Protokoll der Sitzung vom 28.02.2019

Sie haben jetzt einen kleinen Einblick in die Arbeit der Rückführer bekommen, in die Rückführungspraxis. Falls es wirklich in einem Ausnahmefall zu einem Fehlverhalten von Kollegen gekommen sein sollte, wird dies seitens der Behörden sehr genau untersucht und führt zu disziplinarischen bzw. strafrechtlichen Maßnahmen.

(Beifall AfD)

Gerade der Bereich Rückführungen ist auch für die Behörden politisch höchst brisant. Auch aus diesem Grunde wird größtmögliche Vorsicht an den Tag gelegt, was diese Maß

nahmen betrifft. Nicht ohne Grund sind seit 2015 94.000 Rückführungsmaßnahmen gescheitert bzw. abgesagt worden. Von „unmenschlicher Abschiebepraxis“ kann in Hessen und in Deutschland keine Rede sein. – Vielen Dank.

(Beifall AfD)

Herzlichen Dank, Herr Kollege Gaw. – Nächster Redner ist Abg. Pürsün für die Fraktion der Freien Demokraten.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“ „Politisch Verfolgte genießen Asylrecht.“ Das kann uns alle mit Stolz erfüllen.

(Beifall Freie Demokraten, Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN), Thorsten SchäferGümbel (SPD) und Janine Wissler (DIE LINKE))

Ja, es ist sehr erfreulich, dass das Hohe Haus dazu klatscht, leider nicht die AfD. Ich finde es sehr bedauerlich, dass Sie die „Würde des Menschen“ anscheinend überfordert.

(Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das Grundgesetz auch! – Robert Lambrou (AfD): Erst einmal abwarten, was Sie noch zu sagen haben! Wir wollen Sie nicht kompromittieren!)

Was macht eine moderne Migrationspolitik aus? – Asyl für politisch Verfolgte, humanitäre Aufnahme von Bürgerkriegsflüchtlingen, Familienzusammenführung, qualifizierte Einwanderung in den Arbeitsmarkt, aber auch Zurückweisung, Ausweisung und Abschiebung. Ohne Aufenthaltsrecht kann es keinen Aufenthalt geben. Dort, wo viele Flüchtlinge einreisen, wird man zwangsläufig auch mit vielen Abschiebungen rechnen müssen. Wir müssen uns anstrengen, damit die Zahl der freiwilligen Ausreisen zunimmt und sich Abschiebungen damit erübrigen. Jede Abschiebung ist zweifelsfrei eine menschliche Härte.

(Beifall Freie Demokraten und vereinzelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir haben Verständnis für die real erlebten Härten einer Flucht oder für traumatische Erlebnisse und gewähren die nötige Unterstützung. Kein Verständnis bringen wir allerdings Gefährdungen, schweren Straftaten und wiederholtem Fehlverhalten entgegen. Das Instrument der Abschiebung ist daher unverzichtbar. Wir schulden es dem gesellschaftlichen Frieden und den unzähligen friedliebenden und integrationswilligen politisch Verfolgten. Leider sehen wir aber auch, dass viele Abschiebungen scheitern und Abgeschobene später wieder zurückkehren. Die Anstrengungen müssen gesteigert, die Ursachen analysiert werden.

2018 kam es zu 1.754 Abschiebungen aus Hessen. Pauschale Kritik an Abschiebungen ist nicht angebracht. Sehr wohl müssen wir uns einzelne Abschiebungen anschauen, wenn Kritik angebracht ist, damit Abschiebungen unumstritten sein können. Die Würde des Menschen ist aber auch gerade bei Abschiebungen unantastbar.

Das Verfahren bis zur Abschiebung und die Abschiebung an sich sind rechtstaatlich. Vielfältige Abschiebehindernisse werden anerkannt, Duldungen werden ausgesprochen, Hilfen angeboten. Es gibt das Recht, sich an den Petitions

ausschuss zu wenden, danach kommt die Härtefallkommission ins Spiel. All das ist Ausdruck unserer demokratischen Verfassung.

