Wem der Finanzplatz Frankfurt mit seinen Arbeitsplätzen am Herzen liegt, der sollte zumindest darauf schauen, wie sich das arbeitsplatzmäßig auswirkt. Die Scheu vor der Schaffung von Arbeitsplätzen bemerken wir beispielsweise, wenn wir versuchen, einen echten Menschen im Kundenservice der Fintechs zu erreichen. Wir merken auch, dass die Fintechs ihren Aufgaben z. B. bei der Geldwäschebekämpfung, für deren Erfüllung herkömmliche Banken riesige Abteilungen unterhalten, oft äußerst zähneknirschend nachkommen. Der Fall Wirecard war sicherlich mit einer besonderen kriminellen Energie verbunden. Aber er konnte auch deshalb seine riesige Dimension entwickeln, weil die Aufsicht und Regulierung dort unterentwickelt war und weil die Begeisterung über das deutsche Fintech in Behörden und Politik vielleicht etwas zu ausgeprägt gewesen ist.
Das könnte sein. – Generell ist vielen Fintechs gemein, dass sie nicht unbedingt auf nachhaltigen gesellschaftlichen Nutzen orientiert sind. Sie zielen oft auf schnelles Wachstum, und das Geschäft macht oft noch keine Gewinne, aber es füllen sich schon die Taschen der Gründer durch einen Verkauf oder Börsengang.
Dann ist die Frage: Brauchen wir Platz 1? Müssen wir wirklich der erste Standort sein? – Nein. Das sehe ich in der Tat nicht so. Es ist so, alle können natürlich Platz 1 erreichen, aber nicht jeder und jede. Wenn die einzelnen Parteien in den Länderparlamenten sitzen und jedes Mal proklamieren, dass sie auf Platz 1 sein wollen, dann werden sie 15-mal scheitern. Ich habe das Gefühl, in Hessen wird man mit diesem Anspruch auch scheitern, wenn ich mir jedenfalls die bisherige Tabellenlage anschaue.
Wir verschließen uns nicht gegenüber Weiterentwicklungen und Innovationen. Aber wir empfehlen zugleich, kritisch und wachsam zu bleiben, die neuen Akteure und Technologien zu beobachten und, wo nötig, auch zu regulieren.
Es ist klar, die FDP will den Fintechs eher den roten Teppich ausrollen. Sie erhoffen sich neue Impulse für den Finanzplatz Frankfurt, und die mag es auch geben. Aber es ist fraglich, ob es die richtigen Impulse sind.
Meine Damen und Herren von der FDP, normalerweise lassen Sie doch den Markt hochleben, nach dem Motto: Wer sich am Markt nicht durchsetzen kann, der hat eben Pech. – Das ist Ihr normales Credo. Jetzt auf einmal soll der Staat aktiv werden, um Fintechs zu fördern. Aus unserer Sicht, aus Sicht der LINKEN, ist gegen staatliche Förderung nichts zu sagen. Aber die Frage muss erlaubt sein, nach welchen Kriterien diese Förderung erfolgen soll. Da bleiben Sie höchst vage.
Wie hoch soll der Umfang der Förderung sein? Welche qualitativen Förderkriterien haben Sie? Sollen alle technologiegetriebenen Finanzdienstleistungen gefördert werden? Sie formulieren keine qualitativen und quantitativen Ziele. Infolgedessen können Sie auch keine Evaluierung betreiben.
Wir verschließen uns nicht gegenüber Innovationen. Menschen sollen bessere Produkte und Dienstleistungen und
Arbeitsplätze schaffen. Aber diese Innovationen müssen der Gesellschaft nutzen und dürfen nicht nur der Profitmaximierung dienlich sein. Wachstum ist aus unserer Sicht kein Selbstzweck. Es kommt sehr darauf an, was wächst. Wenn Finanzdienstleister wachsen, wachsen und wachsen, bis sie irgendwann platzen, und die gesamte Gesellschaft die Folgen zu tragen hat, dann ist das aus unserer Sicht schlecht.
Wenn beispielsweise mehr für Bildung und mehr für die Gesundheitsversorgung der Bevölkerung getan wird, dann wäre das gut. Deswegen sage ich: Im Vordergrund ist zu fragen, ob die Produktion bzw. die Dienstleistung, die erbracht wird, sinnvoll ist und ob sie auch ohne staatliche Förderung zu erbringen ist. Denn die Förderprogramme werden von Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern bezahlt.
