Protokoll der Sitzung vom 03.02.2022

Wir sind am Ende der Aussprache zu diesem Tagesordnungspunkt 68. Der wird an den Ausschuss für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Wohnen überwiesen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 20 auf:

Dritte Lesung Gesetzentwurf Fraktion der Freien Demokraten Gesetz zur Stärkung der öffentlichen Bibliotheken (Starke Bibliotheken Gesetz (StarkBiblG)) – Drucks. 20/7771 zu Drucks. 20/6883 zu Drucks. 20/5901 –

Zur Berichterstattung darf ich Herrn Dr. Naas hierher bitten. Ich gehe davon aus, dass Sie dann einfach direkt weitermachen? – Nein. Dann machen wir es so, wie es hier steht.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich darf Ihnen zunächst die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wissenschaft und Kunst vortragen. Der Ausschuss für Wissenschaft und Kunst empfiehlt dem Plenum, den Gesetzentwurf in dritter Lesung abzulehnen. Dieser Beschluss ist erfolgt mit den Stimmen von CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD gegen Freie Demokraten und AfD bei Enthaltung der LINKEN. – Herzlichen Dank.

Vielen Dank für die Berichterstattung, Herr Dr. Naas. – Ich eröffnet die Aussprache und darf als erster Rednerin der Kollegin Schmidt für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN das Wort erteilen. Oder wollt ihr das anders machen? Völlig freie Verfügung. – Frau Schmidt, wir haben uns jetzt so auf Sie gefreut, dann kommen Sie auch. Danke schön.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Eine meiner besten Freundinnen ist Literaturkritikerin. Wenn ich sie besuche, frage ich sie immer: Beate, was soll ich lesen? – Entweder drückt sie mir einen Stapel Bücher in die Hand, oder sie schickt mir eine sorgfältig ausgearbeitete Literaturliste zu, in dem Fall auch ein Zitat über eine Bibliothek, das ich Ihnen kurz vorlesen möchte. Das Buch ist von Monika Helfer und heißt „Vati“:

„Hier“, sagte er, „hier stehen 1324 Bücher. Das darf sich eine Bibliothek nennen.“ „Und bis wann ist es noch keine Bibliothek?“, fragte ich. „Wenigstens ein Regal muss voll sein“, sagte er. „Aber eines vom Boden bis zur Decke, und wenigstens einen Meter breit muss es sein. Dann kann man es gelten lassen.“ „Und was für Bücher müssen es sein?“ „Das ist die klügste Frage“, sagte er. Dabei hatte ich mir die Frage gar nicht aus dem Nichts ausgedacht. Ich erinnerte mich, was er irgendwann gesagt hatte: Nicht jeder Dreck, den man lesen könne, sei hintereinandergereiht schon eine Bibliothek.

Allen, die keine Literaturkritikerin zur Freundin haben und ein gutes Buch lesen möchten, empfehle ich also einen Besuch in einer unserer wunderbaren hessischen Bibliotheken.

(Zuruf: Was für eine Einleitung! – Beifall BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN, vereinzelt CDU und Freie Demokraten)

Gerade während der Pandemie hat sich noch einmal deutlich gezeigt, wie wichtig Bibliotheken für uns Menschen sind; denn sie sind eben nicht nur Orte der Stille, sondern vor allem auch soziale Treffpunkte. Genau deshalb war uns die Novellierung des Hessischen Bibliotheksgesetzes, die wir im Dezember-Plenum verabschiedet hatten, auch ein so großes Anliegen; denn damit stärken wir die Bibliotheken in unserem Land, als Orte der Kultur, als Orte der demokratischen Teilhabe und als Orte der politischen Willensbildung.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, vereinzelt CDU und Freie Demokraten)

Aber nun zum Gesetzentwurf der FDP. Es ehrt Sie sehr, lieber Herr Kollege Naas, dass Sie sich so intensiv mit unseren hessischen Bibliotheken auseinandersetzen,

(Demonstrativer Beifall Oliver Stirböck (Freie De- mokraten))

und in vielen Punkten sind wir uns auch einig. Ich möchte trotzdem noch einmal die beiden Punkte nennen, an denen wir keinen Konsens erzielen konnten. Das eine ist die Sonntagsöffnung. Ja, die Ampelkoalition hat vereinbart, dass die Sonntagsöffnung ermöglicht werden soll. Aber dazu muss das Arbeitszeitgesetz geändert werden. Insofern

dürfen wir sehr gespannt nach Berlin schauen, ob das überhaupt rechtlich möglich ist.

