Aber erst einmal etwas Grundsätzliches: Im Polizeirecht – Kollege Alexander Bauer hat es auch schon angesprochen – gilt für alle grundrechtseinschränkenden Maßnahmen immer der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. § 4 Abs. 3 HSOG:
Eine Maßnahme ist nur so lange zulässig, bis ihr Zweck erreicht ist oder sich zeigt, dass er nicht erreicht werden kann.
Fest installierte Anlagen sind alle zwei Jahre daraufhin zu überprüfen, ob die Voraussetzungen für ihren Betrieb weiterhin vorliegen.
Wir werden uns diese Regelung noch einmal vornehmen und sie hinsichtlich der Verhältnismäßigkeit, die ich eben beschrieben habe, des Grundrechtseingriffs überprüfen. Dazu brauchen wir im Übrigen keinen krawalligen Auftritt
Die erweiterte Befugnis zur Videoüberwachung heißt nicht, dass zukünftig an allen hessischen Bahnhöfen, Sportstätten oder Packstationen Kameras installiert werden oder installiert werden dürfen. Die Formulierung, wonach diese Örtlichkeiten als gefahrenträchtig gelten, hat indizielle Wirkung und erleichtert den Einsatz des Mittels. Die gesetzliche Vermutung, dass es an Bahnhöfen und Einkaufszentren organisierten Diebstahl gibt, dass Sportstätten gewaltbereite Gruppen anziehen,
dass Packstationen Umschlagplätze für Drogen und Waffen sein können, ist aber im Einzelfall widerlegbar, Herr Kollege Felstehausen.
(Torsten Felstehausen (DIE LINKE): Wie definieren Sie Sportstätte? – Zuruf Dr. h.c. Jörg-Uwe Hahn (Freie Demokraten) – Gegenruf SPD: SC Dortelweil!)
Weil bei der stationären Videoüberwachung typischerweise die Polizei eine Anlage der Kommunen nutzt, sind immer zwei Behörden notwendig, nämlich die kommunale Gefahrenabwehrbehörde und die staatliche Vollzugspolizei.
Ich möchte einmal ein konkretes Beispiel nennen. Gestern wurden in meiner Heimatgemeinde Lauterbach am Sportplatz, der der Gemeinde gehört – sämtliche Sportgeräte gehören unserem Turnverein, dem ich auch angehöre –, Sprungmatten abgefackelt. Laut Feuerwehr handelt es sich vermutlich um Brandstiftung. Wenn so eine Sachbeschädigung häufiger vorkommt – es handelt sich dabei um immense Werte, die aus Vereinsvermögen finanziert werden –
nein –, dann kann die Kommune den Antrag stellen, per Video zu überwachen. Das kann das Parlament am Ende entscheiden. Dann kann die Kommune das in Zusammenarbeit mit der Polizei machen, um zu verhindern, dass zukünftig die Sportgeräte wieder abgefackelt werden, weil es eine abschreckende Wirkung hat.
Das alles kann die Gemeinde tun, wenn sie es für notwendig hält. – Das als konkretes Beispiel, das wir dabei im Blick hatten.
Punkt 3, zur politischen Einordnung. Herr Kollege Rudolph, noch etwas: Wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen.
Das stimmt. – Die SPD war zweimal an der Verabschiedung eines Gesetzes über die Vorratsdatenspeicherung beteiligt, 2007 und 2015, und zweimal haben die Gerichte – das Bundesverfassungsgericht 2010 und gerade der Europäische Gerichtshof in Luxemburg – die von der SPD mitbeschlossene Regelung über die Vorratsdatenspeicherung kassiert.
Zu Ihren Reden von informationeller Selbstbestimmung: Die SPD wollte immer, dass sämtliche Telefonverbindungsdaten der Bürgerinnen und Bürger anlasslos gespeichert werden. Wer hat mit wem wie oft und wie lange telefoniert? Das wollten Sie anlasslos speichern. Das ist Ihre informationelle Selbstbestimmung. – Ich danke Ihnen.
(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und CDU – Günter Rudolph (SPD): Die GRÜNEN nicken alles ab, was der Beuth will!)
Frau Abg. Goldbach, vielen Dank. – Für die Landesregierung hat jetzt Herr Staatsminister Beuth das Wort.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Eine unterhaltsame Debatte der Opposition. Sie ging allerdings weitestgehend an der Wirklichkeit, weitestgehend am geltenden und am geplanten Recht, und weitestgehend an den sicherheitspolitischen Erfordernissen vorbei.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, die SPD spielt sich bei der Videosicherheitstechnik selbst schwindelig. Lieber Kollege Rudolph, während der Anhörung im Hessischen Landtag haben die Jusos auf dem Marktplatz gegen die Videosicherheitstechnik demonstriert.
Acht Tage vorher haben die Jusos aus Anlass eines tätlichen Angriffs auf zwei Personen in Frankfurt Videoüberwachung in Frankfurt gefordert,
während dort die SPD im Römer seit sage und schreibe fünf Jahren mit verhindert, dass wichtige Videosicherheitstechnik in Frankfurt aufgebaut wird. Im Zusammenhang mit der Kleinkriminalität hat Frau Bundesinnenministerin
Herr Kollege Rudolph, das ist jetzt nicht die ferne Bundesregierung. Die Bundesinnenministerin ist die Landesvorsitzende der Sozialdemokraten in Hessen, die angeblich auch ihr Herz hier hat.
Was gilt jetzt bei der SPD: was Sie hier vortragen, was die Jusos vortragen, was Frau Faeser vorträgt?
(Beifall CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Günter Rudolph (SPD): Sie hält sich im Gegensatz zu Ihnen an Recht und Gesetz!)
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich habe gesagt, es ging weitestgehend am Rechtsrahmen vorbei. Sie kennen ihn eigentlich: § 14 Abs. 3 und die Voraussetzungen, die dort für polizeiliche Videosicherheitstechnik beschrieben sind.
Meine Damen und Herren, der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gilt im alten Recht und auch im neuen Recht. Ich kann nichts dafür, wenn der hessische Datenschutzbeauftragte und Herr Prof. Ogorek das kritisieren, aber an dieser Stelle offenbar nicht gesehen haben: Ob die Videoüberwachung verhältnismäßig ist, muss weiterhin, im alten wie im neuen Recht, im Einzelfall überprüft werden. Von anlassloser Videoüberwachung im ganzen Land kann also keine Rede sein, schon gar nicht durch mich.
Lieber Kollege Dr. Hahn, es ist nicht der Witz des Tages, sondern es sind ernsthafte Probleme. Das Thema Packstationen ist bereits angesprochen worden. Wir haben in Marburg das Briefermittlungszentrum. Inkriminierte Gegenstände wie Waffen, Rauschgift oder Falschgeld werden sehr oft über Packstationen versandt. Deswegen sind das Orte, die im Einzelfall verhältnismäßig mit Videosicherheitstechnik überwacht werden können.
Meine Damen und Herren, wenn es dort tatsächlich Tatgelegenheiten gibt und besondere Orte gibt, die wir identifizieren können, dann, finde ich, müssen wir die Technik nutzen, um die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger bestmöglich zu gewährleisten.
Potenzielle Täterinnen und Täter können durch den präventiven Charakter der Videoüberwachung an solchen Örtlichkeiten von ihrer Tat abgehalten werden. Deliktzahlen können reduziert werden, die Aufklärungsquote kann gleichzeitig verbessert werden. Eine unmittelbare Steigerung des Sicherheitsempfindens der Bürgerinnen und Bürger ist die Folge. Genau darauf kommt es an.