Protokoll der Sitzung vom 22.09.2022

Der Bundesrat hat am letzten Freitag über alle Parteigrenzen hinweg eine Stellungnahme abgegeben. Die Länder haben eine Stellungnahme abgegeben, die besagt: Vom Grundsatz her ist es richtig, dass die Pflanzenschutzmittelanwendung reduziert wird, dass der integrierte Pflanzenschutz in den Vordergrund gestellt wird.

(Gerhard Schenk (AfD): Mir geht es um das Verbot!)

Das ist wichtig, damit wir die Biodiversität und die Bodenfruchtbarkeit erhalten, auch in den landwirtschaftlichen Gebieten. Die Kritik lautet aber, dass die Gebietskulisse für empfindliche Gebiete überarbeitet werden muss.

(Gerhard Schenk (AfD): Sie haben sie doch nach Brüssel gemeldet! – Gegenruf Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Hören Sie doch zu, vielleicht verstehen Sie es dann!)

Auch da waren wir uns einig, weil es in anderen europäischen Staaten diese Art von Landschaftsschutzgebieten nicht gibt. Es ist aber sinnvoll – und das muss auch angerechnet werden –, dass Deutschland jetzt schon auf einem anderen Level ist als andere europäische Staaten.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und verein- zelt CDU)

Die Quintessenz lautet: Wenn man eine gemeinsame europäische Agrarpolitik macht, dann ist es sinnvoll, dass man einen Rahmen hat, der für alle gilt, weil dann auch die deutsche Landwirtschaft einen besseren Start und eine bessere Position im europäischen Wettbewerb hat. Das ist der Kern der Leitlinie, anhand derer wir weiterhin diskutieren, auch mit den landwirtschaftlichen Verbänden in Hessen.

Mit diesen haben wir übrigens einen runden Tisch eingerichtet, an dem für Hessen eine Reduktionsstrategie von minus 30 % bis zum Jahre 2030 vereinbart worden ist. Die Landwirtinnen und Landwirte in Hessen sind also weiter, als es die AfD jemals sein wird.

(Heiterkeit und Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und vereinzelt CDU)

Dann noch zu Ihrer eigentlichen Aktuellen Stunde, nämlich zur Düngemittelverordnung: Ja, es gibt eine neue Verordnung auf Bundesebene, die Bund und Länder auch gemeinsam beschlossen haben, weil es ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs gibt, das uns dazu zwingt.

(Gerhard Schenk (AfD): Aber Sie haben doch die Höchstwerte gemeldet!)

Wir sind verpflichtet, rote Gebiete auszuweisen, und zwar so, dass alle belasteten Messstellen in diesen Gebieten liegen. Ja, es wäre besser gewesen, wir hätten bereits 2019, als die erste Ausweisung kam, EU-konform gehandelt. Aber es war zu diesem Zeitpunkt leider noch nicht gemeinsam möglich. Insofern sind jetzt die Landwirtinnen und Landwirte Leidtragende dieses Verfahrens.

Allerdings muss man dazusagen, dass die Fläche, die jetzt in Hessen ausgewiesen wird, immer noch um 35.000 ha kleiner sein wird, als sie es bei der Ausweisung im Jahr 2019 war.

Liebe Frau Knell, die Karte und der hessische Verordnungsentwurf sind bereits an die landwirtschaftlichen Verbände gegangen. Wir sind eines der ersten Länder, das die eigene Düngemittelverordnung auf den Weg bringt. Andere Länder sind leider noch nicht so weit wie wir. Wir gehen davon aus, dass wir das zeitgerecht hinbekommen werden. Wir haben seit vielen Jahren eine Beratungsstelle für die landwirtschaftlichen Betriebe. Zurzeit haben wir dafür 4,4 Millionen € im Haushalt, damit die Beratung zur Gewässerschonung auch in den roten Gebieten stattfinden kann.

Frau Staatsministerin Hinz, lassen Sie eine Frage von Herrn Schenk zu?

