Protokoll der Sitzung vom 06.02.2025

Entschlossen gegen Desinformation – Drucks. 21/1578 –

Das ist der Setzpunkt der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Er wird zusammen mit Tagesordnungspunkt 44 aufgerufen:

Dringlicher Entschließungsantrag

Fraktion der CDU, Fraktion der SPD

Starke Demokratie braucht starke Demokratinnen und Demokraten – Hessen tritt Fake News, Extremismus und Intoleranz entschlossen entgegen – Drucks. 21/1617 –

Angesichts dessen, dass es der Setzpunkt der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ist, steht Frau Abgeordnete Klaes schon bereit. Zehn Minuten Redezeit. Ich gebe Ihnen das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Abgeordnete! Die Demokratie braucht Fakten. Die Freiheit braucht Fakten. Wenn nichts mehr wahr ist, wenn alles nur noch subjektive Empfindungen sind, wenn die Wahrheit und die Wissenschaft keine Rolle mehr spielen, dann haben Autokraten, Populisten und Faschisten ein leichtes Spiel. Die Desinformation ist eine hybride Bedrohung. Sie darf nicht nur als Informations- und Sicherheitsproblem verstanden werden. Vielmehr sind das gezielte Angriffe auf die Demokratie und auf uns alle.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und vereinzelt CDU)

Wir beobachten seit Jahren, dass Desinformationskampagnen durch populistische Rechtsextreme oder auch durch ausländische Akteurinnen und Akteure dazu beitragen, die demokratischen Strukturen zu destabilisieren. Sie zersetzen bewusst und gezielt das Vertrauen in den Staat, die Wissenschaft und die Medien. Sicherheitsexpertinnen und -experten ordnen deshalb die Desinformation als die größte Gefahr für unsere Welt in den kommenden Jahren ein. Sie gehen davon aus, dass vor allem Deutschland mit am stärksten von Desinformationskampagnen betroffen sein wird.

Die rasante Entwicklung der künstlichen Intelligenz macht es immer leichter und billiger, Fake News zu produzieren und zu verbreiten. Insbesondere durch technische Manipulationen wie Deepfake und gefälschte Nutzerkonten wird die öffentliche Meinung gezielt beeinflusst. Seit 2017, mit dem Beginn der ersten Amtszeit von Donald Trump, sind Desinformationen leider normal geworden. Sie gehören zum politischen Stil und werden seitdem weltweit zum Angriff auf liberale Demokratien genutzt.

Wir können nur ahnen, was da noch alles auf uns zukommt. Mit dem Beginn der Corona-Pandemie wurden gezielt Desinformationen weltweit verbreitet. Antisemitische Verschwörungsmythen wurden zum Geschäft der Populisten. Seit dem schrecklichen Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine werden bewusst falsche Informationen verbreitet. Desinformation ist Teil der hybriden Kriegsführung Russlands geworden. Erst gestern gab es dazu wieder eine Eilmeldung. Das hat zum Ziel, unsere Gesellschaft nach innen und außen zu spalten.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Antidemokratische Staaten werden nie demokratisch handeln. Denn sie wollen die demokratischen Staaten zerstören. Rechtsextreme und islamistische Influencer verbreiten

in den sozialen Medien gezielt extremistische Hetze. Sie rufen oft zur Gewalt auf.

Dann gibt es noch Elon Musk, der mit seinem „X“ seit Jahren im digitalen Raum für mehr Hass und Hetze verantwortlich ist. Mark Zuckerberg will zukünftig die Zusammenarbeit mit Faktencheck beenden.

Durch die Abhängigkeit digitaler Kommunikationskanäle von den reichsten Menschen der Welt ist unsere Informationsfreiheit massiv bedroht. Das geschieht gerade in Zeiten des Wahlkampfs und des Erstarkens rechtsextremer Parteien. Insbesondere antidemokratische Nutzerinnen und Nutzer beeinflussen die politische Stimmung durch Desinformationen, indem sie mit Wut gegen Politikerinnen und Politiker, Jüdinnen und Juden, Musliminnen und Muslime und gegen Asylsuchende hetzen.

