Protokoll der Sitzung vom 28.04.2021

Sie fragen sich: Wer aus Ihrer Fraktion? – Ich dachte, Sie wüssten so gut Bescheid; denn Sie sind doch bekannt dafür, dass Sie Dossiers über Ihre Abgeordneten führen.

(Heiterkeit und Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN, CDU und DIE LINKE – Robert Lambrou (AfD): Sie wollen verletzen! – Weitere Zurufe AfD)

Zur Ergänzung: Herr Lambrou, ich empfehle Ihnen einen Blick in den Telegram-Channel des Kollegen Schenk. Da stehen all diese antisemitischen Verschwörungsideologien drin.

(Zuruf BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ja!)

Da ist, wenn ich den Kollegen Rahn zitieren darf, in Ihren „Stasimethoden“ offenbar noch eine Lücke.

(Heiterkeit und Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und CDU – Dr. Frank Grobe (AfD): Oh!)

Meine Damen und Herren, die Partei und die Fraktion der AfD stehen ganz offensichtlich mit unserem Grundgesetz auf Kriegsfuß.

(Zuruf AfD: Nein!)

Aber unsere Demokratie ist wehrhaft, und wir werden unsere Verfassung mit allen demokratischen Mitteln gegen Ihre Angriffe verteidigen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und CDU)

Zum Schluss noch ein paar Worte der Hoffnung, die ich habe: Mit der Wahl des US-Präsidenten Biden hat die Verschwörungsszene einen ziemlich schweren Schlag erfahren. Sogar für die fanatischsten Anhänger dieser Verschwörungsideologien hat sich herausgestellt, dass es keinen Deep State, keinen QAnon gibt. Sogar fanatischste Anhänger dieser Ideologien haben dem abgeschworen.

Ich habe die große Hoffnung, dass wir in Deutschland und in Europa zügig mit dem Impfen vorankommen, dass wir wieder lockern können, dass wir zu der Freiheit und zu unserem Alltag zurückkehren können und dass all die Menschen, die jetzt nicht nur verunsichert sind, sondern darüber hinaus Verschwörungsideologien verbreiten, dies anerkennen und zu einem gesellschaftlichen Diskurs zurückkehren werden, der auf Wissenschaft und Meinungsfreiheit basiert.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und CDU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, dann ist die Zeit gekommen, dass wir bereit sind, zu verzeihen und diesen Menschen wieder unsere Hand zu reichen. – Vielen Dank.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und CDU – Zurufe AfD: Oh!)

Vielen Dank, Herr Abg. Schauder. – Für die Landesregierung hat nun Staatsministerin Puttrich das Wort.

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren!

(Zuruf: Herr Präsident?)

Die Debatte hat gerade gezeigt, dass es ausgesprochen wichtig ist, dass ein solcher Antrag heute hier im Hessischen Landtag beraten wird. Lassen Sie mich zwei Vorbemerkungen machen.

Man sieht, dass auf beiden Flügeln – von mir aus gesehen auf der äußerst rechten und auf der äußerst linken Seite dieses Hauses – offensichtlich ein Verständnis vorhanden ist, das ich keinesfalls teilen kann. Wenn ich mir die Rede der AfD anhöre, stelle ich fest, sie ist, wenn es um Europa geht, geprägt von Feindseligkeit,

(Dr. Frank Grobe (AfD): EU, EU! Merken Sie sich das mal! – Gegenruf BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Hey, hey, hey!)

von Neid, von Ausgrenzung und von Aggression. Wenn Sie von Ihrer Seite leugnen, dass Sie aus der Europäischen Union aussteigen wollen, und es hier anders darstellen, als es tatsächlich der Fall ist, rufe ich in Erinnerung, dass Sie bei Ihrem Parteitag in Dresden gegen Ihren Parteivorsitzenden Meuthen beschlossen haben, aus dieser Europäischen Union auszusteigen. Insofern ist das eine Klitterung der Realität. Ich kann nur sagen: Sie zeigen ein europahässliches Gesicht und Sie sind gesellschaftliche Brunnenvergifter.

(Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und Freie Demokraten)

Wenn ich zur linken Seite schaue, muss ich sagen: Ich bedauere, dass Sie hier äußern, dass man, wenn man diesen Tagesordnungspunkt heute hier behandelt, nicht weiter von der Lebensrealität der Hessen entfernt sein könne.

Wir sind in der Woche vor der Europawoche. Unsere Aufgabe ist es, für Europa zu werben. Wenn wir nicht anlässlich dieser Woche darüber reden, verpassen wir eine Chance, über die Europäische Union zu reden.

(Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD – Widerspruch Janine Wissler (DIE LINKE) – Zuruf DIE LINKE: Herr Müller hat die Chance verpasst! – Weitere Zurufe DIE LINKE)

Insofern kann ich nur anmerken: Da sind Sie weit weg von der Realität der Menschen hier in Hessen.

Lassen Sie mich noch diesen Satz dazu sagen: Ihre Bemerkungen zur sozialen Marktwirtschaft erschüttern mich zu

tiefst. Die soziale Marktwirtschaft ist für uns ganz klar die gesellschaftliche und wirtschaftliche Grundordnung unseres Staates, an der ich keinesfalls gerüttelt wissen möchte.