(Beifall Freie Demokraten – Zuruf Saadet Sönmez (DIE LINKE))

Nun wenden wir uns aber dem Innenminister zu. Jetzt wurde bekannt, dass aus Marburg eine hochschwangere Person abgeschoben werden sollte. Es lagen sogar eine Risikoschwangerschaft und eine Reiseunfähigkeitsbescheinigung einer Ärztin vor. Die Tür der Unterkunft wurde am frühen Morgen eingetreten. Bei der Fahrt zum Flughafen hat sich diese Person über Schmerzen beklagt. Die Abschiebung fand dann doch nicht statt, weil der Pilot zu Recht die medizinische Versorgung als nicht gewährleistet ansah. Zum Glück.

Für uns ist Algerien ein sicheres Herkunftsland, nicht für die GRÜNEN. Die Gefährdung der Gesundheit der schwangeren Mutter wurde in Kauf genommen. Die Person floh vor einer salafistischen Familie, sollte zwangsverheiratet werden und fürchtet bei ihrer Abschiebung um ihr Leben. – Hat jemand davon etwas von CDU und GRÜNEN gehört?

(René Rock (Freie Demokraten): Ich nicht!)

Bei diesem Fall scheint etwas gehörig schiefgelaufen zu sein. Leider gibt es im Hessischen Landtag eine unkritische Mehrheit, die dem Innenminister jeden Fehler durchgehen lässt.

(Beifall Freie Demokraten, SPD und DIE LINKE)

Dieser Innenminister muss der glücklichste Innenminister aller Zeiten sein. Er kommt mit allem kritiklos durch.

(Heiterkeit SPD und DIE LINKE – J. Michael Mül- ler (Lahn-Dill) (CDU): Weil er ein guter Minister ist!)

Die GRÜNEN sagen oft: Grün wirkt. – Offensichtlich wirkt Grün falsch. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall Freie Demokraten, vereinzelt SPD und DIE LINKE)

Herzlichen Dank, Herr Kollege Pürsün.

Ich möchte aus gegebenem Anlass noch einmal darauf hinweisen, dass die Kameras bitte an den Orten stehen, wo sie zugelassen sind, und sich an keinen anderen Orten aufhalten. Danke schön.

Nächster Redner für die Fraktion der CDU ist der Kollege Hering. Fünf Minuten. Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Frau Sönmez, damit haben wir nicht viel gewonnen, wenn wir uns die Sachen so um die Ohren schlagen: Unmenschlichkeit, Kaltherzigkeit, Katastrophen.

(Saadet Sönmez (DIE LINKE): Sie sagen immerhin meinen Namen!)

Auch ich habe mir Gedanken gemacht, wie man bei so einer Thematik einsteigt. Es ist eine Thematik, die uns spä

testens seit 2015 in besonderem Maße fordert und betroffen macht. Das ist schwere Kost, durchaus.

Gestatten Sie bitte einem Neueinsteiger auch die Erinnerung daran, dass das Thema Asyl und die Rechtslage dazu in diesem Haus schon öfter erörtert worden sind. Somit geht es mir weniger um detaillierte Ausführungen zu dieser Rechtsgeschichte, vielmehr spüren wir doch alle bei dem Thema der Abschiebungen eine hohe Emotionalität. Diese Emotionalität sehen wir bei den Betroffenen. Ja, für diese Menschen geht es um wirklich viel. Wir sehen diese Emotionalität auch in unserer Gesellschaft. Unser Land hat im Jahr 2015 der ganzen Welt gezeigt, dass uns die Menschen nicht gleichgültig sind.

(Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Was haben Bund und Länder und die Kommunen und die vielen Ehrenamtlichen da geleistet. – Wir sehen aber auch die Emotionalität bei den Behörden und den Einsatzkräften.

