Protokoll der Sitzung vom 09.12.2020

Zum Thema Bildungsgerechtigkeit gehört für uns auch die Deutschförderung. Die Koalition hat mit dem Schwerpunkt auf der Bildungssprache Deutsch hier einen, wie ich finde, zutiefst inklusiven Ansatz gewählt. Denn das Ziel, das hier verfolgt wird, ist, dass alle Schülerinnen und Schüler unabhängig von ihrer Herkunft die gleichen Startchancen erreichen sollen, um dem Unterricht und der gesellschaftlichen Teilhabe gleichermaßen folgen zu können.

Die Mittel für die zusätzlichen Stellen, die wir in diesem Bereich eingerichtet haben, sind, glaube ich, gut angelegt. Denn wir erreichen einerseits über die zusätzliche Deutschstunde, dass zusätzliche Förderung im Bereich Deutsch allen Schülerinnen und Schülern zugutekommt. Gleichzeitig schaffen wir mit den Vorlaufkursen ein Angebot, dass diejenigen Schülerinnen und Schüler, die weniger gute Startchancen haben, hier eine spezielle Förderung erhalten. Auch dies ist also ein Bereich, in dem wir für mehr Bildungsgerechtigkeit unterwegs sind.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und verein- zelt CDU)

Auch im Bereich der inklusiven Beschulung entlasten wir die Kollegien und sorgen dafür, dass diejenigen Eltern, die das wünschen, eine inklusive Beschulung für ihr Kind wählen können. Ganz konkret in Stellen ausgedrückt heißt das, dass wir seit 2013/14 mit dem Haushalt 2021 hier 1.063 Stellen zusätzlich aufgebaut haben werden. Auch das, glaube ich, ist ein sehr eindrucksvolles Signal, welchen Schwerpunkt wir auf die Bildungspolitik legen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und verein- zelt CDU – Christoph Degen (SPD): Es sind ja auch mehr Schüler!)

Das ist ja auch ein gutes Signal, Herr Kollege Degen, dass wir das an dieser Stelle ermöglichen; es freut mich, dass Sie das so anerkennen.

Seit dem Jahr 2015 haben sich die Prognosen für die Bevölkerungsentwicklung ganz massiv geändert. Im Jahr 2014 gingen die meisten Bildungspolitiker noch von einer demografischen Rendite aus. Auch der Kollege Degen hat sich in seiner Pressemitteilung zum Haushalt 2014 seinerzeit noch darauf bezogen. Aber wir wissen, dass sich die demografische Entwicklung sehr stark geändert hat; und das Land Hessen hat, wie alle anderen Bundesländer auch, die Situation, dass wir einem besonders angespannten Lehrerarbeitsmarkt gegenüberstehen.

Daher ist es uns wichtig, dass wir selbst aktiv werden, um den Fachkräftebedarf im Schulbereich zu sichern. Aus diesem Grund haben wir seit 2017 die Kapazitäten an unseren Hochschulen, was die grundständige Ausbildung angeht, ausgebaut und werden das auch im kommenden Jahr machen. Zusammen mit den zusätzlichen Ausbildungsplätzen im Bereich des Referendariats sowie zusätzlich geöffneten Weiterbildungsmaßnahmen reagieren wir verantwortungsvoll auf die Herausforderungen, die es auf dem Lehrkräftearbeitsmarkt gibt, und diese Maßnahmen werden mit dem Haushalt 2021 weiter verstärkt.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und verein- zelt CDU)

Wir ermöglichen auch mehr pädagogische Freiheit mit diesem Haushalt. Es sind – da gab es in der Tat einen Druckfehler – 30 Schulen, die wir als Koalition jährlich zusätzlich im Bereich pädagogische Selbstständigkeit erreichen wollen, insgesamt 150 Schulen in dieser Wahlperiode.

