Protokoll der Sitzung vom 31.03.2022

Der Kollege Rudolph hat da auch ein Stück weit eingestimmt. Übrigens, sowohl in Richtung Herrn Schmitt als auch in Richtung SPD-Fraktion – bei Ihnen steht es im Antrag unter dem Punkt 3 –: Eine Rücklagenbildung im Haushalt, die dort gefordert wird, haben Sie bis vor Kurzem massivst bekämpft,

(Günter Rudolph (SPD): Sie haben gegen die Verfassung verstoßen!)

die Auflösung immer wieder gefordert und z. B. dem Urteil des Staatsgerichtshofs zugejubelt.

(Günter Rudolph (SPD): Das ärgert Sie, das weiß ich!)

So etwas kann man nur eine gerade politische Schlangenlinie nennen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und CDU)

Wir werden das tun, was sinnvoll ist, nämlich das Urteil und die darin enthaltenen Parameter und Argumente abwarten, bewerten und dann Gespräche führen und Vorschläge für eine sachliche Lösung machen. Wir werden genau das tun, was kein Getrommel ist, sondern nachdenkliche Problemlösung.

Übrigens: Ein Automatismus der Anhebung über alle Besoldungsgruppen wäre aus unserer Sicht nicht angezeigt.

(Günter Rudolph (SPD): Das hat auch keiner gefordert!)

Die auskömmliche Alimentierung hat für den Obersekretär eine deutlich höhere Bedeutung als für den Staatssekretär. Das sollte für den Dienstherrn und auch für uns alle eine Leitschnur sein.

Also, die Aktuelle Stunde und der Antrag dienen nach unserer Wahrnehmung mehr dem Klamauk, bringen uns jedenfalls einer sachgerechten Lösung nicht näher und sind deshalb eher schädlich.

(Lachen Günter Rudolph (SPD))

Sie instrumentalisieren die Sorgen der Beamtinnen und Beamten für parteipolitischen Nutzen. Aber, lieber Kollege Rudolph, ich sage Ihnen: Das geht schief. Die Problematik ist keineswegs hessenspezifisch, wie Sie wissen, sondern liegt auch in rot geführten Staatskanzleien auf dem Tisch. Warten wir einmal ab, wer eine bessere Lösung findet. Ich bin sehr zuversichtlich, dass Hessen das schaffen wird. – Vielen Dank.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und CDU – Günter Rudolph (SPD): Verfassungsbruch!)

Vielen Dank, Kollege Kaufmann. – Das Wort hat der Kollege Klaus Herrmann.

(Günter Rudolph (SPD): Innerhalb von zwei Monaten zwei entscheidende Urteile, das ist grüne Verfassungspolitik! – Gegenruf Torsten Felstehausen (DIE LINKE): Wer kann, der kann! – Günter Rudolph (SPD): Das ist das Problem, das Sie geschaffen haben, jetzt sollen wir es lösen! – Glockenzeichen)

Herr Präsident, meine Damen und Herren Abgeordnete! Es ist noch nicht lange her, dass wir über die Besoldung der Beamten gesprochen haben. Ich erinnere an den von CDU und GRÜNEN am 9. November 2021 kurzfristig eingebrachten Gesetzentwurf zur Anpassung der Besoldung und Versorgung in Hessen in den Jahren 2022 und 2023 und zur Gewährung einer Corona-Sonderzahlung, behandelt in erster Lesung am 11.11.2021 und in zweiter Lesung am 08.12.2021. Aber bereits am 30.11.2021 kam der Hessische Verwaltungsgerichtshof, kurz VGH, in seiner Entscheidung zu dem Ergebnis, dass die Besoldung der hessischen Beamten nicht den verfassungsrechtlichen Anforderungen entspricht, also schlichtweg verfassungswidrig ist.

(Beifall AfD)

CDU und GRÜNE haben mit diesem Urteil bescheinigt bekommen, dass sie Hessens Beamte und Professoren in den Jahren 2013 bis 2020 nicht angemessen besoldet haben. Begründet wurde dies mit dem mangelnden Abstand der unteren Besoldungsgruppen zur Grundsicherung für Arbeitssuchende, der mindestens 15 % betragen soll. Dementsprechend sieht das Gericht einen Verstoß gegen den Grundsatz der amtsangemessenen Alimentation. In Folge hat der VGH die Frage der Verfassungsmäßigkeit zur Entscheidung dem Bundesverfassungsgericht vorgelegt. Das ist eine reine Formsache; denn die Karlsruher Richter urteilen über die Verfassungsmäßigkeit von Gesetzen.

