Protokoll der Sitzung vom 22.09.2022

Axel.

Manchmal tut so ein Kaffee auch ganz gut.

(Heiterkeit)

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Vor fünf Jahren haben sich SPD und FDP im Hessischen Landtag auf den Weg gemacht und einen eigenen Gesetzentwurf zur Einrichtung eines Landeselternbeirats für Eltern von Kita-Kindern eingebracht. Das war vor fünf Jahren. 2019 haben wir den zweiten Versuch gestartet und erneut gemeinsam einen Gesetzentwurf in den Landtag eingebracht. Jetzt, fünf Jahre später, kommt zwar ein Gesetzentwurf von CDU und GRÜNEN in den Landtag, aber er bleibt hinter unseren Erwartungen zurück.

(Beifall SPD und Freie Demokraten)

Wir haben uns vor fünf Jahren gemeinsam mit der FDP auf den Weg gemacht, weil uns für Eltern von Kita-Kindern eine demokratisch legitimierte Vertretung auf Landesebene so wichtig ist. Wichtig sind uns die demokratische Teilhabe und der Stellenwert, den man der frühkindlichen Bildung mit einer Landeselternvertretung beimisst. Eltern sind wichtige Bildungs- und Erziehungspartnerinnen und -partner. Dies ist auch ein Zeichen dafür, dass wir sie ernst nehmen und dass wir sie vor allen Dingen hören und mitbestimmen lassen wollen, was auf Landesebene entschieden wird.

(Beifall SPD und Freie Demokraten)

Zweimal wurden unsere Gesetzentwürfe von Ihnen abgelehnt. Die Kritik war damals, der Gesetzentwurf sei zu früh. Frau Ravensburg hat gesagt, Sorgfalt geht vor Schnelligkeit – ein häufig wiederholter Satz im Hessischen Landtag.

(Zurufe CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Frau Anders hat damals davon gesprochen: Es braucht erst einmal demokratisch legitimierte Elternvertretungen auf kommunaler Ebene und Jugendamtsbezirksebene. – Ich will noch einmal kurz aus dem Protokoll zitieren. Im Februar 2019 sagte sie:

Wir wollen erst das Fundament und den Mittelbau etablieren und dann das Dach daraufsetzen. Wir wollen arbeitsfähige Gremien und keine Scheinversammlungen.

Sehr verehrte Damen und Herren, das war die Position der grünen Landtagsfraktion im Jahr 2019. Uns ist wichtig, dass Eltern von Kita-Kindern auf Landesebene endlich eine starke Stimme bekommen. Gerade das langwierige Verfahren dieses Gesetzentwurfs zeigt doch einmal mehr, wie notwendig eine solche starke Stimme von Kita-Eltern auf Landesebene ist.

(Beifall SPD und Freie Demokraten)

Das haben nicht zuletzt die zwei Jahre der Corona-Pandemie gezeigt, als die Kita-Kinder, die Familien, die Eltern überhaupt nicht an politischen Entscheidungen beteiligt und nicht angehört wurden. Dadurch gab es die „Familien in der Krise“, die auf die Straße gezogen sind, sowie andere Elternvertretungen vor Ort, die darauf aufmerksam machen mussten, dass es sie gibt und dass sie gehört werden wollen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, das zeigt einmal mehr: Es braucht ein solches Gremium auf Landesebene.

(Beifall SPD und Freie Demokraten)

Andere Bundesländer haben es uns bereits vorgemacht, dass es Landeselternvertretungen geben kann. Hessen ist wirklich mit eines der Schlusslichter, weil es noch keine Landeselternvertretung eingeführt hat. Im schulischen Bereich ist es überall selbstverständlich; im Kita-Bereich musste man hierfür auf Landesebene jahrelang kämpfen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, das hat auch etwas mit Respekt gegenüber Elternarbeit zu tun, gegenüber den engagierten Eltern, die mit uns seit fünf Jahren Seite an Seite für ein solches Landeselternbeiratsgremium gekämpft haben.

Das Eckpunktepapier, das von der LAG Kita-Eltern Hessen ausgearbeitet wurde, ist ein sehr umfangreiches Papier – ich habe es vor dieser Gesetzeslesung noch einmal sehr sorgfältig durchgelesen. Es ist ein fünf Seiten langes Eckpunktepapier, in dem im Detail beschrieben wird, wie ein demokratisch legitimiertes Verfahren einer solchen Wahl aussehen und wie man es in Hessen etablieren könnte. Daher verwundert es schon, dass Sie die LAG Kita-Eltern Hessen, die aus engagierten ehrenamtlichen Eltern und aus einem Vorstand besteht, der sich jahrelang aktiv engagiert hat, angesichts eines solchen Eckpunktepapiers nicht einmal an Ihrem Gesetzentwurf beteiligten. Das wäre doch das Mindeste gewesen. Wenn man erst nach fünf Jahren mit einem solchen Gesetzentwurf um die Ecke kommt, wäre es doch das Mindeste gewesen, diese engagierten Eltern an Ihrem Gesetzentwurf zu beteiligen, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall SPD und Freie Demokraten)