Ich begrüße es ausdrücklich, dass neben der haushaltstechnischen Unterstützung und Absicherung, die wir benötigen, die Landesregierung es auch ermöglicht hat, Erleichterungen für die Schulen auf dem Weg zur pädagogischen Selbstständigkeit vorzusehen, weil das eben während der Pandemie so schwierig ist. Daher habe ich volles Verständnis dafür, wenn Schulen, wie es dieses Jahr passiert ist, sagen: Wegen der Pandemie ziehen wir jetzt unseren Antrag zurück. – Deswegen ist es richtig, dass die Landesregierung an dieser Stelle das Antragsverfahren erleichtert hat und dass es einen zusätzlichen Termin geben wird, sodass die Schulen eine zusätzliche Gelegenheit und mehr Zeit haben, sich auf den Weg zur pädagogischen Selbstständigkeit zu machen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und verein- zelt CDU)

Zu den Digitalpakten gäbe es noch so viel zu sagen, zumal Herr Kollege Degen leider vergessen hat, dass das Land Hessen hier im Vergleich zu anderen Bundesländern sehr viel tut.

Auch Ihre Haltung zum Sondervermögen wäre noch einmal zu beleuchten gewesen. Denn, wenn wir das machen würden, was Sie vorschlagen, gäbe es kein Sondervermögen und könnten wir viele Dinge, die dem Bildungsbereich zugutekommen, auch nicht tun.

(Torsten Warnecke (SPD): Man kann das mit einem Nachtragshaushalt machen!)

Insbesondere würden die 3 Milliarden € für die Kommunen, die ja auch Schulträger sind, nicht zur Verfügung stehen. Das ist auch eine interessante Positionierung der SPD. Aber mit Blick auf die Uhr kann ich das jetzt leider nicht ausführen, sondern komme zum Schluss.

Mit diesem Haushalt 2021 setzen wir unseren Kurs fort. Wir sorgen dafür, dass Hessens Schulen weiter modernisiert werden, dass wir mehr Bildungsgerechtigkeit für unsere Schulen schaffen. Dazu dienen unsere zusätzlichen Ressourcen für Schulsozialarbeit, für die Schulen an den Orten mit den größten Herausforderungen, mit mehr Mitteln für den Ganztag. Diesen Weg wollen wir kontinuierlich weitergehen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und CDU)

Vielen Dank, Kollege May. – Das Wort hat jetzt der Abg. Scholz, AfD-Fraktion.

Sehr geehrter Herr Präsident, verehrter Herr Staatsminister Lorz, meine Damen und Herren! Auf der Suche nach einem Gleichnis, welches den eher traurigen Zustand unseres hessischen Bildungssystems sowie dessen Fehlentwicklungen seit der Regierungsübernahme durch Schwarz-Grün im Jahr 2014 treffend zu beschreiben vermag, erinnerte ich mich an eine Schiffsmetapher eines prominenten Mitgliedes des Wiener Kreises, welcher unseren beiden linken Parteien wohl sehr bekannt sein müsste, des eher marxistisch orientierten Wissenschaftstheoretikers Otto Neurath. Ich darf Ihnen das mal zur Kenntnis bringen:

Wie Schiffer sind wir, die ihr Schiff auf offener See umbauen müssen, ohne es jemals in einem Dock zerlegen und aus besten Bestandteilen neu errichten zu können.

Unser Kapitän alias Staatsminister Lorz steuerte das Schiff namens Bildungssystem in den ersten Jahren seiner Amtszeit durch ruhiges Gewässer, ohne dabei in dessen Erhaltung und Modernisierung zu investieren und die Besatzung aufzustocken sowie nachhaltig zu qualifizieren.

(Marcus Bocklet (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Völlig faktenfrei! – Unruhe – Glockenzeichen)

Seit nunmehr fast einem Jahr sieht er sich jedoch mit dem Problem konfrontiert, sein Schiff durch einen Orkan manövrieren zu müssen.

