen fordern wir, meine Damen und Herren: Es muss Schluss sein mit dem Schönreden, mit dem dauernden Verweis auf einen Pakt, der es schon richten werde. Wir wollen, dass es endlich einen echten und konkreten Ausbauplan für die ganztägige Bildung und Betreuung in Hessen gibt.

(Beifall SPD und Freie Demokraten)

Vielleicht erinnern Sie sich: Wir haben schon vor einem halben Jahr eine Landtagsanhörung zu diesem Thema gefordert, um einmal mit allen Beteiligten darüber zu sprechen, wie das funktionieren kann, wer was einbringen kann. Die parlamentarische Mehrheit hat die Durchführung einer Anhörung abgelehnt. Das hat uns aber nicht gestört;

wir haben Ende Januar eine eigene Anhörung durchgeführt und haben daraus entsprechende Ergebnisse mitgenommen. Über diese will ich Sie gerne informieren.

Es sind am Ende drei Punkte, die zu Fragestellungen führen, bei denen ich mich sehr freuen würde, Herr Kultusminister, wenn Sie dazu heute etwas sagen könnten; denn es sind die Fragen, die die Träger, die Verbände, die Schulen interessieren.

Erstens. Wo soll dieser Rechtsanspruch eigentlich gelten? An jeder Grundschule, an jeder zweiten, jeder dritten Grundschule, vielleicht in jedem dritten Ort? Herr Kultusminister, ist Ihnen das egal? Soll das am Ende irgendein anderer richten?

Wir sagen: Der Rechtsanspruch muss überall gelten, in jedem Stadtteil, in jedem Dorf; denn auch hier gilt: Das, was am Vormittag gilt, muss auch am Nachmittag gelten – kurze Beine, kurze Wege.

(Beifall SPD und Freie Demokraten)

An der Stelle bringen uns landesweite Mittelwerte und die Aussage, es gebe soundso viele Angebote und Paktschulen in Hessen, nicht weiter. Es hilft uns nicht, wenn sich diese Angebote und Schulen vor allem in Städten konzentrieren; denn gerade im ländlichen Raum brauchen wir mehr Engagement für Ganztagsangebote, um eine Versorgung im Rahmen dieses Rechtsanspruchs flächendeckend auch in Hessen zu realisieren.

Zweitens. Wie wollen Sie das steuern? Meine Damen und Herren, bisher ist es so, dass eine sehr große Menge an Beteiligten, von den Schulkonferenzen bis zu den Schulträgern, zustimmen muss, bis eine Schule zu einer Ganztagsschule wird. Soll das so bleiben, oder was haben Sie vor, etwas zu ändern, damit hier Bewegung hineinkommt und wir diesen Rechtsspruch wirklich erfüllen können? Herr Kultusminister, auch da würde ich mich über Ihre Stellungnahme freuen.

(Beifall SPD und Freie Demokraten)

Drittens. Für wen soll dieser Rechtsanspruch gelten? Auf dem Papier steht: für alle. Aber ist das für alle so leicht möglich? Gerade Kinder mit Behinderungen, mit Beeinträchtigungen brauchen einen Zuschlag. Beim Pakt für den Nachmittag ist es nach wie vor so: der gleiche Ansatz für alle Kinder, egal, welche Bedarfe sie haben. Deswegen auch hier die Frage: Gibt es angemessene Vorkehrungen, auskömmliche Maßnahmen, um diesen Rechtsanspruch für alle Kinder in Hessen faktisch umzusetzen? Herr Minister, wir freuen uns auch an diesem Punkt über Ihre Stellungnahme und über hoffentlich mehr Zuschläge.

Kollege Degen, lassen Sie eine Zwischenfrage des Kollegen May zu?

(Christoph Degen (SPD): Gerne!)

Herr May, bitte.

Sehr geehrter Herr Kollege Degen, verstehe ich Sie richtig, dass das Bundesgesetz, in dem der Rechtsanspruch auf

Ganztagsbildung und -betreuung steht, Ihrer Meinung nach viele Fragen unbeantwortet lässt?

Nein, Herr May, da stimme ich Ihnen nicht zu, sondern verweise auf die Hessische Verfassung, in der steht, dass Schule und Unterricht eine Aufgabe des Landes sind.

(Beifall SPD und Freie Demokraten)

Herr May, ich bin dem Bund ausdrücklich dankbar dafür, dass er ein Stück weit Verantwortung und das Ziel übernimmt, für gleiche Lehr- und Lernbedingungen, für gleiche Rahmenbedingungen, auch für die Familien in Hessen, zu sorgen. Der Bund hat an einer Stelle Initiativen angestoßen, wo er eigentlich gar nicht zuständig ist, und gibt uns sogar Geld, Herr May, obwohl er nicht zuständig ist. Das finde ich toll. Da kann das Land Hessen endlich sagen: „Das greifen wir auf und setzen das bei uns vor Ort um“, statt, wie in Ihrem Antrag, wieder zu sagen: Der Bund gibt uns nicht genug Geld, der drückt uns das auf. – Hessen hat im Bundesrat dem Gesetz zugestimmt, Herr May.

(Beifall SPD und Freie Demokraten)

Damit komme ich zu einem weiteren Punkt, weshalb wir hier mehr Engagement brauchen, damit der Rechtsanspruch wirklich von allen wahrgenommen werden kann. Das Allheilmittel von Schwarz-Grün, der „Pakt für den Nachmittag“ – oder wie Sie ihn künftig auch immer nennen mögen –, kostet Geld, und ein Teil der Träger vor Ort, die ihn am Ende umsetzen müssen, muss die Elternbeiträge erhöhen, weil der Pakt nicht auskömmlich finanziert ist, weil das Geld nicht reicht, das man nach unten gibt. Ich erinnere daran, dass das Land eigentlich die Betreuungszeit bis 14:30 Uhr finanzieren wollte. Das haut aber nicht überall hin. Die Evaluation des Pakts für den Nachmittag zeigt, dass gerade die Elternentgelte für Familien, die eben nicht so viel Geld haben, ein massiver Hinderungsgrund sind, ihre Kinder für das Angebot anzumelden. Deswegen muss die ganztägige Bildung in Hessen am Ende kostenfrei sein.