Statt umgehend einen verfassungskonformen Gesetzentwurf in Angriff zu nehmen, veröffentlichte das Innenministerium damals eine enttäuschende Stellungnahme, wohl wissend, dass mit einer abschließenden Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts erst in zwei bis drei Jahren zu rechnen sein dürfte. Ich zitiere:

Wie die künftige Beamtenbesoldung konkret durch den hessischen Landesgesetzgeber ausgestaltet werden muss, kann aber erst nach einer abschließenden Entscheidung durch das Bundesverfassungsgericht abgesehen werden.

Ist das selbstgefällige Überheblichkeit oder absolut verwerfliche Ignoranz gegenüber einem VGH-Urteil?

(Beifall AfD)

Meine Damen und Herren, schon bei den Lesungen zu dem Gesetzesentwurf der schwarz-grünen Regierung haben wir mehr als deutlich gemacht, dass die Einkommensanpassungen der Beamten seit Jahren hinter der allgemeinen durchschnittlichen Einkommensentwicklung hinterherhinken. Grundlage für diese Entwicklung ist die jahrelange Benachteiligung, die aus dem Ausscheiden aus der Tarifgemeinschaft der Länder resultierte.

Dazu muss man wissen, dass Hessen als einziges von 16 Bundesländern die Leistungen seiner Bediensteten 2015 mit einer Nullrunde und 2016 mit einer Einkommenssteigerung von 1 % „belohnt“ hatte.

Alle anderen Bundesländer haben 2015 mindestens um 1,9 % und 2016 mindestens um 2 % die Besoldung erhöht. Legt man den Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder zugrunde, dem Hessen seit dem Jahr 2004 nicht mehr angehört, so entstand für Hessen ein Besoldungsrückstand von 3,5 %, und das, wohlgemerkt, nur für zwei Jahre. Hinzu kam dann noch die Beihilfekürzung im Jahr 2015. Praktisch wurde den Beamten im Jahr 2015 mit der Beihilfekürzung sogar eine Gehaltskürzung zugemutet.

Der Deutsche Beamtenbund sprach in diesem Zusammenhang von einer „realen Minusrunde“ und rechnete vor, dass diese Maßnahme der Jahre 2015 und 2016 den hessischen Haushalt bis Ende 2021 um rund 2 Milliarden € entlasten wird. Anders ausgedrückt: Den Beamten wurde ein Einkommen in dieser Höhe vorenthalten.

Diese jahrelange Ignoranz der Landesregierung in Sachen Besoldung hat jetzt dazu geführt, dass sich die Nachzahlungen nach Berechnungen des Deutschen Beamtenbundes mittlerweile auf die enorme Summe von 3 Milliarden € belaufen müssten, und das in jedem Jahr. Das entspräche fast einem Zehntel des hessischen Landeshaushalts.

Laut Pressebericht der „Frankfurter Rundschau“ vom 27. März stehen Landesregierung und Gewerkschaften allerdings mittlerweile in Kontakt, und es soll auch über Nachzahlungen gesprochen worden sein. 1 Milliarde € wurden demnach fürs Erste in Aussicht gestellt. Laut dem Landesvorsitzenden des dbb Heini Schmitt sei dies „ein guter Anfang und … ein Zeichen guten Willens seitens der Politik“.

Wie der Deutsche Beamtenbund erwarten auch wir, dass bereits in diesem Jahr ein deutlicher Schritt in Richtung verfassungskonforme Besoldung getan wird.

(Beifall AfD)

Wir als AfD fordern jedenfalls, die Beamtenbesoldung umgehend zu überarbeiten und nicht bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu warten. Insofern unterstützen wir die Forderungen, die verfassungswidrige Besoldungspolitik in Hessen zu beenden und den rechtmäßigen Anspruch von Beamten und Beamtinnen zügig umzusetzen. – Danke.

(Beifall AfD)

Als Nächsten bitte ich nun Herrn Bauer von der CDU ans Rednerpult.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich stelle gleich zu Beginn das Wesentliche für die CDUFraktion fest: Selbstverständlich werden wir das Urteil zur Verfassungsgemäßheit umsetzen und die hessische Besoldungsstruktur entsprechend ausgestalten. Was denn auch sonst? Wenn ein höchstrichterliches Urteil vorliegt, ist es die Aufgabe, die Gesetze entsprechend anzupassen.