(Beifall AfD)

Schiffsführer Lorz hat jetzt die Wahl zwischen genau zwei Optionen: Er bringt die sachlich gebotenen Strategien zum Einsatz, d. h. wählt geeignetes Werkzeug und Material, um sein Schiff auf dem tosenden Meer sturmfest zu machen. Oder aber er gibt sich weiterhin der reinen Kontemplation hin und beobachtet mehr oder minder teilnahmslos einen sich abzeichnenden Untergang des ihm vom hessischen Volk zu treuen Händen auf Zeit überantworteten Schiffes.

Herr Prof. Lorz, die von Ihnen zwecks Erfüllung des Bildungs- und Erziehungsauftrages unserer Schulen unter den Pandemiebedingungen ergriffenen Maßnahmen sind in ihrer Gesamtheit gescheitert.

(Beifall AfD)

Suchen Sie doch bitte einmal – das sage ich Ihnen als Lehrer, der jahrelang an Schulen gearbeitet hat – unsere Brennpunktschulen unangemeldet – unterstrichen – auf. Reden Sie dort einmal mit den Lehrern, mit den Schülern vor Ort,

und überzeugen Sie sich einmal von den realen Bedingungen. Ich garantiere Ihnen: Sie werden von der Realität sehr überrascht sein.

(Beifall AfD)

60 % der Hessen sind mit der schwarz-grünen Bildungspolitik sowie Ihrer Krisenbewältigungsstrategie nicht einverstanden. Die berufliche Motivation bei Schulleitern ist gemäß einer Forsa-Umfrage in erschreckendem Ausmaß gesunken, weil diese durch Ihre Konzeptlosigkeit maßlos überfordert und alleingelassen werden, was übrigens auch auf den Großteil der Lehrerschaft zutrifft.

Unsere Kinder, deren Eltern und Lehrer werden von einem nicht mehr nachvollziehbaren Maßnahmenwirrwarr inklusive Masken- und Lüftungsregeln psychisch erheblich belastet und werden wohl weiterhin mit einem Flickenteppich aus größtenteils ineffektiven Maßnahmen, vermehrt rein ideologisch motivierten Fehlentscheidungen und hierdurch verursachten Fehlinvestitionen leben müssen.

Der Inhalt des diesjährigen Einzelplanes 04 stützt diese Ansicht in bedrückender Weise. Das Festhalten am Präsenzunterricht, welches die AfD in der Sache sehr begrüßt, ist lediglich der Versuch, aus Ihrer Not eine Tugend zu machen.

(Beifall AfD)

Denn Wechsel- und vollständiger Distanzunterricht würden die Versäumnisse der letzten Jahre scharf hervortreten lassen: Sei es die lückenhafte digitale Infrastruktur der Schulen, der mittlerweile chronische Lehrermangel oder die unzureichende psychologische Betreuung unserer Lehrer und Schüler.

Auch in diesem Jahr wurden seitens meiner Fraktion wieder 13 Änderungsanträge gestellt, welche bezwecken, die fundamentalsten Fehlentscheidungen des Hessischen Kultusministeriums zu korrigieren. Ich werde mich in meiner Rede auf eine kleine Auswahl beschränken.

Beginnen wir mit der angesprochenen unzureichenden Lehrerversorgung an unseren Schulen: Die Landesregierung geht von 53.456 Lehrern aus, welche einer Unterrichtsversorgung von 105 % entsprächen. Wie Ihnen bekannt sein dürfte, stellte der Philologenverband einen Siebenpunkteplan zur Bewältigung des Lehrkräftemangels vor. Eine Forderung daraus lautet, dass eine 130-prozentige Unterrichtsversorgung angestrebt werden müsse, um real die 100-prozentige Unterrichtsversorgung zu garantieren. Dieser Sichtweise schlossen wir uns natürlich an und berechneten einen Mehrbedarf von 12.714 Stellen zur Absicherung einer 130-prozentigen Unterrichtsversorgung. Da die Anhebung um 12.714 Stellen binnen Jahresfrist natürlich nicht realisierbar sein kann, wird diese Anzahl auf die kommenden fünf Jahre gleichmäßig verteilt, was somit einem Stellenzuwachs in Höhe von 2.543 pro Jahr entspricht.