Ich persönlich erinnere mich noch an einige Erlebnisse im Zusammenhang mit Rückführungen, auch an persönliche Zerrissenheit. Aber auf persönliches Empfinden, auf persönliche Sichtweisen, die ganz unterschiedlich sein können, darf es nicht ankommen. Wir müssen aufpassen, dass wir und vor allem staatliches Handeln nicht von Emotionen oder gar Polemik bestimmt werden.

(Beifall CDU und vereinzelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Unser Rechtsstaat ist auf das Vertrauen seiner Bürgerinnen und Bürger angewiesen, gerade im Vertrauen darauf, dass geltendes Recht für alle gilt und angewendet wird. Deshalb muss es bei allem Mitgefühl – ja, es geht immer um Menschen, die für sich gute Gründe sehen, in unserem Land zu bleiben – immer um eine ideologiefreie, sachliche Bewertung gehen.

(Zuruf Saadet Sönmez (DIE LINKE))

Wenn aber die Fraktion DIE LINKE schon mit den Vokabeln „unmenschliche Abschiebepraxis“ einsteigt, ist nicht nur der Boden für eine sachliche Auseinandersetzung entzogen. Vielmehr wird den Handelnden, den Verantwortlichen schweres Unrecht unterstellt – und damit auch unserer Gesellschaft, die gerade hier eine klare Erwartungshaltung an einen konsequenten handlungsfähigen Rechtsstaat hat.

(Beifall CDU und vereinzelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Schauen Sie sich doch im Lande um. Vertrauen geht eher dann verloren, wenn geltendes Recht nicht in ausreichendem Maß umgesetzt wird, auch, wenn z. B. vollziehbare Abschiebungen nicht stattfinden.

Unser Asylrecht ist eine der großen Errungenschaften des letzten Jahrhunderts. Mit seiner wirklich filigranen Architektur bietet es jede Menge und ausreichenden Schutz und Prüfungen samt Klageverfahren. Es garantiert den Betroffenen Transparenz, eine frühzeitige Entscheidungsmitteilung, eine intensive Betreuung, auch medizinische Betreuung und, wenn es sein muss, auch bei der Rückführung.

Wenn aber, und das ist wichtig, kein Bleiberecht gewährt wird, wenn daraufhin geltendes Recht umgesetzt wird, geschieht dies nicht aus Unmenschlichkeit. Im Gegenteil, es

geschieht, um unserem menschlichen Anspruch gerecht zu werden, möglichst vielen Menschen in großer Not helfen zu können. Ein funktionierendes Asylsystem mit beschränkten Ressourcen braucht Regelungen. Ein funktionierender Rechtsstaat braucht konsequentes Handeln.

Wäre es nicht so, dann wäre das ein fatales Signal für viele weitere Asylsuchende. Es wäre aber auch ein fatales Signal an alle Bürgerinnen und Bürger, die sich an Rechten und Pflichten ausrichten. Es würde den gesellschaftlichen Frieden gefährden und schlimmstenfalls – das ist das Schlimme und Paradoxe – den Rückhalt für unser Asylrecht, für diese Errungenschaft, und den Rückhalt für die Asylsuchenden schwinden lassen.

(Beifall CDU und vereinzelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sofern der antragstellenden Fraktion der LINKEN tatsächlich an einem funktionierenden Rechtsstaat gelegen ist und nicht etwa an dessen Infragestellung, bitte ich, ohne Diffamierung, ohne Skandalisierung und ohne pauschale Niedermachereien sachlich zu bewerten und den ideologischen Tunnelblick abzulegen, um einfach mehr Vertrauen in Staat und Gesellschaft zu haben. – Danke schön.

(Beifall CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zurufe DIE LINKE)

Vielen herzlichen Dank, Herr Kollege Hering. Das war Ihre erste Rede hier im Plenum des Hessischen Landtags. Im Namen des gesamten Hauses darf ich dazu gratulieren.