Deswegen verwundert es nicht, dass sich in dem vorliegenden Gesetzentwurf am Ende von dem Eckpunktepapier so wenig wiederfindet. Ja, meine sehr verehrten Damen und Herren, das zeigt die Schwäche Ihres Gesetzesentwurfs: Sie wollen die kommunale Struktur von Stadt- und Kreiselternbeiräten nicht wirklich etablieren; denn dort belassen Sie es bei einer Kannregelung. Ihr ursprüngliches Ziel, die Strukturen von unten aufzubauen, scheint nicht mehr existent zu sein. Schlimmer noch: Dort, wo es jetzt bereits Bewegung auf Kreisebene gibt – wir haben die Einführung eines Kreiselternbeirats aktuell in Groß-Gerau erlebt –, wo vor Ort Strukturen geschaffen werden, sind diese in Ihrem Wahlverfahren überhaupt nicht mehr vorhanden; sie existieren dort gar nicht. Wenn man von unten Strukturen aufbauen will, diese aber nicht an einem Wahlverfahren beteiligt, dann verstehe ich nicht, wie das zukünftig mit den kommunalen Strukturen aussehen soll. Ich finde, das Beispiel von Groß-Gerau zeigt einmal mehr, dass es dort einen Landrat gibt, der keine Angst vor einer verfassten Elternschaft hat.

(Beifall SPD und Freie Demokraten)

Frau Gnadl, kommen Sie bitte zum Schluss.

Ich komme zum Schluss. – Meine sehr verehrten Damen und Herren, es wird Zeit, dass es einen Landeselternbeirat auf Landesebene gibt. Ihr Gesetzentwurf ist ein erster Schritt hierzu. Es ist ein Zwischenstand, aber keinesfalls ein Endprodukt. Insofern kann man nur hoffen, dass wir

nach der nächsten Landtagswahl tatsächlich andere Mehrheiten im Landtag haben werden und damit einen neuen Gesetzentwurf. Aber wichtig ist,

Frau Gnadl, bitte.

dass wir in Hessen jetzt in einem ersten Schritt eine Landeselternvertretung bekommen. – Vielen Dank.

(Anhaltender Beifall SPD und Freie Demokraten)

Danke sehr, Frau Gnadl. – Für die Landesregierung spricht nun Herr Staatsminister Klose.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich will einige der letzten Sätze von Frau Gnadl aufgreifen. Ich hoffe, dass wirklich niemand in diesem Land an irgendeiner Stelle Angst vor zusätzlicher Beteiligung hat,

(Lachen Freie Demokraten)

weil Beteiligung – wir haben heute früh in einem anderen Kontext hierüber gesprochen – demokratische Prozesse immer stärkt. Deshalb will ich zunächst einmal feststellen: Das Erfreuliche an dieser Diskussion ist doch: Alle wollen sie, alle wollen die Kita-Elternvertretung. Das ist extrem erfreulich; und wir streiten heute „nur“ über die Ausgestaltung. Das werden wir während der Anhörung – wir hören zu zwei Gesetzentwürfen an – sicher fortsetzen. Wir streiten ein bisschen über die Vergangenheit und die Genese. Das ist auch in Ordnung, aber ich möchte den Blick nach vorne richten.

(Beifall CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, die Koalitionsfraktionen haben auch nach Ansicht der Landesregierung mit diesem Gesetzentwurf eine ausgesprochen gelungene Lösung vorgelegt, um Eltern mehr Einfluss auf die Bildung, Erziehung und Betreuung ihrer Kinder in Kindertageseinrichtungen zu ermöglichen.

Mit diesem Gesetz wird eine demokratisch legitimierte Struktur zur Wahl einer Landeselternvertretung geschaffen, und gleichzeitig wird die kommunale Zuständigkeit für die Kinderbetreuung gewahrt. Genau in diesem Spannungsfeld haben wir uns ein Stück weit bewegt.

Es ist bei einem solchen Gesetzentwurf ganz grundlegend und es ist auch geschehen, dass im Vorfeld mit den beteiligten Akteurinnen und Akteuren beraten wird. Das haben die Fraktionen von CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auch ausführlich getan; wir haben es gehört. Selbstverständlich gehören zu den wichtigsten Akteurinnen und Akteuren die vom Land finanzierte Servicestelle KitaEltern Hessen, getragen von der LAG, und der Landesjugendhilfeausschuss. Frau Gnadl, dem gehören auch Sie an.

Bei den Beratungen ist ganz deutlich geworden, dass es ein schlankes Verfahren braucht, damit die Landeselternvertretung möglichst zügig ermöglicht wird.