Die Vorstellung der Landesregierung mutet demgegenüber sehr bescheiden an. Der für 2021 zu veranschlagende Haushaltsposten für Beamtenbezüge ist demnach um 128,5 Millionen € zu erhöhen. Es ist uns bewusst: Dieses Vorhaben ist sehr ambitioniert. Klar wird hieraus jedoch, dass Sie Ihre vornehmste Aufgabe vernachlässigt haben, nämlich dieser fatalen Entwicklung rechtzeitig entgegenzuwirken. Sie haben es unterlassen.

(Beifall AfD)

Nehmen Sie sich endlich ernsthaft dieses Problems an, und handeln Sie.

Zum nächsten Thema: Die unübersehbare Zunahme psychischer und psychosomatischer Erkrankungen innerhalb der Lehrer- und Schülerschaft scheint die Landesregierung völlig zu ignorieren. Eine DAK-Studie vom November 2019 belegt, dass fast jeder vierte Schüler in Deutschland psychische Probleme aufweist, welche sich zudem seit dem Beginn der Corona-Pandemie massiv verschärften. Soziale Isolation im Distanzunterricht sowie das Gefühl mangelnder Vorbereitung auf die bevorstehenden Prüfungen verstärken gerade bei älteren Schülern die Zukunftsängste.

Es gibt Schulen, in denen fast die Hälfte der Schüler bereits nach dem ersten Lockdown inhaltlich abgehängt worden war. Bereits zu Beginn der Pandemie hat man bei den Kindern Ängste geschürt, indem man ihnen z. B. die Schuld für den baldigen Tod ihrer nahen Verwandten suggerierte, sollten sie sich nicht an die vorgeschriebenen Hygienemaßnahmen halten. Auch infolgedessen waren vermehrt Schlaf- und Verhaltensstörungen sowie Waschzwänge und Depressionen zu beobachten; zahlreiche Kinderärzte berichten darüber.

(Zuruf SPD: Aha!)

Ja.

Lehrer sind ebenfalls erheblich von psychischen und psychosomatischen Erkrankungen betroffen. Jeder dritte Lehrer leidet unter einem Burn-out-Syndrom. Die Lehrer benennen die Ursachen: unter anderem die Inklusionsproblematik,

(Beifall AfD)

die schwierige Integration von Seiteneinsteigern sowie erschwerte Arbeitsbedingungen an den Schulen der sozialen Brennpunkte.

Was haben Sie dem entgegenzusetzen? Nichts, vernachlässigbar wenig. Die insgesamt etwa 830.000 hessischen Schüler und deren Lehrerschaft werden von gerade einmal 114 Schulpsychologen betreut, was einer Betreuungsquote von 6.670 entspricht.

Unsere Lösung hierfür: Bei Zugrundelegung einer durchschnittlichen Betreuungsquote von realistischen 1.100 Schülern pro Schulpsychologen sowie unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Art und Größe der Schulen ergibt unsere Berechnung die Gesamtzahl von 755 erforderlichen Stellen für Schulpsychologen.

Analog zum letzten Jahr beantragen wir daher die Aufstockung der Geldmittel für die psychologische Unterstützung unserer Lehrer und Schüler um 30 Millionen € und damit die Erhöhung der Zuwendung auf insgesamt 46 Millionen €. Die zwischenzeitlich von der Landesregierung veranschlagte Mehrinvestition in Höhe von 700.000 € geht zwar in die richtige Richtung, ist demgegenüber jedoch ein viel zu kleiner Schritt.