Damit komme ich zu einem weiteren Punkt, weshalb wir hier mehr Engagement brauchen, damit der Rechtsanspruch wirklich von allen wahrgenommen werden kann. Das Allheilmittel von Schwarz-Grün, der „Pakt für den Nachmittag“ – oder wie Sie ihn künftig auch immer nennen mögen –, kostet Geld, und ein Teil der Träger vor Ort, die ihn am Ende umsetzen müssen, muss die Elternbeiträge erhöhen, weil der Pakt nicht auskömmlich finanziert ist, weil das Geld nicht reicht, das man nach unten gibt. Ich erinnere daran, dass das Land eigentlich die Betreuungszeit bis 14:30 Uhr finanzieren wollte. Das haut aber nicht überall hin. Die Evaluation des Pakts für den Nachmittag zeigt, dass gerade die Elternentgelte für Familien, die eben nicht so viel Geld haben, ein massiver Hinderungsgrund sind, ihre Kinder für das Angebot anzumelden. Deswegen muss die ganztägige Bildung in Hessen am Ende kostenfrei sein.
Wir brauchen einen Mix aus verschiedenen Modellen. Es darf nicht nur ein Pakt sein; wir brauchen auch Horte und vor allem echte Ganztagsschulen in Hessen. Wir müssen die gegenwärtige Welle, das Engagement, das wir mitbekommen, jetzt nutzen, um einen qualitativen Sprung zu machen, damit es am Ende nicht nur um eine Betreuung geht. Wir müssen diese Ausbauchance nutzen für eine andere Rhythmisierung, für mehr Chancen, für eine moderne Pädagogik. Deswegen fordern wir auch mehr als zwölf echte Ganztagsschulen in Hessen.
Ich will Ihnen eine weitere Erkenntnis aus unserer Anhörung vortragen, die wir gemeinsam mit dem Deutschen Jugendinstitut und der TU Dortmund durchgeführt haben. Die beiden genannten Institutionen haben eine Bedarfsermittlung angestellt und eine Studie vorgelegt. Bisher war beim Kultusminister die Rede davon, es würden etwa 50.000 Plätze fehlen. Die Studie sagt: Es sind mindestens 54.000 Plätze in ganz Hessen – bei acht Stunden und fünf Tagen die Woche –, die fehlen. Bei einem gleichbleibenden Bedarf fehlen mindestens 54.000 Plätze. Steigt aber der Bedarf, weil mehr Eltern diesen Rechtsanspruch wahrnehmen, weil es für sie eben viel leichter wird, dann kann
dieser Bedarf auf bis zu 71.000 Plätze steigen. Das ist im Grunde eine Verdoppelung dessen, was wir bisher – bei acht Stunden und fünf Tagen die Woche – haben. Das dürfen Sie nicht auf die leichte Schulter nehmen.
Aber es geht nicht nur um Plätze. Es ist wie so oft, wenn wir hier diskutieren: Wir brauchen auch Menschen, die das am Ende qualitativ ausfüllen, d. h. Fachpersonal. Auch dazu gibt es Studien. Wir müssen hier massiv ausbilden, mindestens 2.100 Vollzeitkräfte, möglicherweise bis zu 4.100 Vollzeitkräfte im Bereich der Lehrkräfte, aber auch der Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen. Wir müssen jetzt damit anfangen, diese Menschen auszubilden, damit wir im Jahre 2026 diesen Rechtsanspruch auch wirklich erfüllen können und es nicht daran scheitert, dass derjenige, der dann das Ganze trägt, kein Personal dafür findet.
Meine herzliche Bitte ist: Binden Sie die Beteiligten ein. Tun Sie nicht einfach so, es werde schon alles werden. Reden Sie mit den Trägern, mit den Verbänden, mit allen Beteiligten an den Schulen. Das Bundesland Hamburg hat einen Landesrahmenvertrag mit allen in der Kinder- und Jugendhilfe Aktiven geschlossen, mit der Arbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege und vielen anderen, hat sie an einen Tisch geholt und mit ihnen Ziele vereinbart. Hamburg ist da eben deutlich weiter als wir.