Insoweit sollten sie an entsprechende Kriterien gebunden werden, einerseits was die Produkte angeht: gesellschaftlicher Nutzen. Was die Betriebe selbst angeht, ist es von der SPD auch schon angesprochen worden: Fragen wie Tarifbindung und Mitbestimmung sollten auch eine Rolle spielen. Das scheint mir aber bei Fintechs nicht gerade übermäßig ausgeprägt zu sein. Darauf sollten wir ein größeres Augenmerk legen.
In diesem Sinne: Nicht einfach kriterienlos schauen, ob wir möglichst viele Fintechs haben, sondern wir sollten schauen, was inhaltlich dabei herauskommt. Das wäre der Maßstab für eine vernünftige, unideologische Wirtschaftspolitik. – Schönen Dank, meine Damen und Herren.
Vielen Dank, Herr Abg. Gerntke. – Als Nächster hat sich der Abg. Bamberger für die CDU-Fraktion zu Wort gemeldet.
Frau Präsidentin, geschätzte Kolleginnen und Kollegen, liebe Zuschauer im Livestream! Zunächst – vielleicht bekomme ich auch einen Applaus von der FDP – herzlichen Dank an die FDP für den hier zu beratenden Antrag zum Fintech-Standort Frankfurt
ich habe damit gerechnet –, der in seiner Grundintention und in seinem Aufbau an recht ähnliche Anträge aus der jüngeren Vergangenheit erinnert. Wir hatten im November den Start-up-Antrag. Hier liegt nun die Fokussierung auf der Fintech-Branche.
So gibt uns dieser Antrag einmal mehr die Gelegenheit, auf die verschiedenen sehr erfolgreichen Aktivitäten der Hessischen Landesregierung sowie die Vielfalt der Förderkulisse des Landes Hessen hinzuweisen, vor allem für Start-ups generell, aber auch für den Finanzplatz Frankfurt im Speziellen.
Zunächst darf ich aber auf den „German Fintech Report 2021“ eingehen. Das ist nach meiner Recherche der aktu
ellste zur Verfügung stehende Fintech-Report. Tobias Eckert hat das eben angesprochen: Es kursiert eine ganze Reihe von Studien, und offensichtlich weichen sie in erheblicher Weise voneinander ab. Ich beziehe mich hier auf die Studie der Branche selbst.
Um die Wettbewerbsfähigkeit des Finanzstandorts Deutschland zu erhalten, ist eine lebendige und innovative deutsche Fintech-Szene unverzichtbar.
Hier wird schon eines deutlich: Die Frage des Finanzplatzes Deutschland mit seinem Schwerpunkt Frankfurt ist nicht von der Frage des Klein-Klein und des Wettbewerbs der deutschen Standorte untereinander abhängig. Im globalen Wettbewerb ist es geradezu lächerlich, die einzelnen innerdeutschen Standorte protektionistisch gegeneinander auszuspielen. Der Finanzplatz Deutschland, und hier speziell Deutschland als wichtiger Hub für die Fintech-Branche, kann nur dann erfolgreich, leistungsstark und global wettbewerbsfähig sein, wenn diese Standorte vernetzt miteinander den Standort Deutschland selbstbewusst und gemeinsam vertreten.
Genau das ist im Übrigen der Ansatz der Branche selbst: Kompetenzen, Ressourcen, Know-how und Spirit bündeln und damit ein deutsches Fintech-Ökosystem erfolgreich im internationalen Wettbewerb zu platzieren. Da passt der – das muss ich so sagen – etwas kleinkarierte Ansatz der FDP nicht wirklich hinein. Sie suchen sich einmal mehr einen Parameter aus der Vielzahl der zur Verfügung stehenden Studien aus, um den Standort Frankfurt einmal mehr als Schlusslicht dastehen zu lassen – ausschließlich mit dem Ziel, der Landesregierung einmal mehr vermeintlich unzureichende Arbeit nachweisen zu können.
Meine sehr verehrten Damen und Herren von der FDP, in Frankfurt stehen Sie ebenso in der Regierungsverantwortung wie neuerdings in der Bundesregierung – auch ein blindes Huhn findet mal ein Korn.
Deswegen sollten Sie sich überlegen – ich höre lautes Gackern –, ob dieses Frankfurt-Bashing auf Dauer wirklich gut und zuträglich für den Finanzplatz Frankfurt ist.
Eines will ich ganz klar sagen. Die die Regierung tragenden Fraktionen von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und CDU stehen uneingeschränkt hinter und zu Frankfurt als Finanzplatz.