Auf drei Punkte möchte ich jedoch eingehen: Erstens. Sie, die SPD, schreiben in Ihrer Antragsbegründung, der Hes

sische Verwaltungsgerichtshof habe die Besoldungspraxis für verfassungswidrig erklärt und – das ist entscheidend – zur letztinstanzlichen Feststellung der tatsächlichen Verfassungswidrigkeit an das Bundesverfassungsgericht weitergeleitet. – Ein Urteil und dessen konkrete Begründung zum jetzigen Zeitpunkt bereits vorauszusagen, das bleibt Ihre eigene Oppositionsgabe, meine Damen und Herren.

Zweitens. Sie sprechen in Ihrem Antrag sehr wortgewaltig von „Verzögerungstaktik der Landesregierung“, unterstellen „Hinhaltetaktik“. Sie sind sich sogar nicht zu fein, den Umstand zu geißeln, dass der Landeshaushalt 2022 keine Rücklagen bilde. Dies sei eine „ausgesprochene Respektlosigkeit gegenüber dem Gericht“ – so darf ich aus Ihrem Antrag zitieren.

All dies stimmt nicht; denn Fakt ist: Das Gericht hat letztinstanzlich noch gar nicht entschieden. Eine Urteilsbegründung mit Hinweisen auf die konkreten Aspekte der Unteralimentierung liegt demnach noch gar nicht vor. Ich frage Sie, welche Rücklage wir denn hätten einstellen sollen. 100 Millionen €, 500 Millionen €, 1.000 Millionen €? Ich sage Ihnen: Aus Respekt vor dem noch ausstehenden Urteil und der fehlenden Begründung ist zum jetzigen Zeitpunkt eine seriöse und belastbare Aussage über die Gesamthöhe gar nicht möglich.

(Lachen SPD)

Drittens. Das Besoldungsrecht ist bekanntlich komplex. Deshalb kann es keine einfachen Lösungen geben. Ungeachtet dessen hat sich die Hessische Landesregierung bereits nach dem ergangenen Urteil dahin gehend geäußert, dass eine Lösung in Arbeit ist. Ministerpräsident Volker Bouffier hat im Landtag Anfang Dezember erklärt, dass sich Innenminister Peter Beuth nach der schriftlichen Urteilsbegründung an die Umsetzung des Urteils machen werde. Im Februar gab es eine Zusammenkunft beim dbb. Auch hier wurde deutlich, dass der Minister an der Umsetzung der Konsequenzen des VGH-Urteils arbeitet.

Meine Damen und Herren, dabei handelt es sich jedoch um keine Kleinigkeit. Schon die „Rundschau“ schreibt in ihrem Artikel – der ist schon erwähnt worden – vom 27. März mit der Überschrift „Gigantische Forderung ans Land Hessen“, dass nach Darstellung des dbb die Landesregierung von einem Betrag von bis zu 1 Milliarde € ausgeht. Das hat deren Vorsitzender als „guten Anfang und … ein Zeichen guten Willens“ kommentiert – das wurde schon zitiert.

Meine Damen und Herren, das ist wahrlich keine Kleinigkeit; denn all das zu regeln bedarf einer gewissenhaften Vorbereitung,

(Günter Rudolph (SPD): Das haben Sie sich selbst eingebrockt!)

einer Lösung mit Weitblick und einer seriösen haushaltstechnischen Umsetzung. Das anerkennt auch der dbb Hessen selbst in einer durchaus problembewussten und realitätsnahen Auffassung; denn er schreibt, „dass die enorme finanzielle Anpassung nur in Stufen zu leisten sei“. Einig sind wir mit dem Verband auch darin, dass die Anhebung vor allem den unteren Besoldungsgruppen zugutekommen soll, weil die Rechtsprechung verstärkt auf den Abstand zwischen staatlicher Grundsicherung und Besoldung abgestellt hat.

Meine Damen und Herren, ich darf deshalb abschließend feststellen:

Erstens. Wir werden eine verfassungskonforme Alimentation für alle Beamtinnen und Beamten in Hessen gewährleisten.

Zweitens. Die Landesregierung ist schon an der Erarbeitung einer verfassungsgemäßen Besoldungsstruktur.

Drittens. Die enorme finanzielle Anpassung muss ohne Zweifel schrittweise umgesetzt und in den anstehenden Haushaltsplanungen des Landes abgebildet werden. – Besten Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Als Nächsten bitte ich nun Herrn Müller von der FDP ans Rednerpult.