Protokoll der Sitzung vom 09.12.2020

(Minister Michael Boddenberg unterhält sich mit Minister Tarek Al-Wazir.)

Bitte auf der Regierungsbank keine Zwiegespräche.

(Ulrike Alex (SPD): Das ist unglaublich!)

Die schlechten Rahmenbedingungen fallen uns einfach auf die Füße. Eine Kita-Leiterin hat geschildert: Das war schon vor Corona hart, aber jetzt ist es richtig schlimm.

Also, meine Damen und Herren, investieren Sie in gute Arbeits- und in gute Ausbildungsbedingungen für die Kinderbetreuung, und schaffen Sie endlich das unsägliche Schulgeld ab.

(Beifall SPD und Christiane Böhm (DIE LINKE))

Leiten Sie strukturelle Veränderungen in der Kinderbetreuungsfinanzierung ein. Erhöhen Sie die Betriebskostenzuschüsse für die Städte und Gemeinden deutlich.

Lassen Sie Ihre schwarz-grünen Taschenspielertricks, mit denen Sie das Geld von den Kommunen nehmen, um Dinge im Kita-Bereich zu finanzieren. So kommen wir nicht weiter. Wir brauchen die strukturellen Veränderungen. Wir brauchen eine ordentliche Betriebskostenfinanzierung seitens des Landes aus originären Landesmitteln.

(Beifall SPD)

Das Gleiche gilt auch für den Investitionsstau für den Bau von Kinderbetreuungseinrichtungen. Wir haben gestern schon darüber gesprochen. Nancy Faeser hat es deutlich gemacht: 1 Milliarde € Defizit bei den Investitionen in den Ausbau der Kinderbetreuung. Was machen Sie? Sie lösen den Investitionsstau nicht auf. Das ist ein Offenbarungseid. Marius Weiß hat es heute schon von dieser Stelle aus gesagt. Sie interessieren sich noch nicht einmal für die genauen Zahlen, wie viele Investitionen in den Ausbau der Kinderbetreuung überhaupt notwendig sind.

(Beifall SPD)

Bei der Gebührenbefreiung schreiten Sie auch nicht weiter voran. Es bleibt bei dem Stückwerk der sechs Stunden ab dem dritten Lebensjahr. Darüber kommen Sie nicht hinaus. Monatelang war unklar – auch in den vergangenen Monaten –, ob die Eltern und die Träger das Geld für die Zeiten, die im Lockdown ausgefallen sind, bezahlt bekommen. Das alles hätten wir uns sparen können, wenn wir im Bereich der Gebührenbefreiung schon in den vergangenen Jahren so investiert hätten, dass wir tatsächlich Bildung auch in Hessen gebührenfrei anbieten, genauso wie in anderen Bundesländern, und zwar auch in der frühkindlichen Bildung.

(Beifall SPD und Christiane Böhm (DIE LINKE))

Ich möchte zu dem zweiten großen Themenkomplex kommen, bei dem in dieser Corona-Krise deutlich offengelegt wird, wo die Versäumnisse der Vergangenheit dieser schwarz-grünen Landesregierung sind. Da bleiben Sie sich in Ihrer unseligen 20-jährigen Tradition treu: Sie investieren nicht mehr in die Krankenhäuser,

(Max Schad (CDU): Stimmt doch gar nicht!)

obwohl Sie gesetzlich nach der Krankenhausplanung dazu verpflichtet sind.

(Max Schad (CDU): Spitzenplatz! Mehr als alle anderen!)

Es bleibt dabei, dass nur 18,4 % durch das Land getragen werden. Sie erhöhen diese Krankenhausinvestitionen nicht. Damit sparen Sie weiter in einem so eklatant wichtigen Bereich. Wir haben in der Corona-Pandemie gesehen, wie wichtig dieser Bereich ist. Aber das scheint Sie nicht zu interessieren. Sie nehmen Ihre Verantwortung für unser Gesundheitssystem nicht ausreichend wahr.