Jetzt komme ich einmal auf die Verteilung der Fintechs in Deutschland zu sprechen. Das Fintech-Ökosystem Deutschland besteht derzeit aus insgesamt 639 aktiven Fintechs. Das Ökosystem ist dezentral organisiert. Darüber wurde vielfach gesprochen. 576 dieser Fintechs – das sind 90 % – sind innerhalb der großen Fintech-Hubs Berlin, Hamburg, Nordrhein-Westfalen, Rhein-Main, Baden-Württemberg und Bayern ansässig. Berlin beherbergt als größter Hub 182 der deutschen Fintechs. Das sind 28 % der deutschen Fintechs. Baden-Württemberg beherbergt als kleinster Hub 49. Das sind 8 %. Frankfurt rangiert mit 118 Fin
Kommen wir einmal zu den Gründungsaktivitäten. Zwischen 2018 und 2020 wurden 243 Fintechs gegründet. Die Verteilung der Gründungen entspricht in ihrem Verhältnis annähernd den eben gerade beschriebenen Größenverhältnissen. Berlin ist mit 70 Gründungen Spitzenreiter, während München und Frankfurt eng beieinander mit 39 bzw. 41 Gründungen um Platz 2 kämpfen.
Kommen wir zu einem sehr wichtigen Faktor. Das ist die Eigenkapitaltransaktion. An diesem Parameter erkennt man, dass Frankfurt alles andere als erfolglos dasteht. Von 2018 bis 2020 wurden insgesamt 482 Eigenkapitaltransaktionen durchgeführt. Hier sind wir rein numerisch unterwegs, und tatsächlich nicht in der Größenordnung. Da stimme ich zu. Davon entfallen 166 auf Berlin, 80 auf Frankfurt und 78 auf München. Auch da rangiert Frankfurt auf Platz 2.
Insgesamt kommt der Report bei der dezidierten Betrachtung Frankfurts zu einer sehr guten Standortbewertung. Der Bedeutung Ihres Antrags entsprechend, habe ich mir die Mühe gemacht, eine Textpassage zur Förderkulisse des Landes Hessen aus meiner Rede vom November 2021 zum Start-up-Standort Hessen noch einmal herauszusuchen. Ich trage es auch gerne noch einmal vor:
Die Vielfalt der Finanzierungsinstrumente, die Vielfalt der Fördermöglichkeiten, die Bereitstellung von Netzwerken und die Förderung von Workingspaces aller Art bilden gerade heute eine Förderkulisse ab, die noch nie so weit entwickelt war...
Das gab es auch nicht in den Zeiten, als die FDP in Hessen mitregiert hat. Exemplarisch darf ich die Start-up-Initiative, den Masterplan zur Start-up-Region Frankfurt/RheinMain und die Start-up-Initiative 2.0 nennen. Nicht umsonst spricht der Start-up-Monitor von einem insgesamt aktiven Start-up-Ökosystem. Mit dem StartHub Hessen, der schon mehrfach genannt wurde, bieten wir bei der Hessen Trade & Invest GmbH eine zentrale Anlaufstelle für Start-ups und Investoren.
Das Land Hessen beteiligt sich im Übrigen auch aktiv an der Bereitstellung des Risikokapitals, nämlich in Form der Beteiligungsfonds des Landes Hessen, des Futury Venture Fonds und des Futury Regio Growth Fonds. Lieber Tobias Eckert, jetzt komme ich doch zu den ganzen Anglizismen. Sie sind an dieser Stelle exemplarisch zu nennen.
Sie sehen, das, was das Land Hessen tun kann, um die unterschiedlichsten Förderbedarfe abzudecken, tut es auch. Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, das tut es unter anderem sehr erfolgreich. Das ist so, auch wenn Sie das nicht unbedingt wahrhaben wollen.
Ein wesentlicher Treiber der hohen Dynamik in den internationalen Märkten ist die fortschreitende und in ihrer berauschend schnellen Entwicklung kaum mehr zu beherrschende Digitalisierung. Das ist der Motor für die FintechBranche. Gerade hier konzentrieren wir uns mit unseren Bemühungen in ganz besonderer Weise. Das geschieht mit dem Förderprogramm Distr@l. Da unterstützen wir hessische kleine und mittlere Unternehmen und Start-ups finan
ziell bei der Entwicklung ihrer digitalen Produkte, Dienstleistungen und Prozesse. Da tun wir sehr aktiv etwas.
Landesseitig unterstützen wir mit verschiedenen Finanzierungen und Beteiligungsprogrammen, die ich eben gerade schon genannt habe. Sie richten sich speziell an Gründerinnen und Gründer. Sie sorgen dafür, dass das Start-up-Ökosystem, das wir in Hessen haben, eben all das bekommt, was es braucht, um wachsen und gedeihen zu können.