(Christiane Böhm (DIE LINKE): Das ist unverschämt!)

Genau das gelingt mit diesem Entwurf auch, weil er die direkte Wahl einer demokratisch legitimierten Elternvertretung auf Landesebene ermöglicht, die einen Querschnitt aller hessischen Eltern abbildet, derer aus dem ländlichen Raum genauso wie derer der Innenstadt-Kitas und aller dazwischen, und zwar, ohne auf die Bildung entsprechender Gremien auf kommunaler Ebene angewiesen zu sein.

(Beifall CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Lassen Sie eine Zwischenfrage von Frau Böhm zu?

Nein, ich trage jetzt im Zusammenhang vor. – Der Kern dieses Gesetzentwurfs ist die Landeselternversammlung. Für jeden Jugendamtsbezirk in Hessen können je eine Delegierte oder ein Delegierter sowie eine Stellvertretung der Eltern, deren Kinder in Kitas betreut werden, gewählt werden. Gleiches gilt für die Eltern der Kinder, die bei Kindertagespflegepersonen betreut werden. Ihre Wahl erfolgt in den Kitas und bei den Kindertagespflegepersonen direkt.

So entsteht dann auch eine Struktur, eine gute und wachsende Struktur, die die Eltern vernetzt, die gegenseitige Beratung untereinander ermöglicht und die sie darüber hinaus bei allen wichtigen Entscheidungen der Kinderbetreuung anhört und dafür sorgt, dass sie in den entsprechenden Gremien mitberaten.

Durch diese demokratische Wahl der Landeselternversammlung – das ist wirklich eine große Stärke dieses Entwurfs – ist gewährleistet, dass die Stellungnahmen und Beiträge breit getragen werden. Das ist wichtig. Auch die Interessen der Eltern von Kita-Kindern, von Tagespflegekindern vom Land und aus der Stadt, in Vollzeit- oder Teilzeitbetreuung unterscheiden sich durchaus. Sie sollen alle repräsentiert sein. Dieser Gesetzentwurf wird diesem Anspruch im Gegensatz zu den Gesetzentwürfen der Vergangenheit auch wirklich gerecht, meine Damen und Herren.

(Beifall CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Gleichzeitig sorgt die Landeselternversammlung für den Informationsfluss in die einzelnen Jugendamtsbezirke und damit zu den Eltern zurück. Neben der Landeselternversammlung haben wir die Landeselternvertretung. Sie wird aus einem oder einer Vorsitzenden sowie bis zu zwei Stellvertreterinnen oder Stellvertretern und neun weiteren Vertreterinnen und Vertretern bestehen, von denen zwei aus dem Bereich der Kindertagespflege stammen müssen. Durch dieses Quorum wird gewährleistet, dass auch die Repräsentanz der Kindertagespflege vorhanden ist.

Die Landeselternvertretung wird von uns über alle wesentlichen Angelegenheiten, die die Erziehung, Bildung und Betreuung von Kindern in der Kindertagesbetreuung betreffen, informiert und gehört. Dazu gehören insbesondere geplante Änderungen des Rechts der Kindertagesbetreuung auf Landesebene, die Ausgestaltung von Förderprogrammen des Landes und landesweite Maßnahmen zur Qualitätsentwicklung.

Ich will an der Stelle auch einfließen lassen: Wir haben in ganz Deutschland zu Beginn der Corona-Pandemie eine zu geringe Berücksichtigung der Interessen von Kindern und Jugendlichen gehabt. Das müssen wir alle einräumen. Das traf aber genauso auf Länder zu, die solche Vertretungen hatten, wie auch auf Länder, die sie nicht hatten. Das wissen Sie.

Herr Klose, lassen Sie eine Zwischenfrage von Herrn Rock zu?

Nein, ich lasse heute keine Zwischenfrage zu. – Ich will ausdrücklich sagen, dass wir auch während der Pandemie – ich habe es selbst getan, die Staatssekretärin hat es getan, auch der Kultusminister und der Ministerpräsident – immer wieder Gespräche mit Elternvertretungen geführt haben, um deren Anliegen zu hören und möglichst einfließen zu lassen. Es ist mir wichtig, das heute richtigzustellen, weil eben auch anderes behauptet worden ist.

(Beifall CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, zu dem weiteren Aspekt, der in dem Gesetzentwurf enthalten ist: Die Landesregierung unterstützt, dass der Gesetzentwurf Trägern von Tageseinrichtungen für Kinder rückwirkend zum 31. Juli 2022 zwei weitere Jahre einräumt, die mit der Änderung des Hessischen Kinder- und Jugendhilfegesetzbuchs erhöhten personellen Mindeststandards auch umzusetzen. Das ist ausdrücklich ein Biss in einen sauren Apfel. Das sage ich dazu.