Deshalb bitte ich Sie: Übernehmen Sie Verantwortung, schauen Sie nicht nur von der Tribüne aus zu. Ich sagte es schon zum Kollegen May: Lassen Sie einfach das Nörgeln, wie Sie es in Ihrem Antrag wieder tun, kommen Sie endlich mit konkreten Punkten daher. – Dazu sagt der Antrag der CDU und der GRÜNEN aber kein Wort. Ich wiederhole es: Wo soll der Rechtsanspruch gelten, für wen soll er gelten, wie wollen Sie das landesweit steuern?
Das Ganze ist wichtig für die Chancengleichheit. Das habe ich hier schon einmal gesagt. In der Pandemie waren wir uns einig, dass der Lernerfolg nicht davon abhängen darf, ob Kinder zu Hause Eltern haben, die helfen können, und dass sie entsprechende Rahmenbedingungen, wie WLAN, schnelles Internet usw., zur Verfügung haben. Das ist wichtig für die Chancengleichheit, und auch da gilt: Was am Vormittag gilt – die Lernvoraussetzungen müssen für alle gleich sein –, das muss auch am Nachmittag gelten. Deswegen darf man den Rechtsanspruch auf Ganztagsbildung und -betreuung nicht nur wollen, sondern man muss ihn auch können.
Vielen Dank, Herr Degen. – Nächste Rednerin ist die Kollegin Claudia Ravensburg für die Fraktion der CDU.
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Bereits seit vielen Jahren ist der Ausbau der Ganztagsbetreuung an den Grundschulen für uns eines der wichtigsten familienpolitischen Anliegen. Wir wollen eine gute Vereinbarkeit von Familie und Beruf und ein hochwertiges Bildungs- und Betreuungsangebot am Nachmittag für
Zugleich setzen wir als CDU-Fraktion schon immer auch auf das Prinzip der Wahlfreiheit – auch für die Eltern bei Ganztagsangeboten. Herr Degen, deshalb sagen wir eindeutig Ja zu diesem Rechtsanspruch, zu dem Rechtsanspruch für jedes Kind an einer Grundschule, den die Große Koalition in langen Verhandlungen mit den Ländern im September noch in letzter Minute auf den Weg gebracht hat; denn das musste mit dem dringend erforderlichen Finanzierungspaket verbunden sein. Genau daran hing es doch.
Der Rechtsanspruch startet mit Schuljahresbeginn 2026/2027 im ersten Schuljahr und wächst bis zum vierten Schuljahr jährlich auf. Das ist gut für die Eltern, die sich eine Verbesserung und eine Verlässlichkeit der Betreuung in der Grundschulzeit dringend wünschen. Darin stimmen wir überein, darüber brauchen wir uns auch nicht zu streiten.
Herr Degen, genau darüber haben wir hier im SeptemberPlenum gesprochen. Sie haben es gerade erwähnt. Aber dass Sie den in Hessen bereits erfolgten Ganztagsausbau an den Grundschulen noch immer nicht anerkennen, Herr Degen, das enttäuscht mich. In der Debatte im September habe ich Ihnen ausführlich dargelegt, dass wir in Hessen beim Ganztagsausbau keineswegs erst anfangen und dass wir kontinuierlich weiter ausbauen. Trotzdem haben Sie das in Ihren Antrag wieder hineingeschrieben. Deshalb denke ich, das geeignete pädagogische Mittel an dieser Stelle ist die Kunst der Wiederholung, und die übe ich heute und hier natürlich gerne aus.
Hessen ist gut vorbereitet: Mit dem Pakt für den Nachmittag bzw. dem Pakt für den Ganztag bauen wir die Bildungs- und Betreuungsangebote an den Grundschulen seit 2015 kontinuierlich weiter aus. Hinzu kommen die Schulen in den Ganztagsprofilen 2 und 3. So haben viele weitere Grundschulen schon längst den Einstieg in die Nachmittagsbetreuung geschafft.
Herr Degen, jede Schule, die es möchte, kann sich für das Profil 3 entscheiden. Aber es sind eben nicht mehr. Meine Damen und Herren, ich stelle deshalb fest: Der Pakt für den Nachmittag erfüllt bereits die Anforderungen an Ganztagsgrundschule im Sinne des Rechtsanspruchs: eine verlässliche Betreuung von 7:30 bis 17 Uhr, acht Stunden am Tag an fünf Tagen in der Woche.