Nein. – Das bedeutet nicht, dass die betroffenen Flächen aus der Produktion fallen oder dort keine Erträge mehr erzielt werden – im Gegenteil. Das Ziel der Bewirtschaftung dieser Flächen lautet, Nährstoffe, vor allem Phosphor und Stickstoff, effizient in Ertrag und Qualität pflanzlicher Produkte umzusetzen. Mit vielfältigen Ackerkulturen und mit veränderter Bewirtschaftung ist es möglich, auch in roten Gebieten gute Qualität und hohe Erträge zu erzielen. Das sehen wir seit der ersten Ausweisung vor drei Jahren, und das wird auch in den nächsten Jahren so sein, meine Damen und Herren.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Frau Staatsministerin Hinz, ich darf Sie auf die Redezeit hinweisen.

Noch ein letzter Punkt. Wir werden das Messstellennetz ausweiten. Dafür sind im ersten Zug 8,6 Millionen € vorgesehen, damit wir schnellstmöglich zu einer Binnendifferenzierung kommen, die dann auch rechtlich allen Maßgaben standhält. Wir werden die Landwirtschaft in Hessen weiter unterstützen: durch Marktstrukturförderung, durch unseren Ökoaktionsplan, durch unser Projekt „100 nachhaltige Bauernhöfe“ und in all dem, was notwendig ist, damit die bäuerlichen Familienbetriebe weiter eine gute Existenz haben. – Danke schön.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Staatsministerin Hinz. – Das waren 1:25 Minuten über die Zeit. Der Abg. Gagel hat sich noch einmal gemeldet.

(Torsten Felstehausen (DIE LINKE): Der Wetterexperte spricht! – Zuruf BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Es wird nicht besser!)

Frau Präsidentin, verehrte Kollegen Abgeordnete! Ich lese Ihnen einmal etwas vor:

Der derzeitige Entwurf der EU-Richtlinie sieht unter anderem vor, den Einsatz von Pflanzenschutzmittelmitteln um 50 % zu reduzieren. Dies bedeutet einen Rückgang der Erträge auf den Äckern, bei den dort produzierten Nahrungsmitteln um 40 bis 60 %. Gerade im Hinblick auf die derzeitige Krise auch in der Nahrungsmittelproduktion ist das nicht zu verantworten.

(Zuruf SPD: Sagt wer?)

Von wem stammt das Zitat? Das stammt aus der Begründung zu einem Dringlichen Antrag der CDU-Kreistagsfraktion Rheingau-Taunus.

(Andreas Lichert (AfD): Hört, hört!)

Wenn Sie den Antrag in Gänze lesen, werden Sie feststellen, dass wir hier im Landtag wie auf der Titanic noch feiern, während im Maschinenraum schon das Wasser eingedrungen ist.

(Martina Feldmayer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Wir feiern nicht im Landtag, wir arbeiten!)

Das zeigt einmal mehr, wie weit Sie von der tatsächlichen fachlichen Praxis und von der Basis entfernt sind – insbesondere die Kollegen der CDU, die hier im Landtag offenbar völlig die Bodenhaftung verloren haben. – Vielen Dank.

(Beifall AfD)

Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Damit ist die Aktuelle Stunde der Fraktion der AfD, Drucks. 20/9186, abgehalten.

Sollen wir den Antrag der AfD unter Tagesordnungspunkt 112 an den Ausschuss überweisen oder direkt abstimmen?

(Gerhard Schenk (AfD): Abstimmen!)

Abstimmen. – Dann stimmen wir über den Antrag, Drucks. 20/9217, ab. Wer für den Antrag ist, den bitte ich um ein Handzeichen. – Das ist die Fraktion der AfD. Wer ist dagegen? – Das sind die Fraktionen der CDU, der SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, DIE LINKE, die Fraktion der Freien Demokraten und der fraktionslose Abg. Rolf Kahnt. Damit ist der Antrag abgelehnt.

Wir kommen jetzt zum Tagesordnungspunkt 82:

Antrag Aktuelle Stunde Fraktion der SPD Keine grenzenlose Videoüberwachung in Hessen durch Innenminister Beuth – Drucks. 20/9187 –

Als Erster hat der Abg. Rudolph das Wort.

