Sie haben gesagt, Sie wollten „Barrieren abbauen“. Bauen Sie diese Barriere ab, und machen Sie auf jeden Fall eine ordentliche Anhörung zu diesem Gesetzentwurf. Das ist dringend erforderlich. – Danke schön.
Herzlichen Dank, Frau Kollegin. – Ich möchte aus gegebenem Anlass darauf hinweisen, dass der Verzehr von Speisen im Plenarsaal unerwünscht ist, aber im Einzelfall von Rügen abgesehen werden kann, wenn die Speisen mit dem Präsidium geteilt werden.
Nächster Redner für die Fraktion der AfD ist der Kollege Enners. Bitte schön, Herr Kollege Enners, Sie haben das Wort. Auch bei Ihnen gilt: 7:30 Minuten.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Deutschland hat sich auf Bundesebene durch Unterzeichnung der UN-Behindertenrechtskonvention dazu bekannt, bestehende Benachteiligungen von Menschen mit einer Behinderung abzubauen und zukünftig zu vermeiden. Neben der Inklusion und der Verwendung von einfacher und Leichter Sprache ist das Thema der Barrierefreiheit ebenfalls mit auf der Agenda. Barrierefreiheit wird aber leider viel zu häufig nur auf die Mobilität, wie den Zugang zu Gebäuden, also auf bauliche Dinge, reduziert. Barrierefreiheit bezieht sich heutzutage jedoch auch auf digitale Medien.
Neben den großen Chancen und Vorteilen birgt das Informationszeitalter aber auch die Gefahr, sozial benachteiligte Personen und Menschen mit Behinderungen von neuen Medien und Technologien auszuschließen. Dies beginnt schon damit, dass das Angebot der Kommunen und Kreise im Internet im Vergleich zum Vorzeigeland der Digitalisierung, Estland, einfach nur ungenügend ist. Die Digitalisierung bietet nicht nur die Möglichkeit von Kosteneinsparungen für die öffentliche Verwaltung, sondern auch die Chance, Hand in Hand mit dem notwendigen Ausbau der kommunalen Angebote, bei gleichzeitig vollständiger Umsetzung der Barrierefreiheit, Angebote für Menschen mit Behinderungen zu schaffen, die speziell auf deren individuelle Bedürfnisse zugeschnitten sind.
Meine Damen und Herren, im Gegensatz zur CDU im Bundestag geht die hessische CDU mit dem hier vorliegenden Gesetzentwurf schon einmal einen Schritt in die richtige Richtung, zumindest auf den ersten Blick. Während es in der noch aktuell gültigen Fassung des BGG heißt: „Zur Herstellung von Barrierefreiheit können … Zielvereinbarungen zwischen Landesverbänden von Menschen mit Behinderungen einerseits und kommunalen Körperschaften … andererseits … getroffen werden“, so heißt es im vorliegenden Gesetzentwurf nicht mehr „kommunale Körperschaften“, sondern nur noch „Unternehmen und Unternehmensverbände“, die Zielvereinbarungen treffen sollen.
Somit ist der Ansatz gegeben, aber durch die fehlende Verpflichtung der Beteiligten ein Erreichen des Ziels infrage gestellt. Ihnen, meine Damen und Herren der CDU auf der Regierungsbank, und Ihren Kollegen in der Bundesregierung fehlt einfach der Mut, die Privatwirtschaft so einzubinden, dass diese barrierefreie Webseiten anbieten muss.
Schauen wir nach Österreich. Nicht nur die kommunalen bzw. staatlichen Internetseiten müssen barrierefrei sein, nein, auch die Privatwirtschaft wird zur Barrierefreiheit gesetzlich verpflichtet. In Deutschland ist die digitale Barrierefreiheit für die Privatwirtschaft auf freiwilliger Basis immer noch die gängige Praxis.
Von Ihren Kollegen in Berlin sehen wir die fehlende Bereitschaft, von Ihnen in Hessen, ich sagte es bereits, den fehlenden Mut, den letzten Schritt zu gehen. Wir von der AfD merken, dass im vorliegenden Gesetzentwurf die Absicht zwar gut, die Umsetzung aber nicht ausreichend ist.
Die wichtigsten Aussagen des BGG sind das Benachteiligungsverbot und die Pflicht zur Barrierefreiheit. Genau hier ist unserer Meinung nach ein weiterer Ansatz gegeben, um Kritik am vorliegenden Gesetzentwurf zu üben.
