Vielen herzlichen Dank, Herr Kollege Hering. Das war Ihre erste Rede hier im Plenum des Hessischen Landtags. Im Namen des gesamten Hauses darf ich dazu gratulieren.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ob wir es Abschiebung oder Rückführung nennen, es ist ein hässliches Wort für einen hässlichen Vorgang. Das Wort impliziert genau das, um was es sich handelt. Menschen werden von einem Ort, an dem sie zu bleiben wünschen oder von dem sie glauben, zu ihrem eigenen oder ihrer Familie Schutz bleiben zu müssen, an einen anderen Ort verschoben, rückgeführt – egal, wie wir es nennen.
Ich bin noch nicht fertig. – Dies geschieht zumindest oft energisch, manchmal auch regelrecht handgreiflich.
Um es gleich zu Beginn zu sagen: Weder meine Fraktion noch ich selbst lehnen Abschiebungen grundsätzlich ab. Es gibt gute Gründe, warum manche Menschen nicht in Deutschland bleiben dürfen. Aber unser Rechtsstaat in Gestalt von Ausländerbehörde und Innenministerium muss alles daransetzen, unverhältnismäßige Vorgehensweisen zu vermeiden und in dieser für alle belastenden und dramatischen Situation, soweit es geht, Menschlichkeit und Sensibilität walten zu lassen.
Hochschwangere Frauen und kleine Kinder aus den Betten, Schüler aus dem Unterricht zu holen, Kranke abzuführen, das kann überhaupt nicht angehen.
Meine Damen und Herren, als unter anderem im Jahr 2015 viele Menschen in unser Land kamen – es ist vorher schon passiert, es wird auch weiterhin passieren –, sind von allen Seiten, auch von der Politik, Loblieder auf das unglaubliche Engagement ehrenamtlich tätiger Menschen gesungen worden, ohne die die Situation damals nicht zu bewältigen gewesen wäre. Das wissen wir alle. Auch diese Ehrenamtlichen werden durch vermeidbare dramatische Abschiebesituationen von Menschen, die sie oft jahrelang betreut haben, regelrecht vor den Kopf gestoßen.
Bevor eine Abschiebung stattfindet, müssen alle zur Verfügung stehenden Möglichkeiten ausgeschöpft worden sein. Das hat nicht nur vor dem Hintergrund der gebotenen Menschlichkeit und Sensibilität zu geschehen, sondern auch im ureigensten Interesse unseres eigenen Landes. Gut integrierte Menschen, die sich nichts haben zuschulden kommen lassen und womöglich einen Arbeitsplatz haben, die seit vielen Jahren unauffällig hier leben, Menschen, die zu unserem Bruttosozialprodukt beitragen, Kinder, deren Alltagssprache Deutsch ist, müssen jede Chance bekommen, weiter friedlich hier zu leben.
Wer trotz allem ausreisen muss, sollte im Heimatland Hilfsangebote erhalten und auch annehmen. Dass das nach sorgfältigster Prüfung so geschieht, dass das transparent geschieht, darauf muss man sich in unserem Rechtsstaat verlassen können, und zwar alle Beteiligten.
Straftäter, Gefährder, Menschen, die nach sorgfältigster Prüfung und mit dem besten Willen nicht bleiben können, müssen gehen und im Extremfall auch rückgeführt oder abgeschoben werden. Das ist auch in unseren Augen so.
Meine Damen und Herren, aber dann wird es wieder hässlich, auch für die Beamtinnen und Beamten, die dieses höchst belastende Prozedere durchzuführen haben. Auch das dürfen wir nicht vergessen. Wir sollten daran denken. Im Namen der Menschlichkeit Milde walten lassen, wo immer es geht, den Menschen nützen und helfen, das muss in unser aller Sinne sein. Auch dadurch wird der Glaube an den Rechtstaat, den manche Menschen vielleicht nicht mehr ganz so stark haben, erhalten. – Ich danke Ihnen.
Herzlichen Dank, Frau Kollegin Müller. – Nächster Redner ist Herr Abg. Bocklet für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.
Hochverehrter Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, die Kollegin Müller hat einen sehr spannenden Satz gesagt, der eigentlich die Debatte auf den Punkt bringt. Diese Frage müssen sich alle Fraktionen in diesem Hause stellen. Frau Müller, Sie haben gesagt, Sie und Ihre Fraktion stellen Abschiebungen nicht grundsätzlich infrage.
Ich glaube, das ist einer der spannenden Punkte. Diesen Satz würde ich gerne auch von der Linkspartei hören; denn
es geht um nicht mehr und nicht weniger als die Frage: Wer für ein menschliches Asylrecht ist, wer dafür ist, dass Menschen, die hierher kommen und vor Bürgerkrieg und Verfolgung flüchten, Schutz ausgesprochen wird, wer will, dass sie ihn hier genießen können, der muss auch wissen, dass es Menschen gibt, die diesen Schutz nicht genießen, und dass diese Menschen zurückgeführt werden müssen. Das ist tragisch, das ist ein großes Schicksal, das ist unangenehm, und es ist – wie haben Sie gesagt? – ein hässlicher Vorgang.
Das ist in der Tat so, aber es gehört zu einem Asylrecht dazu, dass einerseits Menschen Asyl bekommen. Zur anderen Seite der Medaille gehört, dass Menschen, die kein Asyl bekommen, zurückgeführt werden. Das hätte ich von Ihnen irgendwann gerne einmal gehört; denn nicht jede Abschiebung ist unmenschlich, sondern sie gehört zu einem humanen Asylrecht dazu. Das klingt paradox, aber es ist so.