Der zweite Punkt ist die Kostenfreiheit und die damit verbundene stärkere Finanzierung durch das Land, sofern dieser Vorschlag von Ihnen wirklich ernst gemeint ist. Ehrlich gesagt, habe ich dazu keinen Änderungsantrag von Ihnen zum Haushalt 2022 gefunden; darüber habe ich mich ein bisschen gewundert. Auch gibt es bundesweit kein einziges Bibliotheksgesetz, das überhaupt diese Kostenfreiheit regelt. Wir unterstützen als Land die kommunale Aufgabe; das machen wir, wie ich finde, sehr gut. Das machen wir deswegen, weil uns Bibliotheken eine besondere Verbundenheit mit der Welt vermitteln, und deswegen liegen sie uns so am Herzen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

In Ihrem Änderungsantrag – auch darauf will ich noch einmal ganz kurz eingehen – fordern Sie einen Bibliotheksentwicklungsplan. Sicher, das ist ein sinnvolles Instrument für ein Bundesland, das noch kein Bibliotheksgesetz hat. In Hessen aber sind wir weiter, wir haben unser eigenes Bibliotheksgesetz fortgeschrieben und verbessert, und zweitens haben wir in Hessen einen großen Beteiligungsprozess um den Masterplan Kultur mit den ganzen vielen Kulturschaffenden in Hessen. Da sehen wir Kultur und Kunst in ihrem Gesamtzusammenhang, spartenübergreifend und flächendeckend. Deswegen würde ich bitten, dass wir diesen Prozess doch erst einmal abwarten, bevor wir ins Detail gehen. – Deshalb werden wir Ihren Entwurf diesmal wieder ablehnen.

(Dr. Stefan Naas (Freie Demokraten): Diesmal?)

Wieder. – Trotzdem möchte ich mich bei Ihnen und den anderen Kollegen noch einmal für die intensive Debatte zu den hessischen Bibliotheken bedanken; denn Sie haben Bibliotheken noch einmal ins richtige Licht, nämlich ins Rampenlicht, gerückt. – Vielen Dank.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und CDU)

Vielen Dank, Frau Kollegin Schmidt. – Nächste Rednerin ist die Abg. Elisabeth Kula, Vorsitzende der Fraktion DIE LINKE.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich mache es kurz. Wir haben jetzt schon im Rahmen zweier Gesetzentwürfe – einmal der Landesregierung und einmal der FDP – ausführlich über unsere Bibliotheken in Hessen diskutiert. Ich glaube, die Argumente sind ausgetauscht. Positiv hervorheben möchte ich auf jeden Fall, dass die FDP noch einmal Veränderungen an ihrem Gesetzentwurf vorgenommen hat; das finde ich gut.

(Dr. Stefan Naas (Freie Demokraten): Die sollten Ihnen gefallen!)

Die gefallen mir auch tatsächlich, das finde ich sehr gut. – Die Frage der Mahngebühren war in der Anhörung ein zentraler Punkt, und ich finde es gut, dass Sie dort nachgebessert haben, dass die Mahngebühren jetzt wegfallen sollen. Die komplette Gebührenfreiheit ist der richtige Weg, allerdings haben Sie in Ihrem Gesetzentwurf noch immer

die Sonntagsöffnung drin. Ja, Bibliotheken öffnen auch jetzt schon sonntags, aber eben mit ehrenamtlichen Kräften, alles andere müsste man über das Arbeitszeitgesetz im Bund regeln. Deswegen finden wir es nicht richtig, dass das drinsteht, haben uns bisher enthalten und werden das auch weiterhin tun.

Ich möchte noch einen Punkt anmerken: Man kann viel in diese Gesetze hineinschreiben, aber letzten Endes geht es darum, dass die Bibliotheken das, was dort drinsteht, dritter Ort usw., auch wirklich umsetzen können. Da ist dann schon die Frage, wer das Ganze denn finanziert. Bisher sind die Bibliotheken in Hessen leider oftmals unterfinanziert. Daran muss sich grundsätzlich etwas ändern.

Wir hätten uns gewünscht, dass Bibliotheken zur kommunalen Pflichtaufgabe werden. Dann hätte auch das Land die Pflicht gehabt, die Kommunen und die Bibliotheken so auszustatten, dass sie diese neuen Aufgaben auch gut erfüllen können.

Von daher: Wir haben jetzt einen Prozess in der Diskussion gehabt, das Gesetz der Landesregierung ist jetzt beschlossen. Den Gesetzentwurf der FDP finden wir grundsätzlich ein bisschen besser, aber, wie gesagt, aufgrund der Sonntagsöffnung können wir leider nicht zustimmen. Deswegen werden wir uns weiterhin enthalten.