(Beifall SPD)

Sie investieren nicht bedarfsgerecht in eine optimale medizinische Versorgung für die Menschen in unserem Land. Schaffen Sie endlich die Rahmenbedingungen in der Pflege, damit das Personal auch lange und gern im Beruf verbleibt.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, in der kursorischen Lesung hat sich gezeigt, dass gerade in dem so wichtigen Einzelplan auch unfassbar viele Mittel als Platzhalter eingestellt sind, ohne dass Sie die konkreten Inhalte liefern. Was Sie hier machen, ist schlicht und ergreifend unverantwortlich. Selbst wenn Projekte benannt werden, legen Sie keine Konzepte für die Umsetzung vor.

Ich will zwei Beispiele nennen. Bei der Teilhabekarte ist seit Jahren nichts passiert. Dieses Mal ist wieder nichts passiert. Bei der Geburtshilfe sind Sie nicht weitergekommen. In den Entwurf zum Landeshaushalt schreiben Sie reine Plangrößen hinein, die substanzlos bleiben, weil Sie keine Konzepte vorlegen.

(Beifall SPD und Yanki Pürsün (Freie Demokraten))

Bestes Beispiel dafür ist das Thema Landarztquote. Ich bin sehr gespannt, ob Sie unserem Gesetzentwurf morgen zustimmen werden. Als SPD-Fraktion haben wir einen Gesetzentwurf zur Einführung einer Landarztquote eingebracht.

(Tobias Eckert (SPD): Das ist ein guter!)

Denn uns als SPD-Fraktion sind gleichwertige Lebensverhältnisse in Stadt und Land wichtig. Wir wollen, dass die Menschen in Hessen überall einen guten Zugang zu hausärztlicher Versorgung haben.

(Beifall SPD)

Aber die Versorgung mit Hausärzten ist im Bundesvergleich in Hessen mit am schlechtesten. Deswegen brauchen wir die Einführung der Landarztquote. Wir brauchen nicht nur einen Haushaltsposten, sondern wir brauchen einen Gesetzentwurf im Landtag, dem der Hessische Landtag zustimmt, damit wir bei diesem Thema endlich vorankommen. Morgen haben Sie Gelegenheit, dem zuzustimmen.

Auch beim Thema Gehörlosengeld kann man sich nur verwundert die Augen reiben. Jahrelang haben wir von der SPD-Fraktion das gefordert. Wir haben Anträge eingebracht. Wir haben auch Gesetzentwürfe eingebracht, z. B. mit Blick auf das Taubblindengeld. Das haben Sie jahrelang abgelehnt. Beim Taubblindengeld hieß es von Ihrer Seite: Das geht nicht so schnell, dazu müssen wir erst mal in die Ausbildung der Taubblindenassistentinnen und -assistenten investieren.

Umso verwunderlicher ist Folgendes: Als ich jetzt bei der kursorischen Lesung nachfragte, ob beim Gehörlosengeld

die Ausbildung der Taubblindenassistenz mitgedacht war, wurde das mit einem klaren Nein beantwortet.

(Zuruf SPD: Ach!)

Das ist nicht darin enthalten. Verstehen Sie mich nicht falsch: Wir hoffen sehr für die Betroffenen, dass es endlich auch in Hessen ein Gehörlosengeld geben wird. Das ist aus unserer Sicht längst überfällig. Belassen Sie es nicht bei einem Platzhalter im Landeshaushalt.

(Beifall SPD)

Ich will ein Beispiel aus der Frauenpolitik herausgreifen. Im Bereich des Gewaltschutzes von Frauen orientiert sich Schwarz-Grün bei den Mehrausgaben im Rahmen der baulichen Investitionen für die Frauenhäuser am Bundesprogramm. Das wird kofinanziert. Gut, dass es dieses Bundesprogramm gibt, damit sich auch beim Ausbau der Frauenhäuser in Hessen etwas bewegt. Aber das Land müsste hierbei dringend mit einem eigenen Programm vor allem in die Stärkung des Personals und in die Prävention investieren, um Gewalt an Frauen und Kindern wirkungsvoll zu verhindern und um vor allem die Istanbul-Konvention, zu der sich Deutschland bekannt hat, in Hessen endlich umzusetzen.