Frau Präsidentin, werte Kolleginnen und Kollegen, meine sehr verehrten Damen und Herren! Welche Befugnisse sollen Sicherheitsbehörden bekommen? Das ist eine Diskussion, die im Verlauf der letzten Jahre immer wieder geführt wurde. Auf die Sicherheitsbehörden kommen neue Herausforderungen zu, und die Frage ist: Wie bekommen wir die Balance zwischen Freiheit und Sicherheit geregelt? Heute reden wir über das Hessisches Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung, HSOG, das bisher eine Videoüberwachung im öffentlichen Raum nur dann erlaubt, wenn wenigstens Ansatzpunkte für ein polizeilich relevantes Verhalten vorliegen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, zur Videoüberwachung ist die SPD seit vielen Jahren klar positioniert: Da, wo es tatsächliche Anhaltspunkte für eine Gefahrenlage gibt, halten wir es für wichtig und notwendig – wenn dann auch Polizeikräfte in der Nähe verfügbar sind, die einschreiten können. Beides gehört zusammen, und deswegen ist Videoüberwachung ein Instrument im Rahmen der Gefahrenabwehr.

(Beifall SPD)

Das, was der Innenminister mit dem vorgelegten Gesetzentwurf allerdings macht – mit freundlicher Unterstützung der CDU, das ist eher unstrittig, und dem üblichen Abnicken durch die GRÜNEN im Bereich von sicherheitspolitischen Entscheidungen –: Nach der Entwurfsfassung, hierzu fand im Landtag eine entsprechende Anhörung statt, sollen die öffentlich zugänglichen Bereiche von allen Flughäfen, Personenbahnhöfen, Sportstätten, Einkaufszentren und Packstationen im Land stets überwachungsfähig sein.

(Heike Hofmann (Weiterstadt) (SPD): Hört, hört!)

Im Einzelnen wäre dann keine Prüfung mehr erforderlich, ob am jeweiligen Ort tatsächlich eine Gefahr oder Anhaltspunkte vorliegen, die die Annahme rechtfertigen, dass dort Straftaten drohen. Das ist ein solcher Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, dass wir es nicht für möglich gehalten hätten, dass man einen solchen Gesetzentwurf vorlegen kann.

(Beifall SPD – Torsten Felstehausen (DIE LINKE): Zwei Parteien!)

Dass die GRÜNEN diesen Gesetzentwurf mittragen, ist für mich in keiner Weise nachvollziehbar; denn, wenn ich mir die eine oder andere Äußerung von Herrn von Notz in Berlin anhöre, sehe ich schon gewisse Gegensätze in der Argumentationsschiene.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, da Sie der Opposition sowieso nicht glauben – das nehmen wir zur Kenntnis –, zitiere ich aus der Anhörung: Prof. Dr. Stefanie Grünewald, Hochschule Polizei Hamburg, sagt:

Im Hinblick auf den massiven Grundrechtseingriff, der mit der Videoüberwachung einhergeht, ist diese Fiktionsregelung als verfassungsrechtlich äußerst problematisch anzusehen.

Der hessische Datenschutzbeauftragte sieht die Verhältnismäßigkeit im Hinblick auf den Grundrechtseingriff nicht mehr gegeben und stellt eine deutliche Verschlechterung der datenschutzrechtlichen Regelung fest.

Prof. Dr. Ogorek, ein renommierter Rechtswissenschaftler und derjenige, der für die Fraktionen der SPD und der FDP die Klage gegen die HöMS vertreten hat, meint ebenfalls, dass die vorgesehene Fiktion in Art. 14 Abs. 3 angesichts der vorgenannten Erwägung eindeutig als verfassungswidrig anzusehen ist.

Prof. Bäuerle, auch ein anerkannter Jurist der Szene, sagt, die inhaltliche Regelung stoße auf Bedenken, da die Videoüberwachung pauschal eingeführt werden solle.