(Beifall DIE LINKE)

Vielen Dank, Frau Kollegin Kula. – Nächster Redner ist der Abg. Dr. Grobe für die Fraktion der AfD.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! In den letzten Lesungen zu diesem Gesetzentwurf haben einige Abgeordnete aus Büchern zitiert, auch Frau Schmidt war heute so frei. Da dies heute scheinbar parlamentarische Sitte ist und im Bundestag ein Parlamentspoet angedacht ist, möchte ich nicht zurückstehen.

(Beifall AfD)

Ich werde aber keinen Alltagstext vortragen, sondern einen Auszug aus einem Werk wiedergeben, welches zur sprachlichen deutschen Hochkultur zählt. Wer der Autor ist, werde ich erst gleich auflösen, aber vielleicht erraten Sie ihn ja vorher.

Mein Liebchen, wieder sitze ich in der langweiligen Commission und schreibe Dir auf die Gefahr hin, wieder falsch abzustimmen. Es ist kaltes regnerisches Wetter, und ängstige ich mich, dass es zur Reise ebenso sein könnte. Soll ich Dir auch noch warme Kleidungsstücke von Schönhausen besorgen, oder hast Du alles dort, Pelz und dergleichen? Des Kindchens Unwohlsein wird ja so lange nicht anhalten, und was gar Deine Cholera-Angst betrifft, so habe ich noch nie davon gehört, dass kleine Kinder an der Brust davon befallen werden; wer weiß, was Louise sich für eine Räubergeschichte hat aufbinden lassen, die sie Dir erzählt hat … Alle Frauenzimmer sind immer glücklich, wenn sie andre in Angst und Schrecken setzen können; es ist bloßer Neid auf Dein niedliches Kind.

Sie sehen hier an diesem Beispiel, dass Lesen bildet und dass sich Geschichte teilweise doch wiederholen kann. Man muss nur die Begrifflichkeiten etwas an die heutige Zeit anpassen.

Darum unterstützen wir in diesem Punkt den Gesetzentwurf der FDP zur Stärkung der öffentlichen Bibliotheken; denn auch wir sind für die Öffnung der Bibliotheken an Wochenenden. Nur so wird es möglich sein, dass die Bürger sich stärker mit den Schriften unserer Vorväter – wie dem gerade zitierten Otto von Bismarck – auseinandersetzen.

Gerade die Stärkung dieses Bildungsgutes wird viele, die sich im Hamsterrad der Leistung und des Konsums gefangen sehen, wieder geistig frei machen – frei von Lug und Trug der Regierenden.

(Beifall AfD)

Denn wir alle wollen eines nicht, wie es der preußische Innenminister Gustav Adolf Rochus von Rochow 1838 als Reaktion auf einen der Göttinger Sieben formulierte.

(Zuruf: Das ist Sozialpolitik!)

Ich zitiere ihn:

Es ziemt dem Untertanen … nicht, die Handlungen des Staatsoberhauptes an den Maßstab seiner beschränkten Einsicht anzulegen und sich in dünkelhaftem Übermute ein öffentliches Urteil über die Rechtmäßigkeit derselben anzumaßen.

Kommt Ihnen das nicht bekannt vor?

(Beifall AfD)

Damit das Kulturgut aber auch ein solches bleibt, darf es nicht verramscht werden. Denn das haben die sozialisierten Freien Demokraten vor, indem sie mit ihrem Änderungsantrag auf Mahn- und Strafgebühren verzichten wollen.

Wir wollen und werden keinen weiteren Sozialismus wagen. Denn wohin der richtige Satz Albert Einsteins „Was nichts kostet, ist nichts wert“ führte, hat die DDR deutlich gezeigt. Daher müssen wir letztlich den Gesetzentwurf ablehnen. – Vielen Dank.

(Beifall AfD)

Vielen Dank, Herr Dr. Grobe. – Nächster Redner ist Kollege Frank Steinraths, Fraktion der CDU.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, werte Kollegen! Bereits in der ersten und zweiten Lesung haben wir uns mit dem vorliegenden Gesetzentwurf befasst. Die Mängel kamen dabei zutage und wurden aufgelistet: erstens die nicht durchdachte kostenlose Ausleihe ohne Aufzeigen einer Gegenfinanzierung bzw. die prinzipiell kostenlose Nutzung von Büchereien. Der Zugang zu Bibliotheken ist bereits umsonst. Gegen eine Schutzgebühr bei der Ausleihe spricht darüber hinaus nichts. Bibliotheken oder Büchereien können auch selbst entscheiden, wie sie es machen wollen. In letzter Zeit wird auch mehr Gebrauch von der Onlineausleihe gemacht; da wird sogar das Buch automatisch gesperrt und ist wieder zum Leihen frei.