(Beifall CDU und Freie Demokraten)

Sehr geehrte Damen und Herren, selbstverständlich ist es wichtig, dass wir vor der Europawoche über dieses Thema reden. Wir hatten eine Verfassungsänderung. Wir hatten eine Volksabstimmung. Sie ist nicht lange her. Sie fand im Jahr 2018 statt. Im Jahr 2018 haben sich immerhin 82,4 % der Menschen in Hessen, die daran teilgenommen haben,

(Dr. Frank Grobe (AfD): Die daran teilgenommen haben!)

dafür ausgesprochen, dass der europäische Gedanke in die Hessische Verfassung aufgenommen wird. Also haben wir auch den Auftrag, dafür zu kämpfen und uns dafür einzusetzen.

(Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Freie Demokraten)

Insofern ist es völlig richtig, dass heute hier darüber gesprochen wird und dass ein entsprechender Antrag behandelt wird. Das begrüße ich außerordentlich. Er beinhaltet zwei wesentliche Punkte: zum einen das Bekenntnis zu Europa und damit zur Europäischen Union und zum anderen selbstverständlich die Absage an Extremismus und Gewalt.

Sehr geehrte Damen und Herren, die europäische Einigung ist seit vielen Jahrzehnten der Garant für ein friedliches Europa. Europa war nie friedlicher als in der Gegenwart. Wir sind längst mehr als ein Binnenmarkt. Wir sind eine Wertegemeinschaft, auch wenn es manchmal schwierige Diskussionen darum gibt, und wir sind eine Friedensgemeinschaft. Dies gilt für die Gegenwart, aber auch mit Blick auf die Zukunft.

Wir brauchen die Europäische Union, weil sie der Garant dafür ist, dass Deutschland von Freunden umringt

(Dr. Frank Grobe (AfD): „Umzingelt“, sagte Kohl!)

in eine friedliche Zukunft schauen kann. Schon an den Außengrenzen der Europäischen Union, in Weißrussland oder in der Ukraine, zeigt sich, dass Frieden kein Geschenk ist. Die zunehmend multipolare Blockbildung zwischen den USA, Russland und China macht deutlich, dass wir als Deutsche unsere Interessen nur im Geleitzug einer gemeinsamen europäischen Außen- und Sicherheitspolitik werden durchsetzen können.

(Beifall CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir brauchen die Europäische Union, damit wir unseren Wohlstand aufrechterhalten können. Der europäische Binnenmarkt schafft die Voraussetzung für unseren Wohlstand. Um es klar zu sagen: Die wirtschaftliche Kooperation ist die Grundlage für die soziale Dimension Europas. Insofern brauchen wir einen gut funktionierenden Binnenmarkt für eine gute wirtschaftliche Zusammenarbeit und für einen guten wirtschaftlichen Erfolg.

(Vereinzelter Beifall CDU)

Wir brauchen die Europäische Union, um unsere Werte von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit auch in Zukunft sichern zu können. Wir erleben derzeit, dass demokratische Prozesse von außen attackiert werden. Denken Sie etwa an die Angriffe auf die IT-Infrastruktur des Bundestages oder

an den Versuch, die Wahlen in den USA zu beeinflussen. Auch diesen Angriffen können wir nur gemeinsam standhalten. Wenn einer von uns angegriffen wird, müssen wir uns alle miteinander angegriffen fühlen. Wenn hinter solchen Desinformationskampagnen Staaten stehen, ist eine Reaktion aller Mitgliedstaaten der Europäischen Union erforderlich.

Meine Damen und Herren, die Herausforderungen sind selbstverständlich groß. Aber gerade weil wir vor großen Herausforderungen stehen, müssen wir uns selbstverständlich groß zeigen. Das ist letztlich die Begründung für die Europäische Union: Einheit in Vielfalt, Größe da, wo es notwendig ist, sowie das Gebot der Subsidiarität in allen Bereichen.

(Dr. Frank Grobe (AfD): Aha, aha!)

Wir brauchen das Miteinander; diese Erkenntnis begründet Europa jeden Tag aufs Neue. Das macht auch das Bekenntnis zu unserer demokratischen Grundordnung aus. Deshalb brauchen wir diese Europäische Union.

(Beifall CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Man kann sich fragen: Warum ein solches Bekenntnis gerade jetzt? DIE LINKE hat gefragt: Warum überhaupt? Wir arbeiten doch derzeit mit aller Kraft gegen die CoronaPandemie an. Kann das nicht warten? – Nein, es kann nicht warten. Dieser Antrag ist genau jetzt notwendig geworden. Gerade die heutige Debatte hat das gezeigt.

Im Umgang mit der Pandemie wurden und werden durchaus auch Fehler gemacht, keine Frage. Weitreichende Entscheidungen wurden getroffen. Wir haben die Diskussion um die Bundes-Notbremse erst gestern erlebt. Aber es gab und es gibt keine Blaupause, wie man ohne Fehler durch eine weltweite tödliche Pandemie kommt. Es gibt sie weder in Deutschland noch in anderen europäischen Staaten, noch in der Europäischen Union insgesamt. Aber wir müssen uns diesen Herausforderungen gemeinsam stellen; denn nur gemeinsam können wir das schaffen.

Es gibt gesellschaftliche Gruppierungen, die die jetzige Situation und auch die Corona-Krise zum Vorwand nehmen, um unsere gesamte Ordnung infrage zu stellen. Die Pandemie wird für krude Thesen und Verschwörungstheorien ausgenutzt. Ich spreche ganz bewusst von „ausgenutzt“, weil ich den Hintermännern und -frauen unterstelle, dass sie es eigentlich besser wissen müssten.