350 Stellen stellen wir in unserem Landeshaushalt für weitere Ganztagsangebote zur Verfügung. Selbstverständlich sorgen wir bei jeder weiteren Paktschule für die erforderliche Lehrerausstattung; denn auch im kommenden Schuljahr werden weitere Schulträger mit dem Pakt starten, z. B. der Schwalm-Eder-Kreis. Bundesweit geht man davon aus, dass der Bedarf zur Erfüllung des Rechtsanspruchs schon dann gedeckt werden kann, wenn für 80 % der Schülerinnen und Schüler ein Platz geschaffen wird.
Deshalb will ich an dieser Stelle noch einmal auf die Statistik verweisen: Wir haben in Hessen 220.000 Grundschüler. Davon sind bereits 103.255 in Ganztagsschulen, und 24.000 Kinder werden in Horten betreut. Damit sind es ab diesem Schuljahr noch 48.643 Schüler, für die wir ein Ganztagsangebot schaffen müssen. Das umzusetzen ist
unser klares Ziel, und das werden wir erreichen; denn auch diesen Schülern werden wir gemeinsam mit den Kommunen, den Grundschulen und den freien Trägern ein Ganztagsangebot machen.
Zwar hat der Bund nicht das Land, sondern die 33 Jugendhilfeträger verpflichtet, den Rechtsanspruch umzusetzen; denn der Anspruch ist im SGB VIII § 24 Abs. 4 verankert. Doch wir sehen uns auf der Landesebene als Partner der Kommunen und bekennen uns zur gemeinsamen Verpflichtung, die Ganztagsangebote weiter auszubauen.
Das gilt auch für die Bereitstellung von Investitionsmitteln. Davon haben Sie nichts erzählt, Herr Degen. Es sind umfangreiche bauliche Maßnahmen an unseren Grundschulen in Hessen notwendig, um die Voraussetzungen zu schaffen, an jeder Schule ein qualitativ hochwertiges Ganztagsangebot zu machen.
Hessen beteiligt sich mit 30 % am Fördertopf für den Ganztagsausbau. So haben die Schulträger im letzten Jahr für die staatlichen, aber auch für die Ersatzschulen bereits 80 Millionen € erhalten und davon schon 63 Millionen € verbraucht. Das ist – das will ich hier klar und deutlich sagen – keine leichte Aufgabe in Zeiten, in denen kaum noch Handwerker zu finden sind, Ausschreibungen wiederholt werden müssen, weil man keinen Bewerber hat, und es bei Baumaterial große Lieferschwierigkeiten gibt. Das wird auch nicht besser. Deshalb sage ich an dieser Stelle den Schulträgern, die diesen Kraftakt leisten müssen, ausdrücklich Danke.
Weitere 292 Millionen €, davon 87,6 Millionen € vom Land Hessen, stehen für den Ausbau der Schulen bereit, um den Ganztag in jeder Dorfschule – wir haben dort schon sehr häufig Schulverbünde, durch die der Pakt für den Ganztag umgesetzt wird – und in jeder Stadtschule umzusetzen.
Aber die Ganztagsschulbetreuung braucht auch ausreichend Personal. Auch darin sind wir uns einig. Dafür stellt das Land Lehrerstellen zur Verfügung, die, zum Teil auch in kapitalisierter Form, flexibel für anderes Personal zur Verfügung stehen. Eine Herausforderung für die Kommunen wird – das will ich auch hinzufügen – die Schaffung eines Angebots für die Ferienbetreuung werden.
Wir haben die Ferienbetreuung bereits erfolgreich in den Pakt für den Ganztag integriert, aber der Bund erwartet nur vier Wochen Schließungszeit, und das bedeutet weitere acht Wochen, in denen wir Schülerinnen und Schülern ein hochwertiges Betreuungsangebot machen müssen. Das soll Bewegung, Spiel, Spaß und Ferienfreude mit dem Entdeckersinn der Kinder kombinieren. Deshalb ist eines klar: Der Rechtsanspruch ist eine Herausforderung für Land und Kommunen, für die Schulen und für die freien Träger, auch was die Aufgabe betrifft, das zusätzliche Personal zu akquirieren. Darüber sind wir uns einig; das habe ich schon gesagt.
Trotzdem schaue ich positiv nach vorne; denn die stufenweise Aufstockung und die noch verbliebene Vorbereitungszeit erlauben es den Personalverantwortlichen, die Einstellungen auf mehrere Jahre zu verteilen, schrittweise
Personal einzuarbeiten und auf den Fundus, den wir bereits jetzt an den Schulen haben, zurückzugreifen. Da ist es auch gut, dass wir ein Qualifizierungskonzept mit der Zertifizierung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben, die sich im Ganztag weiterqualifizieren können.