Die Barrierefreiheit ist nicht nur von der körperlichen und psychischen Behinderung aus zu sehen, wie es leider oft der Fall ist, sondern auch im hohen Maße von einer Sinnesbehinderung. Es nützt die breiteste barrierefreie Tür nichts, wenn man den Weg dahin nicht findet. Meine Damen und Herren, ich gebe Ihnen dazu ein Beispiel. Jemand, der auf einen Blindenhund angewiesen ist, hat den Hund nicht in erster Linie als Hund, sondern als Hilfsmittel. Behinderten Menschen ist die uneingeschränkte Mitnahme von Hilfsmitteln zu gestatten, um sie nicht zu benachteiligen.
Brandenburg und Nordrhein-Westfalen machen es uns vor. Dort haben die Landesregierungen die Mitnahme von Blindenhunden in Behörden und Ämter bereits zugunsten der Betroffenen geregelt. Hessen hat hierzu leider keine einheitliche Regelung, und jede Kommune verfährt nach eigenem Ermessen.
Meine Damen und Herren, hier wäre die Chance gewesen, neue Standards zu definieren und eine Regelung zum Wohle der Betroffenen zu finden. Aber leider kann man dazu keinen Ansatz im vorliegenden Gesetzentwurf finden.
Im Gegenteil, es findet sich die folgende Aussage an die Kommunen wieder: „Konkrete Anforderungen werden nicht vorgegeben.“ – Genau das finden wir bedauernswert.
Auch wäre es für behinderte Menschen in Hessen hilfreicher, wenn Sie sich mehr auf praktikable Lösungen verständigen würden als auf sprachliche Experimente. Was hilft es, wenn Begrifflichkeiten wie „hör- und sprachbehinderte Menschen“ in „Menschen mit Hör- und Sprachbehinderungen“ geändert werden? – Der Nutzen für die betroffenen Menschen wird in der Realität wohl gegen null gehen. Die Zeit, die für solche Sprachspielchen aufgewendet wird, wäre in Praxislösungen sicher besser angelegt gewesen.
Wir denken auch, dass die Umsetzung der UN-BRK eine wichtige und notwendige Aufgabe ist; aber man sollte nicht immer nur die Pflicht erledigen. In diesem Fall wäre etwas mehr Kür ein wirklicher Gewinn für die betroffenen Menschen.
Wir von der hessischen AfD schließen uns klar den Forderungen des Deutschen Gehörlosenbundes, des Deutschen Behindertenrates und anderer Behindertenverbände an und fordern Sie, meine Damen und Herren von der CDU, auf, sich innerhalb Ihrer Partei dafür einzusetzen, dass die digitale Barrierefreiheit in allen, in wirklich allen Bereichen und somit auch der Privatwirtschaft umgesetzt wird.
Gleichzeitig fordern wir die Koalitionspartner gemeinsam auf, zukünftig die eben angesprochene Kür in den Vordergrund zu stellen und nicht nur die reine Pflicht abzuarbeiten. Wir unterstützen Sie dabei gerne. Wir wollen, dass Menschen mit Behinderungen eine gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gesellschaft haben und ihnen eine selbstbestimmte Lebensführung ermöglicht wird.
Die AfD wird dem Gesetzentwurf, auch wenn er noch verbesserungswürdig ist, zustimmen. – Vielen Dank.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Bei einem Gesetz, das die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention in Landesrecht vorsieht, ist es sehr wichtig, dass die Betroffenen sicher sein können, dass bei der Erarbeitung größtmögliche Sorgfalt herrscht. Das war leider in der Vergangenheit nicht so.
Wir haben den Gesetzentwurf in einem Hauruckverfahren im vergangenen August kennengelernt. Damals haben Ihnen nicht nur die SPD-Fraktion, also Gerhard Merz, die FDP und DIE LINKE gesagt, dass man in diesem Verfahren das Gesetz nicht ordentlich durchbringen kann, es haben Ihnen auch alle Betroffenen gesagt. So ist es letztendlich auch gekommen.
Sie haben uns eineinhalb Stunden vor der entscheidenden Ausschusssitzung einen umfangreichen Änderungsantrag vorgelegt. Sie haben sich dafür entschuldigt, das will ich auch sagen. Allerdings gab es hierbei unterschiedliche Begründungen. Herr Reul von der CDU sagte, es gebe ein paar kleinere Anpassungen. Da muss ich sagen: Ich kann ihm nur zugutehalten, dass er wahrscheinlich zu diesem Zeitpunkt den Gesetzentwurf auch noch nicht gelesen hatte.