Ich glaube, wir haben es hier mit der schwierigen Positionsfindung der Linkspartei zu tun. Sie streiten immer noch, ob Sie für offene Grenzen sind, ob alle kommen können und, wenn sie da sind, auch alle bleiben können. Da haben Sie durchaus unterschiedliche Positionen in der Linkspartei, und jede Abschiebung finden Sie schrecklich.
Ich will es noch einmal sagen: Es ist nicht lustig. Jede Abschiebung ist in der Tat ein tragischer Vorgang. Er ist oft schicksalhaft, und die Menschen, die davon betroffen sind, kommen in große Not.
Aber ich will auch sagen: Wir haben seit 2015 in Hessen über 110.000 Menschen aufgenommen. Sie fanden Obdach, medizinische und soziale Versorgung. All diese Menschen hatten gute Gründe, ihre Heimat zu verlassen. Niemand hat sie leichtfertig verlassen. Die allermeisten haben das aufgrund politischer Verfolgung getan, oder weil dort Bürgerkrieg herrschte. Aber – ich habe es schon angedeutet – es kamen auch Menschen aus anderen Gründen, etwa wegen Armut oder anderer widriger Umstände.
Deswegen haben wir immer wiederholt: Wir brauchen eine vorausschauende internationale Politik, die mit aller Macht Fluchtursachen bekämpft. Das muss man in dieser Stunde noch einmal sagen. Dazu gehört natürlich auch eine solidarische Europapolitik für die Geflüchteten, die aus Krisen fliehen, um sie gerecht in der EU zu verteilen.
Wenn also unser Asylrecht nicht automatisch allen diesen Schutz zuspricht, dann muss man nach rechtsstaatlichen Methoden den Menschen klarmachen, dass es Rückführungen geben wird. Wir haben selbst da, wie ich finde, noch rechtsstaatliche Methoden und sehr humane Verfahrensweisen. Es werden mehrfach die Abschiebehemmnisse geprüft. Dazu gehört der Gesundheitszustand der Betroffenen, oder ob es andere Möglichkeiten der Duldung gibt. Das wird mehrfach geprüft.
Wenn, wie die Kollegin gesagt hat, hier mehrere Tausend Menschen im Jahr der Rückführung oder Abschiebung anheimfallen, dann kann es in der Tat dazu kommen – diese Fälle greifen Sie von der Linkspartei gerne auf –, dass es zu unverhältnismäßigem Umgang kommt; so wirkt es zu
mindest in den Medien. So ist entweder die Frau schwanger, oder es geschieht aus Krankenhäusern oder anderen Einrichtungen heraus.
Wir plädieren dafür, solche Härten zu vermeiden. Zu der ganzen Geschichte gehört aber auch, dass dieser Personenkreis zum Teil seit Jahren weiß, dass er hier nicht bleiben kann, dass er seit Jahren aufgefordert wird, das Land zu verlassen, und die Möglichkeit der selbstbestimmten Ausreise besteht.
Weil Sie immer fragen: „Was heißt schon freiwillig?“, will ich es Ihnen gerne beantworten: Freiwillig heißt, dass sie es selbstbestimmt tun und ohne Polizeigewalt.
(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und CDU – Janine Wissler (DIE LINKE): Das ist doch nicht selbstbestimmt!)
Sie verschweigen, dass sie schon jahrelang oder monatelang vorher aufgefordert werden, das Land zu verlassen. Wenn sie dem nicht nachkommen, erst dann wird die zwangsweise Rückführung ausgesprochen. Das verschweigen Sie. Ich finde, wir sollten bei der Versachlichung der Diskussion bleiben.
Versuchen Sie nicht, dieses Bild zu stellen; denn wir verhelfen hier dem Rechtsstaat zum Durchbruch, weil wir ein humanes Asylrecht, eine humane Integrationspolitik haben wollen. Aber es wird auch Menschen geben, die nicht in diesen Schutz kommen. Dann gehört es dazu, sie zurückzuführen. Vor dieser Aussage drücken Sie sich, weil Sie im Kern sagen, dass jede Abschiebung inhuman ist.
Diese Position teilen wir nicht, und Sie sind sich offensichtlich noch nicht im Klaren, was Sie wollen. Wir haben eine klare Position: Zum humanen Asylrecht gehören zwei Seiten der Medaille. Wir wollen den Menschen den Schutz gewähren, die ihn brauchen.
Diejenigen, die ihn nicht haben, müssen das Land wieder verlassen. Wir wünschen uns natürlich, dass es freiwillig, verhältnismäßig und selbstbestimmt passiert. Aber die, die es nicht machen, werden mit Polizei ausreisen müssen. Man kann nicht jede Abschiebung als inhuman titulieren. Da müssen Sie Ihr Verhältnis zum Asylrecht schon einmal definieren. Damit haben Sie noch große Probleme.
(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und CDU – Janine Wissler (DIE LINKE): Bei einer Schwangeren im achten Monat ist es trotzdem inhuman!)
Bevor ich Herrn Staatsminister Beuth für die Landesregierung das Wort erteile, habe ich die Bitte an die Geschäftsführer, vielleicht darüber nachzudenken, wie wir dann mit der Mittagspause umgehen, ob wir weitermachen oder ob wir Mittagspause machen.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich vorweg eine Bemerkung machen, weil ich sie sehr wichtig finde, und nicht, weil ich hier die Stimmung beeinträchtigen möchte. Aber ich will schon sagen, Frau Kollegin Sönmez, wenn Sie hier erklären, dass im Lande Hessen die Menschenrechte mit Füßen getreten werden, dann weise ich das energisch zurück. Das ist schlicht nicht richtig.