Zusätzlich – das haben wir im Bereich Soziales und Kitas sehr häufig als Thema – begleitet das Land die Ausbildung von sozialpädagogischen Fachkräften durch die Fachkräfteoffensive und die Imagekampagne. Doch für mich steht auch fest: Die Ganztagsschule lebt gerade vom Engagement der Schulen, die regionalen Vereine und Organisationen einzubinden, z. B. aus Sport, Musik, Kultur, Naturschutz und Landwirtschaft oder auch die Feuerwehren. Je nach Umfeld soll es keine standardisierte Ganztagsschule geben, sondern einen festen Rahmen, innerhalb dessen die Schule das flexibel gestalten kann. Es gilt also, Menschen mit den unterschiedlichsten Kompetenzen und Professionen in den Ganztag zu integrieren. Deshalb sollte nicht nur von einer schwierigen Konkurrenz um die knappen Erzieher ausgegangen werden. Ich bin überzeugt, dass das in den Grundschulen zu regeln sein wird.
Doch dieses Personal braucht auch Geld. Das muss finanziert werden. In langen Verhandlungen – Herr Degen hat darauf hingewiesen – haben die Länder erreicht, dass sich der Bund mit 100 Millionen € dauerhaft an den laufenden Betriebskosten beteiligt. Das ist gut, aber leider ohne Dynamik. Leider hat sich der Bund in den Verhandlungen nicht bereit erklärt, sich auch an den zukünftigen Mehrkosten zu beteiligen. Die werden aber kommen, z. B. durch die Tarifkostensteigerungen. Das ist schade. Aber vielleicht kann man im Bund nachsteuern.
Unser ausdrückliches Ziel ist es, die Bildungs- und Betreuungsangebote eng zu verzahnen, um überall im Land eine gute Qualität sicherzustellen. Die pädagogische Grundlage für die Ganztagsangebote bildet das pädagogische Konzept der Schulen, aber auch der Bildungs- und Erziehungsplanung. Deshalb sage ich: Hessen ist auch in dieser Hinsicht bestens auf den Rechtsanspruch vorbereitet. Darauf können sich die hessischen Eltern verlassen. – Vielen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident, verehrte Damen und Herren! „Steter Tropfen höhlt den Stein“ – dieser betagten Volksweisheit scheint sich auch die Fraktion der SPD verpflichtet zu fühlen; denn der uns heute vorliegende ist weitgehend deckungsgleich mit dem von ihr bereits am 21. September letzten Jahres eingebrachten Antrag mit dem Titel „Zügige Umsetzung des Rechtsanspruchs auf ganztägige Bildung und Betreuung für Grundschulkinder in Hessen“.
Nun wird es Sie nicht verwundern, dass unsere diesbezügliche Position und die damit einhergehenden Kritikpunkte im Wesentlichen unverändert bleiben. Werte Genossen, man sieht, die paternalistische Forderung staatlich organisierter Rundumbetreuung für unsere Schüler ist ganz offensichtlich zu einem Prestigeobjekt der SPD geworden.
Mit den im Antrag niedergelegten Erfordernissen zur Rahmung der Umsetzung des bundesgesetzlich normierten Anspruchs auf ganztägige Förderung von Grundschülern soll das Projekt in Hessen jetzt wohl in seine finale Phase eintreten. Schauen wir uns jedoch die Realität an vielen unserer Ganztagsschulen an, sehen wir, dass das vielerorts ein Etikettenschwindel erster Ordnung ist.
Mit nachhaltiger Ganztagsbetreuung hat dies oft nur entfernt zu tun. Dies ist jedoch nicht den Schulen anzulasten, sondern dem Totalversagen dieser Landesregierung.
Das verschlingt bereits jetzt Millionen Euro unseres Volksvermögens bei einem sehr überschaubaren Bildungserfolg. Die Zahlen sprechen für sich.
In Punkt 5 Ihres Antrags weisen Sie darauf hin, dass zur Erfüllung des Rechtsanspruchs mehrere Tausend Vollzeitlehrerstellen zusätzlich an den Schulen geschaffen werden müssen. Da fragt man sich allen Ernstes: In welcher Welt leben Sie eigentlich, meine Damen und Herren?