Eine Partei ganz rechts außen profitiert natürlich am meisten davon. Sie ist Teil der Gefahr. Das haben wir gerade gehört. Die AfD ist der parlamentarische Arm für Desinformationskampagnen. Sie ist das Sprachrohr für Autokraten. Seit Neuestem ist sie das auch für den Milliardär Elon Musk.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Über diese von ihnen ausgehende Gefahr hören wir doch jeden Tag. Wir können uns an jedem Tag zu jeder Zeit informieren und sind täglich online. Hinter den vielen Reels und Posts verstecken sich leider immer häufiger Desinformationen. Leider erkennen das viele Menschen auf den ersten Blick nicht. Das bestätigen auch die neuesten Zahlen. Demzufolge erkennen weniger als die Hälfte der Jugendlichen Fake News. Das ist aber nicht nur ein Problem der Jugendlichen. Das ist ein gesamtgesellschaftliches Problem.

Die große Mehrheit der Deutschen sieht die Verbreitung von Desinformationen im Internet als ein erhebliches gesellschaftliches Risiko an. Deswegen ist es dringend an der Zeit, mit wirksamen Maßnahmen gegen die Desinformation vorzugehen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir begrüßen es ausdrücklich, dass der Innenminister diese Gefahr ernst nimmt. Wir wollen mit unserem Antrag ein Angebot machen. Wir wollen das Angebot machen, dass wir als Demokratinnen und Demokraten geschlossen gemeinsam gegen Desinformationen vorgehen. Denn es ist höchste Zeit, zu handeln. Wir brauchen zur Sicherung unserer Demokratie und im Interesse unserer eigenen Stabilität den Schulterschluss aller demokratischen Parteien.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und verein- zelt SPD)

Wir fordern für die Schülerinnen und Schüler, aber auch für die Lehrkräfte eine digitale Bildungs- und Medienkompetenzstrategie gegen Desinformation. Wir fordern mehr politische Bildung und Demokratieförderung. Kürzungen hätten dramatische Folgen.

Die Sicherheitsbehörden müssen personell und materiell stärker und vor allem zeitgemäß aufgestellt werden. Wir müssen den Fokus gezielt auf digitale Gewalt, Cyberangriffe aus dem Ausland und extremistische Propaganda legen. Die Behörden müssen endlich viel intensiver miteinander arbeiten. Sie müssen kommunizieren und die Gefahren rechtzeitig erkennen.

Wir wollen eine Taskforce mit Experten aus dem Bereich IT-Sicherheit, der Strafverfolgung, der Wissenschaft und der Zivilgesellschaft zur Bekämpfung der Desinformation im Netz einrichten. Sie sollen gemeinsam konkrete Handlungsempfehlungen erarbeiten.

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk muss weiterhin eine zentrale Säule der freien Meinungsbildung bleiben. Der Journalismus muss in Hessen weiter gestärkt werden.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vor allem muss eine ausgewogene Berichterstattung gefördert und es muss der Desinformation entgegengewirkt werden. Denn gerade der öffentliche Rundfunk wird ständig von Antidemokraten angegriffen, obwohl sie ständig eine Bühne bekommen.

Wir wollen, dass die landesweite Meldestelle „Hessen gegen Hetze“ ausgebaut wird. Es müssen auch die Beratungsstellen für die Opfer von Hass und Hetze im Netz sowie auf der Straße gestärkt werden. Denn der digitale Hass wird immer lauter und aggressiver. Da dürfen wir die Betroffenen nicht alleine lassen.

Außerdem braucht es eine stärkere und transparente Regulierung der Plattformen. Das Internet ist und darf kein rechtsfreier Raum sein. Auch da müssen die Gesetze und das Recht eingehalten werden. Plattformen wie X und Meta müssen stärker denn je in die Verantwortung genommen werden. Wenn Volksverhetzung und extremistische Parolen sowie Codes im digitalen Raum täglich verbreitet werden, muss das verfolgt und bestraft werden. Wir haben die Gesetze dafür. Sie müssen einfach auch auf das Netz angewendet werden.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Alle politischen Akteurinnen und Akteure auf europäischer, Bundes- und Landesebene müssen sich bei Social Media für strengere Regelungen einsetzen. Der Digital Services Act ist ein wichtiger Schritt. Er muss ernsthaft umgesetzt werden.