Dieser sogenannte Fraktionsentwurf wurde uns dann unter anderem von einem Ministerialdirigenten aus dem Sozialministerium erläutert, der sich auf das Justizministerium bezog. Das passt auch zu dem, was die Kollegin der GRÜNEN gesagt hat: Es habe ein paar knifflige juristische Probleme gegeben.
Ich will aber sagen, dass die Änderungen insgesamt doch nicht so schlecht waren, wie Frau Böhm jetzt dargestellt hat. Das ist eine Sache von „das Glas ist halb voll oder halb leer“. Ich sehe, woher wir kommen, und Sie sehen, wohin wir wollen. Wohin wir wollen, ist halb leer, und woher wir kommen, ist halb voll. Das werden wir in der Diskussion besprechen können.
Immerhin hatten diese ganze Verschiebung und das Theater auch ein Gutes. Die Verschiebung kam meiner Meinung nach daher – da gibt es unterschiedliche Interpretationen –, dass eine dritte Lesung drohte und die Reise- und Koalitionsverhandlungspläne der regierenden Parteien eine nochmalige Plenarsitzung im Dezember nicht mehr zugelassen haben.
Gut ist daran, dass man jetzt das Amt des oder der Behindertenbeauftragten der Hessischen Landesregierung hauptamtlich macht, was vorher nicht vorgesehen war, was Sie aber schon längst hätten haben können, wenn Sie 2015 dem SPD-Entwurf zugestimmt hätten.
Ich gratuliere ausdrücklich dem Teil der Verhandlungspartner, die das geschafft haben. Dennoch habe ich auch meine Skepsis, was das Durchregieren betrifft, was die Einsetzung durch die Landesregierung betrifft und wiederum die Einsetzung des Inklusionsbeirates. Uns wäre es wichtig, wenn eine solche Person unabhängig und nicht weisungsgebunden im Sozialministerium wäre.
Des Weiteren – das hat Frau Böhm richtigerweise auch angesprochen – haben Sie einen Zielkonflikt. Einerseits wollten Sie gerne denen, die Sie kritisiert haben, dass Sie zu wenig verbindlich für die Kommunen sind, irgendwie Rechnung tragen. Auf der anderen Seite wollten Sie hier den Anschein von Konnexität vermeiden. Das hat natürlich ein paar verschwurbelte Ausdrücke wie „die Kommunen sollen darauf achten“ oder „die Landesregierung achtet darauf, dass die Kommunen dieses und jenes machen“ zur Folge.
Unleugbar gut ist die Beweislastumkehr bei der Barrierefreiheit. Das war eine wichtige Forderung, und wir freuen uns, dass wir sie wiederfinden können. Ob Sie aber die Barrierefreiheit mit diesem Gesetz so durchsetzen können, dass nicht nur bauliche Veränderungen, sondern vor allem Veränderungen oder Aufwendungen mit berücksichtigt werden, die tagtäglich anfallen können, das wird die Beratung zeigen. Wer zahlt z. B. eine Hochzeit, die in Gebärdensprache übersetzt werden muss? Wer zahlt den Gebärdensprachdolmetscher? – Sie werden zugeben, dass eine
Ganz vorsichtig ist das nur mit leichter und einfacher Sprache ausgedrückt, weil das alles auch Geld kostet, und das dürfte keine Rolle spielen.
Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluss. Diejenigen Kolleginnen und Kollegen, die im Sozialausschuss in der vergangenen Legislaturperiode waren, werden mir sicher recht geben, dass die eindrucksvollsten, eindrücklichsten und berührenden Annäherungen, die wir gehört haben, von Menschen mit Behinderungen gekommen sind. Sie haben uns alle nicht unberührt gelassen. Diesen Menschen ins Gesicht zu hauen, indem man bei einem Gesetz, wo es um ihre Teilhabe geht, ihnen eine mündliche Anhörung verweigert und sagt, man wolle das nicht hören, ist absolut respektlos.
Dann noch der SPD vorzuwerfen, sie habe die Beratung verzögert, weil wir eine Sitzung verschoben haben, da die SPD, die FDP und DIE LINKE eine eigene Anhörung für diese Menschen gemacht haben, ist den Kollegen gegenüber respektlos.
Jetzt kann ich nur sagen: Wir hoffen auf das halb volle Glas und auf gute und sorgfältige Beratungen. – Danke schön.