(Beifall SPD)

Um die Anforderungen der Istanbul-Konvention zu erfüllen, braucht Hessen rund 300 zusätzliche Familienzimmer in Frauenhäusern. Wir brauchen auch mehr Personal, wenn wir mehr Plätze in diesem Bereich schaffen müssen.

Die Situation war schon vor Corona in diesem Bereich alarmierend. Im Jahr 2018 haben die Frauenhäuser 2.798 Frauen und deren Kinder wegen Platzmangels abweisen müssen. Das ist unerträglich. Das darf nicht weiter sein. Deswegen erwarten wir hierzu auch mehr als das, was Sie uns mit diesem Entwurf des Landeshaushalts vorgelegt haben.

(Beifall SPD)

Im Bereich des Kinderschutzes und der Kinderrechte setzen Sie auf das Thema „Jahr der Kinderrechte“. Wir erwarten, dass Sie das Thema nicht nur PR-mäßig besetzen, sondern dass Sie das auch mit Inhalten füllen. Das Amt der Kinder- und Jugendrechtsbeauftragten wurde lange nicht besetzt, bis Sie jetzt endlich eingesehen haben, dass man eine solche Stelle nicht nur ehrenamtlich ausfüllen kann.

Nicht nachvollziehbar ist uns Ihre Haltung zur Ombudsstelle für Kinder- und Jugendrechte. Dazu findet sich nichts im Haushaltsplan, obwohl der Bundesgesetzgeber das Thema in die SGB-VIII-Reform aufgenommen hat. Warum finanzieren Sie nicht endlich die unabhängige Stelle, deren Finanzierung durch die Aktion Mensch im nächsten Jahr ausläuft und die in den letzten Jahren hervorragende ombudschaftliche Arbeit für Kinder und Jugendliche geleistet hat?

(Beifall SPD)

Zum Bereich der Ausbildung hat mein Kollege Tobias Eckert schon im Rahmen der wirtschaftspolitischen Debatte heute einiges gesagt. Deswegen möchte ich das an dieser Stelle nicht wiederholen.

Mit Blick auf die Flüchtlinge haben wir zusammen mit der Fraktion DIE LINKE einen Gesetzentwurf vorgelegt, der Standards bei der Flüchtlingsaufnahme vorsieht. Sie sind

aus unserer Sicht längst überfällig. Auch das vermissen wir in diesem Landeshaushalt.

Abschließend kann ich für meine Fraktion nur sagen: Erkennen Sie die Zeichen dieser Zeit. Schauen Sie sich die Problemlagen genau an; die Corona-Pandemie führt uns deutlich vor Augen, was in den vergangenen Jahren durch Ihre schwarz-grüne Regierung versäumt wurde. Stellen Sie vor allem die Weichen für strukturelle Veränderungen, damit Hessen gestärkt aus dieser Krise kommt.

(Beifall SPD)

Für die CDU-Fraktion erteile ich Frau Ravensburg das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Der Sozialhaushalt 2021 ist, wie viele Kollegen von ihren Einzelplänen auch schon berichtet haben, kein gewöhnlicher Einzelplan, sondern er ist eingebettet in die finanziellen Notwendigkeiten der Pandemie.

Auch wenn die finanziellen Hilfen klugerweise im Sondervermögen veranschlagt sind, so ist von der Pandemie das gesamte Sozialwesen betroffen – der Gesundheitssektor genauso wie die Altenpflege, die Kitas, die Frauenhäuser und die Beratungsstellen, um nur einige Beispiele zu nennen.

Natürlich hat das auch gravierende Auswirkungen auf die Arbeit im Sozialministerium: Jeden Tag gibt es neue Aufgaben. Geplantes musste verschoben werden, z. B. das Jahr der Kinderrechte 2020. Aber die Kinder- und Jugendrechte – damit fange ich an – sind uns sehr wichtig. Deshalb verstärken wir den Aufgabenbereich der hessischen Kinderund Jugendrechtsbeauftragten mit einer Vollzeitstelle im Stellenplan 2021.