Wir wollen ein hessenweites Pilotprojekt digitale Streetworker. Denn die Jugendarbeit vor Ort und im digitalen Raum muss weiter gestärkt werden. Wir wissen, dass sich Jugendliche durch das Netz radikalisieren. Sie werden für Desinformationen immer anfälliger. Gerade im Internet müssen die Jugendlichen geschützt, begleitet und aufgeklärt werden. Da können digitale Streetworker eine wichtige Anlaufstelle sein, um einer weiteren Radikalisierung vorzubeugen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es gibt kein Allheilmittel. Der Schlüssel ist eine Mixtur an umfassenden Maßnahmen. Sie sind sowohl präventiv als auch repressiv. Dazu haben wir GRÜNE heute etwas vorgelegt. Wir sind auf die Zusammenarbeit gespannt. Die Fraktionen der SPD und der CDU haben jetzt auch einen Dringlichen Entschließungsantrag dazu eingebracht.

Ich komme bald zum Schluss meiner Rede. Wer Desinformationen sät, will Chaos ernten. Wer unsere Demokratie retten will, muss an die Algorithmen heran. Vor allem muss er sich konsequent und ohne Aber gegen die Autokraten, Populisten und Faschisten stellen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und verein- zelt SPD)

Zum Schluss will ich noch einen kleinen Appell an die Mitglieder der CDU-Fraktion richten. Ich würde mir wirklich gut überlegen, mit wem man für welchen Zweck zusammenarbeitet. Wir haben es gerade gehört. Sie hören das den ganzen Tag. Es wird gehetzt. Es wird gelacht. Der Staat wird ständig schlechtgeredet. Sie werden das gleich noch hören: Was ich erzähle und was Sie erzählen, ist alles Quatsch. Ich als grün-links versiffte Frau habe eh keine Ahnung.

Überlegen Sie sich das. Diese Partei ist der Grund für den Anstieg der Desinformation, des Hasses und der Hetze. Diese Partei kann nur Hass. Diese Partei arbeitet nicht für Deutschland. Sie arbeitet schon gar nicht für unsere Demokratie. Denken Sie also bitte noch einmal nach.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich möchte noch einen kleinen Apell sagen. Schade, dass die beiden nicht da sind. Minister Mansoori und Ministerpräsident Rhein haben uns, der Opposition, zweimal vorgeworfen, wir würden mit Fake News umgehen. Jetzt sind sie leider nicht da. Ich will einen Appell an beide richten. Ich würde aufpassen, mit welcher Sprache ich etwas sage. Denn „Fake News“ ist eine gefährliche Sprache. Das relativiert, was wir für eine Gefahr damit haben. Das ist für dieses Haus nicht vorbildhaft.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf)

Hören Sie sich das doch an. Irgendwie mache ich etwas richtig. Sie flippen bei mir immer aus. Offensichtlich sage ich immer das Richtige. Das triggert Sie offensichtlich.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Frau Abgeordnete Klaes, Sie müssen zum Schluss kommen.

Ich komme zum Schluss. – Um autoritäre Tendenzen und Desinformation eindämmen zu können, braucht es vereinte Kräfte, vor allem demokratische Kräfte. Liebe Kolleginnen und Kollegen, deswegen lassen Sie uns doch bitte bei diesem Thema zusammenarbeiten. – Vielen Dank.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Als nächstem Redner erteile ich Herrn Abgeordneten Bellino das Wort. – Ich bitte um etwas mehr Ruhe im Saal.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Vorweg: Ich bin sicher, dass gerade bei diesem Thema und gerade auch in diesen Zeiten die demokratischen Fraktionen in diesem Haus mehr eint als trennt.

(Robert Lambrou (AfD): Wir sind auch demokratisch, Herr Bellino!)